Protocol of the Session on November 15, 2002

Im Ergebnis wurde erstmalig im Jahr 2002 ein separater Stand auf der größten Tourismusbörse in Berlin etabliert. Natürlich war nicht alles perfekt. Aber kein anderes Land hat dieser Zielgruppe so viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Die SPD-Fraktion fordert die Landesregierung auf, diese erfolgreiche Arbeit fortzusetzen. Der erste Entwurf zur Vorbereitung eines Marketingkonzepts und ein erster Katalog liegen bereits vor. Letzterer, der über die Bahn AG und die Nasa finanziert wurde und über das Kultusministerium kostenlos an die Schulen verteilt wurde, zeigt bereits Erfolge.

Leider muss ich kritisch bemerken, dass eine bestimmte Klientel, die Übernachtungsmöglichkeiten bietet, nicht berücksichtigt wurde, nämlich die KiEZE, ehemalige Pionierferienlager - eine Besonderheit der neuen Bundesländer. Diese, die freien Träger, Schullandheime, Sportobjekte und Kirchen, die nicht berücksichtigt wurden,

erbringen ungefähr 30 % der Übernachtungszahlen. Auch die Regionalverbände haben das bereits kritisiert.

Der Katalog, der in alter Form neu aufgelegt werden soll und nur ein Segment darstellt, spiegelt nicht die vielfältigen Möglichkeiten unseres Land wider. Ich fordere deshalb den Verkehrsminister Herrn Dr. Daehre auf, dies sofort zu überprüfen und eine Erweiterung herbeizuführen. Diese Maßnahme zur Wirtschaftsförderung muss voll ausgeschöpft werden.

Wie ich inzwischen erfahren habe, wird die LMG einen eigenen Katalog zur ITB herausbringen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Im Tourismusbereich darf nicht nur an der aktuellen Produktentwicklung der Kernthemen Straße der Romanik, Blaues Band oder Gartenträume gearbeitet werden, die wir in der letzten Legislaturperiode eingeleitet haben. Gute Ansätze gab es bereits in dem vom MK geförderten Schulprojekt „Mittelalter hautnah erleben“, das über den LTV in Zusammenarbeit mit dem DJH lief. Die als Ergebnis unterbreiteten mehr als 100 Angebote für Schulfahrten müssen beispielgebend für das weitere Vorgehen über die Region Magdeburg hinaus sein.

Wir müssen uns verstärkt dem Gast von Morgen zuwenden. So bin ich mehr als verwundert, dass man bei der Neustrukturierung der LMG, die Minister Rehberger anstrebt, folgende Sitzverteilung vorgesehen hat: Je ein Mandat für LTV und Fachverbände, zwei Sitze für fünf Regionalverbände und fünf Sitze für die Ministerien, MW, MK, MF und MLU.

Verehrte Abgeordnete! Falls Sie meinen Ausführungen aufmerksam gefolgt sind, werden Sie das für Kinder- und Jugendreisen zuständige Ministerium vermissen. Für mich stellt sich die Frage: Hat der Minister schlechte Berater? Oder hat er die Priorität dieser Zielgruppe nicht erkannt?

(Zustimmung von Frau Fischer, Naumburg, SPD)

Außerdem kann ich nur hoffen, dass sich der Staatssekretär für den Bereich Kultur auch der Aufgaben des Bildungsstaatsekretärs, nämlich Schulfahrten, Universitätsexkursionen, Seminare und Sprachreisen, annimmt.

Werte Abgeordnete! Warum ist der SPD das Thema so wichtig?

Erstens geht es um die Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen.

Zweitens fördern Kinder- und Jugendaustausche innerhalb Deutschlands das Zusammenwachsen der Menschen in den Bundesländern sowie der Austausch mit anderen Ländern - nicht nur in Europa, auch darüber hinaus - das Verständnis füreinander, Toleranz und eine weltoffene Gesellschaft.

Drittens geht es um die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen als Wirtschaftsfaktor heute und als auszubauenden Bereich für den zu gewinnenden Gast von Morgen. Es gilt, das vorhandene Potenzial für die Zukunft stärker zu erschließen. Die Aussage, Kinder sind unsere Zukunft, darf nicht zur Floskel werden, sondern birgt für die Gesellschaft viele Verpflichtungen in sich.

Neben dem Erholungswert hat das Zusammensein mit Gleichaltrigen einen besonderen Wert im Bereich Bildung und Erziehung. Hierbei möchte ich die Erziehung an die erste Stelle stellen. Sie vertieft und festigt das, was in der Schule vorher schon gewesen ist.

24 Stunden täglich in einer Gemeinschaft leben, sich einordnen, den anderen tolerieren, sich selbst erkennen und damit seinen Platz finden ist von hohem Wert für jede kleine Persönlichkeit und ihre Zukunft. Kinder und Jugendliche müssen sich zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Menschen entwickeln. Bereits Abschlussfahrten im Kindergarten sind ein wichtiger Beitrag zur Sammlung sozialer Erfahrungen.

