Protocol of the Session on November 15, 2002

Nach einer Geltungsdauer von nunmehr gut einem Jahr ist es sinnvoll, auch diese Verordnung auf ihre Zweckmäßigkeit und weitere Erforderlichkeit hin zu überprüfen und ein Jahr nach der Einführung Bilanz zu ziehen. Das hat schon die Vorgängerregierung festgelegt und genau das tun wir jetzt.

Innerhalb der Landesregierung besteht im Wesentlichen Konsens darüber, dass es zum Schutz der einzigartigen Naturausstattung im Nationalpark Hochharz gewisser Einschränkungen der Nutzung bedarf, um einen Missbrauch zu verhindern.

(Beifall bei der CDU)

Doch, meine sehr verehrten Damen und Herren, die in der Nationalparkverordnung getroffenen Regelungen sind nicht unumstritten. Neben den betroffenen Kommunen wehren sich verschiedene Unternehmen - nicht nur der Brockenwirt - gegen die Verordnung.

(Herr Schomburg, CDU: Leider!)

Sowohl die Deutsche Telekom als auch die Harzer Schmalspurbahnen GmbH haben beim Oberverwaltungsgericht Magdeburg Normenkontrollverfahren mit dem Ziel angestrengt, bestimmte Vorschriften für nichtig zu erklären.

In dieser Situation ist es durchaus sinnvoll, das Ergebnis der gerichtlichen Prüfung nicht einfach abzuwarten, sondern parallel auch durch die mit dem Vollzug betraute Verwaltung die Verordnung auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Deshalb hat das Kabinett beschlossen, die geltenden Regelungen auf den Prüfstand zu stellen, Alternativen auszuloten und darauf basierend eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Zwei Betrachtungsweisen spielen in dieser Situation eine Rolle; ich möchte zugeben, dass sie auch in der Kabinettsbefassung eine Rolle gespielt haben.

Zum einen kann man sich die Frage stellen: Sind die in der Verordnung festgeschriebenen Regeln noch nötig angesichts der Tatsache, dass der Brockenwirt und die Brockenbahn die möglichen Spielräume nicht ausgenutzt haben, und setzt sich Problembewusstsein und Eigenverantwortung durch?

(Zustimmung bei der CDU)

Oder - als zweite, alternative Frage - hat die Administration zu diesem eigenverantwortlichen Handeln gezwungen?

Schon deshalb wird von mir eine übereilte abschließende Entscheidung nicht befürwortet. Es werden zu gegebener Zeit weitere Gespräche mit betroffenen Unternehmen, Kommunen und Verbänden in meinem Hause

stattfinden. Meines Erachtens sollten wir auch den Ausgang der bereits genannten Normenkontrollverfahren abwarten; denn mit einer gerichtlichen Entscheidung ist nach den mir vorliegenden Informationen in absehbarer Zeit zu rechnen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren der SPD - ich schließe die PDS gleich mit ein -, ich habe in letzter Zeit gelesen, welche Ansichten Sie über die Naturschutzpolitik von Frau Wernicke geäußert haben. Ihnen geht es meines Erachtens nicht vordergründig um die Nationalparkverordnung. Ihnen geht es darum, an einem populären Beispiel die Naturschutzpolitik der Landesregierung zu hinterfragen.

(Beifall bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, die Gelegenheit möchte ich an dieser Stelle nutzen: Was mir in diesem Land begegnet, ist der Beweis dafür, dass die Landesregierung im Bereich Natur- und Umweltschutzpolitik ein schweres Erbe angetreten hat.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Richtig! - Herr Gürth, CDU: Jawohl!)

Wir diskutieren sehr viel über Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit im Bereich des Natur- und Umweltschutzes kann man nur erreichen, wenn man die Menschen einbezieht, wenn der Natur- und Umweltschutz von Bürgern, von Kommunalpolitikern sowie von Landwirtschaft und Wirtschaft akzeptiert wird und wenn die Politik in der Lage ist, unterschiedliche Ansprüche gegeneinander abzuwägen und Kompromisse zu finden.

