Protocol of the Session on November 15, 2002

Ich sage in aller Deutlichkeit: Rote Zahlen, grüne Ideologie und nutzbar gemachte Hochwasserängste dürfen nicht länger die bestimmenden Faktoren sein, wenn es um Zukunftsinvestitionen mit Augenmaß geht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Es geht um nicht mehr und um nicht weniger als um die wirtschaftliche Binnenschifffahrt in Sachsen-Anhalt. Sie steht auf dem Spiel. Der Beschluss der rot-grünen Bundesregierung zum Verzicht selbst auf Unterhaltungsmaßnahmen kann, ja darf nicht von Dauer sein. Schon nach kurzer Zeit wären Elbe und Saale versandet und auch die Sicherheit der Ufer wäre nicht mehr gegeben. Selbst wenn der jetzige Zustand nur weiter verwaltet würde, blieben Standortnachteile für die heimische Wirtschaft.

Daher setzt sich die CDU-Landtagsfraktion weiterhin dafür ein, von Fachleuten in Aussicht genommene planerische Verfahren auch für die ursprünglich geplanten Baumaßnahmen, auch die Neubaumaßnahmen, durchzuführen. Die Ergebnisse sollten dann den politischen Willen bestimmen und nicht umgekehrt.

Meine Damen und Herren! Ich habe hier eine Liste der einzelnen Maßnahmen, die an Elbe und Saale ursprünglich geplant waren. Mit Blick auf die Zeit - ich denke, zumindest den Fachpolitikern ist das auch bekannt - möchte ich diese Liste nicht in allen Details erläutern, sondern gleich zur Zusammenfassung kommen.

Die Maßnahmen - alle Maßnahmen an Elbe und Saale - sollten ohne diesen Baustopp spätestens im Jahr 2008 ein Ende finden. Es ging um vergleichbare Bedingungen an Saale und Elbe für eine wirtschaftlich sinnvolle Binnenschifffahrt, es ging um einen durchgängig dreilagigen Containerverkehr, zumindest auf der Elbe während 95 % des Jahres bei einer Fahrrinnentiefe von mindestens 1,60 m und einer Fahrrinnenbreite von 50 m. So waren die Maßnahmen ausgelegt.

Ich möchte zusammenfassend noch einmal sagen: Eine betonierte und begradigte Wasserstraße war ein bewusst überzeichnetes Zerrbild, um alte ideologische Positionen mehrheitsfähig zu machen. Es ging - bei all den vorgesehenen Maßnahmen, auch den Ausbaumaßnahmen - nicht um Begradigungen oder Einschnitte in Überflutungsräume. Es ging zum Beispiel um die Instandsetzung existierender Regelungswerke, es ging um Ufersicherung, um Fahrrinnenvertiefung.

Die bis dato ausgegebenen Steuermittel erfüllen nur dann ihren Zweck, wenn die riesigen Schwankungen der Wasserstände für die Binnenschifffahrt reduziert bleiben. Neben 125 Millionen € in die Elbe flossen auch in die staugeregelte Saale zwischen Calbe und Halle-Trotha mehr als 20 Millionen € Steuermittel und in den Hafen Halle sogar 28 Millionen €. Ich möchte allen Parlamentariern in diesem Raum in Erinnerung rufen - ich denke, wir sind uns darin alle einig -: Wir wollten mit den 28 Millionen € an Bundesmitteln einen leistungsfähigen Güterumschlagplatz fördern und nicht ein technisches Denkmal.

Das derzeitige Defizit in Halle führt unweigerlich zum Aus für den Hafen, sollte nicht im neuen Bundesverkehrswegeplan der Saale-Ausbau auf dem letzten Teilstück enthalten sein. Der gesunkene Güterverkehr stellt die Maßnahmen nicht infrage, sondern belegt gerade deren Notwendigkeit. Allein entlang der Saale wollen Unternehmen ihre Gütertransporte bis zum Jahr 2010 um 4,6 Millionen t steigern, wenn die Saale auf dem letzten Teilstück ausgebaut worden ist. Nur ein funktionsfähiges Wasserstraßennetz kann die Vorteile der Binnenschifffahrt voll zur Geltung bringen und Güter von der Straße zurückholen.

