Protocol of the Session on October 11, 2001

Die CDU verlangt in ihrem vorgelegten Gesetzentwurf die Ausweitung der Rasterfahndung auf alle Straftaten von erheblicher Bedeutung - das ist immerhin ein Katalog von über 50 Straftatbeständen - und will die richterliche Vorabkontrolle abschaffen und lediglich eine Nachkontrolle durch den Datenschutzbeauftragten vorsehen. Abgesehen davon, dass dieser Vorschlag der CDU wortgleich von ihr bereits im Oktober 1998 eingebracht und in die Debatte um die Novellierung des Polizeigesetzes einbezogen worden war,

(Herr Becker, CDU: Richtig, sehr richtig! Jawohl, das stimmt!)

ist weder der Zusammenhang dieses Vorschlages mit der Terrorismusbekämpfung noch die Notwendigkeit dieser Gesetzesänderung heute einsichtig.

(Frau Wiechmann, FDVP: Für Sie ist das nicht einsichtig!)

Gleiches gilt übrigens für die im CDU-Entwurf enthaltene Ausweitung der verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen auf den gesamten öffentlichen Verkehrsraum. Auch dieser Vorschlag ist bereits anlässlich der Novellierung des Polizeigesetzes debattiert worden. Einsichtig ist er auch in der Situation nach dem 11. September nicht, und zwar weder hinsichtlich rechtsstaatlicher Bedenken noch hinsichtlich polizeilicher Notwendigkeiten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an das entsprechende Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommerns und an die vorliegende Verfassungsbeschwerde in Sachsen-Anhalt.

Wir lehnen ebenso den Vorschlag der CDU ab, eine gravierende Ausweitung der Zuständigkeiten und Befugnisse des Verfassungsschutzes des Landes in den polizeilichen Bereich vorzunehmen. Auch die Möglichkeit der Speicherung von Personendaten junger Menschen bereits ab 14 Jahren ist nach unserer Auffassung weder notwendig noch unbedenklich.

Die bisher eingeleiteten und geplanten Maßnahmen der Landesregierung haben gezeigt, dass Sachsen-Anhalt ausreichende gesetzliche Regelungen hat. Eine Ausweitung der Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutz ist auch in der gegenwärtigen veränderten Situation nicht geboten.

Aus diesem Grund und wegen der geäußerten Bedenken lehnt die PDS den Gesetzentwurf der CDU ab. Ich muss sagen, es wirkt schon sehr eigenartig, dass die CDU die Einschränkung des Bankgeheimnisses ablehnt, aber bei der Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten nur halb so viel Bedenken hat.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Dr. Fikentscher, SPD)

Meine Damen und Herren! Zur zweiten Beratung liegt heute der Antrag der PDS-Fraktion zum Thema „Maßnahmen zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit“ vor. Dieser Antrag ist in den Ausschüssen ausführlich beraten worden und hat dort auch einige Änderungen erfahren. Kennzeichen dieser Ausschussberatungen war das gemeinsame Bemühen der demokratischen Parteien dieses Hauses, zu einem Konsens über die einzelnen Vorschläge zu kommen. Die Beschlussempfehlung spiegelt dies wider. Dieses Bemühen sollte uns auch zukünftig leiten.

(Frau Wiechmann, FDVP: In diese demokra- tischen Parteien beziehen Sie sich aber wohl nicht mit ein! Gucken Sie in den Verfassungs- schutzbericht! Dazu können Sie wohl nicht gehö- ren! - Herr Weich, FDVP: Jawohl!)

- Ich muss nicht unbedingt Sie gemeint haben.

Die CDU hat unter dem Titel „Maßnahmen zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus“ einen Antrag vorgelegt, in dem die einzelnen Beschlüsse der Innenministerkonferenz vom 18. September 2001 begrüßt und die Landesregierung zur Schaffung rechtlicher und tatsächlicher Voraussetzungen für die Umsetzung aufgefordert wird.

Die Innenministerkonferenz hat sich in schwieriger Situation auf ein Maßnahmenbündel verständigt. Einige die

ser Maßnahmen sind mit einem Prüfauftrag hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen versehen, so zum erweiterten Objektschutz durch die Bundeswehr, zur Übermittlung von Erkenntnissen durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und zum automatisierten Abgleich von Fingerabdrücken aus Asylantragsverfahren. In der Tat bedürfen diese Maßnahmen genauer Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen und einige sind in der öffentlichen Debatte auch nicht unumstritten.

