Protocol of the Session on April 6, 2001

(Frau Stange, CDU: Sie haben es nicht begriffen! - Zurufe von Frau Feußner, CDU, und von Herrn Becker, CDU)

Meine Damen und Herren! Die Folgen treten klar zutage, obwohl es sicherlich falsch ist, eine vorausschauende Berechnung anzustellen. Niemand weiß, welche andersartigen Entwicklungen in den kommenden Jahren einsetzen werden und welche Entwicklung unsere Gegenmaßnahmen bewirken werden.

(Herr Gürth, CDU: Wieso sind wir dann immer Schlusslicht?)

Um Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, müssen wir die Ursachen im Einzelnen kennen. Wir dürfen uns nicht damit abgeben, die Arbeitslosigkeit schlechthin anzuschuldigen. Wir wissen aus Befragungen und aus den gesammelten Erfahrungen, dass es nicht die Lebensumstände im Allgemeinen oder das Umfeld sein können, die junge Menschen zum Weggang veranlassen.

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Unter den angeführten Ursachen für die Abwanderung insbesondere junger Menschen gibt es echte und auch nur vorgegebene Gründe. Die echten Gründe haben natürlich mit den Arbeitsmöglichkeiten zu tun. Bei den vorgeschobenen Ursachen werden gelegentlich Punkte genannt, die bei näherer Betrachtung nicht zutreffen. Darauf ist heute bereits hingewiesen worden. Das können wir auch durch wissenschaftliche Untersuchungen nachweisen. Beispielsweise sind es zu jeder Zeit überall die Jungen, die mobiler und weniger ortsgebunden sind.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Ach!)

Zu Recht wird erwartet, dass seitens der Politik aktiv gegengesteuert wird. Eine Gegensteuerung beginnt mit einer Aufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse. Sie muss auch ein Ankämpfen gegen schlechte Stimmungen beinhalten. Leider hilft uns die große christliche Partei in unserem Land dabei wenig. Sie tut eher das Gegenteil.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das ist eine Unver- schämtheit!)

Was ist nun konkret und im Einzelnen zu tun? Die gezielten Maßnahmen können an dieser Stelle nur stichwortartig erwähnt werden. Das ist bei einer Aktuellen Debatte verständlich.

Die gute Kinderbetreuung muss bestehen bleiben. Sie müsste eigentlich zur Zuwanderung junger Menschen führen. Die Schulen wurden bereits nachhaltig verbessert, das muss weitergehen. Weiterhin müssen ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Dann brauchten wir nicht über das Problem der so genannten

Wegzugsprämien zu streiten. Hinsichtlich der Studienangebote und der anschließenden Qualifizierungsmöglichkeiten, auch an den Universitäten und Fachhochschulen, fehlt noch manches.

Meine Damen und Herren! Das Problem ist hinreichend beschrieben. Für seine Lösung gibt es zwar kein Patentrezept, jedoch viele Möglichkeiten, Überlegungen und Anstrengungen. Es werden Mittel in erheblichem Umfang dafür ausgegeben. Niemand sollte meinen, dass wir erst jetzt aufgewacht wären. Wir haben in dieser Hinsicht schon viel getan, vielleicht auch mit dem Ergebnis, Schlimmeres für die Gegenwart verhindert zu haben. Lassen Sie uns spätestens bei den Haushaltsberatungen auch in diesem Jahr den Gesichtspunkt erneut erörtern. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Danke sehr. - Die Debatte wird mit dem Beitrag der Abgeordneten Frau Brandt für die DVU-Fraktion beendet. Bitte, Frau Brandt.

Herr Präsident! Werte Herren und Damen! Mitteldeutschland verliert jährlich 260 000 Menschen durch Abwanderung in die alten Bundesländer. Dem steht zwar ein bestimmter Prozentsatz an Zuzüglern gegenüber; dieser kompensiert aber keinesfalls die enormen Lücken, die durch die Abwanderung entstehen.

Vom Ausmaß der Ost-West-Wanderung ist SachsenAnhalt am stärksten betroffen. Einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge hat Sachsen-Anhalt von 1991 bis 1999 über 86 100 Menschen durch Wegzug verloren. Die so genannten Berufspendler, die sich von Montag bis Freitag aus unserem Land in die alten Bundesländer verabschieden und erst am Wochenende wiederkommen, sind darin nicht berücksichtigt.

