Protocol of the Session on January 25, 2001

Viele Gespräche sind geführt worden, vieles wurde kritisiert. Vieles fand auch Eingang in die Vorlage. Die Möglichkeit, konstruktiv an dem Projekt teilzunehmen, hatten alle. Wenn es nicht genutzt worden ist, kann man hinterher auch nicht so schimpfen.

Die demografische Entwicklung stellt nun einmal enorme Ansprüche an die, die dieses Konzept erarbeitet haben, und an die sozialen Sicherungssysteme. Das ist hinlänglich bekannt. Ich denke, ich muss nicht mehr darauf eingehen. Die Ministerin und auch Frau Dirlich haben auf die damit verbundenen Probleme hinreichend hingewiesen.

Die Rentenreform ist ein spannendes und schwieriges Thema. Aber, wie gesagt, zum heutigen Zeitpunkt kommt die Diskussion zu spät. Viele Punkte in Ihrem Antrag, Frau Dirlich, sind in der Vorlage teilweise enthalten und abgearbeitet worden. Die Ministerin hat darauf hingewiesen.

So hat zum Beispiel Ihre Forderung Eingang gefunden, dass die betriebliche Altersversorgung in die staatliche Förderung mit einbezogen wird. Die Arbeitgeber steigen aus der Finanzierung eben nicht aus, wie Sie es in Ihrem ersten Punkt suggerieren wollen.

Des Weiteren wurde die Forderung erfüllt, dass bei dauerhafter Erwerbsminderung im Alter eigenständige Leistungen vorzusehen sind, sodass dieser Personenkreis eben nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist. Hinzu kommt, dass diejenigen, die bislang den Weg zum Sozialamt scheuten, weil ihre Kinder zur Finanzierung herangezogen worden wären, aufgrund der jetzt vorgesehenen bedarfsorientierten Grundsicherung nicht in

Armut leben müssen, sondern die Sozialhilfe in Anspruch nehmen können. Das ist ein wichtiger Wunsch, den auch ich hatte und der teilweise erfüllt worden ist.

Ferner wird das Rentenniveau früher als vorgesehen wieder an die Nettolohnentwicklung angepasst. Die Rente ist also an das Wachstum des gesellschaftlichen Wohlstands gekoppelt. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, der erfüllt worden ist.

Über die eigenständige Alterssicherung von Frauen können wir natürlich diskutieren. Auch ich persönlich hätte mir da mehr gewünscht. Aber die Entscheidungsfreiheit, die jetzt mit dem Einstieg in ein neues Splittingmodell gegeben ist, ist erst einmal gut. An dieser Stelle müssen wir weiterarbeiten; denn eine Änderung im Rentenrecht allein behebt nicht auch all die Diskriminierungen, die Frauen auf dem Arbeitsmarkt erleben müssen, die strukturellen Benachteiligungen, die es eben gibt. Die Frau Ministerin hat sehr ausführlich darauf hingewiesen.

Es muss Schluss damit sein, dass Frauen dafür, dass sie die Hauptlast der Erziehung und für den Fortbestand der Gesellschaft tragen, bestraft werden. Den Teufelskreis „kürzere Arbeitszeit, weniger Einkommen, weniger Rente“ muss ich an dieser Stelle nicht noch einmal anführen.

In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Rentenreform, wenngleich sie ein Kernstück des Wohlfahrtsstaates ist, nur ein Teil zur Lösung des Problems der zukünftigen sozialen Sicherung ist. Vielmehr müssen die Grundursachen benannt und vor allem beseitigt werden.

Neben der Massenarbeitslosigkeit, dem früheren Renteneintritt und der längeren Lebenserwartung ist vor allem die Überalterung der Gesellschaft das eigentliche Problem. Uns fehlen Kinder. Es gilt, dies als gesamtgesellschaftliche Therapie zu erkennen und zu betreiben im Sinne der Widerherstellung eines gesunden Altersaufbaus unserer Gesellschaft. Das muss durch eine bessere Familienpolitik geschehen. Ich denke, Anfänge sind dadurch gemacht worden, dass Kindererziehung wieder belohnt wird.

Das jetzt zu verabschiedende Gesetzeswerk schafft eine Grundlage für die zukünftige Alterssicherung. Ich meine, diese Grundlage ist erst einmal gut. Wir wollen daran weiterarbeiten. Ein Umdenken der Älteren und der Jüngeren hin zu einer privaten Mitversicherung ist meiner Ansicht nach gegeben. Lassen Sie uns alle daran weiterarbeiten.