Insgesamt hat die Innenministerkonferenz aber angemessen reagiert. Maßnahmen zur Flugsicherheit und zum Objektschutz finden unsere Zustimmung.

Über die Rasterfahndung habe ich bereits gesprochen.

Gerade bei sensiblen und umstrittenen Maßnahmen sollte die Besonnenheit beibehalten werden. Die rechtliche Prüfung muss gründlich erfolgen. Dies gilt aus meiner Sicht gerade auch bei ausländerrechtlichen und asylrechtlichen Fragen.

Unbestritten dürfte sein, dass Terrorismusbekämpfung keine Pauschalisierung und keine Pauschaleinschränkungen verträgt, dass im Gegenteil alles getan werden muss, um solchen Stimmungen vorzubeugen. Dies muss auch für sicherheitsrelevante Belange gelten. Die PDS-Fraktion wird sich dem von der SPD vorgelegten Änderungsantrag anschließen.

Seitens der FDVP-Fraktion liegen zwei Anträge zu diesem Themenkomplex vor. Auf der Sondersitzung des Innenausschusses zur Berichterstattung der Landesregierung zu den Maßnahmen nach den Terrorakten in den USA waren aber weder Abgeordnete der DVU noch der FDVP anwesend.

(Zuruf von Frau Helmecke, FDVP)

Dieses Thema interessiert scheinbar die Rechtsaußenfraktionen nur, um anschließend die Mottenkiste alter Vorschläge erneut zu öffnen. Wir lehnen Ihre beiden Anträge selbstverständlich ab.

(Herr Wiechmann, FDVP: Selbstverständlich!)

Meine Damen und Herren! Ich sagte eingangs, öffentliche Sicherheit muss neu gedacht werden. Das gilt auch hinsichtlich ihrer Abhängigkeit von der äußeren Sicherheit. Die PDS wird jeden hierzu gemachten Vorschlag sachlich prüfen. Wenn ich von meiner Partei verlange, ohne alte Scheuklappen neue Probleme und neue Vorschläge zu bedenken, dann darf ich auch die Erwartung äußern, dass die gegenwärtige Situation nicht ausgenutzt wird, uralte Vorstellungen jetzt realisieren zu wollen.

Nicht zufällig ist von konservativer Seite wieder sehr schnell über die Vermischung geheimdienstlicher und polizeilicher Befugnisse, über die Ausweitung der Aufgaben der Bundeswehr, über ein so genanntes Bundessicherheitsamt, über die Erweiterung der Aufgaben und Befugnisse des BGS, über eine Kronzeugenregelung und Passgesetzänderung gesprochen worden. Bei aller Bereitschaft, Vorschläge zu prüfen - hier scheinen alte Vorstellungen Pate gestanden zu haben.

(Herr Becker, CDU: Na und? Wir müssen nicht neue finden!)

Wenn wir gerade in dieser Debatte unsere Aufmerksamkeit für den freiheitlichen und offenen Anspruch der Gesellschaft verlieren, wenn wir zulassen, dass die notwendige Debatte über Sicherheit nur aus dem Blick

winkel staatlicher Überwachung geführt wird, werden wir diese Gesellschaft in ihrem Anspruch vielleicht nicht wiedererkennen. Wir werden damit auch den realen Ängsten von Bürgerinnen und Bürgern nicht gerecht.

Gleiches gilt für Vorschläge zu Einschränkungen im ausländerrechtlichen und im asylrechtlichen Bereich. Sicherheit wird nicht durch Ausgrenzung von Menschengruppen hergestellt werden können. Vielleicht müssen wir auch darüber nachdenken, ob in der Zeit weitreichender Globalisierung, in der Zeit gegenseitiger Abhängigkeiten von innerer und äußerer Sicherheit nicht gerade die multikulturelle Gesellschaft ein Sicherheitsfaktor ist; denn dann weiß man auch mehr voneinander.

