Protocol of the Session on November 15, 2001

Ohne von der öffentlichen Hand gewährte Beihilfen werden wichtige Investitionsvorhaben nicht zu realisieren sein. Wenn man dies aus der Sicht der gegenwärtigen Entwicklung in Sachsen-Anhalt betrachtet, dann wird die Problemlage verständlich: Angaben des Statistischen Landesamtes zufolge sank zum Beispiel im verarbeitenden Gewerbe das Investitionsvolumen im Jahr 2000 auf etwa die Hälfte des Jahres 1995.

Wenn sich die Vorstellungen der Europäischen Kommission zum Regionalbeihilferahmen durchsetzen, dann sind weitere umfängliche Industrieansiedlungen - als Erstinvestitionen - in Sachsen-Anhalt infrage gestellt, dann wird unser Wirtschaftswachstum weiter unterbunden und der Aufholprozess verstärkt auf der Strecke bleiben.

Wir unterstützen daher voll die Intention des Antrages, im Wesentlichen die bisherige Förderpolitik fortzusetzen. Dazu ist allseitig der erforderliche Einfluss auf die Europäische Kommission auszuüben. Wir unterstützen auch uneingeschränkt die Aussagen der 16. Wirtschaftsministerkonferenz der ostdeutschen Länder vom 25./26. Oktober 2001 zum Tagesordnungspunkt 12, wo unter anderem die Auffassung vertreten wurde, dass der vorliegende Entwurf eines neuen multisektoralen Rahmens dem Standortwettbewerb der EU mit anderen Wirtschaftsräumen nicht Rechnung trägt.

Er führt zu einer dramatischen Absenkung der bisher zulässigen Förderhöchstgrenzen und vermindert die GAMittel-Förderung und den Anreiz für die Ansiedlung von Großinvestitionen in den Regionen mit geringem Wohlstandsniveau. Die Attraktivität unserer ZieI-1-Gebiete für Investoren würde erheblich gesenkt werden. Das würde unsere Wirtschaftsentwicklung noch weiter zurückwerfen.

Eine Notwendigkeit zu Reformen der Beihilfenkontrolle wird nicht in Abrede gestellt. Die bisherige Praxis und die bisherigen Erfahrungen machen das sehr deutlich. Denn sie war gekennzeichnet durch

- eine hohe Intransparenz und unzureichende Rechtssicherheit, - eine Ineffizienz in der Regionalförderung und - eine unzureichende Subsidiarität in der Wettbewerbskontrolle.

Der Umgang mit Großprojekten ist problematisch. So wurde 1998 die Grenze auf 50 Millionen € angehoben, aber die damaligen umfangreichen Auflagen der Europäischen Kommission komplizierten das Verfahren derart, dass sie für potenzielle Investoren mit diesem Fördervolumen Förderzusagen problematisch machten. Hinzu kam die mühselige Prüfdauer von ca. einem Jahr.

Ich kann mich nur sehr wundern, meine Damen und Herren von der SPD, dass sich der Landtag unter dem ersten Punkt Ihres Antrages dafür noch bei der Europäischen Kommission anerkennend bedanken soll.

Aber noch problematischer wird es, wenn Investitionsgroßprojekte auf über 100 Millionen € angehoben und die Förderhöchstsätze hierfür gleichzeitig um 75 % gesenkt werden sollen, ebenso bei zeitaufwendiger Notifizierungskontrolle.

Wenn ebenso bei Investvorhaben zwischen 25 und 100 Millionen € die Förderhöchstgrenze um 25 bis 50 % reduziert werden soll, dann stellt sich die Frage: Wer treibt hier bewusst sein böses Spiel mit den neuen Bundesländern? Nach § 87 des EG-Vertrages werden uns berechtigt ausreichende Übergangsrechte eingeräumt. Oder stellt das schon jetzt eine vorbeugende Abwehrreaktion gegen die zu erwartenden finanziellen Konsequenzen der Osterweiterung der EU dar?

