Protocol of the Session on April 6, 2001

Drittens. Weitgehende Erledigung von Landesaufgaben durch leistungsfähige Kommunen. Von einer entsprechenden Leistungsfähigkeit wird in der Regel ausgegangen: bei kreisfreien Städten und Landkreisen, wenn die Einwohnerzahl bei mindestens 150 000 liegt, bei Gemeinden, die nicht Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft sind, wenn die Einwohnerzahl mindestens 7 000 erreicht, bei Verwaltungsgemeinschaften, wenn die Einwohnerzahl ihrer Mitgliedsgemeinden insgesamt mindestens 10 000 erreicht, wobei jede Mitgliedsgemeinde eine Mindesteinwohnerzahl von 1 000 erreichen soll.

Viertens. Nutzung aller Möglichkeiten der Informationstechnologie für die Rationalisierung und Verbesserung der Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung.

Meine Damen und Herren! Gegenüber dem Entwurf der Landesregierung enthält die Beschlussempfehlung vor allem eine Verpflichtung, diejenigen Aufgabenbereiche, die auf die Kommunen übertragen werden sollen, gesetzlich zu bestimmen. Dabei wird nicht zuletzt auch Forderungen aus den Reihen der CDU und der PDS Rechnung getragen.

Die Beschlussempfehlung sieht gegenüber dem Regierungsentwurf ferner vor, zur Stärkung der Verwaltungsgemeinschaften unverzüglich gesetzlich zu bestimmen, welche zweckmäßigerweise übergemeindlich wahrzunehmenden Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden auf die Verwaltungsgemeinschaft zu übertragen sind.

Gesetzlich zu regeln sind ebenfalls die Stadt-UmlandBeziehungen und Einzelheiten der Personalüberleitung. Schließlich enthält die Beschlussempfehlung die Regelung, dass die erforderliche Leistungsfähigkeit der Kommunen bis zum 1. Juli 2004 herzustellen ist.

Im Verlauf der Beratungen galt es auch, einige aus der Sicht der Fraktion der PDS ungeklärte Voraussetzungen und Zielsetzungen des Entwurfs zu konkretisieren. Dies betraf zum einen das Problem, dass nach Meinung der Fraktion der PDS der Grundsatz der Zweistufigkeit von den Detailregelungen so weit aufgeweicht werde, dass de facto eine Dreistufigkeit erreicht werde.

Ein von der CDU-Fraktion vorgelegter Entwurf eines Zweiten Vorschaltgesetzes umfasste im Wesentlichen die Beibehaltung der Dreistufigkeit der Landesverwaltung bei einer Reduzierung der Zahl der Regierungspräsidien von drei auf zwei. Kommunalisiert werden sollten nach den Vorstellungen der CDU-Fraktion lediglich die nicht privatisierbaren Aufgaben.

Meine Damen und Herren! Der zeitweilige Ausschuss empfiehlt Ihnen die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung der vorliegenden Beschlussempfehlung.

Ich möchte noch einen Hinweis auf eine formale Änderung in § 6 Abs. 2 geben, wo es gemäß der Verständigung des Ausschusses in der letzten Sitzung richtigerweise heißen muss: „Die Zahl der oberen Landesbehörden wird bis zum 31. Dezember 2004 auf höchstens 9,“ - als Ziffer geschrieben - „die Zahl der unteren Landes

behörden mindestens um ein Drittel reduziert.“ Wir bitten darum, das entsprechend zu korrigieren. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Danke sehr. - Für die Landesregierung erteile ich dem Innenminister Dr. Püchel das Wort. Bitte, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Dezember 1999 habe ich ein Leitbild für eine Kommunalreform in Sachsen-Anhalt vorgelegt. Im April 2000 folgte das Leitbild der Landesregierung zur Modernisierung der Landesverwaltung.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Leidbild! - Herr Scharf, CDU: Leidbild, mit d! - Herr Dr. Bergner, CDU: Mit d!)

- Sie leiden darunter; das weiß ich.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Sie würden auch Freude dabei empfinden, wenn Sie sich in diesen Prozess endlich einmal einbrächten. Dann wird es auch für Sie ein Erfolgs- oder ein Glücksbild.

(Herr Dr. Bergner, CDU, lacht)

Bis heute waren diese Leitbilder Grundlage für eine landesweite Diskussion. Kritiker der Kommunalreform - davon gibt es auch ein paar, vielleicht sogar in diesem Hause - argumentierten häufig damit, dass dieses Leitbild des Innenministers keine Verbindlichkeit habe, weil es eben nur ein Leitbild sei. Ab heute müssen sich diese Kritiker ein neues Argument überlegen; denn mit der Verabschiedung des Zweiten Vorschaltgesetzes sind diese beiden Leitbilder nicht mehr bloße Diskussionsgrundlage, sondern in weiten Teilen Gesetz.

(Herr Becker, CDU: Es kommen noch die Kom- munalwahlen!)

- Wir kommen heute noch aufeinander zu; warten Sie es einmal ab. Wir reden heute noch mehrmals miteinander, Herr Becker.

(Herr Dr. Rehhahn, SPD: Beim Mittagessen!)

