Protocol of the Session on December 14, 2001

Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vereinbart worden. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge DVU, CDU, SPD, PDS und FDVP. Die DVU-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordneter Herr Dr. Bergner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Wiechmann, das Anliegen, das Sie vorgetragen haben, beschäftigt im Moment den Bundesgesetzgeber. Es ist sicherlich berechtigt, dass man sich in einer solchen Zeit zu einem solchen Zeitpunkt die Frage stellt, wie sich das Land Sachsen-Anhalt mit seiner Stimme im Bundesrat in diesen Gesetzgebungsprozess einklinkt.

Ich muss aber mit Verlaub sagen, dass diese Aufzählung sehr unterschiedlicher und verschiedene Rechtssachverhalte betreffender Tatsachen und die plakativen Forderungen einer Gesetzgebungsinitiative im Bundes

rat nicht gerecht werden. Deshalb können wir Ihrem Antrag schon aus Formgründen - es ließe sich inhaltlich über eine Menge Punkte Kritisches sagen - nicht zustimmen.

Wir haben aber umgekehrt festzustellen: Die Bundesregierung hat in den Bundesrat ein ausländerrechtliches Gesetzespaket eingebracht, das durch eine Initiative des Freistaates Bayern, der Freien und Hansestadt Hamburg, des Saarlandes sowie der Freistaaten Sachsen und Thüringen begleitet wird. Diese Initiative, die wir Ihnen in der Anlage zu unserem Änderungsantrag zugänglich machen, steht bereits am 20. Dezember 2001 zur Abstimmung.

Wir sind der Meinung, dass das Land Sachsen-Anhalt durchaus Gründe hat, diese Initiative zu unterstützen; denn das, was die Bundesregierung jetzt vorlegt, ist gemessen an dem, was der Bundesinnenminister als Kabinettsvorlage eingebracht bzw. in der vorbereitenden Gesetzgebungsdiskussion mit Vertretern der CDU und CSU erörtert hat, ein Rückschritt.

Nun reichen zehn Minuten Redezeit nicht aus -

Fünf Minuten.

Fünf Minuten. Entschuldigung, Sie haben mich gerade in Hoffnung versetzt. - Nun reicht eine Redezeit von fünf Minuten nicht aus, um die Vielzahl der Einzelregelungen, die Sie in unserem Antrag finden, im Einzelnen zu diskutieren. Ich will versuchen, wenige strittige Kernfragen herauszuarbeiten, um die es uns geht.

Erstens halten wir eine Ausweitung oder eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland für notwendig. Glaubt man der Gesetzesüberschrift des Bundesinnenministers, geht es um Begrenzung, sieht man die Konsequenzen der Vorgabe, so geht es um Ausweitung. Ich denke, an dieser Stelle sollte klar sein, dass die Integration der hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer Vorrang vor erneuter und erweiterter Zuwanderung haben muss.

Zudem muss der folgende Punkt klar sein, der auch unsere Gesetzgebungsinitiative prägt: Die zu erwartenden demografischen Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland, die in ihren Auswirkungen kompliziert und fatal genug sind, können nicht durch Zuwanderung kompensiert oder gar gelöst werden.

Wir müssen uns immer klar darüber sein, dass wir, wenn wir von Zuwanderung sprechen, über Zuwanderung von außerhalb des EU-Raums sprechen; denn dass die Freizügigkeit innerhalb der EU, zu der bald auch die mittel- und osteuropäischen Staaten gehören werden, eine Selbstverständlichkeit ist, ist nicht strittig. Es geht um Zuwanderung aus weitergehenden Kulturkreisen außerhalb Europas. Wer sich die entsprechenden Zahlen anschaut, wird feststellen, dass man so die demografischen Probleme nicht lösen kann.

Zweitens. Es stellt sich die Frage, inwieweit man den Arbeitsmarkt in Deutschland angesichts von fast vier Millionen Arbeitslosen für Ausländer zusätzlich öffnen sollte. - Unsere Antwort ist klar: Wir wollen den globalen Arbeitsmarkt für höchstqualifizierte Berufe anerkennen; denn den hat es in Kultur und Wissenschaft sowieso

schon seit Jahrzehnten gegeben. Hierbei geht es nur darum, praktikable Regelungen zu schaffen. Wir können es aber nicht zulassen, dass unterhalb dieser Höchstqualifizierten die Wirtschaft ihre Probleme durch Anwerbung ausländischer Arbeitsuchender löst, während die Qualifikation und Eingliederung des eigenen Arbeitslosenpotenzials unbeachtet bleibt.

Drittens muss hinsichtlich der Frage, das bestehende Asylrecht auszuweiten oder - unseres Erachtens - eher einzuengen, wenigstens der Vollzug beschleunigt werden. Wir gehen davon aus, dass angesichts der hohen Missbrauchsquote des Asylrechtes eine Ausweitung von Asylrechtstatbeständen - hierbei ist der Bundesinnenminister an einer ganz wesentlichen Stelle dem Koalitionspartner entgegengekommen - ungerechtfertigt ist.

Wir verkennen nicht, dass es auf dieser Welt sehr viel mehr Leid und Elend gibt, als mit dem Asylrechtsanspruch in irgendeiner Weise gelindert oder behoben werden kann. Aber wir wissen - ich verweise auf die Ergebnisse einer Konferenz des UNHCR, die in diesen Tagen in Berlin stattgefunden hat -, dass das humanitäre Anliegen angesichts von 150 Millionen Migranten, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen außerhalb ihrer Landesgrenzen bewegen, im Rahmen der Handlungsmöglichkeiten gesehen werden muss.

