Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei der CDU, dass sie mir die Möglichkeit gab, in diesem Hohen Hause unsere Gedanken zur Bildungspolitik zu äußern. Sie alle bitte ich, in der Zukunft die innere Schulreform zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler und der ganzen Gesellschaft voranzubringen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Die Abgeordnete Frau Brandt hat ihren Beitrag zu Protokoll gegeben.
Fast zu schön um wahr zu sein, wird sich die Bevölkerung Sachsen-Anhalts gedacht haben, als sie den philanthropisch anmutenden Grundtenor eines Versprechens vernahm, das da in etwa lautete: „Insbesondere durch Bildungsförderung einen Beitrag zur Selbstbewusstseinsstärkung der Menschen... und vor allem zur Eröffnung akzeptabler Zukunftschancen junger Menschen hierzulande...“ leisten zu wollen.
Die SPD-Landesregierung höchstselbst war es, die 1994 mit eben dieser These die Bildungsförderung in der Regierungsantrittsrede Ministerpräsident Höppners zur Maxime ihres bildungspolitischen Handelns machte. Demzufolge wurde auch bis zum heutigen Tage das so genannte „bildungspolitische Gestaltungsinstrumentarium“ in einem Umfang strapaziert, der nur noch von demjenigen der Bundesgesetzgebung zu toppen ist.
Doch interessiert meine Fraktion und die Bürger weniger das Funktionieren von purem Gesetzgebungsaktionismus. Ausschlaggebend sind vielmehr die derzeit vorweisbaren bildungspolitischen Ergebnisse, meine Damen und Herren.
Diese finden ihren messbaren Niederschlag zuallererst sowohl in der Leistungsbilanz der Schüler und Auszubildenden als auch in der Qualität der erzielten Abschlüsse und damit in der Qualität von Wissen.
Betrachtet man nun diese Bilanz, dann wiegen naturgemäß solche Zahlen in negativer Hinsicht besonders schwer, die den Kreis, von Schul- und Berufsschulabgängern ohne Abschluss verdeutlichen. Aus der statistischen Addition von rund 11 300 Berufsschülern und der neuen Negativrekordmarke von ca. 2 500 Sekundarschülern ergab sich allein für das Jahr 2000 die erschreckend hohe Anzahl von insgesamt 13 800 jungen Menschen, die hierzulande ohne Schul- oder Berufsschulabschluss in ein wettbewerbsorientiertes Leben entlassen worden sind. Das ist ein bildungspolitisches Desaster, meine Damen und Herren.
Auch das für diesen Personenkreis vorgesehene Berufsvorbereitungsjahr oder ein Arbeitsamtkursus des Mottos: „Wie bewerbe ich mich richtig?“ vermag nur behelfsweise die Mangelhaftigkeit der absolvierten Ausbildung zu kaschieren. Von daher können solcherlei Maßnahmen nur als hilflose Nachbesserungsversuche verfehlter Bildungspolitik angesehen werden.
Zu einer realistischen Bewertung vorweisbarer Ergebnisse von Bildungspolitik ist für mich aber nicht allein die erzielte Leistungsbilanz der Schüler ausschlaggebend. Auch die Qualität der erzielten Abschlüsse und damit die Qualität des erlernten Wissens ist kritisch zu hinterfragen. Eine objektive Sicht auf diese Fakten wird allerdings von politischer Seite unmöglich gemacht.
So sind beispielsweise von der Kultusministerkonferenz die Möglichkeiten eines systematischen Leistungsvergleichs zwischen den einzelnen Bundesländern im Rahmen der 1,5 Millionen DM teuren Dritten Internationalen Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie (TIMSS III) von vornherein ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Warum, fragt man sich. Bisher ging ich davon aus, dass in einem Rechtsstaat auch die von Kultusministern geleistete Arbeit einer demokratischen Kontrolle zu unterstehen hat. Bei der Betrachtung von Bildungspolitik, möchte man meinen, dürften nicht zuletzt auch die Arbeitsmarktchancen junger Menschen ein Indikator dafür sein, welche gesellschaftliche Bedeutung den von ihnen erworbenen Kenntnissen und Abschlüssen beizumessen ist.
