Protocol of the Session on February 21, 2002

Bei Ihrer Haltung, der Leugnung solcher Fakten, fällt mir eine Zeile aus einem Brecht-Gedicht ein: „Sie glauben nicht den Fakten, sie glauben nur sich. Im Notfall müssen die Fakten dran glauben.“

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

So verhalten Sie sich in all diesen Punkten, indem Sie einfach leugnen, was hier getan wird.

Noch eines, was für unsere Politik spricht: Wir stehen in Sachsen-Anhalt nicht allein. Wir arbeiten auch mit anderen Bundesländern innerhalb der SPD in Deutschland zusammen. Unser Ostparteitag in Magdeburg wird Programme vorlegen, aus denen deutlich wird, dass wir im Verbund mit anderen mehr leisten können als isolierte Parteien, die diesem Verbund nicht angehören. Wir vertreten dort ganz klare ostdeutsche Interessen, aber natürlich die Interessen unseres Landes unmittelbar.

Wir können so etwas im Bund nicht an allen, aber an sehr, sehr vielen Stellen umsetzen. Daran zeigt sich, dass sich kämpfen lohnt. Dabei muss ich nicht immer wieder auf Ammendorf zeigen, sondern dafür gibt es inzwischen auch andere Beispiele, die sich noch weiter vermehren lassen.

Wir haben eben einen besseren Zugang zum Kanzleramt. Das hat auch eine Bedeutung. Wenn ich jetzt höre, dass Herr Radunski sagt, dass Sie einen Wahlkampf aus einem Guss machen wollen, weil Sie es doch so leicht hätten, da Sie weder in Berlin noch hier regierten und Sie somit erst einmal gegen alles sein könnten - das mag so sein.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Das mag für uns in bestimmter Hinsicht schwierig sein. Aber wir regieren dort und wir regieren hier. Das schafft mit dieser Verbindung für das Land mehr als andere schaffen könnten.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank - Herr Gürth, CDU: Magere Ergebnis- se!)

Ich will noch ein paar kurze Bemerkungen zu dem machen, was Sie, Herr Kollege Böhmer, vorhin zum Vergabegesetz gesagt haben. Nur zur Erinnerung, damit

keine Irrtümer weitergetragen werden: Bei dem Vergabegesetz ist es so, dass nach wie vor Tarife gelten. Bei den Tarifen gilt das Baustellenprinzip. Dabei ist es so, dass eine Firma von uns, die in Nordrhein-Westfalen einen Auftrag erhält, dort, wo die Leute arbeiten, den Tarif zahlt, weil es dort die entsprechenden Einnahmen hat. Das gilt aber nicht für die ganze Firma und für alle anderen Baustellen. Deshalb sehe ich überhaupt nicht ein, warum man gegen dieses Vergabegesetz etwas sagen sollte.

(Zurufe von der CDU)

So etwas weiß man vielleicht nur, wenn man einer Regierungspartei angehört, die auch im Bund etwas zu sagen hat.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Es gibt noch viele andere Punkte, nicht nur die harten und die weichen Standortfaktoren. Es gibt auch gesellschaftliche Entwicklungen. Es gibt politische Entwicklungen in diesem Land. Dabei denke ich, dass wir sehr wohl darauf hinweisen können, dass wir gerade bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus in diesem Land sowohl mit politischem Einsatz als auch mit materiellem Einsatz eine Menge getan und vielleicht auch einiges erreicht haben, obwohl diese Gefahr nicht vorbei ist.

Die rechtsextremistischen Parteien in unserem Landtag hatten wir nun vier Jahre. Sie haben offensichtliche ihre Tätigkeit - von Arbeit will ich in diesem Zusammenhang nicht reden - jetzt schon eingestellt - das zeigt jedenfalls die Tagesordnung - und das ist gut so. Die CDUFraktion wird also auch keine Gelegenheit mehr haben, ihnen über parlamentarische Hürden zu helfen, was sie immer mal wieder getan hat. Diese „Zierde des Landtages“, die uns angekündigt war, ist nun bald weg.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Herr Dr. Bergner, CDU: Schwingen Sie sich doch nicht in Sachen des politischen Gegners zum Moral- apostel auf!)

