Dabei werden die Schwächeren - dazu zählt bekannterweise auch Sachsen-Anhalt - zuallererst und mit der ganzen negativen Energie getroffen. Selbst die sozialdemokratische Spitze in Sachsen-Anhalt - das fand ich sehr interessant und Püchel-ehrlich - sprach in der Presse von einem verpatzten Start des Bundeskanzlers. Mir ist klar, dass Sie damit sehr weit gegangen sind. Manche sagen auch: Der Kanzler wird müde. Er muss zur Jagd getragen werden. Vorgestern soll er sogar mit Rücktritt gedroht haben.
Doch es ist weit mehr als ein verpatzter Start. Die Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren, wird falsch regiert und die Menschen müssen es ausbaden.
Karl Schiller, der in der Sozialdemokratie nicht ganz unbekannt sein dürfte, hat bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts dringend Steuersenkungen empfohlen. Doch Rot-Grün von heute macht genau
das Gegenteil. Sie erhöhen die Steuern und nennen das dann Abbau von Steuerprivilegien. Ökonomisch gesehen entziehen Sie den Bürgern und Unternehmen mit Ihrem Privileggesetz zusätzlich weitere Kaufkraft und Investitionsmittel.
Der versammelte wirtschaftswissenschaftliche Sachverstand in Deutschland hält diesen rot-grünen Steuerkurs für fatal. Die Konjunkturforscher schreiben im Herbstgutachten - ich zitiere, Herr Präsident -: „Die Koalitionsvereinbarungen zur Anhebung von Steuern und Sozialabgaben sind das Gegenteil dessen, was wachstumspolitisch geboten ist.“
Nur der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Müntefering, meinte erst in den letzten Tagen, es sei noch nicht genug, und forderte allen Ernstes Konsumverzicht für mehr Staat. Karl Schiller würde sich im Grabe umdrehen, und dem Kanzler ist offensichtlich die Hutschnur geplatzt.
Die Menschen in Deutschland sind über alle Maßen verunsichert. Das beste Beispiel ist die Vermögensteuer: Der Kanzler sagt nein. Der niedersächsische Ministerpräsident Herr Gabriel sagt: Interessiert mich nicht. Ich brauche diese Neidsteuerdiskussion für meinen Wahlkampf. - Herr Müntefering will am liebsten die Mehrwertsteuer erhöhen und sagt deshalb auch im Hinblick auf die Erhebung der Vermögensteuer ein deutliches Vielleicht.
Meine Damen und Herren! So kann man in Deutschland nicht regieren. Die SPD ist zurzeit auf Bundesebene nicht regierungsfähig und ihr grüner Partner ist ihr dabei keine Hilfe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum 1. Januar werden die Steuern und Abgaben nochmals um insgesamt 17 Milliarden € erhöht werden. Ich will und kann auf die vielen wichtigen Einzelbereiche und deren unmittelbare Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt nicht mehr eingehen. Kollege Tullner hat es bereits sehr anschaulich dargestellt.
Ich zähle nur noch einmal auf: misslungene Steuerreform - jeder kann sich noch daran erinnern: Bevorteilung der großen Kapitalgesellschaften und Benachteiligung des Mittelstands -, Überregulierung des Arbeitsmarktes, die auch als gigantisches Beschäftigungsverhinderungsprogramm bezeichnet wird, geplante Mindestbesteuerung für Körperschaften und Personengesellschaften - das trifft vor allem die eigenkapitalschwache ostdeutsche Wirtschaft -, nicht finanzierbare und staatlich völlig überfrachtete soziale Sicherungssysteme, Ökosteuer, drastische Kürzung der Eigenheimzulage, Scheinselbständigkeit, scheinheilige Debatten über Vermögen- und Erbschaftsteuer usw., meine Damen und Herren.
