Protocol of the Session on September 13, 2001

(Zustimmung von Frau Dirlich, PDS, und von Frau Stolfa, PDS)

Im Einzelplan des Sozialministeriums finden sich bei der Titelgruppe 65 für SAM und ABM zwar weniger Mittel, was eine Absenkung der Zahl der Förderfälle aus diesen Geldern, soweit es ABM betrifft, nach sich zieht; bei SAM dagegen steigen sie. Allerdings werden SAM nunmehr auch aus anderen Titelgruppen unter Zuhilfenahme von EU-Mitteln weiter gefördert. Das heißt, das Engagement in diesem Bereich basiert auf gedrittelten Mitteln: EU, Bund, Land. Und obwohl die Landesmittel absinken, steigt die Gesamtsumme, und es wird künftig möglich sein, mehr Fälle zu fördern.

Bezogen auf die vorherigen prinzipiellen Anmerkungen ist es jetzt notwendig, SAM und ABM zu qualifizieren. Wir haben es also nicht allein mit einem Haushaltsproblem zu tun. An erster Stelle steht daher nicht die Forderung nach zusätzlicher Förderung. Knappe Kassen verbieten eine solche Symbolpolitik. ABM sind prinzipiell auch ohne das Land möglich. SAM bedürfen des Landesengagements. Wirklich wichtig ist die Binnenverteilung. Wir unterstützen den Ansatz, strukturprägende Bereiche und betriebsnahe Arbeitsplätze zu fördern.

Nun zum eigentlichen Kernproblem des Haushalts. Das sind die eingestellten oder vielmehr die nicht eingestellten Kommunalfinanzen.

Gegenüber der Situation in den vorangegangen Jahren hebt sich die politische Brisanz der vorgesehenen Rückführung bei der Finanzausstattung der Kommunen deutlich von allen anderen Problemlagen ab. Daher wird sich die PDS bei den Haushaltsverhandlungen in diesem Jahr auf diesen Problemkreis konzentrieren.

Als Vorbemerkung sei darauf verwiesen, dass bereits im Zeitraum von 1997 bis 2001 die Finanzzuweisungen an die Kommunen im Rahmen des FAG um 212,1 Millionen DM zurückgeführt wurden.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist wohl wahr!)

Und wenn es den Widerstand der PDS nicht gegeben hätte, läge diese Summe, beginnend 1994, sogar bei nahezu 1 Milliarde DM.

Wir wissen, dass der Finanzminister politisch ein anderes Konzept verfolgte und verfolgt. Das haben wir auch heute wieder zur Kenntnis genommen. Er hat stets den Standpunkt vertreten, dass den Kommunen weit mehr finanzielle Belastungen aufgebürdet werden müssten als der Landeskasse und als es derzeit geschieht.

Die PDS hat den gegenteiligen Standpunkt vertreten und sich ausdrücklich für eine nachhaltige Entlastung der kommunalen Haushalte ausgesprochen. Wir haben auch nicht die Auffassung geteilt, dass das Land den Kommunen, nachdem sich der Bund seiner Belastungen zum Nachteil der Länderhaushalte entledigt hatte, 50 % dieser zusätzlichen Ausgaben aufbürden sollte.

Wie bereits mehrfach erwähnt, soll im Haushaltsplanentwurf insgesamt eine Rückführung der Finanzzuweisungen an die Kommunen um 212 Millionen Euro erfolgen. Im Rahmen des FAG ergibt sich ein Kürzungsbetrag von rund 180 Millionen Euro. Die Differenz zu den 212 Millionen Euro entspringt weiteren zusätzlichen Rückführungen zulasten der Kommunen in den Einzelplänen Wirtschaft, Soziales, Innen, Kultus, Landwirtschaft sowie Wohnungswesen und Verkehr.

Mit diesem Vorgehen unterwandert die Landesregierung aber einen politischen Grundsatz, der soeben bei den Verhandlungen zum bundesstaatlichen Finanzausgleich und in den dazu jüngst von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetzen und getroffenen Vereinbarungen Berücksichtigung gefunden hat, und zwar von allen Beteiligten.

