Protocol of the Session on January 26, 2001

- Wollen wir uns jetzt über das Thema unterhalten oder wollen Sie sich über irgendetwas aufregen? Dann kann ich gern so lange warten.

(Unruhe bei der CDU - Herr Dr. Daehre, CDU: Unverschämtheit!)

Die EU-Verträge, die die Grundlage für die Prüfverfahren sind, sind schon vor einiger Zeit gemacht worden. Darin sind auch die Spielräume festgelegt worden. Das sollte bei der ganzen Diskussion, Herr Gürth, vielleicht immer wieder Berücksichtigung finden.

Wir haben einen Änderungsantrag erarbeitet, weil wir ihn für durchaus korrekt halten, und zwar für korrekter als den Antrag, den Sie gestellt haben, mit dem Sie vielleicht das Gleiche wollen.

Der Bericht im Ausschuss umfasst natürlich auch die Einflussnahmen und die Einflussmöglichkeiten, die die Landesregierung in diesem Prozess hat. Das wissen Sie so gut wie ich. Ich bin allerdings dagegen, so etwas in populistischer Weise in einen Antrag aufzunehmen, zumal noch wesentlich mehr in einen solchen Bericht aufgenommen werden kann.

Es ist in der Tat auch so, dass wir entsprechend Ihren Vorstellungen über den Zeitraum reden wollen, der mit der Einleitung der Prüfungen begonnen hat; denn ich glaube kaum, dass Sie großes Interesse daran haben, über die Zeit davor zu reden.

Ich brauche nicht zu wiederholen, was Herr Dr. Süß gesagt hat. Den Passus kann ich aus meiner Rede streichen. Die Fehler, die gemacht worden sind, lagen in den Anfangsjahren der deutschen Wiedervereinigung. Die Dinge sind vielleicht mit guter Absicht, aber trotzdem falsch gemacht worden. Vielleicht sind sie auch mit anderen Absichten geschehen und bewusst falsch gemacht worden. Darüber streite ich mich mit Ihnen heute nicht.

Die Fehler, die wir im deutschen Einigungsprozess gemacht haben, können wir jetzt nicht auf die EU schieben; denn die Zweit- und Drittprivatisierungen, die notwendig geworden sind und die diese Prüfverfahren zum jetzigen Zeitpunkt nach sich ziehen, in einer Zeit, in der wir den Anfangsbonus verspielt haben - in den Anfangsjahren war die Europäische Kommission viel offener, was die Privatisierungen angeht -, sind die Ursache dafür und nicht die Europäische Kommission. Diese eignet sich an dieser Stelle nicht als Prügelknabe.

Ich gebe Ihnen in Folgendem Recht: Wenn es im Verfahren Verlängerungen gibt, die die jetzt mögliche Form der Privatisierung infrage stellen, die in Verfahrenswegen, in Arbeitswegen begründet sind und die in der Europäischen Kommission beeinflussbar sind, dann muss die Bundesrepublik Deutschland, das heißt zunächst der Bund und in dem Zusammenhang natürlich auch das Land, in der Mitarbeit darauf hinwirken, dass das konzentriert gemacht wird.

Wir wissen aber, dass dies getan wird. Wir waren mit dem Ausschuss dort. Wir waren bei der Europäischen Kommission; wir haben mit den Leuten direkt diskutiert. Uns ist ziemlich deutlich klar gemacht worden, welches kleine Rädchen ein Landesparlament - -

(Zuruf von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

- Ich weiß, Herr Dr. Sobetzko, Sie haben in der Europäischen Kommission besondere Gönner und nur dadurch ist die Privatisierung möglich geworden. Ich finde es in Ordnung, dass Sie sich so

(Zuruf von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

für einen Betrieb in Ihrer Region engagieren, dass Sie bei der EU Gehör finden und dass dort mit Abgeordneten aus dem Parlament geredet wird. Man sollte sich jedoch nicht überschätzen.

Dass wir dort mit einem Fingerschnippen großen Einfluss nehmen könnten, wie Sie das in Ihrem Antrag suggerieren, das halte ich nicht für möglich. Uns ist ziemlich deutlich klar gemacht worden, was in diesem Prozess überhaupt möglich ist. In diesem Rahmen möchte ich auch gern die Diskussion im Ausschuss halten.