Am Ende bleibt: Die großen Verlierer dieser völlig verfehlten Politik der amtierenden Bundesregierung sind die Menschen und vor allem die Menschen in den neuen Bundesländern. Die Stellschrauben stehen bei uns im Osten überall am Anschlag, bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, bei der Arbeitslosigkeit und bei der Einkommenssituation des Einzelnen. Das sind, meine Damen und Herren, die nackten Tatsachen.
Widrigkeiten zum Trotz unsere klare Politik der Konsolidierung und des Wirtschaftswachstums beibehalten und fortsetzen, so wie es Minister Paqué vorhin dargestellt hat. Das werden wir auch - die Botschaft geht wieder an Herrn Püchel - in den anstehenden weiß Gott schwierigen Haushaltsberatungen 2003 unter Beweis stellen. - Herzlichen Dank.
Lieber Herr Kollege, Sie haben mehrere Botschaften an mich ausgesandt. Jetzt kommen deswegen natürlich die Fragen. Zum einen: Wenn Sie gegen den Abbau der Subventionen sind, die vorgeschlagen worden sind, welche Subvention würden Sie abbauen?
Zum Zweiten: Wenn Sie sich durchgesetzt hätten mit Ihrer Forderung, die Staatsquote auf 35 % abzusenken, wie hätten Sie die Einnahmeverluste ausgeglichen, um überhaupt einen Landeshaushalt aufstellen zu können?
Darauf kann ich wieder nur mit Karl Schiller antworten: Die FDP wäre für drastische Steuersenkungen eingetreten; Steuersenkungen sind das beste Mittel, um die Konjunktur anzukurbeln. Damit wären die Probleme sicherlich zu lösen gewesen, Herr Püchel.
Herzlichen Dank, Herr Lukowitz. - Meine Damen und Herren! Für die PDS-Fraktion erteile ich nun der Abgeordneten Frau Dr. Weiher das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Weiher.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An der Situation in Sachsen-Anhalt gibt es nichts zu beschönigen. Sie ist schlecht. Die Lage im Land und in seinen Kommunen ist dramatisch, und zwar nicht nur in finanzieller Hinsicht. Die Steuerschätzungen in Deutschland wurden seit 2001 in einem bisher nicht gekannten Ausmaß nach unten korrigiert. Nach der Novemberschätzung sind von dem vorhergesagten Gesamtsteueraufkommen in Höhe von 474 Milliarden € gerade einmal 439 Milliarden € übrig geblieben. Die Höhe der Mindereinnahmen für Sachsen-Anhalt ist Ihnen bekannt.
Darüber hinaus überträgt der Bund in den letzten Jahren vermehrt Aufgaben auf die Länder, aber ohne die entsprechenden finanziellen Mittel. Die Länder ihrerseits machen das Gleiche mit den Kommunen. Nun, die Letzten beißen die Hunde.
Aber mittlerweile beißen die Hunde auch den Bund und die Länder, beispielsweise Sachsen-Anhalt: Der geplante Haushalt für das nächste Jahr umfasst 10,5 Milliarden €, der Schuldenberg ist bereits auf 50 % mehr angewachsen. Der Nachtragshaushalt in diesem Jahr hat zu einer Überschreitung der verfassungsmäßigen Obergrenze der Neuverschuldung geführt.
Die Politik insgesamt steht vor einem Scherbenhaufen; denn vor der gleichen Situation stehen Länder wie das SPD-geführte Niedersachsen, das CDU-geführte Saarland oder durch Koalitionen geprägte Länder wie Schleswig-Holstein, Hessen, Berlin, Brandenburg und Bremen. Nur Bayern gelingt es noch, durch die Inanspruchnahme von Rücklagen seinen Haushalt in den Griff zu bekommen. Wie lange das noch möglich sein wird, weiß niemand.
In Sachsen-Anhalt geht es nicht mehr um das Verteilen, sondern nur noch um das Einsparen, insbesondere im sozialen Bereich. So jedenfalls will es uns die CDUFDP-Regierung suggerieren, deren einziger Ausweg aus dieser Situation darin besteht: Konsolidierung des Haushalts durch Angleichung nach unten, also kürzen. - Es gibt Alternativen dazu, doch dazu später.
