Protocol of the Session on February 21, 2002

Bei den Finanzen wollen Sie jemanden finden, der vor dem Jahr 2006 die Nettoneuverschuldung gegen null bringt, wollen Sie jemanden finden, der die finanziellen Rahmenbedingungen, die ausgehandelt wurden und die weiter gelten müssen, besser absteckt als der jetzige Finanzminister.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Da ist nichts frei!)

Bei der Landwirtschaft ist es das Gleiche. Ländlicher Raum, Landwirtschaft und Umwelt - das wird wohl nicht gelingen, dass Sie jemand Besseren finden.

Beim Verkehr und dem Straßen- und Wohnungsbau wollen Sie jemanden finden, der vielleicht drei internationale Bauausstellungen organisiert, wollen Sie jemanden finden, der den Stadtumbau Ost neu erfindet und das überbieten will, was jetzt da ist.

Sie würden doch in all diesen Fällen auf das Niveau der frühen 90er-Jahre zurückgehen. - Das wollen wir jedenfalls nicht.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Allenfalls - aber das nur aus einem ganz besonderen Grund - würden Sie für den Sozialbereich vermutlich jemanden finden, nämlich jemanden, der sich nicht dagegen wehrt, dass der zweite Arbeitsmarkt gekürzt wird, der sich nicht dagegen wehrt, dass die Sozialstandards gesenkt werden, und all diese Dinge nicht aufrechterhält und verteidigt, die wir für die Entwicklung dieses Landes und für das Wohlbefinden der Menschen in diesem Land für wichtig halten.

Meine Damen und Herren! Diese Debatte erfolgt zum richtigen Zeitpunkt - das sagte ich eingangs schon -, weil das die Zeit ist, wo auch Wahlauseinandersetzungen stattfinden. Diesen Auseinandersetzungen stellen wir uns. Wir sehen das Land und die Chancen des Landes positiv. Wir gehören zu den vielen in unserem Land - da sind wir keineswegs allein -, die den Menschen Hoffnung geben wollen.

Wer alles schlechtredet, nimmt den Menschen die Hoffnung, verbreitet Hoffnungslosigkeit. Das ist nicht nur schlecht für die Menschen, sondern auch für die Wirtschaft. Selbst wer das Land nur aus der Perspektive der Wirtschaft sieht, muss an dieser Stelle sagen, dass das nicht gut ist.

Wir wollen nicht zurück zu den frühen 90er-Jahren. Wir halten diese Auseinandersetzungen für wichtig und bedeutsam, ebenso die Entscheidungen, die daraus folgen werden, weil die Politik wieder an Ansehen gewonnen hat. Das Gerede vom Ende der Politik ist vorüber. Das gilt sowohl in der ganzen Welt als auch bei uns nicht mehr. Das gilt nicht mehr im Hinblick auf die Globalisierung,

(Herr Becker, CDU: Wo hat denn das jemals gegolten?)

es gilt nicht mehr im Hinblick auf den Terrorismus, auf die innere Sicherheit und auch nicht mehr hinsichtlich der Wirtschaft. Die Politik gewinnt auch in den Augen der Menschen wieder an Bedeutung. Wir wollen dieser Bedeutung der Politik gerecht werden, wir stellen uns dieser Auseinandersetzung und freuen uns auf weitere Auseinandersetzungen im Wahlkampf. - Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS, und von der Regierungs- bank)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Auf der Tribüne hat wieder ein Wechsel stattgefunden. Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler des Francke-Gymnasiums Sandersdorf sowie Seniorinnen und Senioren der Arbeitsgemeinschaft „60 Plus“ aus Halle.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion hat auf einen Beitrag verzichtet.

(Zustimmung von Herrn Metke, SPD - Lachen bei der PDS)

Für die FDVP-Fraktion spricht nunmehr die Abgeordnete Frau Wiechmann. Bitte, Frau Wiechmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der so genannten Regierungserklärung und nach der gehörten Hochzeitsrede habe ich festgestellt, dass das Brautbett bereitet ist. Ich habe natürlich auch die anhimmelnden Blicke des Herrn Ministerpräsidenten verfolgt.

Herr Dr. Fikentscher, es wird Sie nicht verwundern, dass der Realitätsverlust, der - folgt man Ihrer Bemerkung bisher keine Rolle gespielt hat, in den Bemerkungen, die ich machen werde, von Bedeutung sein wird; denn in der von Ihnen, Herr Ministerpräsident, dargestellten so genannten Standortbestimmung für Sachsen-Anhalt fehlt die Aufzählung der Schlaflabors, die deshalb in Sachsen-Anhalt vonnöten sind, weil das Wort von George Bernard Shaw auch für Ihr Regieren und Ihre Regierung zutrifft. Ich darf zitieren:

„Wenn das Volk wüsste, mit wie wenig Verstand es regiert wird, könnte es keine Nacht mehr ruhig schlafen.“

(Beifall bei der FDVP)

So ist es nicht verwunderlich, dass das Volk in SachsenAnhalt seit Jahren ob Ihres Regierens schlaflose Nächte verbringt. In diesen schlaflosen Nächten bieten auch die roten Laternen und Schlusslichter, mit denen dieses Land überhäuft ist, keine Orientierung und Hilfe.

