Protocol of the Session on April 6, 2001

Auch die Befürchtung des Deutschen Beamtenbundes, dass durch die Verweisung im § 28 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt auf Bestimmungen des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt der Schutz von Personaldaten, die nicht Personalaktendaten sind, verschlechtert wird, ist nicht unbegründet. Die Landesregierung hat sich sogar dazu herabgelassen festzustellen, dass die Befürchtungen des Beamtenbundes unbegründet seien. Damit ist es künftig möglich, Beihilfeakten einzusehen, Besoldungsakten zu bewerten und disziplinarische Vorermittlungen, die wegen Unschuld eingestellt wurden, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Landesregierung will es nicht wahrhaben oder vielleicht ist sie intellektuell nicht in der Lage dazu, dafür eine Einschätzung abzugeben, dass Sachsen-Anhalt und damit auch Deutschland auf dem Weg zu einem Überwachungsstaat sind, würde dem Entwurf der Landesregierung Gesetzeskraft erwachsen.

Einer Ablehnung der Ausschussüberweisung und damit auch des Regierungsentwurfes steht auch nicht die einschlägige EG-Richtlinie entgegen. Sie legt nur einen auslegungsfähigen Mindestrahmen für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union fest, der in nationales Recht umgesetzt werden muss. Das heißt, dass die Länder zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet sind. Und nur darauf sollte sich die Landesregierung beschränken.

Da ein erheblicher Erklärungsbedarf für die Landesregierung doch feststeht, die wahren Inhalte erst ermittelt werden müssen und einer Neubewertung zuzuführen sind, ist das eingebrachte Konglomerat der Landesregie

rung aus unserer Sicht abzulehnen. Der hohe Datenschutzstandard, den Sie uns hier so wärmstens anempfehlen, Herr Minister Dr. Püchel, entspringt - Ihre Integrität unterstellt - eher Wunschdenken als der Realität. Ich glaube jedoch, dass Sie ganz genau wissen, wie mittlerweile in Deutschland von entsprechenden Stellen mit Daten umgegangen wird.

Es ist auch unserer Auffassung nach nicht Aufgabe eines Ausschusses, Fehler der Landesregierung zu beheben und zu korrigieren. Das müssen Sie schon selbst machen, meine Damen und Herren von der Landesregierung. Deswegen lehnen wir die Ausschussüberweisung ab. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Herr Gärtner hat jetzt für die PDS-Fraktion das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Wiechmann, jetzt hatte ich gehofft, dass Ihre glühenden Vorschläge in den Ausschussberatungen nun endlich einmal vorgebracht werden. Schade, Sie haben sich sozusagen schon einmal eine Barriere gebaut. Sie wollen den Gesetzentwurf erst gar nicht mit überweisen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die PDS sieht in der umfassenden Gewährleistung von Datenschutz, in der Achtung und dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts ein wichtiges politisches Ziel.

Herr Kollege Becker, ich finde es schon ziemlich interessant, dass Sie als vorrangigen Aspekt des Datenschutzes erst einmal das Geldargument einbringen. Das halte ich für sehr problematisch. Datenschutz sollte uns schon sehr wichtig sein und nicht primär unter dem Aspekt des Geldes gesehen werden.

Ein modernes Datenschutzrecht hat dabei vor allem Gefahren zu begegnen, die sich aus neuen technischen Entwicklungen ergeben, die zu einer immer schnelleren, tendenziell unüberschaubar werdenden Erfassung und Verarbeitung von Daten führen. Die Proklamierung des Ziels der Datensparsamkeit und Datenvermeidung muss deshalb mit konkreten Regelungen zur Datenschutzgewährleistung untersetzt werden.

Die gegenwärtige Realität scheint demgegenüber geprägt von immer weiter ausufernder Datenerfassung, -verarbeitung und -nutzung. Dies gilt für den öffentlichen wie für den nichtöffentlichen Bereich gleichermaßen. Ob wir an die optische Überwachung öffentlicher oder nichtöffentlicher Räume denken, an die weite Verbreitung so genannter mobiler Datenträger, wie Chipkarten, an die Möglichkeiten, die die Mobilfunktechnik zur Datenerfassung und Überwachung bietet, oder an den kommerziellen Handel mit Adressen oder Verbraucherprofilen im Internet - der private, selbstbestimmte Raum wird immer kleiner.