Wer hat nun Schuld an diesem Dilemma? Ist es einzig und allein die Bundesregierung, die in der Öffentlichkeit am Pranger steht und, wenn heute Bundestagswahl wäre, wohl ihr Waterloo erleben würde?
Ganz sicher hat die Regierung unter Schröder insbesondere mit ihrer im Sommer 2000 beschlossenen Steuerreform, die die damalige Landesregierung im Übrigen mittrug, wofür sie von uns stark kritisiert wurde, zu einer gnadenlosen Verschärfung der Situation beigetragen. Der Grundstein dafür wurde aber bereits zu Zeiten der Kohl-Regierung mit der damaligen Steuerpolitik gelegt. Die Abschaffung der Vermögensteuer und die Reduzierung der Erbschaftsteuer geschahen zu Kohls Zeiten.
Die uns nun die Luft nehmenden starren MaastrichtKriterien sind vor allem auf Druck der Kohl-Regierung zustande gekommen, weil man offensichtlich glaubte, an Deutschland gingen konjunkturelle Schwächen vorbei.
In die 16 Jahre der Kohl-Regierung fällt auch eine Reihe von massiven Steuerentlastungen für Unternehmen und Vermögende. Allein in der Zeit von 1980 bis Mitte der 90er-Jahre ist die Belastungsquote für Einkommen genau dieser Gruppe um 15 % gesunken, der Anteil der Lohnsteuer am Bruttoeinkommen aus nichtselbständiger Arbeit dagegen um 3 % gestiegen. Genau diese Umverteilung der Belastung von oben nach unten und der Gewinne von unten nach oben hat trotz der Versprechungen beim Regierungswechsel zu Rot-Grün kein Ende gefunden.
Es ist durchaus anerkennenswert, dass die Bundesregierung in den letzten Jahren versucht hat, die privaten Haushalte von direkten Steuern zu entlasten. Aber diese Entlastung ist längst aufgefressen worden durch eine Zunahme der indirekten Steuern, wie Ökosteuer, Tabaksteuer, Versicherungssteuer, sowie durch steigende Sozialbeiträge bei gleichzeitiger Kürzung der öffentlichen Ausgaben.
Großunternehmen, Kapitalgesellschaften, Banken und Versicherungen sind mit großzügigen Geschenken, etwa der Freistellung der Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften oder der Senkung der Körperschaftsteuer, bedacht worden, um - wie es so schön heißt - die
Im gleichen Atemzug ist der Umfang der Einnahmen der öffentlichen Haushalte dramatisch gesunken. Allein durch den Länderfinanzausgleich werden uns in den nächsten fünf Jahren Mittel im Umfang von 700 Millionen € fehlen. Die Situation in den Kommunen ist ähnlich: Nicht nur die eigenen Steuereinnahmen verringern sich erneut um 4 %, auch die Einnahmen aus dem Finanzausgleich werden bis 2006 um 750 Millionen € sinken. Dies wird im Übrigen durch das Haushaltssanierungsgesetz der jetzigen Landesregierung forciert.
Die Auswirkung der Steuerreform zeigt sich besonders deutlich an der Entwicklung des Körperschaftsteueraufkommens. Ist dies bis zum Jahr 2000 noch auf 23 Milliarden DM gestiegen, so schloss das Jahr 2001 erstmalig mit einem Negativsaldo ab. Die Finanzämter mussten den Unternehmen 400 Millionen € mehr zurückerstatten, als sie von diesen erhalten hatten. Diese Entwicklung wird sich in diesem Jahr fortsetzen; nur ein Bruchteil der geplanten Einnahmen wird letztlich erzielt werden.
