Die Tarifautonomie ist ein Grundbestandteil unserer sozialen Demokratie, die es zu schützen gilt. Nur im Rahmen der Tarifverhandlungen haben Beschäftigte das Recht, über Mindeststandards ihrer Arbeitsbedingungen mitzuentscheiden. Die Tarifverträge ermöglichen dauerhafte Arbeitsbeziehungen, weil Unternehmen nicht ständig am Markt nach billigen Arbeitskräften suchen müssen, um die nächste Ausschreibung zu gewinnen. Nur damit kann die Qualität von Dienstleitungen und ihre Weiterentwicklung gewährleistet werden.
In diesem Sinne gibt die Tarifautonomie auch den Unternehmen Planungssicherheit. Sie dient damit der Sicherung des fairen Wettbewerbs und stellt gleiche Bedingungen her. Der Wettbewerb wird dann über die Qualität der Dienstleistungen geführt; ein Wettbewerb, von dem dann auch die Auftraggeber profitieren. Wer diese Werte anerkennt, darf nicht länger zusehen, wie ihnen der Boden entzogen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das Statistische Landesamt weist im dritten Quartal des Jahres 2000 ein Fehlen der saisontypischen Belebung im Bereich der Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe aus. Die Auftragsbestände lagen Ende September um 30 % unter dem Niveau des Vorjahres. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer im Baugewerbe ging zum 30. Juni 1999 gegenüber dem Jahr 1998 - eine aktuellere Zahl kann nicht vorgelegt werden - besonders krass um 9 000 Personen zurück.
Die Lage der Bauwirtschaft ist von einem extremen Wettbewerb gekennzeichnet. Durch rückläufige Auftragsvolumina, durch den Zustrom von Baukolonnen aus Niedriglohnländern, zumeist im nachunternehmerischen Bereich, und durch die Zunahme von Schwarzarbeit entsteht vor allem für kleine und mittelständische Baufirmen eine ruinöse Konkurrenz.
Der Druck erhöht sich durch die anwachsende illegale Beschäftigung. In Schätzungen wird von 400 000 bis 500 000 legalen und illegalen Billiglohnempfängern in der Bundesrepublik ausgegangen.
Auch dadurch werden soziale Schutzvorschriften und tarifliche Bestimmungen immer häufiger umgangen. Einerseits bieten Subunternehmer, die sich solcher Praktiken bedienen, Dumpingpreise an, andererseits spielen Generalunternehmer oder Generalübernehmer mittelständische bauausführende Unternehmen durch Preisdiktate gegeneinander aus und treiben sie in einen ruinösen Unterbietungswettbewerb, der die Firmen nicht einmal mehr die normalen Gestehungskosten erlösen lässt.
Der unfair gewordene Wettbewerb geht zulasten der Bauunternehmen, die sich an Gesetze und Tarifverträge halten; er wird auf dem Rücken der Bauarbeiter ausgetragen und kostet heimische Arbeitsplätze, was die Sozialkassen nicht unwesentlich zusätzlich belastet.
Angesichts des bedeutenden Umfangs öffentlicher Bauaufträge tragen die öffentlichen Auftraggeber erhebliche Verantwortung für einen geordneten und fairen Wettbewerb. Sie können durch wettbewerbspolitische Rahmenbedingungen, etwa vergaberechtliche Vorschriften bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge, der Tendenz des Lohn- und Sozialdumpings entgegenwirken.
Deshalb unterstützen wir den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge. Auch die PDS-Fraktion will, dass die öffentlichen Aufträge an zuverlässige Unternehmen vergeben werden, die nicht untertariflich bzw. illegal beschäftigen, die nicht gegen Arbeitsschutzbestimmungen verstoßen und die Steuern und Abgaben in dem gesetzlich vorgeschriebenen Maße leisten.
Ich komme zum Schluss. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, dass natürlich die Länder Bayern, Bremen, Thüringen und das Saarland bereits ein Vergabegesetz in diesem Jahr verabschiedet haben, und bitte um die zusätzliche Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen im Land SachsenAnhalt ist im Grunde genommen nicht erforderlich. Die SPD-Fraktion will das Rad ein zweites Mal erfinden. Denn es existiert seit Jahrzehnten eine bundesweite VOB, das heißt Verdingungsordnung für Bauleistungen, die sich bis heute sehr gut bewährt hat.
Zum einen müssen natürlich sozialpolitische Kriterien sowie Umweltschutzvorschriften und Bestimmungen gegen Schwarzarbeit, wie in § 2 des SPD-Entwurfs genannt, eingehalten und überwacht bzw. kontrolliert werden. Das ist jedoch nicht neu, werden doch bereits jetzt besondere Großbaustellen durch Arbeitsämter und andere staatliche Institutionen überprüft. Zum anderen verletzt es aber wohl die Persönlichkeitsrechte bzw. den verfassungsmäßig garantierten Datenschutz eines jeden Arbeitnehmers ganz entschieden, wenn er, wie von der SPD gefordert, seine persönlichen Daten zum Abgleich dem Auftragnehmer zur weiteren Verfügung durch den Auftraggeber bereitstellen muss.
Wir müssen deshalb aber nicht schon wieder neue Dschungelgesetze mit neuen, vielfältigen und zum Teil unverständlichen Bestimmungen schaffen; vielmehr müssen die vorhandenen und bewährten Instrumentarien nur konsequenter genutzt werden. Nach unseren Vorstellungen sollte demjenigen Auftragnehmer bei Bauleistungen der Vorzug gegeben werden, der das effektiv wirtschaftlichste Angebot unterbreitet. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass er das billigste Angebot abgegeben haben muss. „Billig“ suggeriert Billiglöhne, sprich Lohndumping. Genau das sehen wir in diesem SPDGesetzentwurf als gegeben an.