Wir wissen, mit der Verabschiedung des so genannten Maßstäbegesetzes hat der erbittert geführte Streit um die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Neuregelung der Finanzbeziehungen im föderalen Bundesstaat ein vorläufiges Ende gefunden. Der Grundsatz besteht darin, dass die kommunale Finanzkraft künftig stärker bei der Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs berücksichtigt wird. Die Bundesregierung konnte sich zwar nicht mit ihrem Vorschlag durchsetzen, die kommunale Finanzkraft vollständig in den Länderfinanzausgleich einzubeziehen, aber schließlich wurde ein akzeptabler Kompromiss erzielt, indem die kommunale Finanzkraft zu 64 % berücksichtigt wird. Zeitgleich wurde die Vereinbarung für den Solidarpakt II für Ostdeutschland getroffen.

Bekanntermaßen fallen die Zuführungen von SachsenAnhalt an die Kommunen gemäß dem IfG Ost in Höhe von 225,7 Millionen Euro weg. Die Ursache liegt in eben jenem unlängst verabschiedeten Maßstäbegesetz. Dort enthalten die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen nunmehr die IfG-Ost-Mittel.

Im Übrigen, scheint uns, ist in der Beschreibung dieses Zustandes in der mittelfristigen Finanzplanung ein Fehler unterlaufen.

Die Landesregierung macht sich nunmehr bei ihrem Vorschlag - da hat Herr Böhmer Recht -, die Verbundquote im FAG zur Weitergabe der Sonderbedarfs

Bundesergänzungszuweisungen an die Kommunen von 37 % auf rund 26 % ab dem Jahr 2002 zu senken, die Tatsache zunutze, dass in den Ergänzungszuweisungen keine Investitionsbindung mehr verankert ist. Die Erhöhung der gestaffelten Investitionshilfen kann das nicht kompensieren, zumal diese ausschließlich zulasten der allgemeinen Zuweisungen erfolgen soll.

In ihrer Begründung verweist die Landesregierung unter anderem darauf, dass die Kreditaufnahme aller Kommunen des Landes im Jahre 2000 zusammengenommen nahe bei null gelegen hat. Dabei wird, glaube ich, etwas zynisch argumentiert.

Der Grund liegt nämlich nicht in der besonderen Finanzkraft der Kommunen, sondern in dem erreichten Grad ihrer Finanzschwäche. Trotz eines harten Konsolidierungskurses, trotz der Entlassung von Personal, trotz Kürzungen im Bereich freiwilliger Aufgaben und trotz des massiven Verkaufs von Vermögen haben viele Kommunen schlicht und ergreifend das Ende der Fahnenstange erreicht. Das mit dem Vergleich zu Sachsen ist zwar ganz nett, aber es geht doch um den Istzustand der Kommunen hier und darum, dass es alle Kommunen gleich gut haben sollen, nicht gleich schlecht. Das heißt, viele Kommunen bekommen ihre Haushalte von der Kommunalaufsicht nicht mehr genehmigt, wenn sie auf Kredite zurückgreifen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist wahr! Das ist richtig!)

Andererseits können die Kommunen die damit verbundenen Zinsbelastungen künftigen Generationen nicht mehr zumuten. Abgesehen davon haben die Kommunen auch zusätzliche Einnahmeausfälle aus den Steuersenkungsgesetzen einschließlich der Unternehmenssteuerreform zu verkraften. Zu nennen sind die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage in Bund und Ländern, der Teilrückzug des Bundes aus der Finanzierung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende, die so genannte Ökosteuer, der Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe mit höheren Ausgaben für die kommunalen Sozialhilfeetats und die weitgehende Abwälzung der finanziellen Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit auf die kommunale Sozialhilfe, die UMTS-Ausfälle, die Folgen der BSEKrise und die Kosten der Währungsumstellung auf den Euro.

Mit der vorgelegten Haushaltsstruktur für 2002 können die Kommunen zwar ihre Verwaltungshaushalte abdecken - das ist wohl wahr; das stimmt -, aber das ist sozusagen nicht das, worauf eine Kommune hinsichtlich ihrer Gestaltungskraft ausdrücklich Wert legt. Das, aber nicht das allein, ist sicherlich auch wichtig. Die kommunale Investitionstätigkeit wird faktisch unmöglich gemacht. Das ist das Problem, das sich daraus ergibt.

(Zustimmung von Herrn Gallert, PDS)

Welche Konsequenzen das für die Auftragsvergabe an örtliche Unternehmen und für die Schaffung bzw. die Erhaltung von Arbeitsplätzen in kleinen und mittleren Unternehmen haben wird, liegt auf der Hand. Außerdem sind überwiegend Kommunen vom Rückgang im ABMBereich betroffen.