Als besonders dramatisch und verlustreich muss die Abwanderungsbewegung von arbeitsfähigen und dynamischen jungen Menschen aus Sachsen-Anhalt bezeichnet werden; denn mehr als die Hälfte der abgewanderten jungen Menschen aus Sachsen-Anhalt ist im Alter zwischen 18 und 29 Jahren. Einer der Gründe hierfür ist die Rekordarbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt, hervorgerufen durch Missmanagement der rot-roten Landesregierung. Eingebunden sind darin fehlende Neuansiedlungen von größeren Betrieben, fehlende Infrastrukturen, eine verfehlte Jugend- und Familienpolitik sowie eine enorme Orientierungslosigkeit dieser Personengruppe.

Dies alles zeigt sehr deutlich, dass die bisherige Politik der Regierung unter der Leitung des Herrn Höppner abgrundtief gescheitert ist. Der amtierende Oberbürgermeister der Stadt Dessau, Hans-Georg Otto, welcher im Übrigen vor kurzem aus der SPD austrat - ich kann es ihm nicht verdenken -,

(Herr Sachse, SPD: Völliger Quatsch, was Sie erzählen! Was erzählen Sie hier?)

brachte es so zum Ausdruck - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident -:

„Der Wirtschaftsaufbau im Osten stagniert, weil es zu wenig Investitionsbereitschaft in neue Arbeitsplätze in den neuen Ländern gibt und weil

die vorhandenen Firmen darunter leiden, dass gut ausgebildetes Personal aus tariflichen Gründen in die alten Bundesländer abwandert.“

Auch der Präsident der Landesvereinigung der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalts, Herr Helge Fänger, kam zu dem Schluss - ich zitiere -:

„Es ist in Sachsen-Anhalt eine Zunahme staatlicher Reglementierungen zu beobachten. Die heimische Wirtschaft fühlt sich von der Landesregierung missbehandelt. Ich kann nicht erkennen, wo die Wirtschaftsfreundlichkeit in dieser SPD-PDS-Regierung herkommen soll.“

Eben weil das so ist, verlassen immer mehr junge Menschen das Land Sachsen-Anhalt.

Meine Herren und Damen! Eine Abwanderung in erheblichen Größenordnungen aus Sachsen-Anhalt, eine stetige Zunahme der Arbeitslosigkeit, die permanent höchste aller Bundesländer, ein damit einhergehender Steuereinnahmenausfall, verbunden mit einer sinkenden Finanzkraft der Kommunen in Sachsen-Anhalt, konterkariert jeglichen Versuch, die Lebensverhältnisse in Sachsen-Anhalt auf einen hohen Level zu schrauben.

Gleichzeitig muss konstatiert werden, dass aufgrund dieser Entwicklung bereits eine Art Trauma, vor allem bei den älteren, aber noch arbeitsfähigen Menschen festzustellen ist; denn diese können aus unterschiedlichen Gründen nicht ohne weiteres ihren Staat, ihr Land verlassen.

Wenn nicht sofort ein generelles Umdenken der Landesregierung sowie der ihr unterstellten Ministerien einsetzt, wenn sie nicht bereit sind, diese Absurdität umzukehren, dann werden wir in einer sehr kurzen Zeitspanne nur noch Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger in Sachsen-Anhalt begrüßen dürfen.

Dabei stellt sich abschließend die Frage: Wer kann und soll diese Menschen noch bezahlen? - Sicherlich nicht die rot-rote Landesregierung; denn es hat sich erwiesen, dass sie seit langem ein Auslaufmodell und ein Bremsschuh für den Aufbau Ost ist. - Danke.

(Beifall bei der DVU und bei der FDVP)

Danke. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden laut Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 1 abgeschlossen.

Wir setzen mit dem Tagesordnungspunkt 8 fort:

Zweite Beratung

Entwurf eines Zweiten Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform und Verwaltungsmodernisierung

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 3/3580

Beschlussempfehlung des zeitweiligen Ausschusses Funktional- und Verwaltungsreform/Kommunale Gebietsreform - Drs. 3/4386

Die erste Beratung fand in der 42. Sitzung des Landtages am 14. September 2000 statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Hoffmann. Es folgt dann eine Fünfminutendebatte. Bitte, Herr Hoffmann, Sie haben das Wort.

Herr Hoffmann (Magdeburg), Berichterstatter des zeitweiligen Ausschusses Funktional- und Verwaltungsreform/Kommunale Gebietsreform:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat den Gesetzentwurf der Landesregierung nach der ersten Beratung in der 42. Sitzung am 14. September 2000 zur federführenden Beratung an den zeitweiligen Ausschuss Funktional- und Verwaltungsreform/ Kommunale Gebietsreform sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Inneres und an den Ausschuss für Recht und Verfassung überwiesen.