Wir sind der Meinung, dass man diesem humanitären Anliegen besser durch Hilfe vor Ort und durch friedensstiftende Maßnahmen, wie sie im Moment im Zusammenhang mit Afghanistan vorgesehen sind, gerecht wird und man humanitäre Missstände hierdurch wirksamer beheben kann als durch den Versuch, einer Weltbevölkerung von sechs Milliarden ein allgemeines Zufluchtsrecht in Deutschland zu geben. Ich denke, dies ist keine praktikable und damit auch keine humanitäre Lösung. Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Spors, DVU)

Kollege Bergner, Sie haben das wahrscheinlich ernst genommen, dass Sie mehr als fünf Minuten Redezeit hätten. Sie haben fast zwei Minuten länger geredet.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ich bedanke mich für die Großzügigkeit!)

- Das war die Revanche von gestern.

Jetzt hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Herr Dr. Fikentscher das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde die Zeit wieder aufholen, weil ich die volle Redezeit nicht brauchen werde.

Der Antrag der FDVP-Fraktion ist, wie nicht anders zu erwarten war, eine wirre Sammlung von ausländerfeindlichen Allgemeinplätzen und uralten Forderungen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Sie verdienen es nicht, dass wir uns im Einzelnen damit auseinander setzen. Es ist beispielsweise überhaupt nicht nachzuvollziehen, was unter verfassungsrechtlich zulässigen Rechtsbehelfen - wie es im ersten Absatz geschrieben steht - zu verstehen ist und worum es sich dabei handeln könnte.

Anders als im ersten Absatz behauptet wird, steht fest, dass der Bund nicht vorhat, eine real unkontrollierte Zuwanderung nach Deutschland zu ermöglichen. Ihre Behauptung ist also falsch. Vielmehr ist richtig, dass der vom Bundesinnenminister Otto Schily vorgelegte und vom Bundeskabinett am 7. November dieses Jahres beschlossene Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Zuwanderungsgesetz auf eine Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung abzielt. Sachsen-Anhalt wird den Gesetzentwurf im Bundesrat unterstützen, um das klarzustellen.

Festzustellen ist bei diesem Thema außerdem, dass Deutschland faktisch seit langem ein Einwanderungsland ist. Selbst die CDU/CSU hat sich dieser Auffassung inzwischen angeschlossen. Sie sagt zwar immer noch, Deutschland sei kein klassisches Einwanderungsland, weil wir eben nicht Australien oder Kanada sind,

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist ein wesentlicher Unterschied!)

aber dennoch sind wir ein Einwanderungsland.

Außerdem ist längst klar, dass gesteuerte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften, die trotz aller Bemühungen im Lande nicht verfügbar sind, inländische Beschäftigte und Arbeitsuchende nicht verdrängt.

Richtig ist, dass eine vorausschauende Zuwanderungspolitik auf die Integrationsbereitschaft aller Beteiligten angewiesen ist. Gelungene Integration erhöht die Akzeptanz von Zuwanderung. Es gilt daher auch in Sachsen-Anhalt, Integration zu fördern und Diskriminierung zu überwinden.

Die FDVP-Fraktion leistet dazu nicht nur keinen Beitrag, sondern einen schlechten Beitrag. Die notwendigen Gesetzesänderungen zu alldem sind von der Bundesregierung bereits auf den Weg gebracht worden. Wir brauchen nichts Weiteres zu tun. Den Antrag lehnen wir selbstverständlich ab. Wenn die CDU-Fraktion das Thema wirklich hier hätte vorbringen wollen, dann hätte sie einen eigenen Antrag bringen können.

(Herr Scharf, CDU: Hätten Sie den anders be- handelt?)

Wenn sie sich in diesem Punkt als Anhängsel der FDVPFraktion versteht, dann lehnen wir das gleichermaßen ab. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Sitte.

(Oh! bei der FDVP)

Danke. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag belegt nochmals eindringlich zwei Dinge:

erstens dass man sich offensiv und öffentlich mit Ausländerfeindlichkeit und Rassismus von rechtsextremen Parteien auseinander setzen muss,

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Lin- demann, SPD, und von Herrn Dr. Nehler, SPD)

zweitens dass es richtig war, keinem einzigen Antrag dieser rechtsextremen Fraktion jemals zuzustimmen.

(Zustimmung bei der PDS)

Soweit es um denkbar Mögliches zur Abwehr und Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten und Ausländerinnen und Ausländern geht, ist in diesem Antrag alles aus der braunen Grube geholt worden. Darin erschöpft sich im Wesentlichen auch das gesamte Wirken dieser Fraktion. Ich kann Ihnen eines schon heute sagen: Ich freue mich zutiefst auf den Tag Ihrer Abwahl!

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Frau Lin- demann, SPD: Ja!)

Dann hat das endlich ein Ende, hier Ihre Menschenfeindlichkeit in Reden und Anträgen aushalten zu müssen.

(Frau Lindemann, SPD: Ja!)

Das ist auch ein wichtiges Signal für die Zukunft dieses Landes und eine Botschaft nach außen.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Vergangenes Wochenende hat zum ersten Mal der Bundesausländerbeirat im Osten getagt. Er hat sich dabei für Magdeburg entschieden. Das war auch eine Referenz an die Politik für und mit Ausländerinnen und Ausländern in diesem Land. Es ist dabei ausdrücklich kein Abwehrkonzept vertreten worden. Dieses liegt nun aber den Neuregelungen der Einwanderungspolitik der Bundesregierung zugrunde.

Rund zehn Millionen Menschen leben in der Bundesrepublik ohne deutschen Pass. In Sachsen-Anhalt sind es nicht einmal 2 % der Bevölkerung. Und doch ist auch hier kulturelle Vielfalt entstanden. Das betrachten wir als Gewinn. Allerdings ist das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft nie spannungsfrei. Es bedarf also politischer und gesellschaftlicher Moderation.