Damit konterkariert die Landesregierung ihre Haushaltsansätze und -schwerpunkte in anderen Bereichen, eben jene Schwerpunkte, die ich vorhin bezogen auf den Wirtschaftshaushalt als positiv bezeichnet habe.

Ein besonders akutes Problem verschärft die kommunale Finanzsituation weiter. Es handelt sich um den er

heblichen Bevölkerungsverlust, verbunden mit einem massiven Nachfrageeinbruch auf dem Wohnungsmarkt. In vielen Städten stehen bis zu 25 % der Wohnungen leer. Daraus resultieren Gefährdungen für städtebauliche, wirtschaftliche und soziale Stadtstrukturen.

Ein Tropfen auf den heißen Stein - das muss man leider so sagen - ist das vor wenigen Wochen verabschiedete Sonderprogramm zum Stadtumbau Ost. So sollen im Jahre 2002 nur 7,5 Millionen Euro an Bundesmitteln tatsächlich ausgezahlt werden. Der Rest des Gesamtprogramms gilt als Verpflichtungsermächtigung für die Folgejahre. Das macht uns eher misstrauisch. Als Konjunkturmotor für die Bauwirtschaftsbetriebe im Osten kann man das Programm also nicht bezeichnen und akute Probleme bleiben ohnehin ungelöst.

Im Rahmen dieser Maßnahmen zum Stadtumbau bleibt auch offen, ob Kommunen überhaupt in der Lage sind, sich daran zu beteiligen. Nicht zuletzt bleibt offen, wer und in welcher Höhe die Mittel vor Ort erhalten soll.

Wir gehen derzeit davon aus, dass der Bereich der Kommunalfinanzen von der PDS absolute Haushaltspriorität bekommen wird. In den kommenden Wochen werden wir daher gezwungen sein, auf der Basis einer nüchternen Analyse über die Einzelpläne hinweg Finanzierungsreserven zu erschließen, die zugunsten der Kommunalfinanzen umverteilt werden können. Dazu gehört ebenso, dass die Ministerien in den Beratungen erneut Auskunft über den Stand des Abflusses von Fördermitteln und damit über die Inanspruchnahme von Förderprogrammen geben.

Weitere Wünsche oder Forderungen werden weitestgehend innerhalb der Einzelpläne über Umverteilungen zu berücksichtigen sein.

Erinnert sei an dieser Stelle auch an den gesamten Bereich der Beratungs- und Betreuungsangebote, die einen Schwerpunkt des Haushaltskompromisses für 2001 bildeten. Hier hat sich die Fraktion der PDS in den vergangenen Monaten intensiv mit Möglichkeiten und Wegen beschäftigt, wie die Mittel so gebündelt werden können, dass sie aus der Landesebene, also aus Landesförderprogrammen mit ihren umständlichen Antragsverfahren herausgenommen und gebündelt werden können. Diese Bündelung von bisherigen Landesmitteln, die im Wesentlichen auf kommunaler und/oder auf Kreisebene verausgabt werden, stellen wir uns in Form einer kommunalen Sozialpauschale vor.

Natürlich wird die Refinanzierung der Differenzen in den Kommunalfinanzen eine ganz schwierige Aufgabe. Abgesehen von der Sichtung über die Einzelhaushalte hinweg wurde unlängst natürlich auch die Frage nach dem Umgang mit der Nettoneuverschuldung thematisiert.

Lassen Sie mich noch einmal ganz klar feststellen: Auch die PDS steht für eine Konsolidierung des Landeshaushalts. Dass dabei unpopuläre Einschnitte nicht ausbleiben können, ist klar. Wir wissen auch, dass wir in diesem Zusammenhang längst Gegenstand von Widerstand geworden sind. Das ist also auch eine Erfahrung, der wir uns gestellt haben.

Dass der Fahrplan in der mittelfristigen Finanzplanung im Hinblick auf die Zurückführung der Nettoneuverschuldung eingehalten werden soll, ist nicht nur das Ziel der Landesregierung.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ja!)

Dass es sich dabei aber auch um einen längeren Zeitraum handeln könnte, ist nicht auszuschließen, da insbesondere - das will ich durchaus einmal anführen - gerade führende Wirtschaftsforschungsinstitute übereinstimmend dazu auffordern, die Konjunktur kreditfinanziert anzukurbeln. Wir behandeln daher den Faktor Nettoneuverschuldung nicht als Dogma.