Doch wie wir alle wissen, liegt selbst der Erwerbslosenanteil bei den ausgebildeten jungen Menschen in der heutigen Zeit relativ hoch. Für gerade diesen Personenkreis sind gerechtere Arbeitsmarktchancen, angesichts wirtschaftlicher Rezession, Globalisierung und Zuwanderung, nicht allein auf bildungspolitischer Grundlage zu bewirken. Hierzu bedürfte es einer Gesamtverbesserung
Aber auch den Inhalt von Lehrplänen als Fundament der Bildungsvermittlung gilt es auf den Prüfstand zu stellen. Kritikwürdig ist hierbei insbesondere die derzeitige Inhaltsüberfrachtung. Es kann außerdem nicht dabei bleiben, dass den Schülern wie bisher nur abrufbereite Fakten antrainiert werden und die Vermittlung einer selbst überlegten Anwendbarkeit von Wissen auch weiterhin auf der Strecke bleibt.
Abschließend möchte ich auch auf die Lehrer SachsenAnhalts eingehen, welche durch ihren täglichen beruflichen Einsatz als Bindeglied zwischen Bildungspolitik und den Schülern als „Bildungsendverbrauchern“ fungieren. Durch diese Schlüsselstellung werden sie quasi zum unmittelbaren Garanten für die Qualität der zu vermittelnden Bildung. Von daher ist besonders ihre berufliche Motivation von ausschlaggebender Bedeutung für alle Beteiligten. Folglich gilt es insbesondere die Einsatzbereitschaft der Lehrkräfte zu fördern und zu erhalten. Deshalb ist es aus unserer Sicht auch unabdingbar, eine gerechte Angleichung der hiesigen Lehrerbezüge an das Altbundesländerniveau umgehend regierungsseits zu realisieren.
Nunmehr kann die Abgeordnete Frau Feußner noch einmal für die CDU-Fraktion das Wort ergreifen. Bitte, Frau Feußner.
Herr Präsident! Sehr verehrte Anwesende! Zunächst möchte ich Ihnen, Frau Hein, einmal Folgendes sagen: Im Jahr 1994 wurde noch von einer Verschlankung des Erlasswesens gesprochen. In der Antwort auf unsere Große Anfrage steht: 142 Erlasse wurden außer Kraft gesetzt und dafür 415 hinzugefügt. Somit kann man festhalten, dass wir das Kultusministerium mit unserer Anfrage nicht zu sehr belastet haben können. Es war immerhin noch Zeit für genügend andere Erlasse. - Aber ich möchte zu den eigentlichen Inhalten kommen.
Herr Harms, Ihre Kritik in allen Ehren. Auch wenn Sie mir jetzt wieder nachweisen wollten, dass ich Ihre Antwort auf die Große Anfrage nicht richtig gelesen hätte,
Wir haben uns beim Statistischen Landesamt die neuesten Zahlen der Schulabgänger ohne Schulabschluss angeschaut - diese standen übrigens in Ihrer Antwort noch nicht - und das habe ich Ihnen vorgetragen. Die Schüler kommen nicht, wie Sie es gesagt haben, aus der alten Sekundarschule, sondern sie kommen aus der neuen Sekundarschule, nämlich aus der Förderstufe. Ich könnte es Ihnen gern auch schriftlich geben oder Ihnen die Seite in dem Material des Statistischen Landesamtes zeigen, wenn Sie mir nachweisen wollten, ich hätte mich nicht richtig informiert. Das sind die neuen Abgangszahlen aus der neuen Sekundarschule - und das sind fatale Zahlen. Darüber kann man nicht einfach mit einem Handstreich hinweggehen.
Das ist vielmehr erschreckend. Obwohl Sie mit dem Anspruch angetreten sind, diese Zahl gerade durch die
Damit komme ich gleich zu dem Nächsten. Sie wollen mir vorwerfen, ich hätte nur über Strukturen gesprochen. Das habe ich nicht getan. Ich habe das ausgewertet, was Sie in Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage geschrieben haben, und nichts weiter. Wir haben zum Beispiel das Ergebnis vorliegen, dass nach den von Ihnen neu geschaffenen Strukturen mehr Schüler die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Da muss man natürlich handeln. Da kann man doch nicht zuschauen.
Fragen Sie doch mal in der Bevölkerung, in den Schulen nach. Von wegen, Frau Kauerauf, wir wären rückwärts gerichtet mit unserer Strukturdebatte. Fragen Sie doch mal, was die Förderstufe den Schülern gebracht hat. Fragen Sie mal, wie viele sich noch zu der Förderstufe bekennen oder was im Ergebnis herausgekommen ist.
