Protocol of the Session on January 17, 2002

Alles andere als eine sachliche Abwägung aller Aspekte wären Schnellschüsse zulasten der Belegschaft, die in keiner Weise zu rechtfertigen wären. Deshalb kann es nur heißen: keine Entscheidung am 21. Januar 2002 bzw. eine deutliche Ablehnung der bisherigen Bombardier-Pläne.

(Beifall bei der SPD, bei der PDS und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Ammendorf steht für über 900 Arbeits- und Ausbildungsplätze direkt im Werk und etwa 2 000 Arbeitsplätze bei regionalen Zulieferern. Ammendorf ist mithilfe von Investitionen von über 200 Millionen DM zu einem modernen europäischen Produktionsstandort entwickelt worden. Es ist ein strukturbestimmendes Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes für die gesamte Region.

Die Kaufkraft würde im Falle einer Schließung erheblich sinken. Durch den Steuerausfall würde die finanzielle Not noch größer und die Verschärfung des sozialen Klimas befördert. Halle hat aufgrund des Umstrukturierungsprozesses in der Chemie Zehntausende von Industriearbeitsplätzen verloren. Diese dramatische Entwicklung konnte bisher kaum kompensiert werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, schließen wir uns dem Appell des Aktionsbündnisses in Halle an, in dem es an Bombardier gerichtet heißt:

„Wir fordern Sie auf, die Schließungspläne aufzugeben. Geben Sie dem Waggonbau Ammendorf mit seiner hochmodernen Ausrüstung und seiner leistungsfähigen Belegschaft eine dauerhafte Zukunft im Bombardier-Verbund in Halle.“

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Ich korrigiere meine Aussage zur Reihenfolge der Redner. Herr Minister Dr. Heyer wird nach Herrn Dr. Bergner sprechen. Somit hat jetzt Herr Dr. Bergner als erster Redner in der Debatte das Wort. - Gibt es Irritationen hinsichtlich der Reihenfolge?

Nein, Herr Präsident. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass ich nach dem Minister noch einmal Rederecht habe. Ich weise darauf hin für den Fall, dass dies bei der Entscheidung des Ministers eine Rolle gespielt haben sollte. Ich möchte es nur vorsorglich anmerken, weil ich nicht weiß, was Sie sagen wollen.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Er wird schon ei- nen Grund haben!)

Sie können intervenieren.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Felke, alles, was Sie gesagt haben, ist richtig. Die Zahlen, die Sie angeführt haben - auch ich habe mit dem Sachverständigen für die Arbeitnehmerbank Gespräche geführt -, sind ebenfalls korrekt. Ich hoffe, dass diese

Argumente in der Aufsichtsratssitzung ihre Wirkung entfalten werden. Ich will an dieser Stelle nicht die Frage aufwerfen, ob es günstig ist, im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung öffentlich über diese Argumente zu diskutieren.

Ich möchte darauf hinweisen, dass sich die CDU-Fraktion, wie übrigens in allen vorangegangenen Debatten und bei allen Gelegenheiten, bei dem Aktionstag und anderenorts, für den Erhalt des Standortes Ammendorf einsetzt und zu dem Bündnis „Pro Ammendorf“ steht. Ich werde am Montag persönlich nach Grünau fahren und die Aufsichtsratssitzung gemeinsam mit den Belegschaftsvertretern begleiten.

Es geht nicht darum, dass irgendeine der in den Anträgen - übrigens auch in den Änderungsanträgen - zum Ausdruck gebrachten Positionen aus unserer Sicht falsch und nicht zustimmungsfähig wäre. Wir sollten uns aber schon einmal Rechenschaft darüber geben, welche Wirkung wir erwarten, ob wir etwas im Sinne der Standortsicherung erreichen zu können glauben, nachdem der Einsatz der Landesregierung in der Arbeitsgruppe in dieser Woche so spektakulär gescheitert ist.

