Protocol of the Session on March 15, 2002

(Herr Sachse, SPD: Wo leben Sie eigentlich? - Zurufe von Herrn Bullerjahn, SPD, von Herrn Felke, SPD, und von Ministerpräsident Herrn Dr. Höppner)

- Ja, widersprechen Sie mir ruhig. Es ist eine Strategie, sich den Problemen zu stellen, die garantiert nicht zukunftsfähig ist. Dies kann ich Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Sachse, SPD: Leben Sie eigentlich in diesem Land? Wo lebt er eigentlich? - Zurufe von Herrn Felke, SPD, von Herrn Bischoff, SPD, und von Ministerin Frau Dr. Kuppe - Herr Rahmig, SPD: Nennen Sie doch eine Alternative!)

Dritter Punkt, die öffentliche Verschuldung. Auch diesbezüglich kann ich allen, nicht nur den Finanzpolitikern, nur die Lektüre des Beitrags von Professor Schwödiauer empfehlen.

(Herr Prof. Dr. Trepte, PDS: Das ist eine schwa- che Lektüre!)

- Herr Kollege, Sie werden sich doch zumindest einer Einsicht nicht verschließen können, nämlich der, dass Sachsen-Anhalt - Kommunalverschuldung hin, Kommunalverschuldung her - unter Einbeziehung aller Kennzif

fern nicht nur das höchstverschuldete neue Bundesland ist, sondern auch das Flächenland, welches in der Gesamtverschuldungsquote - das ist das Verhältnis der Verschuldung zum Bruttoinlandsprodukt - mit über 40 % der traurige Spitzenreiter unter den Bundesländern ist.

Die Traurigkeit ist vor allem dadurch begründet, dass die Tendenz ungebrochen steigend ist.

(Herr Bullerjahn, SPD: Das ist nun wirklich Un- fug!)

Unser Bruttoinlandsprodukt ist lächerlich gering im Vergleich mit dem Anstieg der Staatsverschuldung.

(Herr Bullerjahn, SPD: Woher haben Sie denn das?)

- Lesen Sie doch bitte die Kennziffern von Herrn Schwödiauer. Ich kann Ihnen wirklich nur sagen, dass Ignoranz an dieser Stelle nichts nützt.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Herrn Bul- lerjahn, SPD)

Ich kann mich an dieser Stelle, Herr Kollege Bullerjahn, nur darüber wundern, wie Sie mit den im Lichte der Schwödiauer‘schen Analyse nur zu berechtigten Kassandrarufen von Herrn Hoffmann in der Vergangenheit umgegangen sind.

Natürlich sind die Handlungsempfehlungen für alle, die Finanzpolitik betrieben haben, nicht neu. Wir haben sie bei allen Haushaltsberatungen beschworen. Auch Herr Schwödiauer macht deutlich, dass angesichts der Einnahmesituation und der Einnahmeprognosen in unserem Land eine Stabilisierung der Staatsverschuldungsquote nur durch eine Reduktion der Staatsausgabenquote möglich ist. Damit sind wir in einem echten Dilemma. Die ernsthafte Verfolgung dieses Zieles erfolgt in unserem Lande erkennbar zu spät.

Wir sind in eine Situation hineingeraten, in der die Reduktion der Staatsausgabenquote unabweisbar in Bereiche hineinragen wird, deren öffentliche Finanzierung eigentlich für die Zukunftsfähigkeit des Landes unentbehrlich ist. Wir sind, wenn Sie so wollen, in einer finanzpolitischen Nachhaltigkeitsfalle. Auch dies verdient es, ernst genommen zu werden.

Ich komme zum vierten Punkt, dem Defizit in der Humankapitalausstattung. Ich gebe zu, dass mich diese Einsicht, die auf einen Beitrag des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle zurückgeht, selbst überrascht hat. Aber die Statistiken über die Verteilung der Schlüsselqualifikationen in den Bundesländern, über die Qualifikationsstruktur der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, über Patentstrukturen und anderes mehr machen deutlich, dass wir jedenfalls an dieser Stelle unsere bisherige platte und simple Formel „Wir haben gut ausgebildete Menschen in Hülle und Fülle“ doch etwas überdenken müssen. Auch dort gibt es enormen Handlungsbedarf.

Meine Damen und Herren! Ich merke, dass die Redezeit früher zu Ende geht, als ich es bei der Konzipierung meiner Rede beabsichtigt hatte. Deshalb kann ich zu diesem Punkt nicht mehr ausführlich Stellung nehmen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ihre Zeit ist um!)

Ich will jedoch eine Anmerkung machen, die mir als ursprünglichem Bildungspolitiker in diesem Hause gestattet sein muss. Neben dem Ausbau wirtschaftsnaher Infrastruktur und neben Investitionen in die Wirtschaft wird

- das ist für mich eine der wichtigen Verhaltensstrategien - die Frage der Investitionen in Bildung und Wissenschaft eine zentrale Bedeutung für den Ausbau der Zukunftsfähigkeit haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Dies schließt einen Bildungsbegriff ein, der bis hin zu Kultur und ästhetischer Bildung reicht;

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

denn angesichts des bevorstehenden Übergangs zur Dienstleistungsgesellschaft ist die Frage der Qualifizierung dieser Dienstleistungsgesellschaft durch ästhetische Bildung der Akteure eine entscheidende Zukunftsfrage.

