Protocol of the Session on December 12, 2002

Ich hoffe vielmehr, dass das längst im Interesse der Menschen, die unserer Hilfe bedürfen, umgesetzt wird. Ich hoffe, dass die Landesregierung darüber im Ausschuss für Gesundheit und Soziales Bericht erstattet. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Bischoff. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Fünfminutendebatte ein. Die Fraktionen reden in der Reihenfolge CDU, PDS, FDP und SPD. Seitens der Landesregierung wurde mir ein Redebeitrag nicht angekündigt. Wir beginnen demnach mit dem Beitrag der Fraktion der CDU. Ich erteile als erster Rednerin der Abgeordneten Frau Liebrecht das Wort. Bitte sehr, Frau Liebrecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich denke, wir sind uns alle darin einig, dass alles getan werden muss, um alte und kranke Menschen gut zu pflegen. Wir wissen, dass die Herausforderungen, denen sich die Pflege in den kommenden Jahren stellen muss, enorm hoch sind. Bedingt durch die gravierende Änderung der Altersstruktur steigt der Bedarf an pflegerischen Leistungen. Gleichzeitig werden die finanziellen Mittel immer knapper. Dennoch soll eine hohe Qualität gewährleistet werden.

Mit der Einführung des Pflegequalitätssicherungsgesetzes haben seit 1995 Pflegebedürftige Anspruch auf Leis

tungen bei Pflegebedürftigkeit. Zurzeit haben fast zwei Millionen Menschen monatlich Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung. Dafür wenden die Pflegekassen Mittel in Höhe von mehr als 16 Milliarden € auf.

Die überwiegende Zahl der Pflegebedürftigen ist mit den erbrachten Leistungen zufrieden. Es muss aber auch festgestellt werden, dass immer wieder gravierende Qualitätsmängel auftreten, die belegen, dass das Ziel einer flächendeckend ausreichenden pflegerischen Versorgung noch nicht erreicht ist.

Mit dem Pflegequalitätssicherungsgesetz sowie mit der Änderung des Heimgesetzes, das seit Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung getan worden. Allerdings wurde von Anbeginn das Fehlen von finanziellen Mitteln kritisiert, die die Akzeptanz der neuen Regelungen in den Pflegeheimen erhöhen würden. So wird mehr Qualität gefordert, ohne die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Mehr Qualität bedeutet, ausreichend qualifiziertes Fachpersonal, das eine wichtige Voraussetzung für gute Pflege ist. Eine Überforderung der Pflegekräfte hat Auswirkungen auf die Qualität der Betreuung und der Versorgung der Pflegebedürftigen.

Durch die in dem Pflegequalitätssicherungsgesetz verankerte Dokumentationspflicht wird der den Pflegerinnen und Pflegern entstehende zeitliche Aufwand größer. Damit bleibt ein Stück Pflege und menschliche Zuwendung auf der Strecke, auch wenn das Gegenteil beabsichtigt ist. Somit gerät das eigentliche Anliegen, nämlich zu pflegen, immer mehr ins Hintertreffen. Dies wirkt sich negativ auf den Stellenwert und die Akzeptanz des Pflegeberufes aus.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass in den meisten Heimen unseres Landes eine sehr gute Versorgung der Pflegebedürftigen gewährleistet ist und der Einsatz der Pflegekräfte, der oft die Grenzen der Belastbarkeit überschreitet, gewürdigt werden muss. Mit der Änderung des Heimgesetzes ist eine Vielzahl von Prüfungen verbunden, die einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand erfordern.

Auch wenn man seit dem In-Kraft-Treten des Pflegequalitätssicherungsgesetzes die Auswirkungen des Gesetzes noch nicht voll erfassen kann, sind die ersten Vorboten erkennbar. Durch die kontinuierlich steigende Zahl von dementen und psychisch kranken Heimbewohnern werden die Pflegekräfte zunehmend überlastet. Die Pflege darf nicht zur Betreuung im Minutentakt verkommen, nur weil nicht genügend Pflegekräfte vorhanden sind. Der Umfang der Betreuung darf nicht unter dem stetig wachsenden bürokratischen Aufwand leiden.

