Protocol of the Session on December 13, 2002

Neben der Aufhebung des Richtervorbehaltes ist mit der vorgesehenen Änderung des § 31 SOG beabsichtigt, die Rasterfahndung zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, zum Beispiel gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, in den Fällen zu ermöglichen, in denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass das zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich und auf andere Weise nicht möglich ist.

Bereits vor Jahren hat die CDU-Fraktion mit einem Gesetzentwurf entsprechende Änderungen mit gleicher Zielsetzung gefordert. Ich hoffe, von der Opposition folgt wenigstens die SPD-Fraktion nunmehr diesem Weg, insbesondere deshalb, weil auch Herr Schily - wie schon ausgeführt - zum Richtervorbehalt ganz klar Stellung bezogen hat. Die Änderung entspricht im Übrigen auch der Empfehlung der Innenministerkonferenz, hinsichtlich der Einschreitschwelle nicht an die Gegenwärtigkeit einer Gefahrensituation anzuknüpfen.

Ich hoffe, dass die von der Landesregierung vorgeschlagenen Änderungen des § 31 SOG auch für die Opposition eine akzeptable Lösung darstellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich kurz auf die in § 36 SOG vorgesehenen Änderungen eingehen. Mit den vorgesehenen Änderungen in Absatz 2 soll erreicht werden, dass die Platzver

weisung zukünftig gegenüber allen Personen ausgesprochen werden kann, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in einem bestimmten Bereich Straftaten begehen werden. Die bisherigen Voraussetzungen, dass es sich um eine ganz bestimmte, geradezu wahllos ausgesuchte Straftat handeln muss, entsprechen nicht dem Sicherheitsbedürfnis großer Teile der Bevölkerung und den Anforderungen an ein wirksames Instrumentarium zur Gefahrenabwehr.

Das gilt umso mehr für die vollkommen unzureichenden Höchstfristen von vier bis 14 Tagen. Es will wohl niemand allen Ernstes vortragen, dass man mit einer Platzverweisung von 14 Tagen einen Drogendealer wirkungsvoll von seiner Kundschaft trennen könnte. Hierbei müssen wir ohne ideologische Scheuklappen zu den Fristen greifen, die die Rechtsprechung in anderen Bundesländern längst gebilligt hat. Die vorgeschlagene Regelung entspricht - darauf weise ich ergänzend hin - anderen Polizeigesetzen, in denen der Platzverweis ausdrücklich geregelt ist.

(Zuruf von Herrn Gärtner, PDS)

Mit dem neuen § 36 Abs. 3 SOG, der ein ausdrückliches Wegweisungsrecht in Fällen häuslicher Gewalt ermöglicht, soll der Schutz der in ihrem Haus von Gewalt betroffenen Personen verbessert werden. Mit Recht wird eine solche Regelung gefordert.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Jetzt nicht. - Ich fände es gut, wenn die Vorschläge zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung möglichst kurzfristig dem Landtag zur abschließenden Beratung und Entscheidung vorgelegt würden. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie jetzt eine Frage von Herrn Gallert? - Bitte, Herr Gallert.

Sie sprechen bei der Erteilung des Platzverweises ausdrücklich von Drogendealern. Herr Minister, wenn es sich dabei um juristisch überführte Drogendealer handelt, ist das sicherlich kein Problem. Aber Sie sprechen von Personen, bei denen die Vermutung besteht, dass es Drogendealer seien. Aufgrund dieser Vermutung würde man einen Platzverweis von einem Jahr aussprechen.

Herr Gallert, wenn Sie sich in der Praxis umgeschaut haben, dann müssten auch Sie wissen, dass überführte Drogendealer noch eine ganze Weile draußen herumlaufen und ihren Geschäften weiterhin nachgehen. Um diese Personen geht es.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Bevor ich dem ersten Debattenredner das Wort erteile, habe ich die Freude, eine Gruppe des Seniorenklubs Bitterfeld und Umgebung sowie der Volkshochschule Wolfen zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich erteile als Erstem dem Abgeordneten Herrn Rothe für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einbringung der SOG-Novelle durch den Herrn Innenminister begrüße ich, weil sie uns Gelegenheit gibt, in den Ausschüssen endlich mit den inhaltlichen Beratungen über die Gesetzentwürfe zu beginnen, die die SPD-Fraktion vor der Sommerpause eingebracht hat. Ich meine das „Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt“ in der Drs. 4/15 und das „Gesetz zur Rasterfahndung bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ in der Drs. 4/63.

Beim Thema häusliche Gewalt hat eine erfreuliche Annäherung der Standpunkte zwischen den Fraktionen stattgefunden. Von konservativer Seite wird mittlerweile anerkannt, dass eine spezialgesetzliche Ermächtigung zur Wegweisung gewalttätiger Partner aus der Wohnung sinnvoll ist. Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob es sich nur um die Klarstellung einer schon vorhandenen Eingriffsbefugnis handelt oder ob nach der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes die Tiefe des Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung eine Spezialnorm erfordert.

Die Gesetzesänderung wird dazu führen, dass von der Möglichkeit der Wegweisung häufiger Gebrauch gemacht wird. Das ist von der Sache her geboten, wenn man bedenkt, dass allein im Bereich der Polizeidirektion Halle jährlich mehrere hundert Fälle von häuslicher Gewalt zur Anzeige kommen.

Leider haben sich nach der Freigabe des Regierungsentwurfs zur Anhörung die Regierungsvertreter bislang als beratungsresistent erwiesen. Der Landesfrauenrat hat vergeblich kritisiert, dass nach Ihrem Gesetzentwurf, Herr Minister, neben der Polizei auch die Sicherheitsbehörden zuständig gemacht werden sollen, die Wegweisung und das Betretungsverbot an die Schläger auszusprechen.