Man sollte vielleicht den Antrag in den Ausschuss überweisen, damit wir nach Abschluss der Reform im Ausschuss weiterhin diskutieren und schauen können: Was ist erreicht und was nicht? Wo können wir neu ansetzen und weitere Forderungen formulieren?

(Beifall bei der SPD)

Kollegin Fischer, möchten Sie noch eine Frage von Frau Krause beantworten? - Frau Krause, bitte.

Ich habe nur die Frage, ob der von Frau Fischer noch nicht formulierte Antrag ein Änderungsantrag sein soll; denn das, was Sie gesagt haben, geht in eine völlig andere Richtung als der Antrag der PDS-Fraktion.

Wir können den Antrag gern in den Ausschuss überweisen. Ich meine, eigentlich ist er hinfällig, weil er einfach zu spät kommt. Wir können nach Abschluss der Reform im Ausschuss im Rahmen der Selbstbefassung darüber diskutieren, was erreicht ist und was nicht, und einen gemeinsamen Standpunkt erarbeiten. Das wäre meiner Meinung nach der bessere Vorschlag.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss schon wissen, worüber ich abzustimmen habe. Wünscht Ihre Fraktion eine Ausschussüberweisung? Ich habe über den Inhalt gar nicht zu befinden.

Wir hatten uns in der Fraktion auf eine Überweisung geeinigt.

Danke, das ist für mich eindeutig. - Für die DVU-FLFraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Brandt.

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Noch nie ist das Vertrauen der Rentnerinnen und Rentner sowie der Beitragszahler derart angegriffen worden, wie es in den letzten zwei Jahren unter der Schröder-Regierung der Fall war.

Die rot-grüne Koalition plant den massivsten Eingriff in das Sozialversicherungssystem in der Geschichte der Bundesrepublik. Mit einer völlig neuen Rentenformel und einer privaten Zusatzversorgung für das Alter beginnt der Angriff auf das paritätisch finanzierte Beitragssystem der gesetzlichen Rentenversicherung. Dieses Rentenkonzept ist ein weiterer Sozialbetrug an den Arbeit- nehmern und Rentnern sowie an deren Familien.

Zudem stellten Fachleute fest, dass das Rentenniveau von 68 % des letzten Nettoeinkommens nach dieser Reform nicht mehr gehalten werden könne. Das Rentenniveau künftiger Rentner wird drastisch niedriger liegen.

Fakt ist: Wenn diese vorgesehene Rentenreform der rotgrünen Bundesregierung Gesetz werden sollte, werden immer mehr Menschen im Alter arm sein. Besonders Frauen, die aufgrund der Kindererziehung zeitweise nicht berufstätig waren, aber auch Menschen, welche auf dem Arbeitsmarkt keine Beschäftigung gefunden haben, werden im späteren verdienten Ruhestand zu den Verlierern dieser Gesellschaft gehören.

Auch eine massive Kürzung der Witwenrenten ist von der rot-grünen Bundesregierung gleich mit vorgesehen worden. Dadurch werden besonders viele Frauen zum Sozialfall.

Außerdem wird mit diesem rot-grünen „Rentenverarmungsplan“ keine Generationengerechtigkeit hergestellt. Mit anderen Worten: Es ist mit einem drastischen Anstieg der Beiträge bei einem gleichzeitig sinkenden Rentenniveau zu rechnen.

Weiterhin ist von der Bundesregierung eine Besteuerung der Renten vorgesehen, was den heutigen und den künftigen Rentnern gegenüber ausgesprochen unsozial und unpopulär wäre.

(Unruhe)

Nach den Plänen der Bundesregierung soll sogar die vom Versicherungsnehmer angesparte private Altersvorsorge mit der für die Rentenanpassung und das Rentenniveau maßgeblichen Bezugsgröße verglichen und entsprechend abgezogen werden.

(Anhaltende Unruhe)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigen Sie bitte, ich muss unterbrechen. Das Volksgemurmel hat einen Status erreicht, den ich nicht mehr tolerieren kann. Ich bitte Sie, Ihre Gespräche außerhalb des Saales zu führen oder in Ruhe zuzuhören.