Besondere Beachtung bei den Überlegungen für einen Aktionsplan gilt sozial benachteiligten und behinderten Kindern und Jugendlichen. Ihnen muss unsere besondere Fürsorge gelten.

Zu dem in Punkt 2 von mir genannten Grund muss im Rahmen der Europäisierung Kirchturmdenken abgelegt werden. Die vor gut zwei Jahren erschienene ShellStudie, die in erschreckendem Maße bei jungen Menschen bestehende Vorurteile gegenüber Jugendlichen aus dem jeweils anderen Teil Deutschlands und gegenüber Ausländern auswies, muss Ansporn für einen verstärkten Kinder- und Jugendaustausch sein. Man sollte Völkerverständigung verstärkt als Ferienangebot, als Freizeitgestaltung ausbauen. Eurocamps und das Internationale Kinder- und Jugendfestival, die bisher über das Land finanziert wurden, sind gute Beispiele, die fortgesetzt werden sollten. Es ist schon beeindruckend, wenn ein hellhäutiges Mädchen ein dunkelhäutiges fragt: Darf ich einmal dein Gesicht berühren?

Werte Abgeordnete! Der Anteil ausländischer Gäste beim deutschen Jugendherbergswerk beträgt leider nur knapp 3 %. Auch Sprachreisen sind bei uns nicht im Angebot. Hier stecken noch große Reserven.

Ich war im Sommer Gast einer Universität in Texas, an der 25 000 Studenten eingeschrieben sind. Wir haben natürlich auch für Sachsen-Anhalt geworben. Eines der Ergebnisse war, dass ab nächsten Sommer regelmäßig eine Studentengruppe nach Sachsen-Anhalt kommen wird, und zwar in das Eurocamp nach Günthersberge. Das kostet uns kein Geld.

Nun zu meinem dritten Punkt. Kinder sind Kunden von heute und Touristen von morgen. Wem es einmal in unserem schönen Land gefallen hat, der wird später zum Wiederholungstäter. Es lohnt sich also, den Bedürfnissen dieser jungen Gäste stärkere Beachtung zu schenken.

Experten schätzen ein, dass der Kinder- und Jugendtourismus in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland um 8 % gewachsen ist. Auf der Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft unabhängiger Veranstalter am 1. und 2. November dieses Jahres gab der Generalsekretär der FIYTO bekannt, dass im Allgemeinen die Tourismuszahlen zurzeit rückläufig sind, nicht aber im Kinder- und Jugendreisebereich, in dem es derzeit Steigerungsraten von beachtlichen 20 % gibt. - Aber ich denke, für Sachsen-Anhalt wird sich dies bald ändern, da, wie ich heute erfahren habe, im Jugendfreizeitbereich ein Streichkonzert eingesetzt hat. Von 3,5 Millionen € wurde auf 385 000 € gekürzt.

Aber als Wirtschaftskraft ist diese Zielgruppe Kinder und Jugendliche nicht zu übersehen. Sie schafft Arbeitsplätze nicht nur im pädagogischen, sondern auch im Dienstleistungsbereich, und die Kaufkraft ist nicht zu unterschätzen. Befragungen zu Schülerklassenfahrten in Sachsen haben ergeben, dass Eltern im Durchschnitt im Jahr 1999 138 DM mitgegeben haben und auch bereit sind, bis auf 150 DM zu gehen. Jugendliche haben einen

Mittelwert einer Tagesausgabe von 45 €, geben also genauso viel wie Erwachsene aus. Den vom Bund geforderten Aktionsplan zu erstellen und anzuwenden ist sozusagen eine Investition in einen klassischen Anlagefonds.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD fordert die Landesregierung auf, erstens eine Qualitätsoffensive für entsprechende Übernachtungsstätten zu starten. Das muss neben den Innen- und Außenbereichen der Objekte auch die pädagogische Betreuung sowie die touristische Infrastruktur beinhalten.

Zweitens sind umfassende Informationen der eigenen Anbieter nur schwer zu finden. Die Schaffung einer Dachmarke für Kinder- und Jugendreisen würde nach außen eine Kraft darstellen, intern aber die Vielfältigkeit bewahren. Das könnte der LTV übernehmen.

Drittens sollten Produkte entwickelt werden, die auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen abgestimmt sind und einen noch stärkeren Austausch zwischen den Bundesländern befördern. Als Stichwort möchte ich die Initiative Mitteldeutschland erwähnen. Aber auch Polen als größter Quellmarkt Jugendlicher sollte verstärkt erschlossen werden.