Bereits am 29. April 1999 haben wir mit der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses in der Drs. 3/1543 die Landesregierung hinsichtlich des Beihilferechts zum Handeln aufgefordert. Da stellt sich mir schon die Frage, warum wir wieder reagieren müssen, anstatt rechtzeitig und abgestimmt zu agieren.

Ich möchte noch einige Aspekte anführen, die uns verdeutlichen sollen, wie ernst die Lage durch den neuen Entwurf zum Beihilferecht auch und gerade für SachsenAnhalt verändert werden kann. Das sind aus meiner Sicht insbesondere

- der Wegfall der Notifizierung; dafür aber eine deutliche Beihilfenreduzierung, - die Gegenüberstellung von Sektoren mit strukturellen Problemen und normalen Sektoren, - die Verminderung von Großinvestitionen mit analogen Synergieeffekten zur Ansiedlung, - neue, ungerechtfertigte Ausschlusskriterien, mit denen neue Technologien und Innovationen schwerlich überführt werden können.

Ich hoffe, dass die laufende Diskussion über notwendige Alternativvorschläge mit der Europäischen Kommission zu vernünftigen Lösungen führt. Wir empfehlen, den vorliegenden Antrag in den Wirtschafts- und in den Finanzausschuss zu überweisen, damit hier die Landesregierung vorträgt und die Problemlage abstimmt.

Für die FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wolf; es sei denn, Sie geben Ihre Rede auch zu Protokoll. - Das ist nicht der Fall.

(Herr Eckel, SPD: Sie müssen reden!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeitdisziplin wird trotzdem eingehalten. Es wird schnell gehen.

Der Punkt 1 dieses Antrags erinnert uns an das Gebaren eines ängstlich-höflichen Bittstellers. So ist man nun aufgerufen, als sichtbaren Dank an die EU-Kommission und das Europäische Parlament sich für mindestens zehn Minuten von den Plätzen zu erheben, den Anzugknopf zu schließen, innezuhalten und zu gedenken für und an die EU-Kommission und natürlich auch an den Landesvater. Vergessen wurde nur, darum zu bitten,

(Unruhe bei der SPD)

doch künftig keine Rückzahlungsforderungen mehr anzustrengen; denn die kommen immer so ungelegen.

In den Jammerpunkten 2 bis 5 gelingt es nicht, die Dinge wesentlich anders zu sehen, als sie nun einmal sind: jammervoll, wehklagend und hoffnungslos. Solche Schwäche muss man einfach kraftvoll unterstützen; denn die Drucksache lässt real keinen anderen Ausweg.

Die Landesregierung trifft hierbei keine Schuld. Sie handelt ja ohne Schuld. Sie ist sozusagen schuldunfähig; denn sie trifft auf das Mitleid des Hauses. Wir vergeben uns nichts, wenn wir die Hand zum Ja heben, zu Tränen gerührt und schluchzend. Was wird passieren, wenn der Antrag vielleicht sogar einstimmig durchgeht? Dann weinen sogar die Landesregierung und das sozialistische Parlament.

(Zurufe von der SPD und von der PDS)

Die gemachten Erfahrungen werden archiviert. Ich erlaube mir, die getrennte Abstimmung über die Punkte 1 bis 5 zu beantragen, da Punkt 1 für uns etwas problembehaftet ist.

Ausgestattet mit diesem Papier, den Rücken gestärkt, kann der Landesregierung nun wirklich nichts mehr passieren. - Danke schön.

(Zustimmung von Herrn Mertens, FDVP, und von Herrn Weich, FDVP - Herr Sachse, SPD: Wer schreibt Ihnen bloß den Mist auf?)

Herr Dr. Süß, verzichten Sie auf einen Redebeitrag oder geben Sie etwas zu Protokoll?

(Herr Dr. Süß, PDS: Ich verzichte!)

- Sie verzichten. - Die DVU-Fraktion verzichtet von vornherein auf einen Redebeitrag. - Herr Eckel, geben Sie die Rede zu Protokoll oder verzichten Sie? Ich muss es wissen.

(Herr Eckel, SPD: Ich gebe zu Protokoll!)

