Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mir sicher, dass ich die Zeit, die ich vorhin überzogen habe, jetzt wieder einsparen kann. Wir haben ja schon eine ganze Menge über den Europäischen Rat von Laeken gehört. Im Vorweihnachtstrubel ist seine Bedeutung etwas untergegangen.
Der Ministerpräsident hat noch einmal ausführlich über die zukünftige Rolle des Konvents und über die Bedeutung der Ergebnisse, die der Konvent hervorbringen soll, gesprochen. Ich will deswegen inhaltlich nicht allzu viel dazu sagen.
Die Konstituierung des Konvents findet schon in allernächster Zeit statt. Am 28. Februar wird er sich in Brüssel konstituieren. Er hat ein Jahr lang Zeit, unter intensiver Begleitung der so genannten Zivilgesellschaft, was immer das auch ist, zu Ergebnissen zu kommen. Ich hoffe auch, dass er den Regierungschefs, dem Europäischen Rat, sehr konkrete Vorschläge machen kann, die von den Regierungschefs so akzeptiert werden können, wie dies seitens des Europäischen Rates auch bei der Grundrechtecharta geschehen ist.
Welche Vertreter des Bundesrates und des Bundestages die Bundesrepublik Deutschland vertreten werden, ist bisher noch nicht klar. Ich bin gespannt, wer dies sein wird.
Ich hoffe, dass wir als Landtag Gelegenheit haben werden, uns mit diesem Problem intensiver zu beschäftigen und unter Umständen der Landesregierung hinsichtlich
Ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag und hoffe, dass wir im Wirtschaftsausschuss in der kommenden Legislaturperiode oder vielleicht sogar noch in dieser Legislaturperiode das erste Mal zu diesem Thema diskutieren können. - Herzlich Dank.
Danke sehr. - Für die FDVP-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Wiechmann. - Ich muss dazu sagen, dass die PDS-Fraktion auf einen Redebeitrag verzichtet hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ursprüngliche Idee der europäischen Einigung war es, dass die Völker souverän, in Frieden, Freiheit und Demokratie leben können. Was den Frieden betrifft, meine Damen und Herren, ist das bisher, jedenfalls bezogen auf die Gründerstaaten, auch gelungen. Eine Prognose in Bezug auf Europa und darüber hinaus wage ich allerdings an dieser Stelle nicht.
Seit den Gründungsverträgen von 1957 ist von der damals angestrebten Bürgernähe jedoch wenig übrig geblieben. Ein bürokratischer Apparat von ungeahntem Ausmaß hat sich entwickelt, Korruption und Finanzskandale bestimmen die Diskussion. Boykotte gegen Mitgliedstaaten der EU - ich erinnere an den Fall Österreich - zeigen nicht nur das heutige Gesicht der EU-Eurokratie, sondern sie geben die EU insgesamt der Lächerlichkeit preis. Mit Demokratie und Freiheit hat das alles jedoch wenig zu tun.
Nizza 2000 geht mit dem Ergebnis in die Geschichte ein, dass nichts, aber auch gar nichts Bedeutsames mehr beschlossen werden konnte. Eifersüchteleien der Staaten und die Durchsetzung der eigenen Interessen bestimmten die Tagung.
Das und vieles mehr - es kann nicht alles aufzählt werden - hat dazu beigetragen, dass die Menschen heute skeptischer denn je gegenüber allen machtpolitischen und bürokratischen Großorganisationen sind. Politische Saurier, meine Damen und Herren, - das zeigt sich darin überdeutlich - haben in einer Welt von Bürgern, die Eigenverantwortung tragen und Selbstbestimmung ausüben wollen, nichts verloren. Bezeichnend für diese Grundstimmung sind nicht zuletzt auch die kritischen Reaktionen der Bürger in den Mitgliedstaaten der EU, ob zum Thema Maastricht, Nizza oder Laeken.
Der von Irland in einer Volksabstimmung abgelehnte Vertrag von Nizza, welcher als Voraussetzung für die EU-Osterweiterung ausgegeben worden ist, scheint hierfür nach Laeken auf einmal nicht mehr unbedingt notwendig zu sein. Die Osterweiterung kommt trotzdem.
Deshalb soll nun, wie vom Europäischen Rat in Laeken beschlossen, ein europäischer Konvent einberufen werden, der so etwas wie eine Europaverfassung vorbereiten soll. Europa soll dadurch demokratischer und bürgernäher werden.
Meine Damen und Herren! Demokratie und Bürgernähe in Europa werden auch dadurch gewahrt, dass man ein wesentliches Grundrecht der demokratischen Mitglied
staaten anerkennt: das Austrittsrecht aus Europa. Denn nur dann ist gewährleistet, dass die europäische Vereinigung eine freiwillige Vereinigung bleibt und beispielsweise ruinöse Ausgleichszahlungen vermieden werden, weil Staaten, die dazu verpflichtet wurden, eben mit Austritt drohen können.
Meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, soll dieser Grundsatz in der Europaverfassung verankert werden? Natürlich nicht. Das finde ich auch in Ihrem Antrag nicht. Man möchte nämlich in Zukunft nicht mehr mit Volksabstimmungen wie jüngst in Irland belästigt werden. In Deutschland werden die Bürger ohnehin nicht mehr gefragt. Vielmehr möchte man Derartiges sehr bald, da gegen Europa gerichtet, - wie in der wehrhaften Demokratie der BRD vorbildlich eingeübt - als verfassungsfeindlich einstufen, verfolgen oder zumindest ignorieren können.
Meine Damen und Herren! Europa soll nach Laeken eine führende Rolle in der Welt übernehmen und eine Macht werden, die die Verhältnisse auf der Welt verändert. Die Menschen sollten aber einmal gefragt werden. Die Menschen wollen weder unter einer wie auch immer gearteten Weltregierung leben, noch wollen sie sich mit Haut und Haaren der EU-Problemgemeinschaft verschreiben. Das müssten die politisch Verantwortlichen endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
Man kann doch nicht ein Europa der Bürger proklamieren, wie es jetzt wieder in Laeken geschehen ist, ohne die Bürger überhaupt zu fragen. Was soll das sein? Die Sorgen und Ängste der Bürger werden wieder nicht zur Kenntnis genommen. Eine Abstimmung über die Aufgabe der D-Mark oder darüber, ob ein weiterer Ausländerzuzug nach Deutschland stattfinden soll, wäre doch für die Regierenden zum absoluten Debakel geworden. Dennoch lenken sie die Politik in diese Richtung.
Wenn man dabei bedenkt, dass die Bürger schon keine Chance haben, ihre eigene Regierung zur Vernunft zu bringen, muss man sich die Frage stellen, wie das in einem Superolymp EU geschehen soll. Wider den demokratischen Volkswillen - Nizza und die Iren konnten das nicht deutlicher zeigen - werden die Menschen zu etwas verpflichtet, obwohl sie es nicht wollen.
Was die angestrebte europäische Verfassung betrifft, könnte man sich - sollte alles mit rechten Dingen zugehen - gelangweilt zurücklehnen; denn unter solchen Bedingungen wird es keine derartige Verfassung geben, nachdem schon das In-Kraft-Treten der Regelungen von Nizza aufgrund der demokratischen Entscheidung der Iren eigentlich fraglich wäre. Das ist es aber nicht.
Deswegen hält sich mein Vertrauen in Grenzen; denn Verfassungsgebung, meine Damen und Herren, ist ein Akt der Volkssouveränität. Da es aber kein EU-Volk und kein Eurovolk gibt, stellt sich die Frage, wie eine Europaverfassung demokratisch legitimiert werden soll - als ein Europa der entmündigten Bürger oder als ein Europa der Führer, die bestenfalls indirekt demokratisch legitimiert sind?
Schließlich kommt die Gefahr hinzu, die sich in Zeiten wachsenden Freiheitsbewusstseins potenziert: der von Außenminister Fischer und anderen angestrebte zentralistische Bundesstaat, die Vereinigten Staaten von Europa oder wie auch immer und damit die Aufgabe der Eigenstaatlichkeit der Mitglieder. Das, meine Damen und Herren, ist es nicht, was wir wollen in einem Europa der Vaterländer.
Die Bürger verlangen ein demokratisches Europa, dessen Mitglieder ihre nationale Identität und vor allem ihre Souveränität behalten. Sie möchten ein Europa, das sich um die wirklich wichtigen europäischen Fragen kümmert, wie Sicherheit, grenzüberschreitende Kriminalität und Eindämmung der Migrationsströme. Ich erinnere hier nur an die lächerlichen krummen Gurken. Beispiele gibt es genug.
Die Bürger verlangen vor allem den Abbau der gewaltigen, ausufernden Bürokratie, die Millionen und Abermillionen verschlingt und vielfach nur der eigenen Existenzsicherung dient.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident. - Frankreich und England sind dabei, ihre Haltung zur EU in ähnlichen Fragen zu überdenken.
Für die FDVP-Fraktion gibt es keinen Grund, mit einer Zustimmung zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, in den Jubel
Kommen Sie bitte zum Ende, Frau Wiechmann. Ansonsten muss ich von der Regelung in § 62 der Geschäftsordnung Gebrauch machen.
Ich hätte Ihnen jetzt das Wort entzogen. - Herr Dr. Sobetzko trägt nunmehr den Standpunkt der CDU-Fraktion vor. Bitte, Herr Dr. Sobetzko.