Zur Erläuterung für die Kollegen muss ich erwähnen, dass im SOG der Austausch des Begriffs „Verwaltungsbehörden“ gegen den Begriff „Sicherheitsbehörden“ vorgesehen ist und dabei den meisten Platz in dieser Novelle beansprucht. Dafür gibt es zwar keinen vernünftigen Grund, aber die vielen Umbenennungen rechtfertigen die dann erforderliche Neubekanntmachung des SOG, sodass dann jedermann wissen wird, wann ein neues Zeitalter der inneren Sicherheit in Sachsen-Anhalt begonnen hat.

Die Einräumung der Befugnis zur Wegweisung an jede Verwaltungsgemeinschaft bedeutet ein Risiko. Ich frage: Ist das ernsthaft gewollt?

Bei der Bemessung der Frist der Wegweisung sind die bereits vorliegenden Erfahrungen mit dem Gewaltschutzgesetz des Bundes einzubeziehen. Wir sind der Auffas

sung, dass der Entwurf der SPD-Fraktion mit Blick auf den hohen Rang der Unverletzlichkeit der Wohnung angemessen differenzierte Regelungen enthält, die Ihr Entwurf leider vermissen lässt.

Meine Damen und Herren! Höchst kontrovers bleibt das Thema Rasterfahndung. Als im Juli die SPD-Fraktion ihren Entwurf eines Gesetzes zur Rasterfahndung bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus in den Landtag einbrachte, kritisierte Kollege Kosmehl als Sprecher der FDP-Fraktion die vorgeschlagene Änderung mit deutlichen Worten.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Ja, ja!)

Sie sagten, die Angst vor dem Terrorismus dürfe nicht dazu missbraucht werden, Vorhaben durchzusetzen, die über das notwendige Maß hinaus in die Freiheitsrechte eingreifen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Die Anforderungen an die Anordnung einer Rasterfahndung zu verringern sei nicht zu rechtfertigen. - So weit zu Ihrer Kritik, Herr Kosmehl, an unserem Gesetz zur Rasterfahndung, das den Richtervorbehalt beibehält und das nur für den Anwendungsfall des internationalen Terrorismus die Eingriffsschwelle absenkt.

Mittlerweile ist die FDP-Fraktion in Richtung CDU-Fraktion umgefallen. Herr Kosmehl erklärte zwischenzeitlich, er könne sich vorstellen, auf den Richtervorbehalt zu verzichten, wenn der Anwendungsbereich auf die Bekämpfung des Terrorismus beschränkt bleibe. - Nun steht aber wieder der Katalog sämtlicher Straftaten von allgemeiner Bedeutung im Gesetzentwurf.

(Herr Kosmehl, FDP: Von erheblicher Bedeu- tung!)

Der wird auch durch die qualifizierenden Zusätze nicht wirklich eingeschränkt. - Sie haben etwas dazwischengerufen, Herr Kollege?

(Herr Kosmehl, FDP: Von erheblicher Bedeutung, nicht von allgemeiner Bedeutung!)

- Von erheblicher Bedeutung, Sie haben Recht. Ich habe mich versprochen. - Aber es geht doch mit dieser von Ihnen ergänzten Formulierung um weit mehr als um Terrorismusabwehr. Damit sind Sie eingeknickt, Herr Kosmehl.

Wenn Sie erlauben, dass ich Ihren Werdegang mal zusammenfasse: Erst fiel Ihnen ein, gegen den SPD-Entwurf zu sein. Damit fielen Sie auf.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Ja!)

Dann fielen Sie um. Und jetzt sind die Treppe raufgefallen, Herr stellvertretender Fraktionsvorsitzender - eine liberale Karriere.

(Herr Scharf, CDU: Er hat sich nur an die Koali- tionsvereinbarung gehalten!)

Zur Ehrenrettung der FDP will ich aber nicht unerwähnt lassen, dass auch die CDU Federn lassen musste. In ihrem Wahlkampfpapier vom 27. November 2001 mit der schönen Überschrift „Zeit für mehr Sicherheit“ heißt es, die CDU Sachsen-Anhalt mache Ernst mit dem Schutz potenzieller und tatsächlicher Opfer. Deshalb fordere die CDU, dass die Befugnis der Polizei zu verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen deutlich gestärkt wird. Ausdrücklich heißt es, das werde die

CDU bei Übernahme der Regierungsverantwortung auch durchsetzen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Tja!)

Zu den Forderungen der CDU, die in der vergangenen Legislaturperiode zu Recht keine Mehrheit fanden, gehörte es, diese Kontrollen statt nur auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen im gesamten öffentlichen Verkehrsraum durchzuführen, Herr Minister Becker.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Tja, Herr Becker!)

Sie haben mir damals zugerufen: „Sie müssen noch viel lernen, Herr Rothe!“

(Herr Dr. Püchel, SPD: Er lernt auch noch!)

Darüber hinaus wollten Sie die Befugnis zur ereignis- und verdachtsunabhängigen Identitätsfeststellung. Beides haben Sie bedauerlicherweise auf dem schwarzgelben Altar geopfert - um mal eine Formulierung von Herrn Dr. Bergner zu variieren. Und das ist dann doch offenbar dem Einfluss der FDP zu danken, Herr Kosmehl.

Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Rothe.

Frau Präsidentin, ich gehe davon aus, dass ich zehn Minuten Redezeit habe. Hier waren aber nur fünf Minuten angezeigt.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Zehn Minuten!)