Der Gesetzentwurf wird durch den Minister des Innern Herrn Dr. Püchel eingebracht. Bitte schön, Herr Minister.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt geht es vielleicht etwas entspannter und auch trockener zu. Die Materie ist leider so, Herr Kalk. Aber für die Insider ist es doch sehr spannend.
Meine Damen und Herren! Der heute einzubringende Gesetzentwurf passt das Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten der Bürgerinnen und Bürger und weitere landesrechtliche Vorschriften an die Vorgaben der EG-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 an. Wie die meisten Länder hat Sachsen-Anhalt im Interesse der Rechtseinheitlichkeit mit dieser Anpassung gewartet, bis klar war, wie die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes umgesetzt werden.
Die im Landesrecht erforderlichen materiellrechtlichen Änderungen sind nicht erheblich. Schon nach geltendem Recht besteht in Deutschland bei öffentlichen Stellen ein sehr hoher Datenschutzstandard.
Änderungsbedarf aufgrund der EG-Datenschutzrichtlinie besteht hauptsächlich im nichtöffentlichen Bereich, für den grundsätzlich der Bund die Gesetzgebungskompetenz besitzt. Heute verabschiedet der Deutsche Bundestag in dritter Lesung das Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze. Am 11. Mai 2001 wird sich der Bundesrat mit dem Gesetzesbeschluss im zweiten Durchgang befassen.
Mit der heutigen Einbringung des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes in den Landtag besteht die Möglichkeit, das für öffentliche Stellen im Lande geltende Landesdatenschutzrecht kurzfristig den Änderungen im Bundesrecht und damit zugleich den Vorgaben der EG-Datenschutzrichtlinie anzupassen.
Das Gesetzesvorhaben ist dringlich; denn die EU-Kommission hat Ende des letzten Jahres ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen nicht rechtzeitiger Umsetzung der EG-Datenschutzrichtlinie angestrengt. Nach Einschätzung des Bundesinnenministers kann eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland voraussichtlich nur vermieden werden, wenn ungefähr bis zur Sommerpause der Abschluss aller Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene und in den Ländern mitgeteilt werden kann.
Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf ist mit seinen 17 Artikeln recht umfangreich geraten. Die meisten Änderungen sind durch die Angleichung an neue oder veränderte Begriffsbestimmungen im Bundesdatenschutzgesetz ausgelöst worden, also eher redaktioneller Art.
Zu den wichtigsten Änderungen im Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten der Bürger, also im allgemeinen Datenschutzrecht, gehört die Verbesserung der
Lassen Sie mich die Verbesserungen im Folgenden stichwortartig nennen: So können die Betroffenen künftig Einwendungen auch gegen eine rechtlich zulässige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung ihrer Daten erheben und damit öffentliche Stellen zu einer Überprüfung ihres Handelns verpflichten. Des Weiteren erhalten Betroffene bei der Erhebung genaue Hinweise, was mit ihren Daten passiert. Über die Erhebung bei Dritten werden sie grundsätzlich nachträglich unterrichtet.
Auch wird der Anspruch auf Auskunft darüber, welche Daten zur Person gespeichert sind und was mit den Daten geschieht, verbessert. Die Betroffenen erhalten künftig Kenntnis von vorgesehenen Übermittlungen.
Schließlich wird der Umgang mit besonders sensiblen Daten, zum Beispiel die ethnische Abstammung oder gesundheitliche Verhältnisse betreffend, strengen Regularien unterworfen.
Meine Damen und Herren! So weit zur Verbesserung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Daneben möchte ich noch auf einige wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs zu sprechen kommen.
Eine organisationsrechtliche Regelung möchte ich ganz besonders hervorheben. Künftig sind grundsätzlich alle öffentlichen Stellen verpflichtet, Beauftragte für den Datenschutz einzusetzen. Schon heute gibt es in vielen Verwaltungen Beauftragte für den Datenschutz, ohne dass bisher die gesetzliche Pflicht dazu bestand. Die Einsetzung von Beauftragten bündelt Fachkompetenz und stärkt die Eigenverantwortlichkeit der Daten verarbeitenden Stellen. Zusätzlicher Verwaltungs- oder Kostenaufwand entsteht nicht.
Die Beauftragten erfüllen nur Aufgaben, die anderenfalls in anderen Organisationseinheiten innerhalb der verantwortlichen Stelle zu erledigen wären. Es kommt so zu einer Straffung der Verfahren, insbesondere durch den Wegfall von Meldungen zum zentralen Dateienregister beim Landesbeauftragten für den Datenschutz. Auf dieses Register kann nach der EG-Datenschutzrichtlinie bei Einsetzung von Beauftragten für den Datenschutz verzichtet werden.
