Protocol of the Session on September 13, 2001

(Lachen bei der CDU)

Auch die Zahl der offenen Stellen entwickelt sich positiv. Im Juli gab es ein Plus von 20 % gegenüber dem Vorjahr. In den anderen ostdeutschen Bundesländern ist mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern allenfalls ein leichtes Plus oder sogar ein Rückgang zu verzeichnen.

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

- Sie sollten nicht so laut murmeln. Manchmal muss man sich von dem Bild der roten Laterne trennen und sehen, dass sich etwas entwickelt, statt das Land schlechtzureden.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS - Frau Stange, CDU: Das ist ja unser Reden!)

Es ist eine bessere Entwicklung in Sachsen-Anhalt zu beobachten, obwohl die Fallzahlen in den Bereichen ABM und SAM leicht zurückgehen. Diese Entwicklungstendenzen stimmen mich dahin gehend optimistisch, dass sich die Anstrengungen in Sachsen-Anhalt lohnen und weitere Erfolge möglich sind, wenn alle Akteure mitziehen und insbesondere wenn manche aufhören, immer nur von den schlechten Seiten zu reden.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ich würde gern über gute reden!)

Ich will in diesem Zusammenhang gern einen führenden CDU-Politiker oder einen, der noch führend werden soll, zitieren, der am 13. März 2001 in der „Mitteldeutschen Zeitung“ wie folgt zu Wort kommt:

„Was man hierzulande“

- gemeint ist Sachsen-Anhalt

„in Sachen Strukturwandel bewältigt hat, das kann sich im Vergleich zu den westdeutschen Versäumnissen, die es zum Thema Steinkohle gab, mehr als sehen lassen.“

Diese Aussage stammt von Johannes Ludewig, mit dem Sie ja noch etwas vorhaben.

(Herr Scharf, CDU: Richtig! - Herr Dr. Daehre, CDU: Ja! - Herr Dr. Sobetzko, CDU: Das kann man immer sagen!)

- Ja, das hat er auf uns gemünzt gemeint; das gilt für diese Zeit.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Wer hat denn das Che- miedreieck auf den Weg gebracht?)

Lassen Sie mich auch auf die allgemeine Konjunktur eingehen und einige Schlussfolgerungen für die Konsolidierungspolitik formulieren. Eine noch stärkere Absenkung der Neuverschuldung in Sachsen-Anhalt über die von der Landesregierung vorgeschlagenen 300 Millionen DM bzw. 153 Millionen Euro hinaus halte ich aus konjunkturpolitischen und aus wachstumspolitischen Gründen nicht für geboten. Die Alternative zu unserer Haushaltspolitik wären noch deutlichere Einschnitte auf der Ausgabenseite, die nicht vertretbar wären.

Die Bundesbank hat für die erste Jahreshälfte 2001 von Steuermindereinnahmen in Höhe von 3,5 % gegenüber dem Vorjahr berichtet. Dies ist zum einen der Konjunkturabschwächung geschuldet, zum anderen der massiven Steuersenkung zugunsten der privaten Haushalte, des Mittelstandes und der Unternehmen. Die Steuersenkungspolitik ist auf der einen Seite gut für die Bürger und für das Wachstum der Wirtschaft, auch wenn es bei den konjunkturellen Effekten immer Zeitverzögerungen gibt; auf der anderen Seite ist sie für die Haushaltspolitik des Landes eine Belastung.

Ein Vorziehen der Stufen zwei und drei des Steuersenkungsgesetzes auf das Jahr 2002 würde die Finanzsituation des Landes weiter verschärfen. Die vagen Hoffnungen auf den segensreichen Selbstfinanzierungseffekt haben sich in der Vergangenheit nie bewahrheitet. Selbst in den USA, die immer als Paradebeispiel einer sich selbst finanzierenden Steuerreform genannt werden, wurde nach der großen Steuersenkung im Jahr 1980 erst nach 15 Jahren und nach zahlreichen Steuererhöhungen ein Haushaltsüberschuss erzielt.

Auch die Bundesbank hält aus diesen Gründen nichts von einem Konjunkturprogramm oder einem schuldenfinanzierten Vorziehen der Steuersenkungen. Ich darf aus dem Monatsbericht für August 2001 zitieren:

„Ein kurzfristiges Vorziehen der weiteren Stufen der Steuerreform wäre somit bei der erwarteten konjunkturellen Situation nicht angebracht.“

Wie die Bundesbank gehen auch wir für das Jahr 2002 von einer deutlich höheren Wachstumsrate als in diesem Jahr aus. Ich frage mich überhaupt, warum man eine Steuerreform beschleunigen will, die man im Jahr 2000 noch abgelehnt hatte.

Ein Wort zu den Bauausgaben und zu den Investitionen. Die angespannte Haushaltslage lässt es nicht zu, dass wir unsere Bauausgaben im nächsten Jahr konstant halten. Dies ist für den Infrastrukturausbau und für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nicht gerade erfreulich. Das will ich gern einräumen. Höhere Investitionen wären jedoch nur um den Preis höherer Schulden möglich, die unsere mittelfristigen Handlungsmöglichkeiten noch mehr einschränken würden.

Gleichwohl können wir davon ausgehen, dass durch die Hochbaumaßnahmen des Landes sowie des Bundes, die von unserer Hochbauverwaltung betreut werden, die Bauindustrie mit einem Auftragsvolumen von fast 2 Milliarden DM versorgt wird. Das Auftragsvolumen setzt sich aus den Hochbaumaßnahmen des Bundes und des Landes in Höhe von rund 600 Millionen DM und dem so genannten Zuwendungsbau zusammen, bei dem Bund

und Land mit ihren Haushaltsmitteln Baumaßnahmen freier Träger und anderer öffentlicher Einrichtungen fördern, in Höhe von rund 1,3 Milliarden DM.

