Meine Damen und Herren! An diesen Problemfeldern müsste eigentlich deutlich erkennbar sein, dass der Einsatz von V-Leuten im Bereich des Rechtsextremismus ein unverzichtbares Element für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Land Sachsen-Anhalt darstellt. Eine Sondersitzung von Landtagsausschüssen zu dieser Frage halte ich deshalb nicht für erforderlich. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Posse um die mit heißer Nadel gestrickten Verbotsanträge nimmt kein Ende. Nun wird auch noch die Landesregierung Sachsen-Anhalts aufgefordert, ihren Beitrag zur unendlichen Geschichte zu liefern.
Dass der Antrag von der PDS kommt, verwundert insofern nicht, als der Kampf gegen den so genannten Rechtsextremismus zur Spielwiese des Abgeordneten Herrn Gärtner gehört. Erstaunlich, meine Damen und Herren, ist jedoch der Realitätssinn, der es ihn versuchen lässt, aus der verfahrenen Situation durch Überarbeitung noch etwas zu machen. Was soll denn hier überarbeitet werden, wenn doch nur ein neuer, fundierter und nicht durch Skandale belasteter Antrag die Richter in Karlsruhe beschäftigen sollte?
Meine Damen und Herren! Der Herr Innenminister hat eben feststellt, dass Parteien, die nicht genehm sind, nur durch V-Leute beobachtet werden können und müssen. Dazu möchte ich Ihnen vortragen, was der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft von Baden-Württemberg, Herr Berberich, in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 15. Februar 2002 feststellte: Es gab NPD-Kundgebungen, bei denen die Hälfte der Teilnehmer V-Leute waren, die angeblich auch verfassungsfeindliche Symbole in Umlauf brachten, um sie nach Beendigung der Demonstration wieder einzusammeln und als Beweis zu verwenden.
Da kann doch nur der Vergleich zu kriminellen Methoden des Polizistenmörders Mielke gezogen werden, der nach Frau Heins Trauerbekundung durchaus hehre Ziele vertrat.
Meine Damen und Herren! Es ließen sich sicherlich viele Gründe anführen. Doch ist in diesem Fall mit dem Antragsteller nicht tatsächlich der Gärtner zum Bock mutiert - um das Stichwort einmal umzukehren?
Getrost kann man sich der Meinung von Lesern im „Spiegel“, im „Focus“ und in anderen Zeitschriften anschließen, die im Tenor Folgendes ausdrücken: Wenn man erfährt, dass selbst höchste NPD-Funktionäre auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes stehen, dann fragt man sich, ob es nicht besser wäre, statt der NPD den Schlapphutapparat zu verbieten.
Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen den letzten „Eulenspiegel“, dessen Titelblatt zumindest doch recht interessant ist. Darauf wird dargestellt, wie V-Leute jemanden zusammenschlagen. Ebenso überlegenswert wäre die Aussage des Buches „Der Verfassungsschutz - auf der Suche nach dem verlorenen Feind“, rezensiert in der „Welt“ vom 18. Februar 2002. Gestatten Sie, Herr Präsident, dass ich zitiere:
„Der Autor plädiert dafür, dem polizeirechtlichen Ansatz eines dem Rechtsstaat adäquaten Verfassungsschutzes wieder zu Ehren zu verhelfen und tatbestandsmäßig gegliederte Berichte über alle Parteien vorzulegen. Der Autor erhofft sich davon unter anderem den Nachweis, dass über die politische Gewalttätigkeit hinausgehend eine Verfassung naturgemäß nur von politischen Kräften verletzt werden kann, welche über den Staatsapparat verfügen.“
„Ein extremer Vorschlag, dessen Originalität es gestandenen Verfassungsschützern kalt den Rücken hinunterlaufen lässt.“
Danke schön, Herr Wiechmann. - Die CDU hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die SPD spricht der Kollege Rothe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gärtner, ich empfinde Ihr Verhalten in dieser Angelegenheit als außerordentlich widersprüchlich. Sie sind der anspruchsvollste Kunde der Verfassungsschutzbehörde, den ich kenne, und zugleich ihr schärfster Kritiker.
Wenn das V-Leute-Netz in der NPD restlos offen gelegt würde, wie Sie das eben hier gefordert haben, dann könnten Sie die Dienste dieser V-Leute nicht mehr in Anspruch nehmen. Ich behaupte, das tun Sie zurzeit.
