Protocol of the Session on September 13, 2001

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Wie ich eingangs bereits erwähnte, wurde im Ältestenrat eine Debattendauer von 180 Minuten vereinbart. Ich teile Ihnen die Reihenfolge und die Redezeiten der Fraktionen mit: CDU 44 Minuten, SPD 74 Minuten, PDS 39 Minuten. Der Fraktionsvor

sitzende der DVU-Fraktion hat erklärt, dass er heute und morgen auf jeden Beitrag verzichten wird. Er hätte zwölf Minuten gehabt. Der FDVP hätten elf Minuten zur Verfügung gestanden. Der Landesregierung stehen 74 Minuten zur Verfügung.

Ich bitte jetzt den Vorsitzenden der CDU-Fraktion Herrn Professor Dr. Böhmer, das Wort zu ergreifen. Bitte, Herr Professor Dr. Böhmer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den außergewöhnlichen Umständen, unter denen wir heute tagen und auch diese Debatte führen, ist, denke ich, schon genug gesagt worden. Ich bekenne mich ausdrücklich zu der von mir mit getroffenen Entscheidung, die heutige Plenarsitzung auch mit diesem Tagesordnungspunkt durchzuführen. Ich habe mit Respekt gehört, wie der Präsident der Vereinigten Staaten die Bürger in den USA aufgefordert hat, Nerven zu bewahren. Er hat darum gebeten, dass Jedermann an seinem Ort seine Pflicht tun möge. Dies hier ist nicht ein Vergnügen, dies ist unsere Arbeit, und sie zu tun ist unsere Pflicht.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustim- mung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Ich habe auch mit Respekt und Hochachtung das Anliegen zur Kenntnis genommen, bei der Debatte möglichst moderat miteinander zu diskutieren und den äußeren Umständen Rechnung zu tragen. Ich halte dies für angemessen. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir davon sprechen, dass wir hier unsere Pflicht tun, dann besteht die Pflicht der Opposition nicht darin, die Regierung zu loben. Auch das muss uns klar sein.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU)

Man kann ein Fußballspiel absetzen oder nicht, aber man kann nicht sagen: Wir führen es durch, aber wir verbieten den Stürmern, zu stürmen oder Tore zu schießen.

(Zustimmung von Herrn Preiß, DVU)

Das trifft natürlich auch auf Debatten im Landtag zu. Ich habe zur Kenntnis genommen, und zwar auch mit Respekt, Herr Finanzminister, wie Sie sich offensichtlich sehr konzentriert bemüht haben, all die Schlenker wegzulassen, die Sie möglicherweise im Koffer hatten. Ich hoffe, dass mir dies auch gelingt. Trotzdem werde ich Ihnen sagen müssen, dass ich vieles natürlich anders sehe als Sie.

Sie haben zu Recht angedeutet, dass dieser Haushalt der erste ist, der in Euro ausgedruckt wurde. Er wird allerdings noch in D-Mark verhandelt. Es ist technisch bedingt, dass wir uns heute des Vergleichs wegen noch über D-Mark-Beträge unterhalten.

Aber sachlich richtig wäre es, auch zu sagen, dass das Land Sachsen-Anhalt, wenn es ein eigener Staat wäre, nicht in diese Währungsgemeinschaft aufgenommen worden wäre,

(Zustimmung bei der CDU)

weil das Kriterium, nach dem das öffentliche Defizit nicht größer als 3 % des Bruttoinlandsprodukts sein darf, auf Sachsen-Anhalt sowohl 1999 als auch 2000 nicht zutraf. Das heißt, wir sind mitgenommen worden, weil wir Teil eines größeren und gesünderen Wirtschaftsgebietes

sind, als wir es selbst gegenwärtig darstellen. Das sind die Probleme, denen wir uns in Sachsen-Anhalt auch zukünftig werden stellen müssen.

Viele Zahlen, die Sie genannt haben, waren uns bereits aus der Presseerklärung im Sommer dieses Jahres bekannt. Damals hat ein Journalist einer der beiden Monopolzeitungen in Sachsen-Anhalt geschrieben, dass der Haushalt und die Situation in Sachsen-Anhalt mit zwei Zahlen zu charakterisieren wären, nämlich mit den Zahlen 19 und 20. Die Zahl 19 steht für die höchste Arbeitslosenquote aller neuen Bundesländer und die Zahl 20 für den niedrigsten Investitionsquotienten im Haushalt.