Diese technischen Möglichkeiten bergen zumindest tendenziell Gefahren für den selbstbestimmten Umgang mit persönlichen Daten. Das eigentliche Problem sind allerdings nicht technische Entwicklungen, denen Menschen wie Politik irgendwie ausgeliefert wären. Das eigentliche Problem ist vielmehr, ob und wie Politik unter den gegebenen Möglichkeiten Datenschutz effektiv gewährleisten

will und kann, ob sich also Politik auf den Auftrag zur Achtung und zum Schutz persönlicher Daten bezieht oder nicht.

Zur Realität gehört auch, dass die Sensibilität für Datenschutz bei vielen nicht gerade ausgeprägt ist und teilweise eine erschreckende Sorglosigkeit anstelle eines gesunden Misstrauens bei der bewussten oder unbewussten Weitergabe persönlicher Daten herrscht. Diese mangelnde Sensibilität bezieht sich nicht nur auf die zahlreichen Videokameras im öffentlichen Raum, denen nach dem Motto begegnet wird: Es wird schon dem nichts schaden, der sich angepasst genug verhält. Sie bezieht sich auch auf den vielfach sorglosen Umgang mit Internethandel, mit Chipkarten oder mit Mobilfunktechnik.

Die Politik hat in den letzten Monaten nicht gerade zur Erhöhung der Sensibilität im Umgang mit persönlichen Daten beigetragen, wenn ich nur an die unsägliche Debatte zur Gendatensammelei denke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die parlamentarische Debatte zum vorliegenden Gesetzentwurf wie auch der Entwurf des Bundesdatenschutzgesetzes stehen unter dem Zeitdruck, der sich aus der zwingenden Umsetzung der EG-Datenschutzrichtlinie ergibt. Die PDS sieht sehr wohl diese Notwendigkeit und den sich somit ergebenden Zeitdruck. Allerdings ist solch ein Druck für ein modernes Datenschutzrecht nicht gerade förderlich.

Zahlreiche regelungsbedürftige Sachverhalte fallen in die Zuständigkeit des Bundes. Aus meiner Sicht ist es mit der Novelle zum Bundesdatenschutzgesetz nicht gelungen, ein modernes, bürgerfreundliches Datenschutzrecht zu schaffen.

Auch in den bevorstehenden Ausschussdebatten zur Novellierung des Landesdatenschutzgesetzes sieht die PDS-Fraktion noch Änderungsbedarf. Entsprechende Anträge, unter anderem zur optischen Überwachung und zum Einwendungsrecht gegen die zulässige Verarbeitung, werden wir in die Beratung einbringen.

Meine Damen und Herren! Die Schaffung eines modernen Datenschutzrechtes bleibt wohl eine politische Aufgabe, die über die Beratung zu dem vorgelegten Entwurf hinausgeht. Der Überweisung des Entwurfes in die Ausschüsse für Inneres und für Recht und Verfassung, federführend in den Ausschuss für Inneres, stimmt die PDS-Fraktion zu. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Rothe.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Innenminister hat eingehend dargelegt, wie das Landesdatenschutzgesetz an die europarechtlichen Vorgaben angepasst werden soll. Auf den Beitrag von Frau Wiechmann zu antworten, sehe ich mich intellektuell nicht in der Lage.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU - Frau Wiechmann, FDVP: Hauptsache Sie sind es! Sie leiden an Selbstüberschätzung! - Lachen bei der SPD)

Die Bereitschaft des Kollegen Becker zu einer zügigen Beratung begrüße ich. Lassen Sie mich, wie es eben schon Herr Gärtner getan hat, etwas zu der Frage sagen, welchen politischen Stellenwert der Datenschutz im Lichte dieser Novelle haben soll.

Letzten Montag hat das „Neue Deutschland“ über eine Konferenz der PDS Sachsen-Anhalts im Stadthaus am halleschen Markt, also in der Nachbarschaft der von Ihnen apostrophierten Videokameras, berichtet. Die Überschrift des Artikels lautete: „Handys und andere Wanzen - Neue PDS-Arbeitsgemeinschaft will Staatsund Behördenwillkür begegnen“. Das „ND“ berichtet, bei ihrer Konferenz habe die PDS den Sänger Marius Müller-Westernhagen mit den Worten zitiert „Freiheit ist das Einzige, was zählt.“ - Herr Gärtner, wenn Sie das ernst meinen in der Landes-PDS, dann sollten Sie geschlossen in die FDP eintreten und dem „Projekt 18“ in Sachsen-Anhalt zum Erfolg verhelfen.

(Zustimmung bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU - Herr Becker, CDU: Neuer Gedanke!)

Der Bundesarbeitsgemeinschaft, die sich in Halle gebildet hat, gehören natürlich Herr Gärtner an und auch die stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende Petra Pau. Frau Pau zufolge soll sich diese Arbeitsgemeinschaft dem Anliegen widmen, die PDS als „sozialistische Bürgerrechtspartei“ zu profilieren.