Aus diesem Grund haben wir den Antrag erweitert. Es zeigt sich, dass bei den häufigen unkoordinierten Prüfungen sowohl durch die Heimaufsicht als auch durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Gleiches überprüft wird und jedes auf seine Weise. So prüft beispielsweise die Heimaufsicht den Personalkörper nach dem Heimgesetz und der Medizinische Dienst der Krankenversicherung prüft den Pflegekörper nach dem Pflegequalitätssicherungsgesetz.

Vor diesem Hintergrund fordern wir, dass die Regelung des § 20 des Heimgesetzes zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus den für die Ausführung des Heimgesetzes zuständigen Landesbehörden, den

Pflegekassen, deren Landesverbänden, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und dem zuständigen Träger der Sozialhilfe in Sachsen-Anhalt, umgesetzt wird.

Diese sind verpflichtet, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zum Schutz der Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner und zur Sicherung einer angemessenen Qualität des Wohnens und der Betreuung in den Heimen sowie zur Sicherung einer angemessenen Qualität der Überwachung eng zusammenzuarbeiten. Im Rahmen der engen Zusammenarbeit sollen sie sich gegenseitig informieren, ihre Prüfungstätigkeit koordinieren sowie Einvernehmen über Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Abstellung von Mängeln herstellen.

Dabei sollte auch bedacht werden, dass die Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung auch erhebliche Kosten verursachen, sehr zeitaufwendig sind, in der Regel zwei oder mehr Tage dauern und von mehreren Personen durchgeführt werden. Dadurch wird bei den Leistungserbringern qualifiziertes Personal gebunden, das für die Pflege und Betreuung in dieser Zeit nicht zur Verfügung steht.

Frau Liebrecht, kommen Sie bitte zum Ende.

Vor diesem Hintergrund sollten und können unsinnige und finanziell kostspielige Doppelbegutachtungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und der Heimaufsicht vermieden werden. Deshalb bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Frau Abgeordnete Liebrecht. - Als nächstem Redner erteile ich für die PDS-Faktion dem Abgeordneten Herrn Dr. Eckert das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Eckert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bischoff verwies darauf: Stendal war vor Wochen Schlagzeilen wert, aber heute liest und hört man nichts mehr darüber. Ist das Problem demnach gelöst?

Insofern ist es gut und richtig, dass wir uns im Landtag mit der problematischen Situation in den Pflegeeinrichtungen in Sachsen-Anhalt beschäftigen. Eine Berichterstattung kann hierbei hilfreich sein. Aber der Antrag greift unseres Erachtens zu kurz. Warum soll nur über die Situation in Pflegeeinrichtungen berichtet werden? Warum berichtet man nicht auch - um ein Beispiel zu nennen - über die Situation in der ambulanten Pflege, insbesondere über die Arbeits- und Einkommenssituation der hier Beschäftigten?

Die festgestellten Missstände in der Pflege beruhen möglicherweise auf individuellem Fehlverhalten und unzureichendem Management. Sie finden ihre Ursache aber vor allem auch in der Pflegeversicherung und deren Konstruktionen. So ist nach wie vor die leistungsrecht

liche Untersetzung einer Reihe von sehr zu begrüßenden Zielen der Pflegeversicherung nicht gegeben.

Meine Damen und Herren! Mit Stendal hat uns nun eine Diskussion erreicht, die in anderen Bundesländern, insbesondere in Süddeutschland, schon seit geraumer Zeit geführt wird. Im April 1999 wurde von der „Aktion gegen Gewalt in der Pflege“ ein Memorandum für eine menschenwürdige Pflege veröffentlicht. In diesem Memorandum heißt es - ich zitiere -:

„Alle Träger von Heimen treten mit dem Anspruch auf, ihre Bewohner fachgerecht zu versorgen und zu pflegen. Der Anspruch einiger Träger geht sogar noch weiter. Sie versprechen in ihren Selbstdarstellungen eine besonders fürsorgliche oder liebevolle Betreuung.“

Leider erfüllen aber zahlreiche Einrichtungen und Mitarbeiter die genannten Erwartungen und Versprechungen nicht; denn schon seit Jahren gibt es Klagen darüber, dass Heimbewohner nicht fachgerecht versorgt werden, dass sie vernachlässigt oder sogar misshandelt wurden und werden. Es sind Fälle bekannt - so steht es in dem Memorandum -, in denen Heimbewohner unzulässigerweise ihrer Freiheit beraubt werden, nicht genügend zu essen oder zu trinken bekommen sowie aus Mangel an Zuwendung verwahrlosen.