Ich möchte quer über die Fraktionen hinweg all denen, die unsere Bildungsinstitutionen, die aus meiner Sicht eines der Pfunde sind, mit denen wir im Hinblick auf die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen wuchern können, mitunter unter dem Druck von Finanzentscheidungen kritisch betrachten, sagen: Nicht nur Verkehrsinfrastruktur, sondern auch Bildungsinfrastruktur muss vorgehalten werden. Ich warne mit Blick auf Wissenschaft und Forschung davor, sich zu sehr der Frage hinzugeben, ob Studiengänge, die bei uns angeboten werden, vielleicht nur oder vorwiegend Abnehmer in anderen Bundesländern finden. Wenn wir Straßen bauen, stellen wir auch nicht die Frage, ob die Autos, die darüber rollen, bloß bei uns im Lande verkehren oder ob sie über die Landesgrenzen hinausfahren.

(Ministerpräsident Herr Dr. Höppner: Wen warnt er jetzt?)

- Ich sehe zum Beispiel Herrn Kollegen Trepte an.

Herr Dr. Bergner, ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie auf irgendeine Weise zum Schluss Ihrer Rede kommen müssen.

(Herr Doege, SPD: Ihre Zeit ist um! - Herr Rah- mig, SPD: Das ist schade; es war sehr interes- sant eben!)

Herr Präsident, ich muss dies respektieren, selbst um den Preis, dass ich meine Rede an dieser Stelle sehr abrupt abbrechen muss.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ist nicht so schlimm, Herr Bergner!)

Es sei mir aber gestattet, wenigstens noch zwei Sätze zu sagen, da diese die letzte Rede ist, die ich in diesem Parlament halte.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe die knapp zwölf Jahre hier sehr intensiv erlebt; sie haben mich geprägt. Ich habe all denen zu danken, die für das Entstehen und das Funktionieren dieses Hohen Hauses Verantwortung getragen haben. Ich erwähne in Besonderheit den ersten Landtagspräsidenten Klaus Keitel namentlich.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Wiechmann, FDVP)

Ich habe in diesen Jahren zur Kenntnis nehmen müssen, dass ein Parlament nicht unbedingt eine höhere Sit

tenschule sein muss und dass sich Prozesse ereignen können, die makabre Schlagzeilen machen. Trotzdem möchte ich meine Erfahrungen in der Aussage zusammenfassen, dass das Parlament zu den großartigsten Erfindungen menschlicher Kulturgeschichte gehört. Es ist eine Form der Machtbewirtschaftung, auf die ein demokratisches Miteinander nicht verzichten kann.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Ich habe gern und viel in diesem Hohen Hause gestritten. Ich habe nicht die Absicht, mich dafür zu entschuldigen; denn das Parlament ist der Ort des Streites und die Demokratie ist eine Streitkultur.

Ich habe Anlass, all denen zu danken, die sich durch den Streit herausfordert gefühlt und mir widersprochen haben, und allen meinen Kollegen, die mich unterstützt haben. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD, von Frau Wiechmann, FDVP, und von Herrn Mertens, FDVP)

Einen Moment, Herr Bergner. Frau Abgeordnete Bull hat eine Frage.

Herr Dr. Bergner, da Sie tatsächlich ein streitlustiger Kollege sind, will ich gern dazu beitragen, dass sich Ihre Redezeit etwas verlängert.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ach nee!)

Es geht um ein grundsätzliches Problem. Sie haben in Ihrer Rede dem Problem der Investitionen und der Betrachtungsweise von Investitionen einen ziemlich großen Raum eingeräumt, insbesondere mit Blick auf die Auseinandersetzung mit Professor Schwödiauer, die wir im Parlament geführt haben.

Zu meiner Frage. Professor Schwödiauer selbst hat in der Auseinandersetzung mit der Enquetekommission den Begriff der Investitionen insofern problematisiert, als er gesagt hat, dass der engere Begriff der Investitionen nicht auf die Förderung wirtschaftsnaher Infrastruktur beschränkt werden sollte; vielmehr sollte man darüber nachdenken, dass in politischer Hinsicht Investitionen in Anführungsstrichen - auch in soziale Bereiche, in Bildung erfolgen können; Investitionen im herkömmlichen Sinne können nicht zwangsläufig auf die Frage beschränkt werden: Was ist nachhaltig und was ist nicht nachhaltig in einer Gesellschaft?

Ich sage das, weil Sie so getan haben: Die Wissenschaft produziert Fakten und die Politik müsste sich zwangsläufig nur noch nach diesen Fakten richten, und alles wird gut.

Frau Kollegin, ich muss zunächst zugeben, dass ein spannender Punkt in der Diskussion die Frage war, ob ich bleibe einmal beim Bereich Bildung; bei diesem ist es für mich am greifbarsten - die Finanzierung von Bildungsinfrastruktur nicht ebenso eine Investition ist, weil sie Zukunftsvoraussetzungen schafft wie eine Investition in Straßen und in Maschinen.

Herr Schwödiauer hat für diese Frage Verständnis zum Ausdruck gebracht, aber er hat einer entsprechenden

ich sage es einmal so - kameralistischen Eingruppierung dieser Art nicht das Wort geredet. Auch ich würde dies nicht tun, und zwar aus einem ganz einfachen Grund.

Derjenige, der in der Geschichte des Haushaltsrechts der alten Bundesrepublik Deutschland verfolgt, wie der Grundsatz „Man darf nicht mehr Schulden machen, als die selbstfinanzierten Investitionen umfassen“ ohnehin schon ausgehöhlt wurde in Bereichen, in denen für den Staat kein unmittelbarer Rückfluss gegeben ist - beispielsweise bei verlorenen Zuschüssen,