Um das Thema Kinder- und Jugendreisen weiter zu stärken, wird es in den Jahren 2004 und 2005 eine Image- und Angebotskampagne der DZT im Ausland geben, an der wir uns beteiligen sollten.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss Goethe zitieren: „Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.“ - Wir wissen auch, dass gerade das, was in jungen Jahren gelernt wird, besonders prägend ist. Lassen Sie uns also gemeinsam dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche ein qualifiziertes Angebot im Tourismusbereich vorfinden. Dies hilft den Kindern und Jugendlichen genauso wie der Wirtschaft. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Dr. Thiel, PDS, und bei der FDP)

Danke, Frau Abgeordnete Kachel. - Wir treten nunmehr in die Debatte ein. Die Landesregierung hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Somit eröffnet Herr Zimmer für die CDU-Fraktion die Debatte. Bitte, Herr Zimmer, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Da sich der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit nach derzeitiger Terminplanung am 18. Dezember dieses Jahres umfassend mit dem Thema Tourismus beschäftigen wird, da der Kinder- und Jugendtourismus bei der Landesregierung einen hohen Stellenwert genießt und da der Tourismus von Kindern und Jugendlichen wie auch von Älteren nach vorn gebracht werden soll, bitte ich Sie lediglich, dem Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und der CDU, welcher den spezifischen Erfordernissen eines qualitativen und breiten Angebotes im Bereich des Kinder- und Jugendtourismus Rechnung trägt, zuzustimmen.

Meine Rede gebe ich zu Protokoll und hoffe, damit beispielhaft gehandelt zu haben. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

(Zu Protokoll:)

Trotz aller schwierigen Rahmenbedingungen ist der Tourismus weltweit die Zukunftsbranche Nummer 1, so auch in den jungen Bundesländern, auch bei uns in SachsenAnhalt.

Eine Investition in die Jugend ist eine Investition in die Zukunft - gerade auch im Tourismus. Der Kinder- und Jugendtourismus ist deshalb ein Sektor, der einer stärkeren Beachtung bedarf - dies auch vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zuständigkeiten der Ministerien, vornehmlich im Sozialministerium. Eine Verzahnung der verschiedenen Ressorts effektiver zu gestalten ist Voraussetzung, um eine höhere Effizienz zu erreichen.

Auch im Bereich Kinder- und Jugendtourismus ist es in Anbetracht leerer Kassen dringend erforderlich, so genannte „Leuchttürme“ verstärkt zu unterstützen, ohne die Vielfalt des Angebots zu gefährden.

Ca. 80 % der 14- bis 19-Jährigen verreisen. Allerdings müssen wir hierbei unterscheiden in:

- Tourismus von Kindern und Jugendlichen - allein reisend - und

- Tourismus mit Kindern und Jugendlichen - mit Eltern und/oder Großeltern.

Etwa 60 bis 70 % der Jugendlichen, die verreisen, verreisen nicht allein. Es muss also differenziert betrachtet werden. So auch bei den Anbietern von Kinder- und Jugendreisen.

Hier haben wir kommerzielle Veranstalter und gemeinnützige Anbieter. Beide haben ihre Berechtigung. Hinterfragt werden muss allerdings, welche Aufgaben private Anbieter effizienter leisten können. Sinnvoll ist vielfach eine Zusammenarbeit kommerzieller und gemeinnütziger Anbieter - dies auch vor dem Hintergrund, dass die jüngeren allein reisenden Kinder und Jugendlichen gemeinnützige Anbieter bevorzugen. Ab einem Alter von ca. 16 Jahren ist allerdings ein Umschwung hin zu kommerziellen Anbietern zu verzeichnen.

Es sind die Gründe, Angebote und Themen der Leistungsanbieter zu hinterfragen, ebenso die geringere Akzeptanz von Deutschlandreisen bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu den Gesamtzahlen im Deutschlandtourismus. Hier gilt es anzusetzen und die Stellung Sachsen-Anhalts und Mitteldeutschlands als Kernland deutscher und europäischer Geschichte gerade für das Zukunftssegment Bildungstourismus stärker zu erschließen. Schulfahrten, Projektfahrten, aber auch Studienreisen kommerzieller Anbieter sind zu verzahnen, um die kulturelle und geschichtliche Kernkompetenz SachsenAnhalts zu vermarkten.

Ich begrüße ausdrücklich die Vorlage einer Angebotsbroschüre zum Thema „Kinder- und Jugendreisen“ auf der Internationalen Tourismusbörse im Jahr 2003. Die daraus erfolgende Einbeziehung aller Anbieter, auch über den Beirat für Kinder- und Jugendreisen hinaus, ist ein wichtiger Schritt des Anreizes für die Anbieter.

Diese sind aufgefordert, attraktive Projekte zu initiieren, Angebotspakete zu schnüren bzw. Angebotsbausteine zu kreieren. Lernen, erleben, begegnen und sich verstehen lernen sind wichtige Aufgabenfelder. Der Austausch Ost-West, West-Ost, ob innerhalb Deutschlands, europaweit oder auch weltweit, bietet Ansatzpunkte für

vielfältige Reiseaktivitäten von Jugendlichen und Kindern.

Sachsen-Anhalt hat viel zu bieten für Kinder und Jugendliche, wie auch für Eltern mit Kindern. Diese Angebote sind zu schärfen und als Wirtschaftsfaktor für die Regionen des Landes offensiver zu vermarkten.

Ich bitte Sie, dem Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und der CDU, welcher den spezifischen Erfordernissen eines qualitativen und breiten Angebotes im Bereich des Kinder- und Jugendtourismus Rechnung trägt, zuzustimmen.

Danke, Herr Zimmer. - Für die PDS-Fraktion spricht Frau Eva von Angern.