Ich gebe Ihnen darin Recht, Herr Gürth, dass das deutsche Insolvenzrecht bei der Europäischen Kommission Beachtung und Berücksichtigung finden sollte und dass der Landtag dazu durchaus eine Position beziehen kann. Das kann man - wie wir es schon oft getan haben - der Europäischen Kommission mitteilen. Das sollte vielleicht im Ergebnis des Diskussionsprozesses ganz konkret und nicht populistisch nach dem Motto erfolgen: Die Landesregierung soll hier einmal berichten, was sie noch besser machen kann; denn sie ist daran schuld, dass die Verfahren so lange dauern. - Darüber sollte im Ausschuss diskutiert werden, also, wie Herr Dr. Süß sagte, an anderer, geeigneter Stelle.

Wenn wir dann einige ganz konkrete Punkte finden, dann wissen wir genau, dass wir die Möglichkeit haben, einen Antrag, den alle Fraktionen tragen, den mehrere Abgeordnete unterschreiben werden, wie wir es bei anderen Dingen auch schon getan haben, und zwar im Nachgang zu einer wiederholten inhaltlichen Debatte, im Landtag zur Beschlussfassung zu bringen und damit nicht nur die Landesregierung aufzufordern, sondern selbst eine fundierte Position des Landtages in einen Beschluss zu fassen und an die Europäische Kommission weiterzuleiten. Auch wenn ich nicht glaube, dass es große Auswirkungen hat, so helfen doch manchmal kleine Steine, die einen großen ins Rollen bringen. - Vielen Dank.

Frau Budde, der Abgeordnete Herr Dr. Daehre hat eine Frage. Möchten Sie diese beantworten? - Bitte, Herr Dr. Daehre.

Frau Kollegin Budde, die Diskussion über das Plakat ist in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht völlig unangemessen. Ich finde das Plakat nicht in Ordnung. Ich würde es auch nicht kleben. Das möchte ich zunächst klarstellen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Jetzt kommt das, was ich eigentlich sagen möchte, Frau Budde. Wir erwarten von der SPD, dass sie sich von diesem Plakat distanziert,

(Der Redner hält ein Plakat hoch)

auf dem CDU-Politiker hinter Gittern dargestellt werden. Darunter steht: „Bandenkriminalität bekämpfen“. Ich erwarte von Ihrer Seite die klare Aussage, dass Sie sich von diesen Plakaten genauso distanzieren. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Herr Daehre, wenn Sie nicht in den anderen Debatten so unangemessen über die europäische Problematik geredet hätten, dann hätte ich mich sicherlich nicht dazu verleiten lassen, diesen Einstieg in meine Rede zu benutzen. Wenn es ein solches Plakat der SPD gibt, das

ich nicht kenne - es wird sicherlich stimmen, wenn Sie es hier hochhalten -, dann finde ich das genauso nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Gürth. Bitte, Herr Gürth.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss bedauerlicherweise zunächst Ihr Kompliment zurückweisen, Frau Budde.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

Es ehrt mich natürlich, dass Sie sagen, ich hätte die Debatte um die EU-Themen versachlicht. Wenn Sie aber gleichzeitig unterstellen, dass die CDU-Redner bei den vorangegangenen EU-Themen unsachlich geredet haben, dann ist das definitiv falsch. Ich finde, Herr Dr. Sobetzko hat heute Morgen eine der besten Reden zu diesem Thema in diesem Hause gehalten. Sie hat wesentlich mehr Substanz gehabt als das, was der Ministerpräsident gesagt hat.

(Beifall bei der CDU)

Es war bei einem solchen wichtigen Thema - Europa, Nizza und die Folgen für die Menschen, die in Europa wohnen - äußerst beschämend, dass der Ministerpräsident sich während der Debatte demonstrativ hinsetzt und Zeitung liest. Das ist ein unfairer und fieser Umgang mit dem Parlament und dieses Hauses nicht würdig.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Zu dem Engagement von Abgeordneten: Ich glaube, es ist dem Hause nicht angemessen, dass wir uns gegenseitig abqualifizieren. Herr Dr. Sobetzko - Sie haben ihn persönlich angesprochen - hat es nicht verdient, dass man ihn hier lächerlich macht. Er hat wie kein Zweiter um den Kranbau Köthen gekämpft. Er war so oft in Brüssel. Er hat sich enorm engagiert. Es gibt viele, die sich engagiert haben. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir versuchen, Leute, die sich engagieren, lächerlich zu machen.

(Frau Budde, SPD: Das habe ich nicht getan!)

Das Verdienst von Herrn Dr. Sobetzko hätte gewürdigt werden müssen.