Der Antrag ist also nicht falsch, aber es entstehen Zweifel an seiner Wirksamkeit angesichts des Umstandes, dass sich der Konzern bis heute geweigert hat, auf Einladung einen Vertreter in die Ausschüsse des Landtages zu entsenden. Wenn wir dem Antrag zustimmen wir werden ihm zustimmen -, sollten wir die Brutalität, mit der dort Entscheidungen gegen Sachsen-Anhalt getroffen werden, nicht unterschätzen.

Weil das so ist, war sich die CDU-Fraktion von Anfang an darüber im Klaren, dass es die Politik nicht bei Resolutionen und Demonstrationen belassen kann. Wir können unserer Pflicht nur nachkommen, wenn wir tatsächlich versuchen, konstruktive Vorschläge in die zum Teil auf abstruser Grundlage geführte Debatte einzubringen, die die Vertreter der Arbeitgeberbank im Aufsichtsrat und die Vertreter der Konzernleitung zum Nachdenken zwingen.

Genau deshalb hat die CDU-Landtagsfraktion gemeinsam mit Herrn Dr. Ludewig gewissermaßen auf eigene Faust eine Expertise in Auftrag gegeben; wir bedauern immer noch, dass wir dies nicht gemeinsam mit der Arbeitsgruppe der Landesregierung tun konnten.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Expertise ist vor kurzer Zeit bei uns eingegangen. Wir haben, insbesondere Staatssekretär Herr Ludewig sowie auch andere Personen, Gespräche im Umfeld des Konzerns mit Auftraggebern und mit Vorstandsmitgliedern der Deutschen Bahn AG geführt.

Herr Dr. Ludewig steht vor einer Beratung mit der Konzernspitze, die noch vor der Aufsichtsratssitzung stattfinden soll. Wir hoffen, dass die Argumente, die wir in diesem Zusammenhang vortragen werden, ihre Wirkung nicht verfehlen werden. Darin liegt nun der Grund für unseren Änderungsantrag.

Wir wissen, dass wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine konkreten Maßnahmen im Parlament beschließen können. Dies wäre auch nicht Erfolg versprechend, ehe die Gespräche mit dem Aufsichtsrat und mit der Konzernspitze geführt sind. Wir möchten jedoch dem Parlament das Angebot unterbreiten, an den von uns intensiv erarbeiteten Erkenntnissen darüber, was jetzt getan werden kann, teilzuhaben. Dann können vielleicht die

Vorschläge der CDU-Fraktion, die, wie ich meine, sachkundig erarbeitet wurden, zukünftig die Unterstützung des gesamten Parlaments finden.

In diesem Sinne haben wir einen Änderungsantrag gestellt, der eigentlich nur eine Ergänzung ist. Er sieht nämlich erstens vor, dass im Ausschuss - das ist heute Mittag noch nicht möglich - auch von Staatssekretär Herrn Ludewig die Vorschläge dargestellt und erläutert werden. Wir haben einen zweiten Punkt angesprochen. Er betrifft eine Instanz, die bezeichnenderweise in keinem der Änderungsanträge überhaupt erwähnt wurde. Das ist die Bundesregierung.

Meine Damen und Herren! Im August dieses Jahres wurde dem Bundeskanzler ein Schreiben der Betriebsratsvertreter übergeben.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Letzten Jahres!)

Ich habe den Brief, der die Beantwortung durch den Staatsminister Schwanitz enthält und der das Datum 10. Dezember 2001 trägt, vom Betriebsrat zur Kenntnis bekommen. Allein die Zeitspanne der Beantwortung bei einer solchen brisanten Frage spricht für ein Maß an Zurückhaltung, das dieses Landesparlament nicht hinnehmen sollte.

Ein weiterer Punkt ist der Inhalt des Schreibens. Dazu haben die Arbeitnehmervertreter gegenüber der Presse deutliche Worte gefunden. Dieses Schreiben ist mit einem solchen Maß an Unverbindlichkeit abgefasst worden, das ich nur als Gleichgültigkeit gegenüber den Betroffenen und gegenüber dem Standort deuten kann.