(Zustimmung bei der PDS)

Nicht Ausgrenzung und Abschottung beseitigt die Ursachen von Gewalt, Fanatismus und Terrorismus. Aber die Garantie von Chancengleichheit und Entwicklungsperspektiven, von Integration und kultureller Entspannung kann solche Ursachen eindämmen, indem sie Fanatismus den Boden entzieht und Terroristen das Rekrutierungsfeld beschneidet, und zwar im Inneren wie global. Es gibt keinen Frieden ohne Freiheit, es gibt keine Sicherheit ohne Frieden. - Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der PDS)

Frau Dr. Sitte, Sie haben nicht gesagt, ob Sie im Anschluss eine Frage von Herrn Becker beantworten würden. Deshalb frage ich, ob Sie diese jetzt beantworten würden.

Was ich für notwendig halte, dass es heute gesagt werden muss, habe ich gesagt und ich möchte es jetzt nicht weiter kommentieren.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das kenne ich von frü- her!)

Danke sehr. - Wir setzen die Beratung mit dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Kannegießer von der DVUFraktion fort. Bitte, Herr Kannegießer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte einen Redebeitrag vorbereitet, der eigentlich angemessen war. Aber wenn ich diese politischen Reden einer Frau Sitte höre, dann sage ich mir, sie sind so akrobatenreif, dass sie in jedem Zirkus auftreten könnte.

(Zustimmung von Frau Brandt, DVU)

Herr Dr. Fikentscher, zu Ihrer Rede: Dass Sie jetzt auf einmal die Ausländer, die wir schon lange überprüfen lassen wollten, auch überprüfen lassen wollen, verwundert mich nicht. Lange genug haben Sie sie ja an Ihrem Busen genährt, sodass sie tun und lassen konnten, was sie wollen. In Halle sind mehr Schwarze aus Sierra Leone, als dieser Staat vielleicht insgesamt Einwohner hat.

(Frau Stolfa, PDS: Ach du lieber Gott!)

Da werden Grauhaarige als 15-Jährige ausgegeben. Es werden Terroristen beherbergt, so wie es in der früheren

DDR gang und gäbe war, um sie vor den Behörden, die sie eigentlich greifen sollten, zu verstecken.

Wenn Sie hier und heute solche Verrenkungen machen und sagen, wir sollten den Terrorismus nicht bekämpfen und die Rasterfahndung lassen, erwidere ich: Wenn wir die Rasterfahndung anlaufen lassen, wie es Minister Püchel oder die CDU vorgeschlagen hat, werden wir sehen, was für Dreck aus der linken Ecke hochgeschwemmt wird. Das ist die schmutzigste Ecke, wenn ich sehe, wie Demonstranten behindert werden und wie Ihre Klientel alles zerstört und zerschlägt.

(Zustimmung von Frau Brandt, DVU)

Diese Rasterfahndung und auch die Überprüfung müssen kommen. - Ich bedanke mich. Wir schließen uns dem Vorschlag der CDU an.

Danke sehr. - Als Letzte spricht jetzt für die Fraktion der FDVP die Abgeordnete Frau Wiechmann. Bitte, Frau Wiechmann.

(Unruhe)

- Bitte lassen Sie wieder etwas Ruhe im Plenarsaal einkehren.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was wir eben von Herrn Dr. Fikentscher, SPD-Fraktion - ich darf das noch einmal betonen -, zum Umgang mit Anträgen der FDVP-Fraktion gehört haben, ist mehr als äußerst bedenklich. Wenn Sie, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, sich künftig dieses Stils im Umgang miteinander bedienen wollen, dann schlagen wir vor, doch folgendermaßen zu verfahren: Alle Tagesordnungspunkte der verschiedenen Fraktionen werden von jetzt an immer zusammengefasst und einfach ohne Debatte behandelt. Anschließend werden nur die Jastimmen gezählt, wobei vorausgesetzt wird, dass die Jastimmen von der SPD- und von der PDS-Fraktion kommen. Heute haben wir ja schon damit angefangen.

Ihre Äußerung, Herr Dr. Fikentscher von der SPD, es hätte der Anträge der anderen Fraktionen nicht bedurft, zeigt uns an dieser Stelle ganz genau, wie gern Sie diesen Vorschlag annehmen würden.

(Beifall bei der FDVP - Zustimmung bei der DVU)