Die Transportleistung des Gesamtmarktes wächst nach jüngsten Verkehrsprognosen bis zum Jahr 2015 um 64 %. Zur Übernahme spürbarer Anteile des künftigen Güterverkehrszuwachses durch die Binnenschifffahrt gibt es keine Alternative. Für Massengüter stellt das Schiff den ökologischsten Verkehrsträger überhaupt dar.

Zudem verpflichten uns auch internationale Vereinbarungen - einige gehen sogar auf den Versailler Vertrag zurück -, die Schiffbarkeit weiterhin zu gewährleisten. Zur Erhaltung der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs auf Bundeswasserstraßen wird die Bundesregierung auch durch ihr eigenes Bundesschifffahrtsaufgabengesetz verpflichtet.

Meine Damen und Herren! Wir, CDU und FDP, möchten mit unserem Antrag in der neuen Fassung natürlich bei unserem Kurs bleiben, aber Ihnen von der SPD auch die Hand reichen. Sie, die SPD Sachsen-Anhalts, will weniger als die CDU, aber immerhin noch mehr als die rotgrüne Bundesregierung, und das ist doch immerhin schon etwas. In den Pressemitteilungen der letzten Tage haben Sie sich entweder für die Unterhaltungsmaßnahmen an der Elbe ausgesprochen oder für den Ausbau in Form eines Kanals an der Saale. Ob Sie es ernst damit meinen, wird sich bei der Abstimmung über unseren Antrag zeigen.

Wir sind offen für die Kanalvariante. Wir haben das immer wieder betont. Die Variante ist schon seit längerem im Gespräch, stammt von der Bundesschifffahrtsverwaltung selbst und ist kein originärer Vorschlag der SPD gewesen.

Zurzeit blockiert die Bundesregierung jedoch sämtliche Maßnahmen, auch die von Ihnen präferierte Kanalvariante. Diese Blockade, die einer ökologisch vertretbaren Ertüchtigung unserer Wasserwege entgegensteht, muss zuerst durchbrochen werden. Daran wird sich die SPD hier im Land auch messen lassen müssen.

Sie fordern in Ihrem Antrag die Landesregierung auf, die Bundesregierung aufzufordern. Ich schlage Ihnen vor,

fordern Sie zusammen mit FDP und CDU gleich die Bundesregierung auf.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Uns liegt sehr an diesem parteiübergreifenden Signal, diesem Signal gegen die starre Haltung in Berlin. Die SPD in Sachsen-Anhalt muss sich entscheiden: Nimmt sie gemeinsam mit CDU und FDP eine klare Haltung gegenüber der Bundesregierung ein oder belässt sie es bei Schaufensteranträgen aus der Opposition heraus.

Es geht um die Binnenschifffahrt und es geht um vergleichbare Bedingungen auf beiden Wasserwegen. Deswegen ist unser Antrag auch so verfasst, dass er Elbe und Saale einschließt.

Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, werde ich einen Artikel der „Bild“-Zeitung von vor zwei Tagen nach oben halten.

(Der Redner hält die Kopie eines Zeitungsaus- schnitts hoch)

Darin steht nicht: „Die drei von der Tankstelle“, sondern: „Die drei für den Hafen“. Darunter steht: „Parteien ungewohnt einig: Ausbau muss weitergehen“.

Wer waren die drei? Die drei waren die verkehrspolitischen Sprecher der CDU-, der FDP- und der SPDLandtagsfraktion. Vor Ort wurde dieser parteiübergreifende Konsens hergestellt. Ich möchte Sie, meine Damen und Herren von der SPD, herzlich bitten: Fallen Sie nicht hinter das zurück, was Ihr verkehrspolitischer Sprecher vernünftigerweise vor Ort gesagt hat. Rudern Sie nicht zurück! Bleiben Sie im Geleitzug der Allianz für die Schifffahrt - und das bitte auch, wenn auf dem Schleppkahn „CDU und FDP“ steht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Verhalten Sie sich loyal gegenüber den Chancen für unser Land und nicht allein loyal gegenüber Ihrer Bundesregierung. Sie stehen in der Beweispflicht zu zeigen, ob Sie es ernst meinen. Die Regierungsfraktionen reichen Ihnen die Hand, bleiben selbst aber auf Kurs.