Es ist aber eine neue so genannte Lichtgestalt am Horizont aufgetaucht. Das ist der Herr Marseille von der Schill-Partei, die Koalitionspartner der CDU und der FDP in Hamburg ist. Da liegt es nun eindeutig auf der Hand, dass persönliche, politische und wirtschaftliche Interessen miteinander verknüpft werden. Immer dann, wenn die wirtschaftlichen Interessen besonders gefördert werden sollen, wird er politisch tätig. Das haben wir in Halle erlebt, als der Prozess gegen die Stadt angestrengt wurde, den er zum Glück verloren hat, und das erleben wir jetzt im Lande, wo zahlreiche Prozesse gegen das Land geführt werden. Wir werden jedenfalls alles daransetzen, ihn nicht an die Sozialkassen des Landes zu lassen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank, von Frau Bull, PDS, und von Frau Stolfa, PDS)

Was die CDU und auch Sie, Herr Kollege Böhmer, dazu sagen - auch Herr Radunski kürzlich -, das ist so etwas von windelweich: „vom Wahlergebnis abhängig machen“. - Wenn die nicht in den Landtag kommen, ist die Frage erledigt, dann brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Das klingt doch aber offenbar danach, wenn die denn im Landtag so vertreten wären, dass sie zusammen mit Ihnen wie in Hamburg koalieren könnten,

dass Sie es dann natürlich machen würden. Wie soll ich denn sonst diese ausweichende Haltung deuten?

(Zustimmung bei der SPD - Herr Prof. Dr. Böh- mer, CDU: Ja!)

Genauso ist es natürlich mit der FDP, die genau das Gleiche anstrebt. Wie sollte das auch sonst sein? Zur FDP kann ich Ihnen nur eines sagen: Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte die Spitzenkandidatin ein bisschen mit dem Wort „drollig“ belegt, was ich sehr gut nachempfinden kann.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wer um 5 % kämpft und dennoch Ministerpräsidentin werden will, muss sich eine solche Bezeichnung wohl gefallen lassen. Alle Vorschläge und Wünsche, die wir von dort gehört und gelesen haben, haben x andere auch schon zu anderen Zeitpunkten aufgezählt. Die Frage, Herr Kollege Böhmer, was und vor allem mit wem Sie in diesem Lande etwas ändern wollen, bleibt also offen.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie haben gesagt: „Wir werden die Alternativen noch aufzeigen.“ - Darauf sind alle gespannt. Sie haben gesagt: „Wir stehen dafür, dass sich im Land endlich etwas verändert.“ - Hat sich denn nichts verändert, hat sich in diesem Land in den letzten zehn bis zwölf Jahren nicht ganz viel verändert, und zwar zum Guten?

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von Ministerin Frau Dr. Kuppe - Widerspruch bei der FDVP - Zuruf von Frau Mewald, CDU)

Da muss doch jemand mit den Augen nach hinten durch das Land laufen, wenn er das nicht sieht. - Oder Sie meinen die CDU selbst. Das müssen Sie dann aber mit sich ausmachen.

Ich las kürzlich - mit einer verblüffenden Ehrlichkeit haben Sie das dargelegt - zwei Sätze von Ihnen. Sie haben gesagt: „Was wir machen können, wird weniger sein, als wir gern machen möchten.“ - Das sagen wir auch immer. Dann haben Sie noch gesagt: „Einiges ist natürlich auch geschehen, aber die Regierung ist eben zu wenig wirksam geworden.“ - Ich will nur einmal wissen, warum denn ein Wechsel zu Ihnen geschehen soll, wenn Sie doch nicht mehr erreichen können und wollen, bis auf die Ankündigung, dass sich vieles verändern soll.

Nun zu der Frage, mit wem Sie denn das alles schaffen wollen. - Sie haben eingeflogene Wahlkampfhelfer. Da fallen mir die drei Namen der Personen ein, die sich hervorgetan haben. Herr Radunski ist der eine. Den Namen Radunski kenne ich schon. Das ist ein alter Fuchs und Politstratege. Ich kenne noch seine Papiere aus den frühen 90er-Jahren. Der hat aber auch dem Herrn Steffel in Berlin nicht geholfen. Dort ist die CDU von 40 auf reichlich 20 % abgestürzt, und er war einer der Wahlkampfberater.

