Die erste Beratung fand in der 41. Sitzung des Landtages am 23. Juni 2000 statt. Als Berichterstatterin des Ausschusses hat Frau Kollegin Leppinger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in Rede stehenden Drucksachen wurden in der 41. Landtagssitzung am 23. Juni 2000 zur federführenden Beratung an
den Ausschuss für Inneres sowie zur Mitberatung an die Ausschüsse für Recht und Verfassung sowie für Finanzen überwiesen.
Der federführende Ausschuss hat diese Drucksachen erstmals in seiner Sitzung am 27. September 2000 beraten und hat sich einstimmig darauf verständigt, sich nach den Haushaltsberatungen entsprechend dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion von der Landesregierung über die Rehabilitierung und Entschädigung aller Gruppen von Opfern der Verfolgung durch das SEDRegime berichten zu lassen. Danach sollte erneut über den CDU-Antrag beraten werden.
Dieser Bericht wurde in der Innenausschusssitzung am 23. Mai 2001 erstattet. Mit dieser Berichterstattung erledigte sich der Änderungsantrag der SPD-Fraktion.
Dieses Ergebnis wurde als vorläufige Beschlussempfehlung den mitberatenden Ausschüssen für Recht und Verfassung sowie für Finanzen mitgeteilt. Die mitberatenden Ausschüsse schlossen sich dieser vorläufigen Beschlussempfehlung an.
Die endgültige Beschlussfassung unter Hinzuziehung der Beschlussempfehlungen der mitberatenden Ausschüsse erfolgte in der 46. Innenausschusssitzung am 19. September 2001. Ich bitte um die Zustimmung zu der Ihnen vorliegenden Empfehlung. - Danke.
Danke schön, Frau Leppinger. - Es ist eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen. Bevor ich den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen das Wort erteile, erhält die Landesregierung auf ihren Wunsch das Wort. Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Püchel.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berichterstatterin Frau Leppinger hat es eben ausgeführt: Der federführende Ausschuss für Inneres empfiehlt in Übereinstimmung mit den Ausschüssen für Recht und Verfassung sowie für Finanzen dem Landtag, den Antrag auf Gewährung einer zusätzlichen Einzelentschädigung für Zwangsausgesiedelte abzulehnen. Damit deckt sich die Auffassung der Ausschüsse mit der Auffassung der Landesregierung, die ich bereits anlässlich der ersten Beratung des Antrages ausführlich dargelegt hatte.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: Den Zwangsausgesiedelten ist bitteres Unrecht geschehen. Sie haben ein schweres Schicksal erlitten und haben deshalb zu Recht unser aller Mitgefühl. Es führt aber zu nichts, das einzelnen Opfergruppen geschehene Unrecht gegeneinander aufrechnend zu vergleichen und daraus besondere Entschädigungsansprüche abzuleiten.
Ich will nur die Rechtslage nennen, wie sie ist: Über das verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz fallen die Zwangsausgesiedelten unter die Regelungen des Vermögensgesetzes. Insbesondere gilt auch für sie der Grundsatz Rückgabe vor Entschädigung. Aus diesem
Grunde hat auch der Bund nach umfassender Erörterung mit den Ländern die Einführung einer zusätzlichen Sonderregelung für die Zwangsausgesiedelten abgelehnt.
Darüber hinaus bestehen gegen eine zusätzliche landesrechtliche Entschädigung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken; denn die Wiedergutmachung des den Zwangsausgesiedelten zugefügten Unrechts gehört nach Artikel 74 Abs. 1 des Grundgesetzes zum Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung.
Meine Damen und Herren! Der Bund hat durch das verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz die Ansprüche der Zwangsausgesiedelten abschließend geregelt. Er hat damit von seiner Gesetzgebungskompetenz in diesem Fall Gebrauch gemacht. Der Landesgesetzgeber darf deshalb gar nicht tätig werden, selbst wenn er es wollte.
Wenn nunmehr eine untergesetzliche Regelung vorgeschlagen wird, die die Errichtung einer privatrechtlichen Stiftung vorsieht, kann ich dazu nur sagen, dass damit ein klassischer Umgehungstatbestand geschaffen würde.
Denn auch bei einer Stiftungsregelung würden die Zwangsausgesiedelten genau wie bei einer landesgesetzlichen Regelung einen Rechtsanspruch erhalten. Auch bei einer Stiftungsregelung würden die benötigten Mittel genau wie bei einer landesgesetzlichen Regelung zu 100 % aus dem Landeshaushalt finanziert werden.
Ich kann daher einen Unterschied zu einer Regelung durch Landesgesetz, die uns verwehrt ist, nicht erkennen.