Die Bilanz im Land ist aber erschreckend. Schon allein die Nennung des Begriffes „Naturschutz“, schon allein die Nennung des Begriffes „Verordnung“ in diesem Bereich, allein die Absicht, Naturparks oder Biosphärenreservate auszuweisen, lässt die Mehrheit der Bevölkerung rot sehen. Das ist das Ergebnis der rot-roten Naturschutzpolitik.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Herr Gürth, CDU: So ist es! Ein schlimmes Erbe!)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie kennen mich. Mit Geduld und offensivem und konstruktivem Herangehen sind wir auf gutem Weg, zum Beispiel - ich nenne das Beispiel hier durchaus - die Bürger sowie die Kommunalpolitiker im Gebiet des Naturparks Colbitz-Letzlinger Heide zu überzeugen, dass der Naturpark für sie eine Chance und keine Gefahr ist. Es wird uns auch gelingen und wir sind schon auf dem Weg, die Widerstände gegen das Biosphärenreservat im Landkreis Sangerhausen, in der Gipskarstlandschaft zu überwinden. Wir werden auch versuchen, die Brockenkuppe vor dem „großen Fressen“, wie es in der Wernigeröder Ausgabe der „Volksstimme“ vom 14. November 2002 hieß, zu bewahren.

Ihr Verdienst, meine Damen und Herren von der SPD und von der PDS, ist diese Naturschutzpolitik, vor der die Menschen Angst haben. Sie sehen Gefahren im Naturschutzbereich und nicht die Chancen.

(Herr Gürth, CDU: Genau so ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb plädiere ich für die Überweisung in den entsprechenden Ausschuss. Dann haben wir eine gute Gelegenheit, darüber zu diskutieren, ob es überhaupt Konfliktfelder zwischen Naturschutz, Wirtschaft und Tourismus geben muss. Ich setze das in Klammern und stelle das infrage.

Ich freue mich aber auf die Diskussion mit Ihnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Gürth, CDU: Sehr gut! - Herr Dr. Daehre, CDU: Sehr schön!)

Vielen Dank, Frau Ministerin Wernicke. - Für die FDPFraktion erteile ich Herrn Dr. Schrader das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zumindest vonseiten des Parlaments scheinen diejenigen aus der Börde die Matadoren für den Brocken zu sein. Das gilt es zu Beginn einmal festzustellen.

(Herr Dr. Daehre, CDU, lacht - Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

- Wir arbeiten daran in der Börde.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Die wissen Natur zu schätzen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von Haus aus bin ich Biologe und Ökologe. Ich bin bekennender Brocken-Fan und habe als Biologe und Ökologe, auch was das Thema Schutz und Nutzung betrifft, in den letzten Jahren viel erlebt und viele Erfahrungen gesammelt.

Das Brockenmassiv, insbesondere die Brockenkuppe, als nördlichster subalpiner Lebensraum Mitteleuropas ist ohne Zweifel von herausragender Bedeutung für den Naturschutz. Das steht fest. Andererseits ist der Brocken von größter landeskultureller und touristischer Bedeutung für unser Land. Ich sage es gleich zu Beginn: Es bringt überhaupt nichts, die Menschen von den wichtigen Naturschutzgegebenheiten auszusperren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Oh! bei der SPD - Herr Oleikiewitz, SPD: Im Gegen- teil! - Herr Gürth, CDU: Jawohl!)

Es ist ganz einfach eine Erfahrung. Für den Naturschutz bringt es nichts, die Menschen von diesen Schönheiten auszuschließen; denn nur dann haben sie die Möglichkeit, zum Schutz beizutragen.

Schutz und Nutzung treffen auf der Brockenkuppe an sensibler Stelle aufeinander. Deshalb ist das Gesetz über den Nationalpark Hochharz die notwendige Konsequenz. Dazu stehe ich auch. In § 10 des Gesetzes ist die Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung eingefügt worden, welche insbesondere die Öffnungszeiten des Brockenwirts und das Befahren der Bahnstrecke regelt.

