Protocol of the Session on February 21, 2002

Genau diese Behauptung ist falsch. Dieser Ausdruck ist für das Land genauso schlecht wie Ihre Kampagne mit den roten Laternen, die Sie gemeinsam mit der SchillPartei und der FDP führen.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe bei der CDU)

Diese Kampagne und das Wort von der Sanierung dienen nicht dem Wohle des Landes Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Wir dagegen fühlen uns dem Wohl des Landes Sachsen-Anhalt durch und durch verpflichtet.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Zu DDR-Zeiten war es tatsächlich schon mal so, dass man das Wohl der Regierung mit dem Wohl des Landes verwechselt hat! - Herr Bischoff, SPD: Man muss auch wis- sen, wo man herkommt! Das ärgert mich! - Zuruf von Frau Lindemann, SPD)

- Es ist sehr sentimental, wenn Sie immer wieder auf die DDR zurückkommen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Bloß weil Sie vorhin gesagt haben, dass Sie die Vergleiche nicht wollen! Dieses Missverständnis war schon einmal da!)

Das Wort von der Sanierungskoalition entspricht diesem Konzept. Manche mögen das wahrscheinlich als Drohung empfinden; denn an irgendeiner Stelle würden Sie mit Ihrer Sanierung ansetzen. Und das wird, wenn es dazu käme, nicht für alle besonders lustig.

(Herr Gürth, CDU: Ja!)

Aber die Frage, was warum saniert werden soll, haben Sie natürlich nicht beantwortet. Man kann vermuten, dass sich die CDU nach acht Jahren Oppositionsarbeit selbst sanieren will.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank - Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Meine Damen und Herren! Natürlich steht unser Land nicht so gut da, wie wir alle es wollen.

(Herr Kühn, SPD: Das geht aber allen so!)

Natürlich gibt es wesentliche Kennziffern,

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Was ist denn daran natürlich? - Weitere Zurufe von der CDU)

um die niemand herumredet. Das ist ein Problem, an dessen Lösung auch Sie mitarbeiten sollten. Dazu ist eine bessere Stimmung nötig; dagegen wirken Sie allerdings.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren! In den Jahren 1989 und 1990 haben die Menschen in diesem Land nicht nur für Freiheit, sondern auch für Wohlstand gekämpft. Sie wollten es, um es kurz auszudrücken, so haben wie im Westen. Wenn ich einige Beiträge der CDU-Fraktion so höre, in denen Sie darauf verweisen, was in den CDU-regierten Ländern Sachsen und Thüringen passiert, dann muss man den Eindruck gewinnen, dass Sie meinen, dass es dort schon fast so wie im Westen sei, bloß weil dort die CDU regiere.

Ich möchte Ihnen drei wichtige Kennziffern nennen, die im Grunde allen bekannt sind, aber in diesem Zusammenhang oft nicht so gesehen werden,

(Herr Gürth, CDU: Ich bin gespannt, was Sie sich da herausgezogen haben!)

bei denen der eigentliche Unterschied deutlich wird.

Das Bruttoinlandsprodukt ist das, was die Wirtschaftskraft eines Landes insgesamt am umfassendsten beschreibt. Ich nenne die Zahlen für das Jahr 2000 in den Flächenländern. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung schwankte in den östlichen Ländern zwischen knapp 30 000 - damals noch D-Mark - bis reichlich 31 000 DM. Das ist eine kleine Differenz. In den westlichen Flächenländern schwankte es zwischen 42 000 und 57 000 DM. - Darin liegen die tatsächlichen Unterschiede und nicht in den Stellen hinter dem Komma im Vergleich der neuen Bundesländer.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Zum gleichen Ergebnis kommt man beim verfügbaren Einkommen. Das ist das Einkommen, das die Leute tatsächlich zur Verfügung haben und wovon sie leben. Im Vergleich der einzelnen Länder im Osten beträgt es im Durchschnitt rund 25 000 bis 26 000 DM. Das sind kaum 1 000 DM Unterschied. In den westlichen Ländern sind es zwischen reichlich 29 000 und fast 34 000 DM. Wenn man alles zusammenfasst, dann ergibt sich eine Differenz von 5 000 DM, die den Menschen in den neuen Bundesländern im Jahresdurchschnitt weniger zur Verfügung stehen. - Das sind die Unterschiede und nicht die Kommastellen. Darauf möchte ich Sie aufmerksam machen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Sie sollten nicht den Eindruck erwecken, als wären wir die einzigen Zurückgebliebenen und die anderen lebten schon wie im Westen.

(Herr Kühn, SPD: So ist es!)