Ich erwähnte bereits, dass die Situation der Zwangsausgesiedelten zwischen Bund und Ländern mehrfach erörtert worden ist. Als Thüringen die Sonderregelung für die Zwangsausgesiedelten ins Auge fasste, haben der Bund und alle übrigen Länder aus diesem Grunde dringend davon abgeraten. Ich denke, wir täten den Zwangsausgesiedelten auch keinen Gefallen, wenn wir uns über alle diese Bedenken hinwegsetzten und eine Regelung schüfen, die verfassungsrechtlich nicht tragbar ist.
Ich muss Ihnen daher bei allem Mitgefühl, dass ich für die Zwangsausgesiedelten empfinde, empfehlen, die vorliegende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres anzunehmen.
Herr Innenminister, Sie haben eben in Ihren Ausführungen gesagt, der Innenausschuss empfehle die Ablehnung des Antrages der CDU. Auch die Berichterstatterin hat die gleiche Formulierung verwendet. Stimmen Sie mir zu, dass der Innenausschuss in Gänze dieser Beschlussempfehlung nicht gefolgt ist, sondern dass es einen Mehrheitsbeschluss mit 7 : 5 Stimmen gab?
Herr Abgeordneter Jeziorsky, Sie wissen genau, dass ein Mehrheitsbeschluss ein Beschluss des Ausschusses ist, genau wie ein Mehrheitsbeschluss des Landtages ein Beschluss des Landtages ist.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Vertreter des Verbandes! Frau Leppinger hat als Berichterstatterin des Innenausschusses korrekt auf das Verfahren in den Ausschüssen hingewiesen. Ich möchte mich in meinem heutigen Beitrag mit den vier Hauptargumenten, die auch Minister Püchel noch einmal vorgetragen hat, auseinander setzen.
Das erste Argument, das uns entgegengehalten wurde, war, dass es bei dieser Opfergruppe zu einer Art Doppelentschädigung kommen könnte. Gegen diesen Punkt ist einzuwenden, dass das Vermögensgesetz im Bereich der unlauteren Machenschaften - das ist § 1 Abs. 3 des Vermögensgesetzes - nur die willkürlichen Abweichungen vom ehemaligen DDR-Recht umfasst. Verkannt wird dabei, dass Willkürmaßnahmen auch formell nach DDRVorschriften durchgeführt wurden, von DDR-Vorschriften teilweise gedeckt waren und auch gegen einzelne Personengruppen gerichtet waren, also auch Sippenhaft vorsahen. Das sind Fälle, die durch das Vermögensgesetz nicht berücksichtigt werden können.
Ein zweites Gegenargument war, dass eine Bevorzugung gegenüber sonstigen Anspruchsberechtigten nach dem Vermögensrecht eintreten könnte. Dieser Grund ist in der Tat stichhaltig, weil nicht nur im Rahmen der Zwangsaussiedlung willkürliches Unrecht passiert ist, sondern auch zu anderen Zeiten und an anderen Orten.
Generell möchte ich an dieser Stelle einfügen, dass das Rehabilitations- und damit auch das Entschädigungsrecht auf der Basis des Einigungsvertrages einen entscheidenden Nachteil hat: Es stellt geschriebenes DDR-Recht formell dem Recht in der Bundesrepublik gleich. Damit verkennt es offensichtlich die Instrumentalisierungsfunktion des Rechtes in der DDR. Auch die Rechtsordnung und die Rechtsorgane waren Schild und Schwert der SED.
Deshalb wirkt sich dieser Fehlschluss des Einigungsvertrages so katastrophal auf die Rehabilitation der einzelnen Opfergruppen aus. Dies ist durchaus als Form der Selbstkritik zu verstehen; denn die CDU ist nicht unmaßgeblich an der Abfassung und Verabschiedung des Einigungsvertrages beteiligt gewesen.
Der dritte Punkt: Es käme zu einer Schieflage bei der Entschädigung aller Opfergruppen. Das ist natürlich eine verquere Logik nach dem Motto: Die einen Opfer sollen nichts bekommen, weil die anderen Opfer auch nichts bekommen.
Der vierte Punkt betrifft die Verfassungsmäßigkeit, auf die auch Minister Püchel eingegangen ist. Auf unsere Frage nach der Rechtmäßigkeit der Sonderregelung in Thüringen bekamen wir als Antwort, dass es weder von Thüringer Seite eine Verfassungsklage gab, noch dass es Bedenken vonseiten des Bundesjustizministeriums gegen diese Verfahrensweise gab. Die Bezeichnung der Stiftungsregelung, wie sie in Thüringen eingeführt wird, als Umgehungstatbestand ist wohl eher eine Beschuldigung der Opfergruppe, als dass es ein tatsächliches Faktum wäre. Denn all diese Gründe bestanden oder bestehen ja auch in Thüringen.
Ich kann nur einen Unterschied zwischen SachsenAnhalt und Thüringen feststellen: Dort, in Thüringen, gibt es den politischen Willen, übrigens aller im Thüringer Landtag vertretenen Parteien, dieser Verfolgtengruppe ähnlich den Vertriebenen eine symbolische Entwurzelungsentschädigung zukommen zu lassen.