Weiterhin werden die Beauftragten für den Datenschutz auch zu einem verbesserten Schutz der Persönlichkeitssphäre führen. Automatisierte Verfahren, von denen besondere Risiken für die Betroffenen ausgehen, bedürfen nämlich von nun an einer Vorabkontrolle durch den Beauftragten oder die Beauftragte für den Datenschutz. Dies betrifft zum Beispiel den Umgang mit besonders sensiblen Daten und die Einrichtung von Abrufverfahren.
Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf beschränkt sich aber nicht nur auf die Anpassung an die EG-Datenschutzrichtlinie. Das Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten wird auch aktualisiert, um neuen Anforderungen der modernen Informationstechnik gerecht zu werden. Dies gilt zum Beispiel im Hinblick auf die Anforderungen an technische und organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes.
Geregelt wird auch der datenschutzgerechte Einsatz von mobilen personenbezogenen Datenträgern im öffentlichen Bereich. Ich denke hierbei zum Beispiel an Chipkarten für die Zeiterfassung in Behörden.
Strenge Regelungen werden schließlich zur Beobachtung allgemein zugänglicher öffentlicher Bereiche mit optisch-elektronischen Einrichtungen getroffen. Ich meine insbesondere die Videoüberwachung im Rahmen des öffentlichen Hausrechts bei Behörden. Der neue § 30 gießt insoweit nur eine Befugnis in Gesetzesform, welche der öffentlichen Hand traditionell auch durch die Rechtsprechung auf der Grundlage des allgemeinen Hausrechts zuerkannt wird.
Lassen Sie mich die Voraussetzungen für den Einsatz der Technik kurz erläutern: Der Einsatz solcher Technik, vor allem der Videotechnik, ist nur zu bestimmten Zwekken zulässig, insbesondere zur Wahrnehmung des öffentlichen Hausrechts und des Schutzes öffentlichen Eigentums oder Besitzes. Überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener dürfen nicht entgegenstehen. Es wird zwischen Beobachtung und Aufzeichnung differenziert. Die Beobachtung muss für den Betroffenen erkennbar sein. Die Daten sind grundsätzlich zweckgebunden zu verwenden. Aufzeichnungen sind unverzüglich zu löschen, sobald sie nicht mehr benötigt werden.
Meine Damen und Herren! Bei den Änderungen im bereichsspezifischen Datenschutzrecht durch die Artikel 2 bis 14 handelt es sich fast ausschließlich um Folgeänderungen aufgrund von Änderungen im allgemeinen Datenschutzrecht, vorrangig um die Angleichung an neue oder veränderte Begriffsbestimmungen.
In Artikel 6 sind daneben Änderungen im Meldegesetz des Landes Sachsen-Anhalt vorgesehen, mit denen Änderungen im Melderechtsrahmengesetz im Melderecht des Landes Sachsen-Anhalt nachvollzogen werden. Diese Änderungen sind in den Jahren 1999 und 2000 erfolgt. Einzelne Änderungen sind bereits heute unmittelbar geltendes Recht.
Mit Artikel 12 wird eine Sonderregelung für Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse getroffen. Der Bundesgesetzgeber sieht hierfür im künftigen § 41 des Bundesdatenschutzgesetzes nur eine rahmenrechtliche Regelung vor. Diese bedarf der Ausfüllung durch Landesrecht. Dementsprechend sieht § 10 a des Landespressegesetzes vor, dass auf Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse nur einzelne Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechtes anzuwenden sind, soweit personenbezogene Daten zu ausschließlich eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.
Mit Artikel 13 wird schließlich das Landesmediengesetz an die Änderung des Landespressegesetzes angeglichen.
Meine Damen und Herren! Zu dem Gesetzentwurf wurde eine Anhörung durchgeführt. Im Ergebnis der Anhörung wurde der Gesetzentwurf nur in wenigen Punkten geändert. Nahezu alle Anregungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz wurden aufgegriffen. Die kommunalen Spitzenverbände haben die Einführung von Datenschutzbeauftragten in öffentlichen Stellen begrüßt. Die positiven Stellungnahmen lassen mich hoffen, dass die Ausschussberatungen zügig erfolgen können.
Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Inneres zu überweisen. Wegen der bestehenden Dringlichkeit bitte ich darum, die Beratung im Ausschuss möglichst bald aufzunehmen. Es wäre gut, wenn dem Bundesinnenministerium zu Beginn der Parlamentsferien die Verabschiedung des Gesetzes mitgeteilt werden könnte. - Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihenfolge DVU, CDU, FDVP, PDS, SPD vereinbart worden. Die DVU hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Becker.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, wir sagen Ihnen eine zügige Beratung zu. Letztlich handelt es sich um die Umsetzung auch von EG-Normen.
Wir müssen aufpassen, dass das, was im Gesetz steht, nicht mit Mehrkosten verbunden ist. Die Erfahrungen lehren uns, dass solche Umsetzungen häufig dazu Anlass geben können, Kosten zu verursachen. Es wird unser gemeinsames Ziel sein, dies zu verhindern.