(Beifall bei der CDU)

Eine weitere Richtigstellung. Ich hatte das Gefühl, hier lag ein Antrag vor, dem man fraktionsübergreifend hätte zustimmen können. Man hat es aber nicht getan, weil man ein Haar in der Suppe gesucht hat. Es ging nicht darum - der CDU schon gar nicht -, die EU zu verunglimpfen. Es ging nicht um das EU-Beihilferecht, das schon vor Jahren beschlossen worden ist. Dazu steht die CDU.

Es geht um die Auslegung des EU-Beihilferechts und darum, wie es in den letzten Jahren praktiziert wird. Wir müssen nicht das Beihilferecht auf europäischer Ebene ändern, sondern wir müssen die Praxis anschauen. Diese muss sich verändern, damit in Sachsen-Anhalt nicht Jobs gefährdet werden.

(Beifall bei der CDU)

Uns geht es um zwei ganz konkrete Punkte. Artikel 88 Abs. 2 und 3 des EG-Vertrages; das betrifft die Beihilfefälle und die Hauptprüfverfahren. Aus der Sicht der Opposition müssen diese beiden Positionen des EGVertrages gar nicht geändert werden. Das Beihilferecht ist in Ordnung. Es schützt die Schwachen in der EU. Lediglich die Praxis, dass ein solches Verfahren auf solcher Rechtsgrundlage inzwischen im Regelfall zwei Jahre dauert und Firmen, nicht weil sie zu Unrecht Geld bekommen haben, weil sie zu Unrecht mit Steuergeldern unterstützt wurden, sondern weil die Verfahren so lange dauern, ins Trudeln geraten, ist nicht in Ordnung und das müssen wir verändern.

Ein weiterer Punkt. Entweder war es ein Denkfehler oder es war eine Unterstellung. Es wurde gesagt, im Antrag der CDU-Fraktion sei zu wenig Konkretes. Herr Dr. Süß hat das moniert und gesagt, dass die Formulierung „andere geeignete Stellen“ nicht untersetzt worden sei. Man hätte sie untersetzen können. Ich kann eine ganze Liste vortragen, Herr Dr. Süß. Frau Budde hat ähnlich argumentiert.

Wenn Sie jedoch kritisieren, dass im Antrag der CDUFraktion, der wesentlich länger ist als der kurze Änderungsantrag der SPD, zu wenige Details stehen, dann frage ich mich, warum Sie von den wenigen Details noch einige herausstreichen. Das hat doch überhaupt keinen Sinn. Warum wollen Sie in dem Antrag der CDU die Passage streichen, in der die Landesregierung aufgefordert wird, über Art und Umfang der Einflussnahme der Landesregierung im Ausschuss zu berichten?

Wenn der Wirtschaftsminister sagt, er habe sich darum bemüht, dann kaufe ich ihm das ab. Dann bin ich daran interessiert, dass die Landesregierung im Ausschuss darstellt, was sie an welcher Stelle wie versucht hat zu ändern. Vielleicht können wir dabei mithelfen und den Druck erhöhen. Warum wollen Sie diese Passage in dem Antrag streichen?

Wieso wollen Sie eigentlich angesichts der rund 7 000 Arbeitsplätze, die in Sachsen-Anhalt aufgrund der Beihilferegelung gegenwärtig von einem Prüfverfahren bei der Europäischen Union betroffen sind, die Passage in unserem Antrag streichen, dass die Verfahren gestrafft werden müssen, damit es nicht mehr allein durch die lang andauernden Prüfverfahren, unabhängig vom Ausgang, zu einer Gefährdung von Arbeitsplätzen in Sachsen-Anhalt kommt? Ich dachte, das ist Ziel aller hier im Hause. Warum wollen Sie das in dem Antrag streichen? Das ergibt keinen Sinn.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Frau Bud- de, SPD)

Sie können nicht damit leben, dass das ein CDU-Antrag ist. Das ist unsachlich.

Meine Damen und Herren! Es wird wahrscheinlich in der Abstimmung eine Mehrheit für den SPD-Änderungsantrag geben. Das werden wir nicht verhindern können. Aber es gibt keinen sachlichen Grund dafür, Ihrem Änderungsantrag zuzustimmen.

(Frau Budde, SPD: Das könnte ich erklären, aber ich darf nicht mehr dazu reden!)

Ich appelliere noch einmal an dieses Haus: Stimmen Sie unserem Antrag zu. Nehmen Sie das Problem ernst. Wir sollten in dem zuständigen Fachausschuss sachlich mit diesem Thema umgehen.