Lehnen Sie unseren Antrag ab, werden Sie auf Jahre hinaus nicht mehr glaubhaft für die Binnenschifffahrt in Sachsen-Anhalt streiten können. Überlegen Sie gut und stimmen Sie mit uns, aus Loyalität zur Vernunft. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Ernst, FDP, von Herrn Rauls, FDP, und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Danke, Herr Schröder. - Im Ältestenrat ist eine Debatte mit zehn Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden. Bevor wir die Debatte der Fraktionen eröffnen, hat zunächst Herr Minister Dr. Daehre für die Landesregierung um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Dr. Daehre.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden es vielleicht schon gemerkt haben, dass

meine Stimme etwas weg ist. Ich versuche trotzdem, etwas rüberzubringen, aber mit gemäßigter Stimme.

(Heiterkeit - Zuruf von Frau Budde, SPD)

Meine Damen und Herren! Ich möchte die Thematik in zwei Teilen darzustellen versuchen. Zunächst einmal zum Thema Saale.

Ich weiß noch, dass wir uns im vergangenen Jahr hier im Landtag damit beschäftigt haben - Herr Schröder hat es schon gesagt -, dass wir dann zusammen mit der SPD die Einleitung eines Raumordnungsverfahrens zum frühestmöglichen Zeitpunkt gefordert haben. Damals haben wir noch über die Staustufe mit der Brunnengalerie gesprochen. Darin waren wir uns auch einig.

Nun hat man im Frühjahr dieses Jahres begonnen - zumindest die Fachleute -, nach Alternativen zu suchen. Man ist dann auf diese Kanalvariante gekommen. Im April/Mai bin ich das erste Mal mit dieser Variante konfrontiert worden.

Ich denke, man kann über vieles nachdenken, aber man muss ernsthaft darüber nachdenken; denn die Zeit ist jetzt gekommen, dass wir handeln müssen. Wir müssen jetzt die Entscheidung treffen, ob wir ja sagen wollen oder ob wir nein sagen wollen. Wenn wir ja sagen wollen, dann muss jetzt ein Signal nach Berlin gehen, damit die Planungen sofort wieder aufgegriffen werden und damit man jetzt die Kanalvariante untersucht und ernsthaft mit ins Gespräch bringt.

Bei der Kanalvariante soll die ökologische Komponente besser sein. Aber eines will ich hier auch sagen: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir bei einem Kanal von 7,9 km Länge auch einen Flächenverbrauch haben, meine Damen und Herren. Ich weiß noch nicht, wie die Landwirte reagieren, ob bei denen der große Beifall einsetzt. Zumindest muss man das noch mit prüfen. Im Vergleich zu der Variante, die wir bei der Staustufe haben, dürfte es lediglich um einen „Pappel-See“ gehen, der vor mehr als 60 Jahren dort entstanden ist.

Ich will es nicht herunterspielen, ich will nur ganz einfach sagen, dass wir jetzt handeln müssen. Deshalb freue ich mich darüber, wenn wir uns darin einig sind, dass wir jetzt von diesem Landtag aus das Signal nach Berlin senden müssen. Es muss jetzt gehandelt werden. Die Planungen müssen aufgenommen werden, damit die Schifffahrt auf der Saale dann tatsächlich so erfolgen kann, wie wir uns das angeblich alle wünschen.

Ich kann mir auch vorstellen, dass wir einen gemeinsamen Brief an Herrn Stolpe schreiben, in dem wir zum Ausdruck bringen, dass der Beschluss von den Fraktionen der CDU, der FDP und der SPD getragen wird. Ich weiß nicht, ob sich die PDS dem ebenfalls anschließt. Ich vermute eher, dass sie es nicht tut. Aber ich will das noch offen lassen. Dann hätten wir einen fast einstimmigen Beschluss des Landtages, um die Bundesregierung aufzufordern, meine Damen und Herren.