Es ist verständlich, dass Sie sich dagegen wehren, sich seit Jahren als Schlusslicht aller Bundesländer degradieren lassen zu müssen, aber keiner behauptet ja, dass Ihre Staatskanzlei, Herr Ministerpräsident, mit einer roten Laterne versehen wäre, um daraus unmoralische Angebote ableiten zu können. Davon konnten sich Besucher überzeugen, die Sie in Ihrer uns natürlich verständlichen Abschiedsstimmung am Tag der offenen Tür noch einmal durch Ihr Reich der Staatskanzlei führten.

Es spricht zwar für die Kinderstube, die Sie, Herr Dr. Höppner, genossen haben, dass Sie einer rüstigen

Rentnerin Ihren Regierungssessel zum Platznehmen anboten, worüber die Betrachter der Szene in rührselige Stimmung ob der Bescheidenheit und Volksverbundenheit ihres gewählten Regierenden verfielen. Allerdings verschwiegen Sie der älteren Besucherin die Schleudersitzfunktion Ihres Sessels und das Datum 21. April 2002, an dem er dann explosionsartig hochgehen wird.

Das ist Ihnen nicht als arglistige Täuschung anzukreiden, Herr Ministerpräsident, denn Ihr Regieren und Ihr Handeln vollzieht sich ungetrübt und weitab von der Realität. Nein, Sie zeichnet eben nicht der Mut aus, den Sie heute beschworen haben, die Dinge so zu sehen, wie sie sind; Sie zeichnen sich vielmehr durch Feigheit vor der Wirklichkeit aus.

Auch Ihre Selbstdarstellung in Bescheidenheit würde zur Lachnummer, wenn den Besuchern Ihrer Staatskanzlei die sagenhafte Steuergeldverschwendung und die Skandale um Ihre Dienstwagen und um die Berliner Landesvertretung „Möwe“ bekannt wären. Hierin liegen die Einsparpotenziale in diesem Land. Ältere Bürger vermögen Sie noch in Ihre Amtsräume zu locken, Herr Ministerpräsident; die Jüngeren sind längst auf Nimmerwiedersehen abgewandert. Auszubildende, soweit sie das Glück hatten, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, haben Kulturbeutel und Reisetasche bereits griffbereit liegen.

Nicht nur Jugendliche sind ob der Hoffnungslosigkeit in diesem Lande frustriert; nein, das gilt ebenso für ausgewiesene Experten der Wirtschaft, die Ihnen, Herr Ministerpräsident, offene Briefe schreiben, um die mehr als missliche Lage in Sachsen-Anhalt zu beenden. Es tröstet niemanden, wenn Sie sich PR-trächtig als Briefträger nach Brüssel begeben, um längst verfasste Briefe als Ergebnisse eigenen Handelns verkünden zu können.

Meine Damen und Herren! So mancher resignierte Bürger Sachsen-Anhalts hatte den frommen Wunsch, dass Sie, Herr Ministerpräsident, bei Manneken-Pis verbleiben. Vielleicht lag Ihre Rückkehr nur darin begründet, dass Sie sich dem nächsten sich anbahnenden Verschwendungsskandal um die Landesvertretung in Brüssel entziehen wollten.

Herr Ministerpräsident, die in der Debatte genannten Fakten im Hinblick auf den Standort Sachsen-Anhalt sprechen eine beredte Sprache, und zwar gegen Sie und gegen Ihre Regierung. Sie unternehmen verzweifelte Rettungsversuche, die Lage zu schönen und mit dem Ruf „Haltet den Dieb“ - das haben wir heute wieder gehört - abzulenken und jene zu beschuldigen, die die Dinge mit großer Nüchternheit so sehen, wie sie sind, und die nicht mehr gewillt sind, die Zustände in diesem Lande hinzunehmen.

Ihr Regieren, Herr Ministerpräsident, ähnelt der Echternacher Springprozession, die sich - das kurz zur Erklärung - in einem schwerfälligen, sprungartigen Schritt erst nach links, dann nach rechts und erst dann nach vorn vollzieht, allerdings - auch das muss ich hier bemerken mit dem entscheidenden Unterschied, dass Sie keinen Schritt nach vorn mehr wagen. Die Folgen sind Stillstand und Zurückbleiben des Landes Sachsen-Anhalt.

