Protocol of the Session on April 6, 2001

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Das hat mit Sachsen-Anhalt nichts zu tun. Das zeigt deutlich, dass wir es mit einem Problem der Globalisierung insgesamt zu tun haben. Die Errichtung von Mauern und das Verbot von Bewegungen sowie das Aufstellen von Kontrollen werden das Problem nicht so lösen, wie Sie sich das vorstellen und den Bürgerinnen und Bürgern weismachen wollen. Das wollte ich zu Beginn meiner Rede festhalten.

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Es ist sicherlich richtig, dass die Ereignisse BSE und MKS die Agrarpolitik insgesamt auf den Prüfstand stellen müssen. Wir haben darüber mehrfach im Landtag diskutiert. Sie wissen, dass wir auf den verschiedensten Ebenen dabei sind, uns den Fragen zu stellen, wie wir eine Umsteuerung in der Agrarpolitik und die Schaffung der Voraussetzungen für Rahmenbedingungen erreichen können.

In diesem Zusammenhang spielen, übrigens auch nicht erst seit neuestem, sondern schon seit längerer Zeit, die Frage der Tierkonzentrationen und die Frage der Tiertransporte eine entscheidende Rolle.

Ich kann für das Land Sachsen-Anhalt und die Bundesrepublik insgesamt sagen, dass wir uns in der EU bereits seit längerer Zeit bemüht haben, die Exporterstattungen für Lebendtiertransporte abzuschaffen. Dazu gibt es Bundesratsbeschlüsse. Das ist zwar immer vorgetragen worden, aber es hat in der Europäischen Union bisher keine Mehrheit gefunden. Insofern gehen diese Aufforderungen fehl.

Den Transport von Tieren von einem Tag auf den anderen zu verbieten, hilft mit Sicherheit nicht. Es geht darum, insgesamt die regionalen Kreisläufe zu stärken. Ich muss aber auch sagen, dass die Welt so ganz einfach nicht ist, wie Sie sie dargestellt haben. Ich will im Einzelnen darauf nicht eingehen.

Klar ist, dass wir etwas tun müssen, dass die Rahmenbedingungen verändert werden müssen und dass auch der Tierschutz eine wesentlich größere Rolle spielen muss, als es in der Vergangenheit geschehen ist. Darüber besteht kein Zweifel. Wir werden uns bemühen, in dieser Richtung einiges zu erreichen.

Verbote über den Transport von Tieren durch das Land Sachsen-Anhalt helfen nicht weiter. Das Schließen von europäischen Grenzen hilft auch nicht weiter. Regionen in Europa sind nicht an alten nationalen Grenzen festzumachen. Warum soll es auf die Dauer nicht möglich sein, Tiere über 50 Kilometer aus Holland nach Nordrhein-Westfalen zu transportieren? Das ist genauso schlimm, als wenn ich Tiere von Brandenburg nach

Sachsen-Anhalt über 50 Kilometer transportiere. Hierbei haben nationale Grenzen in einem zukünftigen Europa nicht den Stellenwert, den Sie ihnen beimessen.

Das zur Frage der Tiertransporte. Wir werden dieses Thema im Rahmen der Umsteuerung der Agrarpolitik weiter behandeln.

Lassen Sie mich zur Frage MKS-Impfung einige Punkte sagen. Es wundert mich immer wieder - dabei frage ich mich immer wieder, inwieweit Politiker ehrlich sind -, wie groß die Diskussion über die Frage der flächendeckenden prophylaktischen Impfung bei MKS momentan ist.

Die Agrarministerinnen und Agrarminister der Bundesrepublik haben vor 14 Tagen in Cottbus zusammengesessen und einen eindeutigen Beschluss zur Vorgehensweise in Sachen MKS gefasst. Hierzu gibt es eine Stufenlösung für den Fall, dass in Deutschland ein MKS-Fall auftritt. Wir haben gesagt, dass wir bei der Bekämpfung mit der Tötung des betroffenen Bestandes beginnen. Dieser Bestand wird dann ordnungsgemäß entsorgt. Wir wollen keine brennenden Scheiterhaufen von Tieren haben, sondern wir werden diese Tiere ordnungsgemäß in Tierkörperbeseitigungsanlagen entsorgen.