Das habe ich aus dem Memorandum zitiert, um deutlich zu machen: Es ist kein Problem von Stendal oder von Sachsen-Anhalt; es ist eine bundesweite Frage. Seit dem In-Kraft-Treten der Pflegeversicherung 1995/96 hat die öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber den Bedingungen in der Pflege zugenommen. Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegende sowie die Öffentlichkeit selbst verweisen immer öfter auf unzureichende Bedingungen in der Pflege, insbesondere in den Pflegeeinrichtungen.

Was aber in den Medien beiseite geschoben wird, ist - auch darauf wird in dem Memorandum verwiesen -, dass gerade durch die veränderten Rahmenbedingungen aufgrund der Pflegeversicherung der Rationalisierungsdruck in den Einrichtungen zugenommen hat.

Wenn das so sein könnte, dann müsste in der Berichterstattung der Landesregierung genau dieser Frage nachgegangen werden. Es wäre zu prüfen, ob solche Aussagen aus dem Memorandum zur Wirkung der Pflegeversicherung zutreffend sind. Denn eines ist unstrittig: Pflegekräfte berichten über den zunehmenden Zeitdruck und die dadurch hervorgerufenen Beschränkungen der pflegerischen Betätigung auf das so genannte Abrechenbare.

Des Weiteren müssten in dem Bericht Aussagen zur Qualifizierung der Pflegekräfte, des Managements und zum Qualifizierungsprogramm als Grundlage des Kampfes gegen Misshandlung, Vernachlässigung und Gewalt getroffen werden.

Insofern betrachten wir an dem Antrag der SPD als mangelhaft, dass die Landesregierung zum Beispiel nicht aufgefordert wird, zu den 15 Anforderungen an eine menschenwürdige Pflege der „Aktion gegen Gewalt in der Pflege“ Stellung zu nehmen. Diese 15 Punkte beschreiben eindrucksvoll ein Handlungskonzept, um Missstände in der Pflege zu verhindern und die Qualität zu sichern. Und sie haben einen Vorteil: Sie sind von Praktikern, Experten der Pflege formuliert worden.

Fazit: Der Antrag der SPD-Fraktion findet zwar unsere Zustimmung, aber wir halten ihn für sehr kurz gegriffen.

Zu dem Änderungsantrag - ich glaube, es wurde schon bemerkt -: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Landesregierung so schlecht eingeschätzt wird, dass sie einen Auftrag des Landtages benötigt, um die Gesetze nun endlich umzusetzen. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Dr. Eckert. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Scholze das Wort. Bitte, Herr Scholze.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion fordert die Landesregierung auf, über die Situation in den Pflegeheimen vor dem Hintergrund des neuen Pflegequalitätssicherungsgesetzes zu berichten - ein Gesetz, welches erst ab dem Jahr 2004 seine vom Bundesgesetzgeber intendierte Wirkung voll entfalten soll.

Doch die Umsetzung des Pflegequalitätssicherungsgesetzes ist zumindest in Teilen infrage gestellt, da vor nicht allzu langer Zeit der Bundesrat die Pflegeprüfungsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums auch mit der Stimme des Landes Sachsen-Anhalt hat scheitern lassen. Das geschah nicht ohne Grund, denn die Pflegeprüfungsverordnung hat nach den Aussagen der Pflegeverbände existenzgefährdende Pflichten und Anforderungen in Form von zu 100 % zu beantwortenden K.o.-Fragen enthalten, welche die Pflegedienste und die Pflegeheime zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht hätten erfüllen können.

Auf den Punkt gebracht: Mit diesem Gesetz kommen auf die Pflegeeinrichtungen und deren Träger maßlos überzogene bürokratische Auflagen zu, deren Umsetzung nach den Angaben der Bundesregierung 25,6 Millionen € im Jahr kosten wird. Dieses Gesetz konterkariert die ursprünglich positiven Absichten, weil der rot-güne Gesetzgeber in Berlin nicht begreifen will, dass er mit jedem zusätzlichen Paragrafen einen neuen Bürokratieschub erzeugt.