Im Gegenzug beschuldigen Sie, Herr Ministerpräsident, all jene der Meckerei, die Ihnen und Ihrer Regierung nicht mehr zu folgen gewillt sind. Herr Ministerpräsident, Ihre Reaktion erinnert an eine berüchtigte Losung der DDR-politgeriatrischen Führung, die „keine Fehlerdiskussion“ hieß und bekanntlich jegliche Regung von kritischem Sachverstand zu unterdrücken suchte.

Herr Ministerpräsident, Ihre Sammlung von Regierungserklärungen - davon gibt es eine Menge - ist eine einzigartige Anhäufung von Absichtserklärungen, die weitab von der Realität Wunschbilder zeichneten, die sich bereits bei der Verkündung als papierkorbreif erwiesen. Auch heute begann wieder einmal der Höppner‘sche Berg zu kreißen; er gebar aber nicht einmal ein Mäuschen. Herr Ministerpräsident, Ihnen haftet eben das Verliererimage an, so wie einst der Pechmarie, aber Sie haben das selbst verursacht.

Meine Damen und Herren! Der Standort Sachsen-Anhalt kann erst wieder jene ihm gebührende Rolle einnehmen, wenn die Zeit der Regierung Höppner endlich beendet wird. Da helfen keine Sanierungsversuche; da hilft nur noch eine wirksame Pferdekur, verordnet durch die Wähler in Sachsen-Anhalt, die Ihren Abgang, Herr Ministerpräsident, auslösen werden.

Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, das dient dem Wohl dieses Landes und dessen Menschen. Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden nicht gefasst. Damit ist die Aussprache zur Regierungserklärung beendet.

Wir kommen vereinbarungsgemäß zum Tagesordnungspunkt 3:

Aussprache zur Großen Anfrage

Bildungspolitik in Sachsen-Anhalt

Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 3/4743

Antwort der Landesregierung - Drs. 3/5057

Die Fraktion der CDU hat fristgemäß beantragt, die Aussprache zu der Großen Anfrage auf die Tagesordnung zu setzen. Der Ältestenrat schlägt eine 30-MinutenDebatte vor. Gemäß § 43 unserer Geschäftsordnung wird zunächst dem Fragesteller das Wort erteilt; alsdann erhält es die Landesregierung. Nach der Aussprache steht dem Fragesteller das Recht zu, Schlussbemerkungen zu machen.

Für die Debatte wird die folgende Reihenfolge mit folgenden Redezeiten vorgeschlagen: PDS sechs Minuten, FDVP fünf Minuten, SPD acht Minuten, DVU fünf Minuten und CDU sechs Minuten. Ich erteile nunmehr für die Fraktion der CDU Frau Feußner das Wort. Es spricht dann für die Landesregierung Minister Herr Dr. Harms. - Bitte, Frau Feußner.

Herr Präsident! Sehr verehrte Anwesende! Auch wenn der Plenarsaal etwas leer ist: Die Große Anfrage der CDU-Fraktion bietet eine willkommene Gelegenheit, der interessierten Öffentlichkeit einen Gesamtüberblick über die Entwicklung des Bildungswesens in Sachsen-Anhalt zu vermitteln. Die Gesellschaft erwartet zu Recht, dass sich auch die Schule der Diskussion über die Qualität ihrer Arbeit stellt. Mit der vorgelegten Antwort der Landesregierung ist eine Grundlage geschaffen worden, um diese Diskussion sachgerecht führen zu können.

Dem Urteil der Landesregierung, welches im Vorwort der Antwort auf die Große Anfrage steht, können wir uns anschließen, auch wenn wir die Entwicklung des Bildungswesens in einigen wesentlichen Punkten doch ganz anders einschätzen als die derzeitige Mehrheit in diesem Hause.

Zunächst möchte ich aber den Mitarbeitern des Kultusministeriums für die Mühe danken, der sie sich bei der Beantwortung der Großen Anfrage unterziehen mussten. Im Unterschied zu unserer Großen Anfrage im Jahr 1997 wurden die gestellten Fragen fast ausnahmslos und auch präzise beantwortet. So entstand zumindest im Hinblick auf die erfragten Fakten ein echter Gesamtüberblick über das Bildungswesen in SachsenAnhalt.

Bei den über 200 Fragen versteht es sich von selbst, dass ich in dieser Aussprache nur zu einigen Punkten Stellung nehmen kann.

Verehrte Anwesende! An den Stellen, an denen die Landesregierung wertende Einschätzungen vornimmt, überrascht Sie auch mit regelrechter Euphorie. So heißt es etwa:

„Die Grundschulen des Landes haben in den letzten Jahren ihre pädagogische Arbeit stark verändert. Kindgerechter Unterricht, differenzierte Lernangebote, individuelle Förderung, die stärkere Verbindung von Unterricht und Erziehung dies alles ist ein Erfolg der veränderten Grundschulpädagogik.“