Protocol of the Session on May 17, 2001

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ihr bedarf es aber doch in der Sache! Sie können doch das Verfahren nicht vom Anliegen trennen!)

- Ich komme jetzt zur Sache, Herr Dr. Bergner. Lassen Sie mich etwas zu dem vom Bundestag beschlossenen Lebenspartnerschaftsgesetz sagen, um dessen Ausführung es hier geht.

Dieses Gesetz gewährt den Lesben und Schwulen Rechtssicherheit, die für ihr gleichgeschlechtliches Zusammenleben einen rechtlichen Rahmen wollen. Wenn Menschen leichter Verantwortung füreinander übernehmen können, dann ist das aus unserer Sicht ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes wird aus zwei Richtungen kritisiert. Den einen geht es zu weit, den anderen nicht weit genug.

Frau Brandt, Ihrer Bibelexegese will ich nur ein Bibelzitat entgegenhalten: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zurufe von Frau Wiechmann, FDVP, und von Herrn Wiech- mann, FDVP)

Die Auffassung von Frau Helmecke, das Gesetz verstoße gegen Artikel 6 des Grundgesetzes, ist nach unserer Überzeugung unzutreffend. Ich bin zuversichtlich, dass der Normenkontrollklage der Bayerischen Staatsregierung kein Erfolg beschieden sein wird.

Zur Begründung hat der bayerische Justizminister Weiß erklärt, das Grundgesetz stelle ausschließlich Ehe und Familie unter besonderen Schutz und nicht alle möglichen Lebensentwürfe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Artikel 6 des Grundgesetzes hat der Staat die Pflicht, Ehe und Familie nicht nur vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren, sondern auch durch geeignete Maßnahmen zu fördern.

(Frau Brandt, DVU: Das ist richtig!)

Durch dieses Gesetz wird die Ehe weder beeinträchtigt, noch wird ihre Förderung reduziert.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Die Ehe wird nicht abgewertet, wenn wir die gesellschaftliche Diskriminierung von Lesben und Schwulen abbauen. Es geht um Menschen, die sich binden wollen, aber nicht heiraten können. Bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft handelt es sich um ein familien

rechtliches Institut eigener Art. Es ist etwas anderes als die Ehe; es erfolgt auch materiell keine Gleichstellung mit der Ehe.

(Herr Scharf, CDU: Noch nicht!)

Ein Beispiel für die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots ist die Ausklammerung der Hinterbliebenenrente, ein anderes das fehlende Recht zur gemeinsamen Adoption.

Mich wundert, dass der bayerische Justizminister hierbei von einem verheerenden Signal spricht, und das ausgerechnet in einem Bundesland, in dem die kirchliche Trauung im Bewusstsein der Bevölkerung das maßgebliche Ereignis und der bürokratische Akt auf dem Standesamt von vergleichsweise untergeordneter Bedeutung ist.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Na, na, na!)

Auf der Suche nach einer Erklärung für den juristischen Kreuzzug der Bayerischen Staatsregierung habe ich mich als Katholik an eine Anekdote erinnert, die dem Bundeskanzler Konrad Adenauer angedichtet wird.

Bundeskanzler Adenauer weilt im Vatikan. Der Papst gewährt ihm eine Privataudienz.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Umgekehrt!)

Er hört seinem Gast geduldig zu und verabschiedet ihn mit den Worten: „Herr Adenauer, ich bin doch auch katholisch.“

Solch ein Bundeskanzler, wie er hier beschrieben wird, möchte offenbar Herr Stoiber werden, weshalb er diese Normenkontrollklage angestrengt hat.

Meine Damen und Herren! Seitens der PDS wird kritisiert, das Gesetz gehe nicht weit genug. Wenn wir den Vorstellungen der PDS folgen würden, dann würden wir allerdings die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschreiten und in Karlsruhe scheitern.

Ich freue mich, dass Herr Gärtner hier ein Abstimmungsverhalten seiner Fraktion angekündigt hat, das dem im Bundestag nicht entspricht. Dort hat die PDS dagegen gestimmt. Ich denke, das aus Ihrer Sicht Bessere sollte nicht des Guten Feind sein.

Wenn wir durch die Verabschiedung des Ausführungsgesetzes zu einer In-Kraft-Setzung dieses Gesetzes in Sachsen-Anhalt kommen, dann leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der unübersehbaren gesellschaftlichen Diskriminierung von Lesben und Schwulen. Das, Herr Dr. Bergner, sollte doch letztlich unser gemeinsames Anliegen sein. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Püchel)

Herr Abgeordneter Rothe, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Helmecke zu beantworten?

Nein.

Sie sind nicht dazu bereit. Dann bitte ich den Abgeordneten Herrn Dr. Bergner um seinen Beitrag.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte gibt uns nicht die Zeit, die verfassungsrechtlichen Probleme, die sich im Zusammenhang mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz ergeben, ausführlich zu diskutieren. Ich möchte trotzdem die Gelegenheit nutzen, unsere Haltung noch einmal unzweideutig zu umschreiben.