- Das außerdem, aber das ist noch nicht abgeklärt.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt macht sich die Leitbilder zu Eigen und zeigt, dass er auch bereit ist, notwendige Reformschritte mitzugehen. Ein guter Tag für Sachsen-Anhalt.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Eine Mehrheit, nicht der Landtag!)

- Die Mehrheit ist dann der Landtag. Wenn ein Gesetzentwurf die Mehrheit bekommt und verabschiedet wird, dann ist es ein Gesetz, das der Landtag so beschlossen hat.

(Herr Becker, CDU: Wenn es beschlossen ist! - Zuruf: Schaffen wir doch ab! - Zuruf von Herrn Prof. Dr. Böhmer, CDU)

- Der Vizepräsident gibt mir Recht. Er kennt sich da vielleicht besser aus als Sie, Herr Bergner.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Heute ist ein guter Tag für Sachsen-Anhalt, ein guter Tag für die Landesregierung, ein guter Tag für mich, Herr Dr. Bergner.

(Heiterkeit bei der SPD)

Die Botschaft des heutigen Tages lautet: Im Lande gibt es eine gestalterische Mehrheit für eine umfassende Kommunal-, Funktional- und Verwaltungsreform. Dies mögen alle, die für Sachsen-Anhalt und seine Kommunen Verantwortung tragen, zur Kenntnis nehmen. Die Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, der Kelch der Reform möge vorübergehen, ist vorbei; aber so viele sind es gar nicht mehr, die den Kopf in den Sand stecken.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Pfeifen im Walde!)

- Das Pfeifen im Walde sind Sie, Herr Dr. Bergner.

Außerdem wissen wir, dass sich viele Kommunalpolitiker gerade im Kommunalwahlkampf noch zurückhalten. Doch ich sage besonders lauten Gegnern einer Kommunalreform voraus: Sie werden das gleiche Schicksal erleiden wie die CDU auf Bundesebene im Hinblick auf die Rentenreform. Vor den Landtagswahlen in BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz waren ihre Vertreter noch die größten Protestierer und Verweigerer. Danach verging nicht einmal eine Woche, bis die CDU-Spitzen ihre Blockade aufgaben.

Ich bin gespannt, wie die CDU hier im Lande - voran ihre kommunalpolitischen Sprecher - nach den Wahlen in Sachen Kommunalreform argumentieren wird.

(Zustimmung von Herrn Gallert, PDS)

Zum Glück gibt es noch Herrn Professor Böhmer, der auch vor Wahlen ein offenes und ehrliches Wort liebt,

(Zustimmung bei der SPD)

- jetzt kriegen Sie sogar schon Beifall, bevor ich es gesagt habe - wie er auf einer Veranstaltung in Köthen unter Beweis stellte, bei der er sinngemäß ausführte, dass die Kreisgebietsreform kommen würde und die CDU diesen Prozess mitgestalten müsse. Entweder sind Sie falsch zitiert worden oder nicht. Darüber müssen Sie einmal in Ihrer Fraktion diskutieren.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Das kommt noch!)

- Okay.

Meine Damen und Herren! In seiner Regierungserklärung vom 6. April vergangenen Jahres hat unser Ministerpräsident die von der Landesregierung geplanten Reformschritte vorgestellt. Ich will nur einige nennen: Abschaffung der Regierungspräsidien bis zum Jahr 2005,

(Herr Dr. Bergner, CDU: Alles nur Willenserklä- rungen!)

geregelt in § 4 des Zweiten Vorschaltgesetzes. - Das sind nicht nur Willenserklärungen, das wird Gesetz.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Dann ist es eine gesetz- liche Willenserklärung!)

Parallel dazu soll die Schaffung eines ab 2005 funktionsfähigen Landesverwaltungsamtes erfolgen, geregelt in § - - Ich weiß, wie Sie mit Gesetzen umgehen. Darüber haben wir gestern in der Debatte über das Volksabstimmungsgesetz diskutiert, Herr Bergner.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Reformschritte sind die Halbierung der Zahl der Landesämter sowie die Verringerung der staatlichen Ämter auf Ortsebene um ein Drittel, geregelt in § 6, Aufgabenverlagerung vom Land auf die Kommunen so weit wie möglich, geregelt in § 3 Abs. 1, und die Aufgabenkritik und der Aufgabenverzicht für alle verbleibenden Aufgaben, geregelt in § 2.

Sie sehen, die Vorstellungen der Landesregierung zur Reform der Landesverwaltung finden sich im Zweiten Vorschaltgesetz wieder und haben in den Ausschüssen bereits Zustimmung gefunden.

Im Weiteren will ich kurz auf die Vorschriften zur Kommunalisierung eingehen. Der Gesetzentwurf hat dazu Regelungen zum Grundsatz der Subsidiarität und Zweistufigkeit, Herr Professor Böhmer, vorgesehen und für die Übertragung von Aufgaben an die Leistungsfähigkeit der Kommunen angeknüpft. Im Zuge der Ausschussberatungen ist das Verfahren dahin gehend weiter präzisiert worden, dass nunmehr die zu übertragenden Aufgabenbereiche gesetzlich festgelegt werden.