Das gesamte Auftragsvolumen für 2002 wird damit etwa auf der gleichen Höhe liegen wie die Etatansätze für das Jahr 2001. Bei allen Anstrengungen werden wir die Einbrüche im privaten Bauvolumen als Land niemals auffangen können.

Ich will nicht verhehlen, dass eine höhere Investitionsquote erstrebenswert wäre. Auch wenn wir im Ländervergleich heute etwas besser dastehen als die ersten Landesregierungen, können wir nicht selbstzufrieden sein.

(Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)

Allerdings sind hierbei zwei Dinge zu betrachten: Der wirtschaftliche Aufbau hat nicht nur etwas mit Mörtel und Beton, sondern vielmehr mit Bildung, Wissenschaft und Forschung zu tun, die nun einmal besonders personalintensiv sind.

(Herr Becker, CDU: Aber eben auch!)

Es ist nicht klar zu machen, weshalb eine neue Straße gut ist, ein Forschungsprojekt im Bereich der Informationstechnik jedoch schlecht sein soll.

Zum Zweiten ist zu bedenken, dass die Investitionen von gestern konsumtive Ausgaben heute und morgen für die Unterhaltung und Bewirtschaftung zur Folge haben. Sanierte Theater machen nur Sinn, wenn wir dafür auch Personal zur Verfügung haben. Das kostet eben Geld. Deshalb muss man sich bei mancher Investition überlegen, welche Folgekosten damit verbunden sind und ob wir uns das auf die Dauer leisten können.

Im Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt liegen wir bei den investiven Pro-Kopf-Ausgaben fast doppelt so hoch. Im Jahr 2000 hatten wir die dritthöchsten Investitionsausgaben pro Einwohner im gesamten Bundesgebiet. Wenn wir im nächsten Jahr davon etwas herunterkommen, sind wir dennoch gut in der Mitte der anderen.

Meine Damen und Herren! Ich habe mich bemüht, das sehr ruhig vorzutragen. Dennoch stehen wir im nächsten Jahr wie im vergangenen vor wichtigen und schwierigen Fragen. Ich glaube, dass wir die richtigen Antworten geben und dass wir das Mögliche tun können. In unserem Regierungsentwurf spiegelt sich dies wider. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS, und von der Regierungsbank)

Ich danke Ihnen, Herr Minister. Sind sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Becker zu beantworten? Bitte, Herr Becker.

Herr Minister, eine Frage, die sich nicht gegen Ihre Person richtet, sondern Ihr Amt betrifft. Ich habe in diesem Hohen Hause bisher zwölf Einbringungsreden von Finanzministern gehört. Auch angesichts der Schwierigkeit der augenblicklichen politischen und gesellschaftlichen Situation im Zusammenhang mit den Terroranschlägen in Amerika muss ich sagen: Ich habe noch nie eine von einem Finanzminister vorgetragene Haus

haltsrede gehört, die so gleichgültig, so emotionslos, so lässig war und so hingeschludert wurde.

(Zustimmung bei der CDU und bei der DVU - Herr Dr. Daehre, CDU: Richtig!)

Ich frage Sie, ob Sie mit diesem Vortrag etwa der schwierigen Finanzsituation unseres Landes gerecht zu werden glauben.

(Unruhe bei der SPD)

Herr Becker, wir unterscheiden uns möglicherweise ein bisschen im Politikverständnis.

(Herr Rahmig, SPD: Ja!)

Es gibt eine Menge Leute - damit meine ich Sie jetzt gar nicht einmal persönlich -, die es für Politik halten, wenn sie ständig nach draußen Schaum schlagen. Meine Aufgabe als Finanzpolitiker ist es, am Ende Ausgleiche zwischen verschiedenen Interessen zu finden. Es ist immer leicht, mit großer Emphase, mit viel Engagement jeweils für bestimmte Gruppen von Betroffenen zu sagen: „Ich werde dafür kämpfen, dass das durchgesetzt wird!“ und den Schwarzen Peter woanders hinzuschieben.

(Herr Rahmig, SPD: Das macht jeder Zechprel- ler!)

Aber meine Aufgabe und die Aufgabe aller Finanzpolitiker ist es - das wissen Sie aus Ihren früheren Funktionen ganz genau -, das am Ende zusammenzubinden und dafür zu sorgen, dass die Gesprächsfäden nie abreißen und dass man sich immer auf das verständigt, was geht, manchmal trotz aller Unterschiede über alle Parteigrenzen hinweg. Dem dient es nicht, wenn man als Finanzminister in der Haushaltsrede eine große Nummer abzieht.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Stolfa, PDS, und von der Regierungsbank)

Und im Übrigen - Sie wissen das vielleicht weniger, andere wissen das vielleicht mehr -: Ich kann manchmal auch laut, auch sehr laut, auch zu laut werden, wenn ich das für richtig halte, manchmal auch wenn ich mich vergaloppiere. Aber das tue ich dann dort, wo es der Sache nach erforderlich ist, nicht um hier so zu tun, als würde ich Engagement zeigen, sondern weil ich in der Sache hinter dem stehe, was wir tun. Da muss ich aber nicht die große Nummer machen. Damit werden Sie auch weiterhin leben müssen. An mir soll es jedenfalls nicht liegen, wenn das künftig anders ist.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Stolfa, PDS, und von der Regierungsbank)

Ich danke dem Herrn Finanzminister.

Meine Damen und Herren! Wie Sie sicherlich bemerkt haben, hat sich unsere Tribüne wieder gefüllt. Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Quellendorf.

(Beifall im ganzen Hause)