In seiner 10. Sitzung am 28. September 2000 verständigte sich der zeitweilige Ausschuss darauf, zum vorliegenden Gesetzentwurf am 2. November 2000 eine Anhörung durchzuführen. Zu dieser Anhörung waren neben den kommunalen Spitzenverbänden auch der Deutsche Beamtenbund Sachsen-Anhalt, die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft, Landesverband SachsenAnhalt/Thüringen, und der Deutsche Gewerkschaftsbund, die ÖTV Sachsen-Anhalt sowie Vertreter der Hochschule Harz eingeladen, um ihre Positionen darzulegen.

Nach einer weiteren Beratung am 30. November 2000 erfolgte in der 16. Sitzung des Ausschusses am 22. Februar 2001 die Erarbeitung einer vorläufigen Beschlussempfehlung. Es wurden sowohl seitens der Fraktion der SPD als auch seitens der Fraktionen der CDU und der PDS Änderungsanträge vorgelegt.

In der 16. Sitzung am 22. Februar 2001 hat der federführende Ausschuss den mitberatenden Ausschüssen für Inneres sowie für Recht und Verfassung mit 7 : 2 : 0 Stimmen empfohlen, den Gesetzentwurf in der Fassung dieser vorläufigen Beschlussempfehlung anzunehmen.

Der Ausschuss für Inneres hat über die vorläufige Beschlussempfehlung des zeitweiligen Ausschusses in der 40. Sitzung am 7. März 2001 beraten und empfiehlt, die Beschlussempfehlung unverändert anzunehmen. Der Ausschuss für Recht und Verfassung hat in der 32. Sitzung am 8. März 2001 über die vorläufige Beschlussempfehlung beraten. Auch er empfiehlt die Annahme in unveränderter Fassung.

In der 17. Sitzung am 15. März 2001 hat der zeitweilige Ausschuss unter Berücksichtigung weiterer Änderungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS abschließend über den Gesetzentwurf der Landesregierung beraten und mit 6 : 2 : 0 Stimmen eine Beschlussempfehlung abgegeben. Die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf sind aus der Ihnen vorliegenden Drucksache ersichtlich.

Der vorliegende Gesetzentwurf schafft wichtige Rechtsgrundlagen für die Verwaltungs- und Kommunalreform in Sachsen-Anhalt. Nachdem mit dem Ersten Vorschaltgesetz im Wesentlichen die für eine Reform notwendigen Änderungen der Gemeindeordnung sowie der Landkreisordnung vorgenommen wurden, regelt das Zweite Vorschaltgesetz die Grundlagen der Gebiets- und Funktionalreform in programmatischer Hinsicht.

Die wesentlichen Eckpunkte im Zweiten Vorschaltgesetz zur Verwaltungsmodernisierung und Kommunalreform sind:

Erstens. Die Umorganisation der allgemeinen Landesverwaltung zur Abschaffung der drei Regierungspräsidien bis zum 31. Dezember 2004 und die Bildung eines Landesverwaltungsamtes, das die nicht kommunalisierbaren Aufgaben der allgemeinen Verwaltung für das ge

samte Land wahrnimmt, die einer Koordinierung bzw. Bündelung bedürfen. Dem Landesverwaltungsamt sollen die zentral zu erledigenden Serviceaufgaben der Landesverwaltung übertragen werden.

Zweitens. Reduzierung der oberen Landesbehörden bis zum Ablauf des 31. Dezember 2004 auf höchstens neun und Reduzierung der unteren Landesbehörden um mindestens ein Drittel.

Drittens. Weitgehende Erledigung von Landesaufgaben durch leistungsfähige Kommunen. Von einer entsprechenden Leistungsfähigkeit wird in der Regel ausgegangen: bei kreisfreien Städten und Landkreisen, wenn die Einwohnerzahl bei mindestens 150 000 liegt, bei Gemeinden, die nicht Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft sind, wenn die Einwohnerzahl mindestens 7 000 erreicht, bei Verwaltungsgemeinschaften, wenn die Einwohnerzahl ihrer Mitgliedsgemeinden insgesamt mindestens 10 000 erreicht, wobei jede Mitgliedsgemeinde eine Mindesteinwohnerzahl von 1 000 erreichen soll.