Sie scheinen mit seinem Wahlkampfstil wohl nicht ganz in Übereinstimmung zu sein; denn kürzlich las ich von ihm: „Kassandra wählt man nicht.“ - Das heißt, man wählt eigentlich nicht die Leute, die alles schlechtmachen und die alles miesreden, sondern man wählt eigentlich die Leute, die etwas Gutes verheißen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Kassandra hat übrigens nicht miesgemacht, sie hat auf eine Katastrophe hingewiesen! - Zuruf von Frau Krause, PDS - Unruhe bei der SPD)

- Herr Radunski hat offenbar auf die Katastrophe der CDU in Berlin hingewiesen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Jedenfalls fügt sich dieses Konzept, das Sie von ihm geraten bekommen haben, nicht in Ihre Grundeinstellung.

Der Herr Ludewig. - Das hat eine gewisse Nostalgie; er saß ja mal im Kanzleramt, aber da ist er nun nicht mehr und kann von dort auch nichts mehr machen. Das zeigt natürlich auch, dass Sie keine eigene Kompetenz im Land auftreiben konnten. Ich habe in der „Süddeutschen Zeitung“ kürzlich gelesen, dass Sie schon vor zwei Jahren gesagt haben, es findet sich leider niemand und dieses Problem sei für sie nicht lösbar gewesen.

(Herr Kühn, SPD: Aber die haben doch Detlef Gürth! - Heiterkeit bei der SPD - Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Haben Sie etwas verändert?)

Schließlich ihr dritter mir bekannter prominenter Wahlhelfer, der Roland Berger. Also, zu dieser Frage, wie viele Unternehmer Herr Höppner kennt, würde ich sagen: Entweder hat Herr Berger Sachsen mit SachsenAnhalt verwechselt, wenn er Biedenkopf ins Gespräch bringt, oder er hat Herrn Böhmer mit Biedenkopf verwechselt. Irgendetwas ist doch daran faul. Sonst wären Sie doch sicherlich aufgesprungen und hätten ehrlich gesagt: Ich kenne noch weniger Unternehmer als Herr Höppner. Das hätten Sie ja nun wirklich sagen müssen.

Jedenfalls ist dieser Berater, der entweder die Personen oder die Länder verwechselt, nach allem was auch sonst in den vergangenen Jahren in diesem Land gewesen ist, nicht so toll. Es ist sehr aufschlussreich, was Sie an Kompetenz in das Land holen.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Sie waren auch schon besser!)

- Sicher, sicher, wer könnte das nicht mit Stolz von sich sagen?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, bei der PDS und von der Regierungsbank)

Aber bleiben wir doch im Land: Mit wem wollen Sie denn diese Veränderungen erreichen? Gehen wir einmal der Reihe nach durch. Fangen wir einmal im Innenbereich an. Wer von Ihnen soll denn die Kriminalität mehr senken, als es bisher bei uns geschehen ist? Wer von Ihnen soll denn die Verwaltungs- und die Gebietsreform durchführen, wo Sie doch bisher noch nicht einmal wollen, dass das geschieht, und noch gar kein eigenes Konzept haben?

(Zurufe von der PDS)

Wie ist es denn im Kultusbereich? - Sie haben in der Diskussion kürzlich sogar auf Herrn Bergner zurückgreifen müssen, der bekanntermaßen nicht in der Landespolitik bleiben will, sondern in den Bund geht, weil Sie sonst niemanden für eine mögliche Regierung zur Verfügung haben.

Noch schlimmer ist es im Wirtschaftsbereich. Dort haben Sie doch auch niemanden gefunden und mussten auf Herrn Ludewig zurückgreifen, damit Sie jemanden ha

ben, der auch nur annähernd unserer Wirtschaftsministerin das Wasser reichen kann.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank - Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist aber jetzt billig!)

Wo sind denn die wirtschaftspolitischen Sprecher und Koryphäen? - Nichts von all dem haben wir gesehen.

Bei den Finanzen wollen Sie jemanden finden, der vor dem Jahr 2006 die Nettoneuverschuldung gegen null bringt, wollen Sie jemanden finden, der die finanziellen Rahmenbedingungen, die ausgehandelt wurden und die weiter gelten müssen, besser absteckt als der jetzige Finanzminister.