Erstens. Homosexuelle Menschen haben einen Anspruch auf Schutz vor Diskriminierung und Ausgrenzung. In diesem Zusammenhang respektieren wir die Entscheidung von Menschen für den Lebensentwurf einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, so wie wir zum Beispiel auch die Entscheidung für nichteheliche heterosexuelle Lebensgemeinschaften oder bewusste Ehelosigkeit zu respektieren haben. Die CDU/CSU-Fraktion war immer bereit, für die Lösung spezifischer Rechtsprobleme, etwa im Zusammenhang mit dem Zeugnisverweigerungsrecht, solcher nichtehelicher Partnerschaften einzutreten.

Das Problem liegt an einer ganz anderen Stelle. Die Idee der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe beruht auf einem fundamentalen Missverständnis über die Grundlagen unserer Gesellschaft und das Anliegen von Artikel 6 unserer Verfassung.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU)

Die Ehe genießt nach unserer Verfassung eine privilegierte Stellung. - Herr Rothe, nur damit Sie wissen, dass wir uns im ökumenischen Bereich befinden: Ich sage das als Protestant. - Die Ehe verdient aber diese privilegierte Stellung nicht als sexuelle Selbstverwirklichungsgemeinschaft,

(Beifall bei der CDU, bei der DVU und bei der FDVP)

sondern die Ehe verdient ihre privilegierte Stellung als traditionelle Keimzelle für Familie und damit für die Gesellschaft. Ehe ist potenzielle Elternschaft; Familie ist realisierte Elternschaft. Es geht also um die Kinder, an die wir hierbei zu denken haben.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU - Zustim- mung bei der FDVP - Zurufe von der PDS)

Da mag die Frage berechtigt sein, ob wir angesichts einer wachsenden Zahl kinderloser Ehepaare Elternschaft auch außerhalb der Ehe fördern müssen. Wir haben mit unserer Landesverfassung einen ersten zaghaften Schritt in diese Richtung getan. Das können wir tun; aber wir haben doch nicht die Frage zu stellen, wie man eine Sexualpartnerschaft, die nicht der Erzeugung von Kindern dient, der Ehe und Familie gleichstellt.

(Lachen und Widerspruch bei der PDS)

Es kann nicht die Aufgabe des Staates sein, Sexualverhalten zu prämieren, sondern es ist die Aufgabe des Staates, einen Schutzraum für Kinder und Familie zu schaffen. Das ist das Grundanliegen.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU - Zustim- mung bei der FDVP - Zurufe von der SPD)

Man muss sich bloß den Verfall der Institution Familie oder ihren Wertverlust vor Augen führen, um zu wissen, wie ernst das Problem ist. Es erscheint mir immer noch absurd, dass wir in einer Zeit, in der wir uns aufgrund der demografischen Entwicklung Gedanken über

die Zukunft der Rentenfinanzierung machen müssen, ein solches die Sonderstellung von Ehe und Familie schwächendes Gesetz beschließen.

(Frau Fischer, Leuna, SPD: Das schwächt doch nicht! Wo schwächt denn das?)

Das ist nun der Ausgangspunkt für unsere Haltung zum Lebenspartnerschaftsgesetz. Ich gebe gern zu, dass er auch unsere Haltung zum Ausführungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz bestimmt.

Aber angesichts der Tiefenwirkung der Entscheidungen, die mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz verbunden sind, angesichts der großen auch verfassungsrechtlichen Bedenken, die in dieser Hinsicht bestehen, ist es mir nicht erklärlich, warum zur Durchsetzung dieser Regelung ein politisches Handstreichverfahren gewählt wurde, das den Bundesrat praktisch aushebelt, indem man die Ausführung, weil sie zustimmungspflichtig ist, obwohl sie unmittelbar dazugehört, willkürlich in einem umfassenden Artikelgesetz abspaltet, indem man dann das Vermittlungsverfahren nicht abwartet und - weil das eine in Kraft tritt und das andere nicht in Kraft getreten ist - so tut, als bestünde im Land zwingender Handlungsbedarf.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

Herr Minister, Sie können es drehen und wenden wie Sie wollen: Der Umstand, dass Sie nicht nur die Kirchen, sondern auch die Familienverbände an der Anhörung zu dem Ausführungsgesetz nicht beteiligt haben, spricht für ein schlechtes Gewissen, das Sie bei diesem Gesetzgebungsverfahren haben.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU - Zustim- mung von Herrn Mertens, FDVP)

Ich halte es für unverzichtbar, dass zu einem solchen Gesetz vor dem Hintergrund des eigentlichen gesetzgeberischen Anliegens auch auf Landesebene eine umfassende Anhörung durchgeführt wird, ehe es in das Parlament kommt. Deshalb werden wir die Überweisung in den Ausschuss ablehnen. - Vielen Dank.