Die Einnahmen brechen aber nicht allein infolge der Steuergesetzgebung weg. Als weitere wesentliche Ursache der desaströsen Entwicklung gilt die miese wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik, die zusätzlich von Einbrüchen bei der Gewerbe-, der Umsatz- und der Lohnsteuer begleitet wird. So weist das Herbstgutachten der sechs Wirtschaftsinstitute vom Oktober 2002 auf drei Gründe für die niedrigen Steuereinnahmen hin: Ausfälle infolge der Steuerreform, überzogene Erwartungen bei Einnahmen durch das Zurückdrängen von Steuerbetrug und schwache Konjunktur mit nur geringen Wachstumsaussichten.
Es hilft uns in dieser Situation auch wenig, dass Sachsen-Anhalt mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,6 % gegenüber dem Vorjahr an vierter Stelle im Vergleich aller Bundesländer liegt. Das löst bei dem Einbruch insgesamt keine Probleme, genauso wenig wie die halbherzigen Versuche der Bundesregierung, über ein Steuervergünstigungsabbaugesetz zu einer Reform der Reform zu kommen.
Die Frage wird sein, ob die 16 Gesetzes- und Verordnungsänderungen wirklich den erwarteten Effekt bringen. Ich sage ihnen gern, was Herr Kempf von PricewaterhouseCoopers über die Abschaffung der gewerbesteuerlichen Organschaft durch dieses Gesetz denkt - ich zitiere -:
„Die Geschäfte müssen im Konzern so verteilt werden, dass Verluste, die nicht verrechnet werden können, gar nicht erst entstehen, und Gewinne vor allem in den Gemeinden mit niedrigem Hebesatz anfallen.“
Nachzulesen ist dies in der „Wirtschaftswoche“ Nr. 49 mit weiteren Beispielen dafür, wie man sich erfolgreich um die Steuerzahlung drückt.
Die Einnahmen werden nicht in den geplanten Größenordnungen zu erzielen sein und in weiteren Bereichen sollen Zuschüsse abgesenkt werden. Wie soll SachsenAnhalt die für das nächste Jahr geplante Kürzung um 350 Millionen € im Arbeitsmarktbereich kompensieren? Mit 20 000 Arbeitslosen mehr? An dieser Stelle kann es nur Protest geben.
Wir sollten aber nicht glauben, dass es den Ländern und Kommunen mit Schwarz-Gelb an der Spitze besser ge
gangen wäre. Nehmen wir doch einmal die CDU-Wahlkampfformel „3 x 40“. Das Ergebnis lautet nicht 120, wie man denken könnte, sondern: Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer auf unter 40 %, Senkung der Staatsquote à la CDU auf unter 40 % und Senkung der Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls auf unter 40 %.
Was wäre die Folge? Noch weniger Einnahmen? Weitere Einsparungen insbesondere bei konsumtiven oder genauer gesagt: bei sozialen, kulturellen, arbeitsmarktpolitischen und bildungspolitischen Ausgaben? Noch mehr Gewinne nach oben? Im Vergleich zur jetzigen Situation hätte sich nur das Tempo geändert. Es muss aber endlich die Richtung geändert werden, hin zu wirklich mehr Einnahmen für Bund, Länder und Kommunen, hin zu einer gerechten Finanzierung der Aufgaben der Gesellschaft unter Beteiligung aller, insbesondere der Leistungsstärkeren.
Vor einem Monat haben wir an dieser Stelle einen Entschließungsantrag zum Haushaltsplanentwurf eingebracht. Darin sind Alternativen enthalten: Revitalisierung der Vermögensteuer, Modifizierung der Erbschaftsteuer, Reform der Unternehmensbesteuerung und eine umfassende Gemeindefinanzreform.
Schauen Sie sich doch den Anteil der Steuern auf Eigentum an, dann stellen Sie fest: Er beträgt in Deutschland ganze 0,9 % am Bruttoinlandsprodukt. Das ist nur ein Bruchteil dessen, was in anderen Ländern üblich ist. Was soll also das Geschrei, die Wiedereinführung einer Vermögensteuer würde die Vermögenden in den Ruin treiben? Sie würde den Anteil auf 1,9 % erhöhen - nicht mehr, aber auch nicht weniger.