In der Antwort der Landesregierung vom 30. August 2001 auf eine Ihrer Kleinen Anfragen zum Thema „Treffen der
NPD und ihr nahe stehender Gruppierungen“ heißt es nach zahlreichen Detailangaben zu diesen Treffen:
„Weitere Einzelheiten können aus Gründen der Geheimhaltung und des Quellenschutzes im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht erörtert werden.“
Obwohl Sie also darüber informiert waren, dass auch die Erkenntnisse von V-Leuten Grundlage der Beantwortung Ihrer Kleinen Anfrage sind, haben Sie unter dem 15. Januar 2002 zu exakt dem gleichen Thema eine weitere Kleine Anfrage gestellt, die sich auf den Zeitraum des gesamten Jahres 2001 bezieht. Sie stellen Fragen, Herr Gärtner, von denen Sie genau wissen, dass sie in der geforderten Detailliertheit nur unter Einsatz von V-Leuten zu beantworten sind.
Ich sage das jetzt einmal in ungewohnter Schärfe: Sie denunzieren zugleich die Quellen, die uns diese Informationen liefern, sicherlich keine Ehrenmänner, aber Leute, die sich durchaus in Gefahr begeben, wenn sie aus der NPD heraus berichten. Ich finde, das ist nicht in Ordnung.
Am vergangenen Freitag hat eine reguläre Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission stattgefunden, an der ich in Vertretung der Kollegin Leppinger teilgenommen habe. Uns sind dort Einzelheiten zum Einsatz von V-Leuten bei der NPD mitgeteilt worden, die weder hier im Plenum noch im Innenausschuss erörtert werden können. Ich teile die Auffassung des Kollegen Becker, die er in der Presse geäußert hat, dass die PKK das dafür geeignete Gremium ist.
Herr Gärtner, Sie haben selbst zu vertreten, dass Sie dort nicht informiert worden sind. Sie haben, als es zu Beginn der Legislaturperiode um die Zusammensetzung der PKK ging, eine Mitarbeit ausdrücklich abgelehnt.
Wollen Sie nun eine Verfassungsschutzbehörde oder nicht? - Wenn Sie einen Verfassungsschutz wollen, der die für die Unterbindung von Skinheadkonzerten erforderlichen Hinweise liefert und Antworten auf Ihre Kleinen Anfragen ermöglicht, dann müssen Sie auch zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, das heißt auch zum Quellenschutz, ja sagen. Die Alternative lautet dann nicht: PKK oder Offenlegung der Informationsgewinnung, sondern sie lautet dann: PKK oder fehlende parlamentarische Kontrolle - jedenfalls solange uns kein besseres Kontrollinstrument einfällt.
Meine Damen und Herren! Meine Einstellung zu dem NPD-Verbotsverfahren selbst hat sich gewandelt. Als im vorletzten Jahr die Diskussion begann, stand ich dem Vorhaben skeptisch gegenüber, weil ich es nicht für erforderlich hielt, die NPD zu verbieten. Meine Skepsis hat sich nach dem 11. September 2001 in Zustimmung verwandelt. Am 12. September 2001 hat Horst Mahler schriftlich erklärt:
„Die militärischen Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft sind - weil sie vermittelt durch die Medien den Widerstandsgeist der Völker beleben und auf den Hauptfeind ausrichten - eminent wirksam und deshalb rechtens.“
Am 3. Oktober 2001 erhielt ich im Landtag wie andere Abgeordnete auch eine E-Mail, in der Herr Mahler verkündet:
„Der Luftschlag vom 11. September 2001 ist die Markierung der Globalisten als Aggressoren durch die geschundenen und abgeweideten Völker.“
Herr Mahler hat sich vom ehemaligen Linksterroristen zum Rechtsextremisten gewandelt. Seit Sommer 2000 ist er Mitglied der NPD und mittlerweile ihr in der Öffentlichkeit am meisten bekannter Exponent. Auch nach seinen unsäglichen Äußerungen zum 11. September ist er der Prozessbevollmächtigte der NPD in dem Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, also der Anwalt ihres Vertrauens.
Die PDS-Landtagsfraktion hat sich am 5. Februar 2002 dafür ausgesprochen - ich zitiere aus ihrer Pressemitteilung -, dass „die Verbotsanträge grundsätzlich zu überarbeiten und neu einzureichen“ sind. Letzteres ist die logische Folge einer grundsätzlichen Überarbeitung. Das bedeutet auch Rückzug der vorhandenen Anträge.
Demgegenüber hat Herr Gysi im „Neuen Deutschland“ vom 11. Februar 2002 davor gewarnt, die vorhandenen Anträge zurückzuziehen. Das käme nach seiner Ansicht „einer politischen Kapitulation vor dem Rechtsextremismus gleich“. Einer heute veröffentlichten Forsa-Umfrage zufolge befürworten nur 25 % der Befragten die Antragsrücknahme; 58 % sind dagegen.
Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird auch den zweiten Teil Ihres Antrages ablehnen, wonach in einer gemeinsamen Sitzung des Innen- und des Rechtsausschusses „umfassend zu informieren“ ist. Das ist zu Recht in der PKK geschehen.
Der PDS-Fraktion war vor der Antragstellung bekannt, dass wir bereit sind - und wir sind es noch -, uns in der nächsten regulären Sitzung des Innenausschusses im Wege der Selbstbefassung so weit von der Landesregierung berichten zu lassen, wie die Angelegenheit dort erörtert werden kann. - Vielen Dank.
Danke schön, Herr Rothe. - Für die DVU-Fraktion hatte sich Frau Brandt gemeldet. Sie möchte Ihre Erklärung zu Protokoll geben.
Verfolgt man aufmerksam das Geschehen um das vom bayerischen Innenminister Beckstein initiierte NPDVerbotsverfahren, so glaubt man sich allmählich eher in einem Tollhaus denn in einem Rechtsstaat. Seit das Bundesverfassungsgericht im Januar das Verfahren wegen des Bekanntwerdens von darin verstrickten VLeuten ausgesetzt hat, wurde die staunende Öffentlichkeit nun fast täglich mit immer haarsträubenderen Einzelheiten überrascht.
Nach neuesten Meldungen aus den Innenministerien Bayerns und Niedersachsens ist seit Freitag vergangener Woche bekannt geworden, dass nunmehr nicht nur neun, sondern gar zehn so genannte „Vertrauensleute“ des Verfassungsschutzes im Belastungsmaterial aufgetaucht sein sollen. Doch dessen nicht genug; denn den
bisherigen Höhepunkt dieser Schmierenkomödie markierten die durch den baden-württembergischen Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Dieter Berberich, wiederholt der Presse gegenüber geäußerten Vorwürfe am Vorgehen des Verfassungsschutzes.
Danach sei nicht auszuschließen, dass V-Männer gar Teile der in den Verbotsanträgen zitierten Reden für die NPD-Versammlungen verfasst hätten oder verfassungsfeindliche Symbole von staatlichen Behörden stammten. Dieser massive Einsatz von V-Leuten im Zusammenspiel mit den von Berberich vorgeworfenen Tatprovokationen lässt die Tätigkeit der Ämter für Verfassungsschutz hierbei nicht nur in einem rechtsstaatlich fragwürdigen Licht erscheinen.
Noch beängstigender erscheint mir die Erkenntnis, dass diese Praktiken mehr und mehr denjenigen der unseligen Stasi zu ähneln beginnen. Angesichts der vielen Stasiopfer in jener Zeit möchte ich daran erinnern, dass die Menschen in der DDR nicht 40 Jahre unter den Repressalien des MfS gelitten und schließlich dessen Auflösung zustande gebracht haben, um danach mit ähnlichen Methoden von einer neuen Spitzelbehörde überwacht zu werden.
Im Rahmen von demokratischem Rechtsstaatsverständnis muss der legitime Anspruch auf eine faire staatliche Behandlung für alle Bürger gleichermaßen Gültigkeit besitzen. Von daher sind auch Zusammenschlüsse von Einzelbürgern zu Parteien, gleich welcher politischen Ausrichtung, von diesem Anspruch nicht ausgenommen.
Umso erstaunlicher ist es, dass SPD und Grüne sowie allen voran Herr Beckstein unter diesen Umständen auch weiterhin am NPD-Verbotsantrag festhalten. Zumindest bei einem Grünen-Abgeordneten scheint sich aber gleichfalls ein gewisses Misstrauen hinsichtlich der rechtlichen Tragfähigkeit des NPD-Verbotsantrags eingestellt zu haben.
So bemängelte Hans-Christian Ströbele, dass die Antragsteller in der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Stellungnahme völlig offen ließen, ob Teile der NPD vom Geheimdienst gesteuert worden seien. Das wäre genau dann der Fall, wenn die Vermutungen des Herrn Berberich zuträfen, was allein schon die gerichtliche Zulässigkeit des Antrags infrage stellen würde. So darf man denn gespannt sein, wie die Richter in Karlsruhe über den von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat gestellten Parteiverbotsantrag entscheiden werden.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass die Debatte ein wenig verschoben wird. Ich will einmal ganz deutlich sagen, dass wir nicht eine Debatte über die Existenz oder Nichtexistenz einer Verfassungsschutzbehörde führen. Wir führen hier eine Debatte darüber, ob das, was in dem NPD-Verbotsantrag enthalten ist, was vom Verfassungsschutz eingebracht wurde, etwas ist, das eigentlich das ganze Verbotsverfahren gefährdet.