Wenn wir Resolutionen verfassen und zu Recht an die Konzernleitung und an den Aufsichtsrat appellieren, scheint es uns deshalb unentbehrlich zu sein, auch die Bundesregierung aufzufordern, dieses Problem ernst zu nehmen; denn sie hat Schlüssel in der Hand, die wir nicht haben. Deshalb bitten wir auch bei diesem Punkt um Ihre Zustimmung.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Kanne- gießer, DVU)

Die eingebrachten Änderungsanträge tragen den Charakter von Ergänzungsanträgen. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD-Fraktion und allen Änderungsanträgen zu. Wir bitten herzlich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag, damit Sie die Möglichkeit haben, sich mit unseren Vorschlägen auseinander zu setzen, und damit wir es nicht versäumen, auch die Bundesregierung am Portepee zu fassen und zu sagen: Was spektakulär bei Holzmann möglich war, muss in einem wirtschaftlich viel sinnvolleren Kontext auch bei einem ostdeutschen Betrieb wie dem Waggonbau Ammendorf möglich sein. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Kannegie- ßer, DVU, von Herrn Mertens, FDVP, und von Herrn Wolf, FDVP)

Herr Dr. Bergner, Herr Gallert hat eine Frage. Sind Sie bereit zu antworten?

Bitte sehr, Herr Gallert.

Herr Dr. Bergner, ich habe eine Frage zum Verfahren. In Ihrem Änderungsantrag ist der letzte Satz sicherlich unstrittig. Die beiden Sätze davor bereiten mir Schwierigkeiten. Erstens. Im Landtag zu beschließen, dass die CDU-Fraktion in einer Ausschusssitzung ihre Gedanken zum Thema einbringt, ist mehr als albern.

Zweitens. Dass Kollege Ludewig, der meiner Meinung nach inzwischen Staatssekretär a. D. ist, zu einer Anhörung eingeladen werden kann, ist ein Verfahren, das seit elf Jahren in den Fachausschüssen praktiziert wird, ohne dass es jemals im Plenum beantragt worden wäre.

Ich könnte mir die Frage selber beantworten. Aber würden Sie mir sagen, warum Sie so etwas in einen Änderungsantrag für das Plenum hineinschreiben?

Herr Kollege, mit diesem Änderungsantrag wird deutlich, dass die CDU jedenfalls nicht auf der Ebene der Deklaration stehen geblieben ist, sondern dass sie die Zeit genutzt hat, sich um konstruktive Vorschläge zu bemühen.

Ich weiß umgekehrt nicht - wenn Sie an diesen konstruktiven Vorschlägen interessiert sind, weil Sie an der Lösung des Problems interessiert sind -, mit welchen Argumenten Sie einen solchen Änderungsantrag ablehnen wollen. Sie verwenden das Argument, dass wir das auch im Ausschuss hätten sagen können.

(Herr Bischoff, SPD: Ja!)

Ja, wir hätten alle diese Erklärungen auch im Ausschuss abgeben können; aber wenn es uns darum geht, ein Signal nach außen zu setzen, dann gehört aus unserer Sicht zu diesem Signal: Wir bleiben nicht auf der Ebene der Deklaration stehen, sondern in dem Parlament sind konstruktive Vorschläge erarbeitet worden und diese konstruktiven Vorschläge werden ebenfalls weiter befördert.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU und bei der FDVP)

Dies ist das Anliegen, mit dem wir in die Öffentlichkeit treten wollen.

Herr Dr. Bergner, es gibt eine weitere Anfrage seitens der Abgeordneten Frau Leppinger.

Herr Dr. Bergner, ich möchte auch noch einmal auf diesen ersten Satz zu sprechen kommen. Sollte der Antrag heute im Plenum nicht beschlossen werden, wird die CDU dann ihre Vorstellungen im Ausschuss nicht äußern?

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS)

Zunächst einmal müssten Sie erklären, warum Sie ihn nicht beschließen. Formale Gründe können Sie schwerlich geltend machen. Sie müssten mit dem Eindruck leben, dass die Vorschläge, die die CDU ja nur deshalb allein erarbeitet hat, weil sie in die Arbeitsgruppe nicht

einbezogen wurde - und über die Arbeitsgruppe wird auch in dem Antrag gesprochen -