Oder fragen Sie sie, was sie von der neuen Sekundarschule halten. Fragen Sie, wie viel Hauptschulabschlüsse wir mit der neuen Sekundarschule produzieren. Nach zehn Schuljahren, die die Schüler absolvieren, bekommen sie jetzt einen Hauptschulabschluss. Das machen Sie mal den Eltern vor Ort klar und vor allen Dingen auch den Unternehmen. Diese wissen gar nicht, was sie mit diesem Schülerpotenzial anfangen sollen.
Also sagen Sie doch nicht, dass wir rückwärts gewandt wären. Wir werten doch nur den Stuss aus, den Sie hier fabriziert haben.
(Beifall bei der CDU - Herr Becker, CDU: Jawohl! - Frau Kauerauf, SPD: Sie haben es nicht ver- standen!)
Wenn Sie sich auf Pisa zurückziehen, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Natürlich haben die Länder, die ein Gesamtschulsystem vorweisen können, wie Finnland oder Schweden, bessere Ergebnisse als wir in Deutschland. Das ist klar und eindeutig. Daran wollen wir auch gar nicht deuteln.
Aber das andere ist doch, dass wir auch im Land einmal Vergleiche ziehen müssen. Es gibt Vergleiche im Land. Das werden wir bei der Auswertung der Pisa-Studie, die im Sommer erfolgen wird, die den Ländervergleich enthalten wird, sehen. Es gibt Vergleiche über BIJU und TIMSS, nach denen eindeutig die Länder - ich habe es hier auch vorgetragen; Sie scheinen eben nicht zugehört zu haben
mit einem gegliederten Schulwesen im Leistungsvergleich zwei Schuljahre weiter sind als die Länder mit der Gesamtschule. Dann gebe ich Ihnen diese Studie und kreuze Ihnen die Stelle, an der das steht, noch an. Wollen Sie etwa an diesen Studien zweifeln? Dann müssten wir auch an der Pisa-Studie zweifeln. - Na, um Gottes Willen.
Aber ich sage Ihnen noch einmal: Auf diese Auswertung sind wir im Land Sachsen-Anhalt und darüber hinaus deutschlandweit sehr gespannt und daraus werden wir
auch unsere Konsequenzen ziehen. Nur, mit den Ergebnissen, die Sie mit Ihrem Schulsystem an dieser Stelle vorzuweisen haben, kann man absolut nicht zufrieden sein.
Ich gebe mich auch nicht damit zufrieden, dass wir einen ständigen Anstieg der Zahl der Schüler zu verzeichnen haben, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Darauf muss man inhaltlich reagieren. An dieser Stelle gebe ich Ihnen wieder Recht. Eine inhaltliche Debatte wollen wir gern führen, dieser verschließen wir uns nicht. Wir machen es auch nicht nur an Strukturen fest.
Nur, es ist auch in anderen Ländern möglich, Herr Harms, das Abitur nach zwölf Jahren abzulegen, ohne dass die Belastung für die Schüler zu hoch ist. Im Übrigen gibt es die GEW-Studie aus Thüringen - diese kennen Sie mit Sicherheit auch -, in der festgestellt wird, dass die Belastung für die Schüler in Thüringen nicht wesentlich höher ist als für die Schüler in SachsenAnhalt oder in Bayern; es ist zumindest mit Bayern verglichen worden. Da müssen wir für unsere Schüler keine Bedenken haben, wenn wir auf zwölf Jahre zurückgehen.
Ich will noch einmal auf die Grundschule mit festen Öffnungszeiten eingehen. Herr Harms, Sie kritisierten mich an dieser Stelle und sagten: Die Schulen brauchen Zeit, um die flexible Schuleingangsphase einzuführen; das geht erst allmählich; es ist immerhin schon ein Fortschritt von 13 auf 25 Schulen zu verzeichnen. - Aber bei der Grundschule mit festen Öffnungszeiten haben Sie das eben nicht getan. Warum haben Sie diesen denn nicht die Freiwilligkeit überlassen? Par ordre du mufti mussten Sie durchsetzen, dass auch das Elternrecht eingeschränkt wird, gerade von denen, die sich intensiv um die Bildung und Erziehung ihrer Kinder bemühen. Sie kennen die Elterninitiative, die sich gegründet hat.