Dies ist vielleicht nicht ganz richtig. Aber es ist eine, wenn auch sehr verkürzte, Beschreibung der Situation, mit der wir leben müssen.

Die Kreditfinanzierungsquote war früher höher - das weiß ich; auf die Vergleiche, die Sie vorgebracht haben, will ich noch eingehen. Gemäß dem Haushaltsplanentwurf der Landesregierung beträgt sie 5,2 %. Das ist im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern viel. Ich habe dazu noch nicht alle Zahlen. Aber zum Beispiel in Sachsen beträgt sie 1,2 %.

Die Zinslastquote - Sie haben Sie nicht genannt - beträgt gemäß dem Haushaltsplanentwurf, den Sie heute eingebracht haben, 8,2 %. Ich kenne noch nicht die Zinslastquoten aller anderen neuen Bundesländer. In Sachsen beträgt die Zinslastquote 4,5 %. Das ist fast die Hälfte der Zinslastquote in Sachsen-Anhalt.

Wir werden, wenn alles so läuft, wie es vorgesehen ist, im nächsten Jahr allein Zinsen in Höhe von etwa 1,6 Milliarden DM zahlen müssen. Wenn wir in den letzten Jahren so sparsam wie zum Beispiel das Land Sachsen diese Zahlen liegen mir vor - gewirtschaftet hätten, dann wären es nur Zinsen in Höhe von etwa 800 Millionen DM. Das heißt, wir hätten Landesmittel in Höhe von 800 Millionen DM zur freien Verfügung und könnten darüber entscheiden. Was man damit für Landesstraßen sanieren, für Schulen bauen könnte, weiß jeder von uns.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ja!)

Deswegen ist die Verschuldung unseres Landes eines der Probleme, denen wir uns kritisch stellen müssen.

Ich denke, es ist auch die Aufgabe einer Opposition, das, was Sie, Herr Minister, gemacht haben, nicht durchgehen zu lassen, nämlich die erste Legislaturperiode, in der alle neuen Bundesländer über den Fonds Deutsche Einheit finanziert wurden, und die Zeit nach der Einbeziehung in den innerdeutschen Finanzausgleich - das ist überhaupt nicht vergleichbar - gegenüberzustellen.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Richtig! - Herr Scharf, CDU: Genau!)

Herr Minister, Sie hätten viel redlicher diskutieren können, wenn Sie die zweite Legislaturperiode mit der dritten verglichen hätten. Auch ein solcher Vergleich ergibt hochinteressante Aussagen. Leider habe ich nicht alle Zahlen gefunden, die ich gesucht habe.

Aber wenn man zum Beispiel den Schuldenstand der neuen Bundesländer am Ende des Jahres 1995 nimmt und diesen gleich 100 setzt und dann vergleicht, wie in den Jahren danach bis Ende 1999 die anderen neuen Bundesländer im Hinblick auf die Kreditaufnahme gehaushaltet und gewirtschaftet haben, dann ergeben sich hochinteressante Zahlen.

Das Land Sachsen hat in diesen vier Jahren, bezogen auf 100 und auf das Ende des Jahres 1995, seine Verschuldung von 100 % auf 131,8 % erhöht. Das heißt, es hat in diesen Jahren etwa noch ein Drittel des Betrages als Neuverschuldung aufnehmen müssen, den es bis Ende 1995 an Schulden hatte.

In Sachsen-Anhalt beträgt das Wachstum des Kreditvolumens in dem gleichen Zeitraum 174,4 %; das sind fast drei Viertel. Das sind vergleichbare Bedingungen, unter denen unterschiedlich gewirtschaftet wurde.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Richtig!)

Deswegen müssen Sie verstehen, egal, wie die Rahmenbedingungen sein mögen, dass wir es uns einfach nicht so billig in die Schuhe schieben lassen können, wenn gesagt wird, die Situation des Landes - jetzt sage ich eine Formulierung, über die wir früher einmal diskutiert haben - ist in der ersten Legislaturperiode von der CDU an den Baum gefahren worden oder dass wir jetzt die hohe Verschuldung durch die Schulden aus der ersten Legislaturperiode hätten.

Meine Damen und Herren! Das sind keine redlichen Vergleiche. Aber die Zeiträume, in denen die Finanzierung nach dem innerdeutschen Finanzausgleich erfolgt, sind vergleichbare Parameter. In dieser Zeit haben wir mehr als andere neue Bundesländer zugelangt. Das hat mit zu der Situation beigetragen, von der wir heute und hier sprechen müssen.