Der Präsident des Landesverbandes der Bauindustrie Wilfried Peter sprach deutliche Worte. Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis:
„Die Lage in der Bauwirtschaft Sachsen-Anhalts wird immer dramatischer. Auftragseingänge und Umsätze gehen drastisch zurück. Die Zahl der Pleiten steigt, die der Bauarbeiter geht zurück. Für das Jahr 2001 müsse mit einer weiteren Abwärtsbewegung gerechnet werden.“
Auch einem Bericht der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 1. November dieses Jahres zufolge erhält das Wirtschaftsministerium in Magdeburg für seine Arbeit von der Unternehmerschaft des Landes keine gute Beurteilung. Aber das ist auch nichts Neues und verwundert niemanden mehr. Fest steht: In einem Land, dem in allen möglichen Bereichen der Entwicklung das Attribut „Schlusslicht“ angehängt wird, stehen wohl auch die Unternehmer den politisch Handelnden skeptischer gegenüber als anderswo.
Um es auf den Punkt zu bringen: Dieser SPD-Gesetzentwurf setzt keine positiven Signale für unser Land und geht fatalerweise in die falsche Richtung. Öffentliche Aufträge sind daher weiterhin ausschließlich nach den Kriterien zu vergeben, die die Verdingungsordnung für Bauleistungen vorsieht. Wir lehnen den vorliegenden Gesetzentwurf ab.
Vielen Dank. - Herr Metke wünscht noch einmal das Wort. Sie müssen nicht, aber Sie dürfen. Bitte, Herr Metke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch einmal kurz auf das eingehen, was Herr Dr. Daehre angesprochen hat.
Ich finde es ein wenig schade. Herr Dr. Daehre, ich hatte den Eindruck, dass wir damals in der Debatte im April des vergangenen Jahres schon ein Stück weiter waren. Von daher finde ich es schade, dass Sie sich an dieser Stelle verweigern.
Ich will auch noch einmal auf das eingehen, was hier bezüglich der Kritik der Bauwirtschaft gesagt wurde. Die Gespräche, die wir und ich geführt haben, waren eigentlich sehr konstruktiv.
Die Kritik der Bauwirtschaft richtet sich im Kern darauf: Dieses Vergabegesetz allein reicht nicht aus;
wir brauchen darüber hinaus weitere Maßnahmen, was die Vergabestellen angeht. - Das kann man, glaube ich, auch nur unterstreichen; das sehen wir ähnlich.
Deshalb habe ich versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen dem, was wir im Gesetzentwurf vorschlagen, und dem, was Niedersachsen mit dem Erlass vom September gemacht hat. Es geht nämlich darum, hier zu einer Kombination beider Möglichkeiten zu kommen.
Das wäre dann in der Tat eine Möglichkeit, ein wirksames Gesetz zu schaffen, das angewandt und letztlich auch kontrolliert werden kann.
Ich will es noch einmal deutlich sagen: Ich denke, dass wir mit dem Instrument der Tariftreue tatsächlich eine Möglichkeit schaffen, mit der wir wieder zu einem fairen Wettbewerb in der Bauwirtschaft in diesem Lande gelangen. Wenn das alles wirklich so wunderbar geregelt wäre, dann hätten wir jetzt nicht die Situation, die auch Sie deutlich beschrieben haben und die auch die Bauwirtschaft beschrieben hat.
In einem Punkt, Herr Dr. Daehre, kann ich Sie beruhigen, nämlich was die datenschutzrechtlichen Regelungen angeht. Darüber haben wir in der Tat vorher mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz Herrn Kalk diskutiert. Ich will es einmal salopp sagen: Er hat sie sich angesehen und hat deutlich gesagt, dass sie, so wie sie formuliert sind, „wasserdicht“ sind. Das heißt, in dieser Frage werden wir keine Probleme bekommen.
Herr Dr. Daehre, ich zähle einfach darauf, dass wir in den Ausschussberatungen auch Sie noch werden überzeugen können. Dann, denke ich, haben wir eine gute Ausgangsposition für die Bauwirtschaft und die Arbeitnehmer in unserem Land. - Vielen Dank.
Herr Kollege Metke, mich brauchen Sie nicht zu überzeugen; ich habe meine Position dargelegt. Überzeugen Sie doch zuerst einmal Ihre eigenen SPD-Kollegen in diesem Bereich. Ich habe den Eindruck, dass da viel mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Oder sehen Sie das anders?
Das sehe ich anders. Ich habe mir das auch als Stichwort notiert, weil Sie gesagt haben, der Gesetzentwurf sei umstritten. Wenn Sie dabei auf das Abstimmungsergebnis bezug nehmen, das in der „MZ“ veröffentlicht worden ist, dann weiß ich nicht, ob drei Gegenstimmen dafür sprechen, dass er umstritten ist. Wenn Sie das sozusagen zur Messlatte für Ihr eigenes Handeln in der CDU-Fraktion machen würden, dürften Sie wahrscheinlich in den Landtag gar nichts mehr einbringen. - Schönen Dank.
Beantragt war die Überweisung in insgesamt sechs Ausschüsse. Ich frage Sie, ob Sie dazu bereit sind, über die Überweisung in die sechs genannten Ausschüsse insgesamt abzustimmen. Die Federführung soll beim Aus
schuss für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten liegen. - Wenn Sie damit einverstanden sind, dann kommen wir jetzt zur Abstimmung.
Wer der Überweisung in die genannten Ausschüsse mit der genannten Federführung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist bei einer großen Zahl von Gegenstimmen eindeutig so beschlossen. Es wären auch nur 24 Stimmen erforderlich gewesen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 13 abgeschlossen.