- Sie geben zu Protokoll.

(Zu Protokoll:)

Subventionsabbau mag neben Verwaltungsvereinfachung ein weiterer Grund für die EU-Kommission sein, Änderungen des multisektoralen Regionalbeihilferahmens anzustrengen. Wenn aber Subventionsabbau zum falschen Zeitpunkt mit den falschen Mitteln erfolgen soll, muss auf die Folgen solchen Tuns deutlich hingewiesen werden.

Wer jetzt, in der Situation, in der Ostdeutschland ist, den Rahmen der Regionalförderung einengt, um Sub

ventionen abzubauen, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er rückt von dem Ziel ab, die Angleichung der Fördergebiete an mindestens 75 % des EU-Durchschnitts des Bruttoinlandsproduktes zu schaffen, oder er wird sich auf einen erhöhten Bedarf an Regionalförderungen für längere Zeiträume einzustellen haben. Beides können wir nicht dulden. Das würde aus unserer Sicht auch die bisherigen Bemühungen der Kommission um regionalen Ausgleich konterkarieren.

In den ostdeutschen Bundesländern wurden allein in den letzten vier Jahren 260 Investitionsvorhaben durch Beihilfen unterstützt, die über der Schwelle von 25 Millionen € lagen. Obwohl damit die meisten Arbeitsplätze geschaffen wurden, haben wir gegenüber den alten Bundesländern noch immer nur die Hälfte an Industriearbeitsplätzen. Versuchen Sie sich doch bitte einmal vorzustellen, wie diese Landschaft unter solchen Rahmenbedingungen, wie sie jetzt von der Kommission vorgelegt werden, aussehen würde. Hier dürfen wir keine Luft ranlassen.

Auf eine andere mögliche Wirkung der Absenkung der Beihilfeintensität muss ich noch hinweisen. Sie könnte bedeuten, dass bestimmte Großvorhaben in eine Förderquote kommen, die eine Förderung nach der GA ausschließt, weil sie in die Größenordnungen des Investitionszulagengesetzes kommen. Damit wäre ein wesentliches Instrument, regionale Strukturnachteile auszugleichen, praktisch ausgehebelt.

Ich meine, dass wir nicht nachlassen dürfen, der Kommission die besondere Situation Ostdeutschlands permanent verständlich zu machen. Deshalb möchte ich Sie auffordern, über die Unterstützung des Antrages hinaus Ihre Kontakte zu Verbänden und Europapolitikern zu nutzen und diese für die Thematik zu sensibilisieren. Je eher und deutlicher umso besser.

Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren. Herr Dr. Sobetzko hatte in seinem Redemanuskript - nur zur Klarstellung - eine Überweisung beantragt. Das ist mit dieser Vereinbarung hinfällig geworden. Es bleibt also bei der Direktabstimmung. Die FDVP-Fraktion verlangt eine punktweise Abstimmung über den Antrag. Dem folgen wir natürlich.

Wer dem Punkt 1 des Antrags zustimmt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? Vier Gegenstimmen. Damit ist Punkt 1 beschlossen.

Punkt 2. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Zwei Stimmenthaltungen. So beschlossen.

Punkt 3. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Drei Stimmenthaltungen. So beschlossen.

Punkt 4. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Drei Stimmenthaltungen. So beschlossen.

Punkt 5. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Eine. Damit ist Punkt 5 zugestimmt worden.

Der Antrag hat damit insgesamt eine Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren! Bevor ich die Sitzung schließe, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Sie alle sind heute vom Verein Deutscher Ingenieure zu einem parlamentarischen Abend gebeten worden. Ich hoffe doch, dass Sie trotz der späten Stunde von dieser Einladung Gebrauch machen.

Ich berufe den Landtag zu seiner 36. Sitzungsperiode für den 13., 14. und 15. Dezember 2001 ein. Die nächste

Sitzung des Ältestenrates findet am 6. Dezember 2001 statt.

Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen parlamentarischen Abend und einen guten Nachhauseweg.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.38 Uhr.