Die Situation in den Pflegeheimen lässt sich auch aus einer etwas anderen Blickrichtung sehr gut erschließen. Ein hoher Anteil der Arbeitskraft der Pflegenden wird dafür eingesetzt, mit einer Buchführung über den Heimbewohner auf den alles entscheidenden Tag im Jahr hinzuarbeiten, an dem der Medizinische Dienst der Krankenkassen oder die Heimaufsicht über das Wohl und Wehe des Heimes entscheiden. Geprüft wird neben der Befindlichkeit der Bewohner vielmehr die pflegeverwalterische Buchführung, die je nach Einrichtung in mehr als zehn verschiedenfarbigen, täglich zu führenden Blättern mit mehr als 100 möglichen Einzelangaben eine genaue Aufstellung aller Handgriffe am Heimbewohner nachzuweisen hat.

Es gibt keinen Zweifel an der mathematischen Formel, dass mit steigender Qualität und Quantität der pflegeverwalterischen Buchführung schon aus zeitlichen Gründen umgekehrt proportional die Qualität der zwischenmenschlichen Betreuung abnimmt. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, darf ich in diesem Zusammenhang eine

sehr prägnante Aussage von Professor Dr. Thomas Klie zitieren:

„Das Pflegeversicherungsgesetz ist Ausdruck dafür, dass es die Politik nicht ernst meint mit der Pflege. Das Pflegequalitätssicherungsgesetz ist bei allen fachlichen Anliegen, die berechtigterweise mit ihm verbunden werden, ein Misstrauensgesetz gegen die Pflege und die Pflegeinstitutionen. Es ist ein schlechtes Gesetz. Es ist unter Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungsgesichtspunkten ein fataler Steuerungsansatz, der hinter dem Gesetz steht. Mag es hier und dort positive Wirkungen entfalten, es behindert potenziell eine sich selbst steuernde Qualitätssicherungslandschaft in Deutschland.“

Diese Tatsachen entbinden uns allerdings leider nicht davon, dieses Gesetz in Sachsen-Anhalt umzusetzen. Zu diesem Zweck haben sich die Koalitionsfraktionen auf einen Änderungsantrag zu dem Antrag der SPDFraktion verständigt, welcher die Landesregierung bittet, den § 20 des Heimgesetzes umzusetzen und im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft die Beteiligten an den Tisch zu holen.

Was die weiteren Beratungen hinsichtlich der vom Bundesrat abgelehnten Pflegeprüfungsverordnung betrifft, bin ich guter Hoffnung, dass sich unsere Landesregierung für einen Abbau bürokratischer Hürden engagieren wird.

Qualität in der Pflege lässt sich nicht mit bürokratischen Kontrollen entfalten. Die Eigenverantwortung der in der Pflege tätigen Berufsgruppen und der Pflegeeinrichtungen, aber auch die der gesamten Gesellschaft ist gefragt. Ohne ein Engagement der Bevölkerung für die Zukunft der Pflege gibt es keine Zukunft in der Pflege, die auch mir als offensichtlich noch jungem Menschen Zuversicht schenkt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Scholze. - Jetzt hat noch einmal für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Herr Bischoff das Wort. Bitte, Herr Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beitrag von Herrn Scholze hat mich veranlasst, doch noch einmal an das Rednerpult zu treten. Herr Scholze sprach davon, dass wir eine Regelungswut betreiben würden. Ich sage Ihnen ganz offen: Das Heimgesetz und das Pflegequalitätssicherungsgesetz sind von allen, insbesondere auch vom Landesseniorenrat, absolut begrüßt worden. Wenn wir diese Regelungen und die Kontrollen nicht hätten, dann wären die Zustände, die jetzt in Stendal festzustellen waren, noch weitaus häufiger anzutreffen, weil es einfach keine Regularien gibt und die Versuchung zu groß ist, schnelles Geld zu verdienen.

(Zustimmung bei der SPD)

Es wurde von allen begrüßt. Ich verstehe Sie überhaupt nicht, wenn Sie sagen, dass wir diese Regelungen nicht brauchen. Wie wichtig zum Beispiel die Dokumentation ist, sehen Sie daran, dass die Verwandten wissen wollen, ob ihre Angehörigen tatsächlich gut betreut werden und ob sie vor oder nach einem Krankenhausaufenthalt gut gepflegt worden sind. Ich halte diese Dokumentation für absolut wichtig. Ich habe noch nie gehört - ich selbst