Ich danke, Frau Präsidentin. - Laut einem „Bild“-Artikel vom 17. Januar dieses Jahres musste Arbeitsminister Riester eine neue Rentenbroschüre einstampfen lassen, weil sie wegen permanenter Änderungen im Rentenrecht schon wieder veraltet war. Erst Anfang Dezember 2000 hatte der Minister davon 300 000 Stück für 129 000 DM drucken lassen. Nebenbei gesagt: Es handelt sich ja nur um 129 000 DM Steuergelder; da muss man nicht so kleinlich sein.

Was sagt uns das? - Hinter all diesen zusammengeschusterten und chaotischen Plänen dieser rot-grünen Bundesregierung steckt kein schlüssiges Konzept für die Stabilisierung unserer Sozialversicherung, sondern nur eine aktionistische Sparaktion zum Stopfen von Haushaltslöchern.

Es kann nicht angehen, dass unsere Menschen, die in Deutschland ihr Leben lang gearbeitet und Anspruch auf eine nach ihrer Lebensarbeit berechnete Rente haben, plötzlich eine Rente je nach Kassen- oder Wetterlage erhalten und damit letztendlich die Dummen sind. Der Wähler lässt grüßen.

Was noch keine Bundesregierung seit Bestehen dieser Republik geschafft hat bzw. schaffen wollte, nämlich ein Bruch des bestehenden Sozialsystems - denn das beabsichtigt die rot-grüne Schröder-Regierung auf dem Rücken von Rentnern, Arbeitslosen und Geringverdienern auszutragen -, droht Wirklichkeit zu werden.

Deshalb müssen alle demokratischen Kräfte in Deutschland kategorisch gegen diese Rentenpläne der Bundesregierung intervenieren, und zwar schnellstens, bevor es zu spät ist. Es muss von der Landesregierung, insbesondere von Herrn Höppner erwartet werden, dass er sich im Deutschen Bundesrat gegen diese geplante Rentenreform einbringt. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU-FL)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Professor Dr. Böhmer.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alles, was einleitend sowohl von Frau Dirlich als auch von Frau Ministerin Kuppe gesagt wurde, ist nicht neu.

(Zustimmung bei der CDU)

Seit mindestens Anfang der 90er-Jahre wissen wir, wenn immer weniger Kinder geboren und die Menschen

immer älter werden, wird das Rentensystem in der jetzigen Form nicht weiter funktionieren. Deshalb hat auch schon die frühere Bundesregierung mit einer Reformierung des Rentensystems begonnen.

Ich kann mich an mehr als halbjährige Diskussionsrunden erinnern, in denen all diese Probleme schon besprochen wurden und bei denen ein Konzept vorgelegt wurde, das klar gesagt hat: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Wir werden einen demografischen Ausgleich zwischen der jungen Generation und den Altersrentnern finden müssen. Das wird nicht von heute auf morgen zu machen sein, sondern sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Am Ende wird eine Rente herauskommen, die nicht mehr wie heute bei etwas über 70 %, sondern wahrscheinlich bei nur noch 64, 66 oder 67 % der bis zum Jahr 2030 zu erwartenden Nettolohnentwicklung liegen wird.

Alle diejenigen, die noch nicht völlig das Gedächtnis verloren haben, bitte ich darum, sich nur daran zu erinnern, mit welchen nahezu schamlosen Argumenten dies im Jahr 1998 im Wahlkampf wegdiskutiert wurde.

(Beifall bei der CDU)

Das war schlimmer als ein Sündenfall, was uns damals vorgeworfen wurde. Dann haben Sie angefangen, das Problem selbst zu lösen. Je mehr Sie sich dabei mit der Materie befasst haben, desto mehr wurde deutlich, viel anders geht es ja gar nicht. Man kann dieses oder jenes natürlich auch anders machen, aber an dem Prinzip kommen Sie nicht vorbei.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Es hat kaum einen Gesetzentwurf gegeben, der letztlich ein solches Nachbesserungserlebnis mitgemacht hat wie die Riester‘sche Rentenreformgesetzgebung.

(Beifall bei der CDU)

Von den Broschüren, die Mitte November gedruckt worden sind, war schon die Rede. Das war damals der Endpunkt der Entwicklung. Wenn Sie solch eine Broschüre heute zu lesen bekommen, dann werden Sie feststellen, dass kaum noch etwas von dem, was darin steht, zutrifft - und das innerhalb von sechs Wochen. So schnell ist die Entwicklung, wenn es darum geht, Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen.