Protocol of the Session on March 2, 2001

Wir führen nicht das erste Mal in diesem Hause eine Debatte über die Drogenpolitik; denn zu Beginn dieser Legislaturperiode gab es bereits einen Antrag der CDUFraktion für ein ziemlich repressives Sofortprogramm gegen den ansteigenden Drogenkonsum in SachsenAnhalt. Schon damals wurden die unterschiedlichen Herangehensweisen der im Landtag vertretenen Fraktionen bei der Drogenpolitik sehr deutlich. Trotz der steigenden Zahl von Süchtigen und Drogenabhängigen sowie eines kontinuierlichen Anstiegs der Zahl von Cannabis-Konsumenten ist bei der CDU immer noch kein Umdenken in der Drogenpolitik in Sicht.

Auch der nunmehr vorliegende Antrag zielt stringent auf Verbote, Ausgrenzung und Kriminalisierung von betroffenen Personen. Alle Zahlen und Statistiken belegen jedoch, dass diese bisherige Strategie, falls es tatsächlich eine gewesen sein sollte, in der Drogenpolitik in eine Sackgasse geführt hat. Durch die bisherige vorrangig stringent repressive Politik ist der Drogenkonsum nicht gesunken, sondern kontinuierlich weiter angestiegen. Bundesweit verzeichnen wir - wie den Meldungen gestern und vorgestern zu entnehmen war - einen neuen Höchststand seit 1993.

Diese Drogenpolitik kann daher meiner Ansicht nach nur als gescheitert betrachtet werden. In dem CDU-Antrag steht nichts weiter drin, als dass alles so bleiben soll, wie es ist. Für uns kann dies nun wirklich keine akzeptable Lösung sein.

Nun gab es bekanntermaßen die Aktion der PDS in Hessen, wo mit einer ziemlich provokanten und auch für unsere Begriffe missverständlichen Überschrift agiert wurde. Ich will aber nochmals betonen, dass erstens niemand gefordert hat, Haschisch an den Schulen anzubieten - das steht dort auch eindeutig so drin -, und dass es zweitens auch in anderen Parteien ähnliche Aktionen gab, worauf es allerdings noch nie einen CDU-Antrag als Reaktion gab.

(Zurufe von Herrn Schulze, CDU, und von Herrn Scharf, CDU)

So hatten die Jusos Hanfsamen an Schulen verteilt, die Jungen Liberalen - bekanntermaßen die Jugendorganisation der FDP - starteten in Schleswig-Holstein eine sehr offensive Aktion zur Legalisierung von Cannabis. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich die Homepage der Jungen Liberalen anzusehen. Die CDU-Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main Petra Roth forderte in der „taz“ Heroin vom Staat.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Aber das ist nun eine ganz andere Sache!)

Laut meinem geografischen Verständnis, Herr Bergner, liegt Frankfurt am Main auch in Hessen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist nun ein ganz an- derer Ansatz gewesen!)

- Herr Schulze hat sich vorhin strikt gegen eine ärztlich kontrollierte Heroinabgabe ausgesprochen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Nein!)

- Doch, das hat er wortwörtlich gesagt.

(Beifall bei der PDS)

Was ich deutlich machen will, ist, dass es durchaus unterschiedliche Herangehensweisen von verschiedenen Parteien und in verschiedenen Bundesländern gibt - Frau Ministerin Kuppe hat das auch betont - und die halte ich auch für legitim.

Wir müssen in Sachsen-Anhalt zu Lösungen kommen, wie wir drogenpolitische Probleme in den Griff bekommen und vor allem wie wir Süchtigen helfen wollen und wie wir es schaffen wollen, Drogenkonsumentinnen und -konsumenten nicht länger gesellschaftlich auszugrenzen und zu kriminalisieren.

(Zustimmung bei der PDS)

Ich will nur kurz sagen, welche Vorteile wir in einer solchen Entkriminalisierung sehen. Bei einer Entkriminalisierung würden die Konsumentinnen und Konsumenten aus einer kriminellen Ecke herausgeholt werden. Damit wäre eine gesellschaftliche Ausgrenzung weit weniger möglich. Eine kontrollierte Abgabe würde auch eine Kontrolle über den Inhalt und die Reinheit der Stoffe ermöglichen.

Herr Schulze, nehmen Sie es mir nicht übel, aber das, was Sie gesagt haben, nämlich dass eine Kontrolle nur möglich ist, wenn die Stoffe illegal sind, ist in meinen Augen kompletter Nonsens.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Dr. Nehler, SPD, und von Herrn Tögel, SPD)

Schauen Sie sich einmal sämtliche Alkoholverbote an, die bisher in anderen Staaten ausgesprochen worden sind, und wohin diese Politik dort geführt hat.

Die jetzige Illegalisierung von Cannabis verhindert jede Art von Stoffanalyse und ebenso die Anwendung im medizinischen Bereich. Unter den Bedingungen der Kriminalität sind weder Substanzkontrollen noch eine glaubwürdige Informationspolitik und Prävention möglich.

Des Weiteren würde man durch eine Legalisierung auch dem illegalen Drogenmarkt teilweise den Boden entziehen. Der Umsatz des illegalen Marktes würde sich verringern und in der Folge würde es dann logischerweise auch weniger Dealer geben. Außerdem wäre dann die Drogenpolitik auch insgesamt glaubwürdiger; denn nur eine realitätsbezogene Aufklärung kann potenzielle Konsumentinnen und Konsumenten von harten Drogen fernhalten.

Wenn sich eine differenzierende Bewertung in Strafrecht und Aufklärung durchgesetzt hat, ist der Kampf gegen harte Drogen leichter zu führen. Man kann dann auch offensiver erklären, welche Wirkungen, Risiken und Nebenwirkungen der Konsum von Alkohol und Nikotin hat.

Im Übrigen ist dies alles schon einmal vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Das Gericht hat am 28. April 1994 entschieden, dass bei einem Besitz kleiner Mengen von Cannabis aufgrund von verfassungsrechtlichen Bedenken eine Strafandrohung nicht mehr umgesetzt werden sollte. Das Gericht hat in seinem Urteil ausführlich dargestellt, dass Cannabis keine körperlichen Abhängigkeiten hervorruft und keine Toleranzbildung bewirkt. Ferner stellt das Gericht fest, dass die Theorie von Cannabis als Einstiegsdroge von der Wissenschaft überwiegend abgelehnt wird.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Aber das ist jetzt eine sehr einseitige Auslegung des Haschischurteils des Bundesverfassungsgerichts!)

- Das müssen Sie einfach nur nachlesen, Herr Bergner. Das steht da eindeutig so drin.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ich habe es gelesen!)

Es gibt ein exzellentes Gutachten dazu und erst daraufhin hat das Land Sachsen-Anhalt durch das Justizministerium Regelungen erlassen, nach denen bei Geringstmengen vonseiten der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt werden und dieses auch im Wiederholungsfall gilt. Dafür war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Grundlage.

Kollege Stefan, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Heiterkeit bei der PDS - Herr Gallert, PDS: „Kol- lege Stefan“ hast du gesagt!)

Ich komme sofort zum Schluss. - Herr Bergner, wir können das auch gern weiter ausdiskutieren. Ich kann Ihnen nur empfehlen, unseren Antrag anzunehmen und eine Anhörung im Ausschuss durchzuführen. Ich denke, dass wir dann auch dazu kommen, das Thema weniger emotionsgeladen und sachlicher zu verhandeln. - Besten Dank.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Fischer, Leuna, SPD, und von Herrn Meinecke, SPD)

Ich will zur Vorsicht den Namen vollständig aussprechen: Kollege Stefan Gebhardt.

(Heiterkeit bei der PDS - Zuruf von Herrn Gallert, PDS)

Für die DVU-FL spricht der Abgeordnete Herr Buder.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jugendliche, die Drogen nehmen, sollten wissen, dass sie dadurch in gewissem Sinne einer Gehirnwäsche unterliegen. Welchem Einfluss sie auch immer unter dem Drogeneinfluss ausgesetzt sind, er kann sie für den Rest ihres Lebens prägen.

Wenn die PDS das nicht glauben will, Frau Paschke kann Ihnen dazu besser Auskunft geben. Ich betone das nicht umsonst, sind uns allen doch die jüngsten Töne der PDS zur Legalisierung der Einstiegsdroge Cannabis bekannt. Der hessische PDS-Vorschlag zur Legalisierung von Suchtmitteln, also von „Haschisch an die Schule“ nach dem Motto „Für ein Recht auf Rausch“ muss auf das Schärfste verurteilt werden.

Das Resultat dieser Appelle ist keinesfalls befriedigend. Das nun vorliegende Suchtbuch 2001 der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren stimmt mehr als nachdenklich. Von illegalen Drogen sind in der Bundesrepublik 150 000 Menschen direkt abhängig. Im Jahr 1999 haben rund 300 000 Menschen so genannte harte Drogen konsumiert. Nach Angaben der Hauptstelle wird die Zahl der Drogentoten mit 1 812 beziffert. Das sind Zahlen, meine Damen und Herren, die erschrecken.

Fest steht, der überwiegende Teil der heutigen Drogensüchtigen hat seine Drogenkarriere im Kindes- und Jugendalter mit so genannten weichen Drogen begon

nen, diese systematisch gesteigert und anschließend die Kontrolle darüber verloren.

Meine Damen und Herren! Kinder und Jugendliche sind in der Persönlichkeitsstruktur viel weniger als Erwachsene in der Lage, Sucht auslösende Verhaltensmuster zu erkennen und konsequent zu vermeiden. SachsenAnhalts Innenminister Herr Püchel konstatierte dazu:

„Insgesamt sind im vergangenen Jahr mehr als 33 000 Kinder und Jugendliche ermittelt worden, die an Raubdelikten, Sachbeschädigungen, Drogenhandel und Diebstählen beteiligt waren.“

Und weiter:

„Deutlich über dem statistischen Querschnittswert zeigt sich die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Bereich der Rauschgiftkriminalität. Rund zwei Drittel von ihnen sind jünger als 21 Jahre. Jüngsten Erhebungen zufolge liegt die Steigerung im Cannabisbereich bei Kindern sogar bei 500 %.“

Auch diese Zahlen verdeutlichen, dass es höchste Zeit ist, um gegen jede Art von Drogenbesitz und Drogenhandel vorzugehen. Wir stimmen dem Antrag der CDU zu. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der DVU-FL)

Kollege Bischoff hat jetzt für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Drogen und Suchtverhalten wurde im Landtag und auch in den Ausschüssen schon oft thematisiert. Ausgangspunkt des CDU-Antrags war die Aktion der PDS in Hessen, von deren Überzeichnung - das muss man fairerweise auch sagen - und öffentlicher Debatte sich die PDS hierzulande in einigen Dingen distanziert hat.

Aber die Forderung nach Legalisierung oder nach Herausnahme aus dem Betäubungsmittelgesetz ist aus unterschiedlichen Gründen falsch.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Auch wenn wir die Forderung nach Entkriminalisierung teilen und das Absehen von Strafverfolgung bei geringfügigen Mengen bei den Konsumenten von Cannabis bzw. weichen Drogen befürworten - der Schritt zur Legalisierung ist uns zu weit.