(Heiterkeit - Zuruf von der PDS: Zurückgeblieben nicht! - Frau Krause, PDS: Das ist zweideutig, Herr Sobetzko! - Frau Theil, PDS: Das kann man zweideutig auslegen!)
Die Erklärung des Europäischen Rates von Laeken - der Ministerpräsident ist bereits ausführlich darauf eingegangen - hat die Europäer hoffnungsvoll gestimmt. Es sieht ganz danach aus, als ob der europäische Reformprozess nach dem offensichtlichen Debakel von Nizza wieder fortgesetzt werden kann. Nicht zuletzt das Euro
päische Parlament und hier insbesondere die EVP-Fraktion hat einen entscheidenden Anteil hierzu beigetragen. Das wäre in der Form nicht nötig gewesen, hätte man das Dreivierteljahr Vorbereitung in Nizza richtig genutzt. Aber nichts dergleichen geschah.
Meine Damen und Herren! Die Hektik in Nizza ließ die hohen Erwartungen wie Seifenblasen zerplatzen. Nun wurde in Laeken - das ist bereits mitgeteilt worden - die Einsetzung eines Konvents beschlossen. Er wird sich mehrheitlich aus Vertretern des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente zusammensetzen. Deutschland hat darin zwei Vertreter.
Mit Valéry Giscard d‘Estaing steht dem Konvent ein unabhängiger und Erfolg versprechender Präsident vor. Die Vizepräsidenten Dehaene und Amato sind ausgewiesene Europäer. Da kann man also sagen: Es läuft gut an. Der Konvent beginnt seine einjährige Arbeit im März dieses Jahres und wird die nächste Regierungskonferenz ausgiebig und transparent für die Öffentlichkeit vorbereiten. Das wurde gesagt.
Alles, was sich daraus ableiten lässt, ist, dass die nächste Regierungskonferenz dann - so hoffen wir; das ist die Zielstellung - im Jahr 2003 in Rom stattfinden kann. Das wäre - denkt man dabei an die Römischen Verträge - ein beachtenswertes Zeichen. Es ist aber auch wichtig, diese Konferenz vor dem Jahr 2004 durchzuführen, damit sie nicht durch die im Jahr 2004 stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament belastet wird. Sie können sich vorstellen, was das bedeuten kann.
Der eine der beiden wichtigen Punkte, die durch den Konvent erreicht werden sollen, ist die Beseitigung der institutionellen und organisatorischen Ungereimtheiten, die nach Nizza entstanden sind, und der Ausbau der Handlungsfähigkeit, um den Erweiterungsprozess der EU unter Mitwirkung der Beitrittskandidaten voranzubringen. Dazu zählen die Aufgabenverteilung, die Vereinfachung der Instrumente sowie das Umsetzen der notwendigen Transparenz und Effizienz.
Zweitens soll auf der Grundlage der Charta der Grundrechte der Europäischen Union der Weg für eine europäische Verfassung geebnet werden.
Ich begrüße es, wenn die Landesregierung den Ausschuss für Recht und Verfassung oder gegebenenfalls den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten über den Fortgang der Beratungen des Konvents informiert.
Lassen Sie mich abschließend noch auf Folgendes aufmerksam machen: Die Ergebnisse von Laeken sind nur erreicht worden, weil intensiv darum gerungen wurde und weil insbesondere durch das Europäische Parlament und die EVP-Fraktion Zeichen gesetzt worden sind. Das sollte man dankbar zur Kenntnis nehmen, insbesondere auch angesichts des ablehnenden Votums Irlands bzw. der Vorbehalte von Belgien und Italien. Hier ist es schon nützlich, wenn die Landesregierung Signale durch den Bundesrat eingibt. So gesehen macht auch unsere parlamentarische Arbeit Sinn.
Die CDU-Fraktion fühlt sich durch die Beschlüsse von Laeken wieder einmal bestätigt. Wir haben sehr zeitig für die Einsetzung eines Konvents gestimmt. Wir haben für die Vorverlegung der Regierungskonferenz vor das Jahr 2004 gestimmt und dürfen annehmen, dass es dazu kommt.
Wir haben in Bezug auf die Beschlussempfehlung zu den Ergebnissen der Konferenz in Nizza sinnvolle Korrekturen vorgeschlagen, die einen realistischen Eindruck vermitteln sollen, die allerdings von der PDS und der SPD mehrheitlich abgelehnt wurden. Ich kann nur empfehlen, die Arbeit zur Europapolitik künftig konstruktiver zu gestalten.
Dem Antrag stimmt die CDU-Fraktion zu, wenngleich er einer der vielen Begrüßungsanträge der Einbringerfraktion ist. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.