Selbst bei der Arbeitslosenquote muss man diesen Vergleich heranziehen. Natürlich - das muss nicht immer wiederholt werden - sind wir in Sachsen-Anhalt schlecht dran. Im Januar schwankte die Quote in den neuen Bundesländern zwischen 17,2 % und 20,8 %. Das ist eine Differenz von 3,6 Prozentpunkten. Sicherlich wäre es gut, wenn wir am unteren Ende der Skala stehen würden, aber in den westlichen Ländern beträgt die

Schwankung zwischen 5,6 % und 10 %. Das ist eine Differenz von 4,4 Prozentpunkten.

(Herr Gürth, CDU: Aber der Abstand Sachsen- Anhalts zu den anderen Ländern wird immer größer!)

Das sind die entscheidenden Unterschiede zwischen Ost und West. Dabei geht es eben auch um die Politik insgesamt. Dazu gehören nicht nur diese Zahlen, sondern dazu gehört auch die Entwicklung der Infrastruktur.

Wenn wir von Infrastruktur sprechen, dann darf ich vielleicht die genaue Definition nennen: Die öffentliche Infrastruktur ist das, wofür die Länder und Gemeinden finanziell zuständig sind. Ein so umfassender Begriff ist das. Dazu gehören die Kindergärten, dazu gehört die Kultur, dazu gehören die Schulen, die Hochschulen und die Straßen und so weiter und so fort.

Das alles ist Infrastruktur. Innerhalb dieser Struktur wird sich wirtschaftliche Betätigung entweder gut oder nicht so gut entwickeln. Dabei sind wir keineswegs schlecht dran. Daran sollten wir denken, auch wenn es um die wirtschaftliche Entwicklung geht.

Die Wirtschaft ist keineswegs Selbstzweck. Die Wirtschaft ist für die Menschen da. Die wirtschaftlichen Daten werden in ihrer Bedeutung für die Menschen oft überschätzt. Sie sind wichtig, sie sind sehr, sehr wichtig, aber sie sind nicht allein entscheidend für das Glück der Menschen. Das Leben ist zu vielfältig, als dass man allein mit den Wirtschaftsdaten das alles erfassen kann.

(Zustimmung bei der PDS und von Ministerpräsi- dent Herrn Dr. Höppner)

Trotzdem möchte ich einige Punkte anführen - auch Daten -, aber im weiteren Sinne, im Sinne der Infrastruktur, wo Sachsen-Anhalt sehr gut dasteht. Das gehört auch zur Wahrheit, meine Damen und Herren. Daran erkennen Sie auch sozialdemokratische Politikziele. Auch wenn es immer heißt: Das hat mit Politik und mit bestimmten Richtungen nicht so viel zu tun, aber an bestimmten Daten erkennt man eben, dass die Politik in eine bestimmte Richtung geht.

(Herr Gürth, CDU: Arbeitslosigkeit!)

Das sind dann eben auch keine roten Laternen. Unser Land hat beispielsweise die beste Kinderbetreuung. Auch wenn es großen Ärger gegeben hat, weil wir an bestimmten Stellen gekürzt haben, aber wir haben immer noch die beste Kinderbetreuung. Das ist Infrastruktur! Das ist keine rote Laterne!

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Stol- fa, PDS, und von der Regierungsbank)

Das wollen und werden wir auch so beibehalten in unserem Land. Unser Land schafft die meisten Ausbildungsplätze. Das ist statistisch belegt. Das ist auch für die wirtschaftliche Entwicklung für junge Leute entscheidend. Das soll auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Stol- fa, PDS, und von der Regierungsbank - Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Unser Land hat die modernsten Hochschulen. Woanders gibt es auch moderne Hochschulen, aber in unserem Land gibt es auch moderne Hochschulen. Dafür geben wir viel Geld aus. Wie attraktiv unsere Hochschulen sind, das haben wir im vergangenen Herbst gemerkt, als trotz des Ausfalls des Abiturjahrganges die Immatrikulations

zahlen gestiegen sind, da die Studentinnen und Studenten von woanders hergekommen sind.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Dr. Berg- ner, CDU)

Das soll und wird auch Spitze bleiben!

Unser Land baut auch die meisten Straßen, was statistisch zu belegen ist. Der weitere Ausbau der A 14 wird kommen und es wird weitergehen auf diesem Gebiet.

Unser Land liegt auch bei den Investitionen vorn. Da können Sie immer noch sagen: Das hat Kohl alles gemacht. Aber Kohl ist schon eine Weile nicht mehr im Amt und es läuft trotzdem mit den Investitionen weiter. Also, wir liegen hierbei vorn. Das sind keine roten Laternen, sondern das sind wichtige Kennziffern für unser Land.

Wir sagen in der Tat: Was zählt, sind Fakten. Das sind alles Fakten!

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Bei Ihrer Haltung, der Leugnung solcher Fakten, fällt mir eine Zeile aus einem Brecht-Gedicht ein: „Sie glauben nicht den Fakten, sie glauben nur sich. Im Notfall müssen die Fakten dran glauben.“