In der Novelle zum Bundesdatenschutzgesetz sieht Frau Pau, wie es eben auch Herr Gärtner ausgeführt hat, ein Indiz dafür, wie problemlos Freiheitsrechte mittlerweile eingeschränkt werden können. Frau Pau bezeichnete es als eine grundlegende Lehre aus dem Scheitern der DDR, dass soziale und Freiheitsrechte sich nicht gegeneinander aufrechnen lassen.

Bei gründlicherem Studium der Lehren von Karl Marx hätte man schon früher zu dieser Erkenntnis kommen können, stammt doch von ihm der Satz: Ein Zweck, der unheiliger Mittel bedarf, ist kein heiliger Zweck. - Meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, ich will ein anderes Zitat aus prominentem Munde hinzufügen: Es ist mehr Freude beim Herrn über einen reuigen Sünder als über zehn Gerechte.

Es fällt übrigens auf, dass der Kollege Gärtner, wenn wir eine Ausschusssitzung im Fraktionsraum der CDU durchführen, immer unter dem Kreuz Platz nimmt.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Heiterkeit bei der PDS - Zuruf von Herrn Gärtner, PDS)

Von dem Freiburger Staatsrechtslehrer Konrad Hesse habe ich gelernt, dass es um die Herstellung und um die Erhaltung eines Ordnungszusammenhangs geht, in dem sowohl die grundrechtlichen Freiheiten als auch die anderen Rechtsgüter Wirklichkeit gewinnen. Soweit die Bestimmungen, die beide schützen, in ihrer sachlichen Reichweite einander überschneiden oder miteinander kollidieren, ist die Grundrechtsbegrenzung die Herstellung praktischer Konkordanz. Eine Grundrechtsbeschränkung muss der Gefahr, die bekämpft werden soll, angepasst sein. Die Achtung vor den Grundrechten gebietet es, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Ein Beispiel für die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist die Aufklärung des Tötungsverbrechens an einem Mädchen aus dem brandenburgischen Eberswalde. In diesem Fall konnte der Tatverdächtige mithilfe einer Rasterfahndung ausfindig ge

macht und mithilfe eines genetischen Fingerabdrucks überführt werden.

Es ist unbestreitbar, dass der rasche Fahndungserfolg eine abschreckende Wirkung auf diejenigen potenziellen Täter hat, die zwar jede Moral, aber nicht den Verstand verloren haben und die sich nun einem kalkuliert untragbaren Risiko der Bestrafung ausgesetzt sehen.

Die Strafverfolgung kann das tote Mädchen nicht zum Leben erwecken. Sie kann aber durch ihre generalpräventive Wirkung das Recht auf Leben weiterer potenzieller Opfer schützen. Das rechtfertigt einen entsprechenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eines größeren Personenkreises. Den hätte man auch weiter ausweiten dürfen, wenn die bisherigen Maßnahmen nicht zum Erfolg geführt hätten.

(Beifall bei der SPD)

Die Realisierung der Forderung nach einer zentralen Gendatenbank, wie sie von einzelnen CDU-Politikern erhoben worden ist, hätte allerdings den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach meiner Auffassung verletzt.

(Zustimmung von Herrn Jüngling, SPD, und von Herrn Metke, SPD)

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stimmt der Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfs zu. Ich greife gerne die Anregung von Herrn Gärtner auf, dass wir zusätzlich zu dem federführenden Innenausschuss den Rechtsausschuss als mitberatenden Ausschuss beteiligen. Die Terminkette lässt es zu, den Gesetzentwurf dennoch im Juni in zweiter Lesung zu verabschieden. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Debatte. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/4378.

Es ist beantragt worden, diesen Gesetzentwurf in den Innenausschuss als federführenden Ausschuss und in den Ausschuss für Recht und Verfassung zur Mitberatung zu überweisen. Wer stimmt diesem Antrag zu? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ohne Enthaltung und bei einigen Gegenstimmen ist diesem Antrag gefolgt worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 10 damit bewältigt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Frage an Sie richten, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe. Ich möchte vorschlagen, dass wir auf die Mittagspause verzichten und einfach durcharbeiten. Wir haben dieses Verfahren schon mehrmals erfolgreich erprobt. Ich denke, dem steht nichts im Wege. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das sehe ich nicht. Dann verfahren wir so.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung

Maßnahmen zum Tier- und Seuchenschutz

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/4361

Der Antrag wird eingebracht durch den Abgeordneten Herrn Wolf. Bitte.