Es geht jetzt darum, dass die Kanalvariante in die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes mit aufgenommen wird. Man spricht von 80 Millionen €. Bisher gibt es kein Signal aus Berlin, dass die Bundesregierung bereit ist, das zu machen. Aber wenn es so ist, sollten wir uns alle freuen.

Ich denke, wir haben relativ schnell eine Lösung gefunden. Aber wir können nicht noch einmal zwölf Jahre warten, um den Leuten entlang der Saale zu erklären, dass es irgendwann zu einer Lösung kommt.

Zu meiner Zufriedenheit muss ich eingestehen, dass die SPD, jedenfalls hier im Land, relativ schnell reagiert hat, was die Saale angeht. Ich denke, dieses Angebot sollten wir annehmen. - So viel zur Saale.

Jetzt gilt es, etwas zu dem zweiten Problem zu sagen; das betrifft die Elbe.

Meine Damen und Herren! Was die Elbe angeht, darf ich die Fachabteilung zitieren. In der heutigen Ausgabe der „Volksstimme“ sind die Schlagzeilen „Ausbaustopp der Elbe“, „Zwangspause für Magdeburger Behörde“ zu lesen. Unter der Überschrift „Wir warten seit Wochen auf Anweisungen“, heißt es:

„,Nein, wir wissen zur Zeit noch nicht, was genau an und mit der Elbe geschehen soll‘, sagt Rolf Lade, Chef des Magdeburger Wasser- und Schifffahrtsamtes. ‚Wir warten seit einigen Wochen auf Anweisungen aus Berlin.‘ Dort sitzt das Ministerium, das ihm und seinem Amt die Mittel für Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen gibt. Vor knapp vier Wochen wurde in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung ein Ausbaustopp der Elbe verkündet, die Mittel dafür eingefroren. ‚Doch was genau ein Ausbaustopp bedeutet, was wir jetzt machen können oder sollen, das wissen wir nicht‘, sagt Lade. Folge ist, dass die 20 Mitarbeiter, die in seinem Amt für die Buhnenpflege zuständig sind, seitdem woanders eingesetzt werden müssen.“

Es kann nicht sein, dass seit Wochen 20 Mitarbeiter in Magdeburg nicht wissen, was sie bezüglich der Elbe machen sollen.

Meine Damen und Herren! Das Hochwasser stand bis auf 30 cm unter dem Schleinufer. Das war zu sehen. Der damalige Verkehrsminister Bodewig war hier in Magdeburg und erklärte - das Hochwasser vor Augen - den staunenden Journalisten, dass die Bundesregierung nach wie vor an den Maßnahmen an der Elbe festhalte und dass es lediglich darum ginge - das wollen sie auch weiterhin machen -, die 40 Jahre lang in der DDR vernachlässigten Buhnen instand zu setzen. Ich habe damals schon etwas korrigiert und gesagt, dass wir auch in der DDR das eine oder andere gemacht haben. Er war aber der Meinung, dass gar nichts passiert sei.

Drei Tage später ist das alles nicht mehr wahr, meine Damen und Herren. Drei Tage später müssen wir uns anhören, dass das alles Spaß gewesen sei, dass die Millionen vergeblich ausgegeben worden seien - und das vor dem Hintergrund des Hochwassers. Ich habe immer angenommen, dass das Hochwasser vom Regen gekommen wäre, aber ich habe von Herrn Trittin belehrt werden müssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Trittin hat diese Maßnahmen - jetzt wird es politisch - dreieinhalb Jahre lang mitgetragen. Die sind von ihm sogar unterstützt worden, aber mit einem Mal darf das alles nicht mehr wahr sein.

Es kann nicht angehen, dass wir uns von Berlin aus vorschreiben lassen, was im Osten und damit auch in Sachsen-Anhalt an Planungen noch durchgeführt werden kann oder nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)