Im Hinblick auf andere Vergleiche, die Sie gebracht haben - ich will jetzt nicht im Einzelnen darauf eingehen -, will ich Ihnen sagen: Sie müssten Ihre Mitarbeiter bitten, die Zahlen zu prüfen, die die Investitionsquote betreffen. Ich kann mich diesbezüglich nicht mehr an jede einzelne Zahl erinnern. Aber ich habe den Verdacht - das liegt nahe -, dass Sie die Istzahlen der ersten Legislaturperiode mit den Sollzahlen der dritten Legislaturperiode verglichen haben.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU)

Sie werden merken, dass dabei immer ein deutlicher Unterschied besteht. Das hängt mit dem Abfluss dieser Mittel zusammen. Wir waren in der ersten Legislaturperiode nicht die Besten. Aber wir haben keinen Grund, uns den Vorwurf in die Schuhe schieben zu lassen, dass wir damals die Probleme nicht gelöst hätten.

Oder nehmen wir ein anderes Beispiel. Dies möchte ich noch sagen, bevor ich es vergessen habe. Es betrifft den Vergleich der Personalkosten in der ersten Legislaturperiode mit denen der dritten Legislaturperiode.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ja! - Herr Scharf, CDU: Ja! Wie kann man so etwas machen?)

Herr Minister, ich sage es ganz freundlich: Das muss Ihnen irgendein Gastarbeiter in das Manuskript geschrieben haben, der in der ersten Legislaturperiode nicht dabei war.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Er war ja auch nicht dabei!)

Wir haben damals in erheblichem Umfang Personal abbauen müssen, weil wir im Grunde genommen dafür keine Verwendung mehr hatten. Wir haben erhebliche Schwierigkeiten durchgestanden. Ich habe mir im Plenum von der damaligen Opposition anhören müssen, dass wir das nicht konsequent und nicht ordentlich genug gemacht hätten. Wir haben parallel dazu in

der Verwaltung vieles von Anfang an neu aufbauen müssen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ja!)

Wir waren froh darüber, dass wir Leute gefunden hatten, die wir einstellen konnten, weil sie Qualifikationen mitgebracht haben, über die das hiesige Personal nicht verfügte. In der gesamten Finanzverwaltung, im Finanzministerium - daran kann ich mich noch erinnern stammten die Mitarbeiter zu 80 % aus den alten Bundesländern, weil wir in Sachsen-Anhalt nicht über genügend qualifiziertes Personal verfügten.

Des Weiteren - das wird niemand von denen wissen, die es nicht miterlebt haben - entsprach damals die Vergütung nach dem BAT-Ost 47 % der im Tarifgebiet West gezahlten Vergütung.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Scharf, CDU, und Herr Dr. Daehre, CDU: Ja! Richtig!)

Daran kann sich scheinbar kaum noch jemand erinnern. Wie waren wir stolz, als wir das erste Mal über 50 %, später über 60 % kamen. Das alles hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Personalkosten. Ich will das nicht weiter ausführen.

Ich will nur noch eines sagen: Mit solchen Vergleichen kann man vielleicht bei Veranstaltungen Punkte machen, auf denen die Leute nicht genau wissen, wovon die Rede ist. Aber in diesem Landtag, denke ich, sollten wir uns angemessen erinnern dürfen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der DVU)

Eines kommt noch hinzu, wenn wir schon über die Verschuldungssituation des Landes reden. In der zweiten Legislaturperiode ist ein höherer Kredit aufgenommen worden, als es möglicherweise bei strenger Haushaltsdisziplin notwendig gewesen wäre. Wir haben das damals schon kritisiert. Ich will sagen, Herr Minister, Sie machen das geschickter, aber auch nur, was die Darstellung betrifft; denn Sie haben die Kreditaufnahme in Nebenhaushalten außerhalb des Landeshaushaltes eingeführt.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannengießer, DVU)

Wenn man jetzt die Berechnungsquoten einführt, kommen wir zu besseren Zahlen, als sie die Wirklichkeit bietet; denn wenn alles so läuft, wie es vorgesehen ist, sind es am Ende des Jahres 2001 Kredite mit einem Umfang von ungefähr 400 Millionen DM, für die das Land als Hauptgesellschafter schuldet, die nicht im Haushalt erscheinen, die aber letztlich zur Kreditbelastung des Landes hinzugezählt werden müssen.