Wenn eine so große Anzahl von Tieren betroffen ist, dass das in kurzer Zeit nicht ordnungsgemäß zu schaffen ist, wird eine so genannte Notimpfung durchgeführt, damit die Tiere den Virus nicht übertragen. Sie werden dann getötet und danach über mehrere Tage ordnungsgemäß entsorgt.

Wenn in einer sehr viehreichen Region, wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen oder in Niedersachsen, ein Ausbruch der Seuche festgestellt wird und es sich zeigt, dass dieser Ausbruch nicht zu beherrschen ist, dann sind wir auch bereit, Ringimpfungen in einem Umkreis von 30 Kilometern vorzunehmen.

Das ist die verabredete Politik. Es gibt überhaupt keinen Anlass, nach diesen 14 Tagen, in denen sich die Voraussetzungen in Deutschland nicht geändert haben, davon abzuweichen. Das ist das eine Thema.

Das zweite Thema befasst sich mit der Frage, ob wir prophylaktisch impfen müssen. Hierüber gibt es einen großen Expertenstreit. Viele Agrarminister vertreten die Auffassung, dass man flächendeckend prophylaktisch impfen müsse.

Ich bin in dieser Frage skeptisch. Das will ich sehr deutlich sagen. Ich bin skeptisch, weil ich nicht der Auffassung bin, dass dieses Problem durch eine flächendeckende Impfung auf Dauer gelöst werden wird. Es ist einfach, die Gefahr an die Wand zu malen und zu sagen: Wir werden der Gefahr begegnen, indem wir flächendeckend impfen, dann haben wir kein Problem mehr.

Es gibt nach meiner Ansicht zwei Gründe, diese Aussage auf den Prüfstand zu stellen. Der erste Grund ist der, dass es mehrere Stämme des MKS-Virus gibt, die mit einem einzigen Impfstoff nicht zu beherrschen sind. Gerade der Ausbruch der Seuche in Großbritannien zeigt - es war ein asiatischer Stamm, der eingeschleppt worden ist -, dass die Seuche gleichwohl auch ausgebrochen wäre, wenn wir flächendeckend prophylaktisch geimpft hätten.

Ein totaler Schutz ist mit einer flächendeckenden Impfung nach dem derzeitigen Stand der Technik, nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und mit

den Impfstoffen, die derzeit vorhanden sind, nicht zu erreichen.

(Frau Wiechmann, FDVP: Das stimmt doch gar nicht!)

Im Übrigen ist das bei den Tierbeständen in der Europäischen Union, wenn flächendeckend geimpft werden würde, eine sehr mühsame Sache. Es kommt hinzu, dass die geimpften Tiere den Virus ausscheiden und unterhalb des Impfschirmes ein Ausbruch möglich ist. Die Experten aus der DDR wissen das, denn in der DDR ist flächendeckend geimpft worden. Gleichwohl hat es immer wieder Ausbrüche von MKS gegeben. Das Problem ist damit also nicht total erledigt.

Die Seuche wird sich lokal begrenzen lassen. Das ist sicherlich richtig. Es ist sicherlich auch abzuwägen, dass dann aus Tierschutzgründen der Fall eintritt, dass wir nicht so viele Tiere töten müssen wie im Falle einer Nichtimpfung. Hierbei ist also notfalls eine Abwägung vorzunehmen.

Der entscheidende Punkt für mich ist Folgender - das will ich sehr deutlich sagen -: Wenn wir flächendeckend impfen, dann sanktionieren wir die bestehende Politik der Tiertransporte über große Entfernungen in großen Konzentrationen in bestimmte Regionen. Ich bin schon der Meinung, dass man deutlich machen sollte, welche Seuchengefahren bestehen, um einen gewissen Druck auszuüben, damit eine Umsteuerung der Agrarpolitik erreicht wird.