Außerdem müssen wir bei Artikel 6 darauf achten, dass das Meldegesetz nicht erneut überfrachtet wird, was die Arbeit in den kommunalen Meldebehörden erschweren könnte. Darauf werden wir bei den Beratungen besonderen Wert legen.
Wir sagen eine zügige Beratung zu und werden der Überweisung in den zuständigen Ausschuss unsere Zustimmung geben. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ziel des Entwurfes eines Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften ist die Schaffung eines gläsernen Menschen. Der Knochenbau ist zu ermitteln, die Ohrengröße festzustellen und die Haarfarbe ist wichtig. Das alles mag überzogen klingen und es ist auch so von mir gewollt. Aber genau diesen überzogenen Anforderungen entspricht die EG-Richtlinie in Verbindung mit dem vorgenannten Gesetz.
Auch Orwell hatte vor diesen Konsequenzen bereits im Jahr 1948 gewarnt und unterstellte in seinem Buchtitel „1984“ einen Eintrittszeitpunkt als Warnung vor einer Entwicklung, die heute leider eingetreten ist. Seine Fiktion für das Jahr 1984 war der absolute Überwachungsstaat. Orwell ist dabei ein inhaltlicher Waisenknabe im Verhältnis zu dem, was sich mittlerweile auf der Bundesund der Landesebene angesammelt hat.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung geht über alle Befürchtungen hinaus, auch wenn im Entwurf Bemühungen erkennbar sind, das Gefahrenpotenzial zu reduzieren. Mögen Inhalt und Zweck des Gesetzentwurfes noch gewissen verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen, ist doch das Ausmaß zu unbestimmt und damit schlecht einzugrenzen.
Die zum Gesetzentwurf Angehörten haben eine Kritik vorgetragen, die von der Freiheitlichen Deutschen Volkspartei in jeder Hinsicht gestützt wird. Auch wir wenden uns gegen die unkontrollierbare Datenflut und vor allem gegen das Gefahrenpotenzial, das sich aus der Missbrauchsmöglichkeit ergibt. Es ist allgemein bekannt,
dass nicht nur Rechtsbrecher Zugriff auf die Datenflut nehmen, sondern auch die einschlägigen Behörden haben bereits in der Vergangenheit Leistungen aus dem datenschutzrechtlichen Graubereich erbracht.
Wie der weiße Bereich kann auch der schwarze Bereich dem Adressaten zugeordnet werden. Bei dem Graubereich ist das nicht so möglich, sodass angemahnt werden muss, den sensiblen Bereich des Datenschutzes sorgfältig auszugestalten.
Allein die vorgenannten Erwägungen gebieten bereits eine Ablehnung des Flickenteppichs der Landesregierung insgesamt. Das Ergebnis wird auch noch gestützt durch die Aussagen der Angehörten. Darauf will ich wie folgt eingehen:
So wurde der Anregung der kommunalen Spitzenverbände Sachsen-Anhalts, den Ausschluss des Einwendungsrechts gegen eine zulässige Verarbeitung in § 4 Abs. 4 des Datenschutzgesetzes des Landes SachsenAnhalts auf Verwaltungsbehörden der Gefahrenabwehr auszudehnen, nur unvollständig gefolgt.
Dabei ist doch bemerkenswert, dass Gefahrenabwehr und exekutiver Datenschutz nichts miteinander zu tun haben. Es werden Äpfel mit Birnen verglichen. Das wird durch die Landesregierung nicht berücksichtigt.
Darüber hinaus hat die Notarkammer Sachsen-Anhalts angeregt, entsprechend dem Muster des Artikels 28 des bayerischen Datenschutzgesetzes durch Verordnung die Möglichkeit zu schaffen, Notare und einzelne andere öffentliche Stellen von der Pflicht zu befreien, Beauftragte für den Datenschutz einzusetzen. Warum sollte man nicht auf eine bayerische Regelung zurückgreifen, die sich bewährt hat? Die Landesregierung hält die Anregung der Notarkammer aber für so wichtig, dass darauf offenbar nicht eingegangen werden muss.
Auch die Befürchtung des Deutschen Beamtenbundes, dass durch die Verweisung im § 28 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt auf Bestimmungen des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt der Schutz von Personaldaten, die nicht Personalaktendaten sind, verschlechtert wird, ist nicht unbegründet. Die Landesregierung hat sich sogar dazu herabgelassen festzustellen, dass die Befürchtungen des Beamtenbundes unbegründet seien. Damit ist es künftig möglich, Beihilfeakten einzusehen, Besoldungsakten zu bewerten und disziplinarische Vorermittlungen, die wegen Unschuld eingestellt wurden, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.