Eines wollen wir an dieser Stelle nochmals in Erinnerung bringen: Eine deutliche Abweichung von ursprünglichen Zielen der mittelfristigen Finanzplanung hat unmittelbare Ursachen auch in den jüngsten Beschlüssen und Gesetzen der rot-grünen Bundesregierung. So belaufen sich die Mindereinnahmen an Steuern aufgrund des Gesetzes zur Einführung einer Entfernungspauschale auf 12 Millionen DM pro Jahr. Die Belastungen für das Land aufgrund der Erhöhung des Kindergeldes ab 2002 betragen 45 Millionen DM. Nicht zuletzt stehen die Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung mit minus 268 Millionen DM zu Buche.

Das allein sind Beträge - so wichtig wir auch die Schwerpunktsetzung empfinden -, die kein Land mal eben so aus der Portokasse bezahlen kann, zumal wir bereits vorher schon Grenzen erreicht hatten.

Aber die Bundesregierung und die Wortführer der Steuerreform haben quasi auf den Skat gereizt. Sie sind nämlich von einem konjunkturellen Aufschwung, mindestens aber von einer konjunkturellen Stabilität ausgegangen. Das wiederum hat sich als gravierender Irrtum herausgestellt. Es gab auch zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Steuerreform nicht wenige Stimmen, die darauf hingewiesen haben, dass diese Abhängigkeit beim Ausbleiben der erwarteten Entwicklung und den damit verbundenen Ausfällen bei Steuereinnahmen die Krise der Landeshaushalte zusätzlich verschärfen wird.

Sachsen-Anhalt hat also nicht nur prinzipiell weniger Mittel aus der Bundesebene nach der Verabschiedung der Steuergesetze bekommen. Eine weitere Haushaltsbelastung ergibt sich, weil der Konjunkturverlauf für noch mehr Ausfälle auf unserer steuerlichen Einnahmeseite sorgt.

Wenn die Landesregierung diese Gefahren ignoriert - das will sie hoffentlich nicht - und die Bundesregierung nahezu widerstandslos gewähren lässt, wie das bei ihrer unnötig schnellen Zustimmung zur Steuerreform der Fall war, untergräbt sie quasi selbst die Basis ihrer Handlungsfähigkeit bzw. ihre eigenen Handlungsspielräume.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, sind wir sehr gespannt auf die anderen Vorschläge der CDU, die heute, aus welchen Gründen auch immer, nicht genannt werden konnten. Wir sind natürlich auch auf ihre Forderungen gespannt.

Bislang ergibt sich für uns nämlich folgendes Bild: Die Absenkung der Kommunalfinanzen haben Sie kritisiert. Sie wollen also durchaus eine größere Summe einstellen, wenn auch nicht unbedingt in der ursprünglichen Höhe, wie auch immer. Auch die Höhe der Investitionsquote kritisieren Sie als inakzeptabel. Weiterhin erwarten Sie, wie zu lesen war, mehr Mittel für Infrastrukturmaßnahmen, für das Wohnungswesen, den Städtebau und den Verkehr. Allerdings ist in diesen Bereichen der Haushaltsansatz schon angehoben worden.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Aber an der falschen Stelle!)

Die Bereiche Technologie, Wissenschaft und Forschung hat auch die CDU zu einem politischen Schwerpunkt erhoben. In diesem Bereich sieht der Landeshaushalt eine deutliche Steigerung des Ansatzes vor. Das geht nach bisheriger Allokation zum Beispiel zulasten der Investitionsquote.

Ausgaben in den Sozialhaushalten erklärt die CDU im Allgemeinen und auf allen Ebenen für zu aufgebläht. In diesen Haushaltsplanentwurf sind für diesen Bereich allerdings weniger Mittel eingestellt worden. Mehr Unterstützung hat die CDU nach der Agrarkrise insbesondere für die ostdeutsche Landwirtschaft gefordert. Auch hier steht ein Mittelzuschuss in bedeutender Höhe zu Buche.

Angesichts solcher Überschneidungen wird es sehr interessant sein zu erfahren, welche Verhandlungsschwerpunkte die CDU noch vorschlagen will.

Ich befürchte angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre, dass die Rechnung, über der Sie sitzen, eine bedenkenlos dicke Sollseite hat, die Sie auch überall aufrechnen werden, selektiv, je nachdem, vor welcher Interessengruppe man gerade spricht.

Zu befürchten ist auch, dass Sie sich der Diskussion um Refinanzierungsvorschläge erneut entziehen werden. Die Beispiele für die Refinanzierung aus der Rede von Herrn Böhmer sind absolut marginal.

(Beifall bei der PDS)