Das Gesetz und die Verordnung sind nach langem Ringen vor etwa einem Jahr in Kraft getreten. Seit einem Jahr sind aber auch Gerichtsverfahren anhängig; die Frau Ministerin hat davon berichtet. Es sind zwei Normenkontrollverfahren, eines der Deutschen Telekom und eines der HSB, deren Ausgang wohl in nächster Zeit zu erwarten ist. Es bleibt abzuwarten, was dabei herauskommt. Der Ausgang dieser Verfahren wird zeigen, ob sich eventuell auch rechtliche Notwendigkeiten für eine Änderung der Nationalparkverordnung ergeben.

Hinzu kommt, dass auch die ersten Erfahrungen nach einem Jahr gezeigt haben, dass bestimmte Festlegungen der Höchstgrenzen nicht ausgeschöpft wurden. So wurde beispielsweise die zugestandene Zahl von Son

derveranstaltungen über normale Öffnungszeiten hinaus nur zur Hälfte genutzt.

Es gibt deutliche Kritiken - das ist nicht vom Tisch zu wischen - von den Kommunen und den Landkreisen an der Verordnung bzw. an bestimmten Regelungen. Dies zeigt: Die Verordnung ist nicht unstrittig. - Das ist aber normal bei Naturschutzangelegenheiten.

Anlass des SPD-Antrages ist eindeutig der Prüfauftrag des Kabinetts bezüglich notwendiger bzw. praktikabler Änderungen und Anpassungen der Verordnung. Wenn, Herr Oleikiewitz, die SPD die Landesregierung auffordert, die bestehende Fassung der Verordnung unverändert beizubehalten, dann bedeutet dies das Zementieren einer Verordnung auf ewig. Das kann nicht das Ziel sein.

(Zustimmung bei der FDP)

Alles bewegt sich, alles ist veränderbar, nichts ist statisch - gerade in solch sensiblen Bereichen. Die Erfahrungen mit der Verordnung muss man prüfen. Man muss dann auch eventuell notwendige Änderungen in Angriff nehmen. Vielleicht kommt man zu dem Ergebnis, dass man notwendige Reglungen der Verordnung in das Gesetz aufnehmen kann. Wenn es im Gesetz geregelt werden kann, kann man die Verordnung abschaffen. Vielleicht kommt man auch zu neuen Kompromissen zwischen Schutz und Nutzung.

Lassen wir uns nach dem Abschluss der Gerichtsverfahren im Ausschuss von der Landesregierung über die praktischen Erfahrungen mit der derzeit gültigen Regelung berichten. Ob und in welchem Umfang Änderungen der Nationalparkverordnung bzw. des Gesetzes notwendig sind, bleibt einer gründlichen Prüfung vorbehalten. Prüfen muss erlaubt sein.

Ich plädiere namens der FDP-Fraktion für die Ablehnung des SPD-Antrages und auch für die Ablehnung des Antrages der PDS. Eine Berichterstattung macht erst dann Sinn, wenn uns das Ergebnis der Normenkontrollverfahren vorliegt. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zum Alternativantrag der Regierungskoalition. - Danke.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Schrader. - Bevor ich Herrn Dr. Köck das Wort erteile, darf ich Schülerinnen und Schüler des Ludwigsgymnasiums aus Köthen auf der Tribüne begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte Herr Dr. Köck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie bereits ausgeführt, ist es nach einem mehrjährigen Verfahren vor reichlich einem Jahr endlich gelungen, den Nationalpark Hochharz rechtlich auf sichere Füße zu stellen. Die Entscheidung, den gesetzgeberischen Weg einzuschlagen und nicht den nach dem Landesnaturschutzgesetz eigentlich ausreichenden Verordnungsweg zu beschreiten, sicherte zudem ein Höchstmaß an demokratischer Beteiligung. Erinnert sei an die in diesem Saal durchgeführte Anhörung oder an die Sitzung des Umweltausschusses auf der Brockenkuppe.

Zumindest die ehemaligen Mitglieder des Ausschusses für Raumordnung und Umwelt werden sich daran erinnern, wie eng das Gesetz und die Verordnung miteinander verschränkt worden sind, um nicht eine Minute rechtsfreien Raum zuzulassen. Es bestand schließlich auch Konsens, nicht mehr länger über die ach so negativen Auswirkungen der Verordnung zu orakeln, sondern die Praxis abzuwarten.