(Frau Wiechmann, FDVP: Also doch Tiertrans- porte!)

Das ist ein wesentlicher Punkt; denn das, was jetzt passiert, wird tatsächlich nicht nur mit Tierschutzgründen, sondern auch mit wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt. Ich denke, der Wunsch nach flächendeckender Impfung verdeckt die Notwendigkeit der Umsteuerung in der Agrarpolitik.

Wir werden schmerzhafte Prozesse vor uns haben. Das will ich sehr deutlich sagen. Es wird auf die Dauer notwendig sein, in solchen Regionen wie in NordrheinWestfalen und in Niedersachsen die Tierbesatzdichten zurückzufahren, um nicht mehr die Gefahr entstehen zu lassen, dass im Umkreis von zwei Kilometern um einen betroffenen Betrieb 150 000 Tiere getötet werden müssen. So hoch sind zum Teil die Besatzdichten in diesen Regionen. Davon müssen wir weg.

Wenn wir jetzt sagen, dass wir das Problem mit einer flächendeckenden Impfung lösen, dann haben wir wenig Druckmittel, um entscheidende Veränderungen in relativ kurzer Zeit zu erreichen. Diese Dinge gilt es zu berücksichtigen.

Ich wundere mich manchmal, dass über die Medien eine Diskussion ausgetragen wird, die auch - das will ich den Kolleginnen und Kollegen gar nicht absprechen - in Verantwortung für die Tiere ausgetragen wird. Man sollte sich aber angesichts der jetzt bestehenden Gefahr dieses Thema nicht ganz so einfach machen. Bisher haben die vorbeugenden Maßnahmen in der Bundesrepublik ausgereicht, um MKS von uns fern zu halten. Die Veterinärbehörden, jedenfalls in Sachsen-Anhalt, sind ausreichend gerüstet, um im Falle des Auftretens die entsprechenden notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

Wir sind der Auffassung, dass wir mit der herkömmlichen Seuchenbekämpfungspolitik, die die EU vorgesehen hat, einen Fall, der in Sachsen-Anhalt auftreten

könnte, in den Griff bekommen können. Deshalb noch einmal mein Appell, nicht vorschnell nach solchen Dingen zu rufen, sondern die Vor- und Nachteile abzuwägen, die damit verbunden sind.

Wie das Beispiel Holland zeigt, wo man dieselben Maßnahmen ergriffen hat, die auch von der deutschen Agrarministerkonferenz beschlossen worden sind, und wo bisher das Seuchengeschehen durchaus im Rahmen gehalten worden ist, reicht die bisherige Seuchenpolitik durchaus aus. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Minister. - Die Fraktionen der PDS, der DVU, der CDU und der SPD haben auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die FDVP-Fraktion spricht noch einmal der Abgeordnete Herr Wolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben mir auf Umwegen Recht gegeben. Dafür danke ich Ihnen. Eigentlich können Sie auch nicht anders. Ehrlicherweise müssen Sie sagen, dass Sie nach wie vor nichts machen können.

Was die MKS-Stämme anbelangt, so wird das Warten die Anzahl der Stämme erhöhen. Sie brauchen - so haben Sie es gesagt und so haben wir es verstanden - die Katastrophe, damit Sie politischen Rückenwind haben.

Lassen Sie mich in dieser Debatte noch einen ganz anderen Gesichtspunkt betrachten, der sich nach und nach aufdrängt: Wir mussten feststellen, dass es bezüglich der Querverbindungen zwischen der Tierseuche und der Erkrankung des Menschen offensichtlich eine Nachrichtensperre gibt. Zaghafte Informationen - nicht aus dem deutschen Teil des Internets - sickern indes trotzdem durch. So konnten wir nach intensiven Recherchen in Erfahrung bringen, dass MKS ebenso wie BSE auch auf den Menschen übertragbar ist. Quelle - ich zitiere, Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis - ist das Veterinäramt der Stadt Wien:

„Infektionen des Menschen mit dem MKS-Virus sind sehr selten, da nur eine geringe Empfänglichkeit besteht. Die Infektion erfolgt im Allgemeinen durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren. Indirekt ist die Übertragung mit virushaltiger Milch möglich. Fieber und Allgemeinsymptome wie Mattigkeit, Übelkeit und Kopf- und Gliederschmerzen. Die Mundschleimhaut ist gerötet und es können sich Bläschen an den Lippen sowie in der Mund- und Rachenhöhle bilden, die sehr schmerzhaft sind. Vorzugweise bilden sich die Bläschen an den Händen, Fingerspitzen und Füßen. Die Defekte heilen innerhalb von fünf bis zehn Tagen ab.“

So der Stand bisher. Aber, meine Damen und Herren, die relativ harmlosen Erreger von heute - wir haben es gerade vom Minister gehört - sind die gefährlichen von morgen. Nichts mutiert so schnell wie diese Mikroorganismen. Dem Sprung von Art zu Art steht nichts mehr im Wege, die Neuanpassung ist perfekt.

Zurzeit - das ist Tatsache - laufen die Mutationen der Krankheitserreger der Forschung davon. Es ist daher alles zu unternehmen, die derzeitige Situation zu ändern und die vorhandenen Erreger mit allen Mitteln zu stoppen. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf unse

ren Antrag in Drs. 3/4076 „Sofortprogramm gegen die BSE-Krise“ hinweisen, mit dem wir die Gefahr bewusst machten.

Meine Damen und Herren! Bundesseuchengesetz und Tierseuchengesetz korrespondieren eindeutig miteinander. Laut Artikel 83 des Grundgesetzes führen die Länder das Bundesgesetz in eigener Angelegenheit aus. Hieraus folgt: Frau Kuppe, nur Sie sind als ausführendes Organ verantwortlich. Sie haben aber vom Anfang des Problems bis dato nichts unternommen, was in diese Richtung weist, abgesehen vom Verbot von gefährlichem Tiermaterial im medizinischen Bereich.

Beinahe beispielhaft will uns die Natur zeigen, was geschieht, wenn man gegen elementare Regeln verstößt. Die Globalisierung egal in welchem Zusammenhang trägt die Gefahr von Flächenbränden in sich. Die weltweite Ausbreitung von Großseuchen, die schneller erfolgt, als die Inkubationszeit andauert, wird häufiger, heftiger und verheerender zuschlagen, als wir das heute ahnen. Mit grenzüberschreitenden Lebendtiertransporten und ungehemmter Zuwanderung aus Seuchengebieten wird den hochgradig anpassungsfähigen Erregern gleich welcher Art eine sagenhafte Ausbreitungsmöglichkeit geschaffen.

Die Biosphäre ist lokal organisiert, in mehr oder weniger großen Einheiten, nicht global. Das ist das eigentliche Problem. Es wird allerhöchste Zeit, politisch zu erkennen, dass wir Bestandteil einer Natur sind, der man sich nicht entgegenstellen kann, wenn nicht katastrophale Folgen als Reaktion provoziert werden sollen.

Da kann nicht einer auf den anderen warten; warten auf Europa, warten auf den Bund, warten auf den lieben Gott.

Ich vertraue jedoch auf die unausbleibliche Ignoranz einer Mehrheit dieses Hauses gegenüber den Tatsachen. Enttäuschen Sie mich nicht, wenn wir jetzt namentlich abstimmen, was wir hiermit beantragen.

(Unruhe bei der SPD)

Ihre Lustlosigkeit, das Thema aufzugreifen, zeigt die Armseligkeit dieses Parlaments in ganzer Größe. - Danke.

(Zustimmung bei der FDVP - Herr Bischoff, SPD: Gucken Sie mal in Ihre Ecke! - Frau Wiechmann, FDVP, meldet sich zu Wort)

Frau Wiechmann, als Fraktionsvorsitzende oder zum Abstimmungsverfahren?