Protocol of the Session on December 15, 2000

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Rehhahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grunde genommen hat der Finanzminister eine ganze Menge gesagt; Herr Bergner, Sie haben es sicher auch mitgeschrieben. Er hat an Beispielen darzustellen versucht, dass diese Regelung gerade für die niedrigen Besoldungsgruppen gar nicht so schlecht ist.

Dass Sie, Frau Rogée, als Interessenvertreterin in dieser Weise Ihren Redebeitrag aufbauen würden, hatte ich fast erwartet. Ansonsten hätte sicher Ihr Nachbar versucht, diese Dinge aus fiskalischer Sicht darzulegen.

Da ich dies aus fiskalischer Sicht sehe, möchte ich Sie, Herr Bergner, gleich zu Anfang fragen: Ist Ihnen noch in Erinnerung, dass damals, als Ihre Partei in Bonn die Verantwortung trug, eine ähnliche Regelung bei den Beamten schon einmal durchgeführt wurde? Sicher haben Sie das bei den Recherchen erfahren. Wenn nicht, dann lassen Sie sich das noch einmal vortragen.

Wir machen hierbei nichts Neues. Hierbei wird auch nicht das Rad ein zweites Mal in Sachsen-Anhalt erfunden, sondern es wird etwas getan, was in der Richtung eine gewisse Tradition hat und was nicht sozial unverträglich ist. Deswegen sehe ich gerade in der Richtung Ihren Antrag als etwas populistisch an.

Wir haben gestern den Haushalt des Jahres 2001 mit Mehrheit verabschiedet. An dieser Stelle muss noch einmal daran erinnert werden, dass sich dieser Etat bei den Personalkostenveranschlagungen vom Entwurf der Landesregierung um rund 44 Millionen DM unterscheidet. Es stehen im nächsten Jahr gegenüber der Berechnung, die die Landesregierung gemacht hat und sicher auch recht sauber gemacht hatte, nochmals 44 Millionen DM weniger zur Verfügung, um das Personal zu finanzieren.

Gerade in dieser Richtung ist Ihr Antrag den Situationen in Sachsen-Anhalt in keiner Weise angemessen, sodass er von uns anerkannt und angenommen werden könnte. Ich würde Sie deshalb recht gern fragen, wie das Ganze rechnerisch in irgendeiner Weise aufgehen soll.

Als meine Fraktion bei der Behandlung des Einzelplanes 13 die Kürzung der Personalverstärkungsmittel beantragt hat, haben Sie bzw. Ihre Fraktion noch eine ganz andere Position zu diesem Thema eingenommen. Da haben Sie sich der Argumentation des Landesrech

nungshofes angeschlossen, dass die verbleibenden Mittel nach der Kürzung in der Hauptgruppe 4 nicht nur knapp, sondern unzureichend ausbilanziert sein würden. Und das erst vor genau vier Wochen.

Ich weiß nicht, ob sich jemals jemand von der CDUFraktion - bevor Sie diesen Redetext gemacht haben - die Arbeit gemacht hat, auszurechnen, wie sich die finanziellen Auswirkungen Ihres Antrages im Landeshaushalt widerspiegeln würden. Wir haben das gemacht und kommen zu folgendem Ergebnis: Wenn wir das so realisieren würden, würde im Jahr 2001 nach unseren Aufrechnungen ein zweistelliger Millionenbetrag, ca. 10 Millionen DM, herauskommen. Sie können ja versuchen, uns ein anderes Ergebnis nachzuweisen.

Ich frage noch einmal: Wenn die jetzt eingestellten Mittel für die Personalkosten nach Ihrer Meinung schon Risiken beinhalten, wie sollen die eben genannten rund 10 Millionen DM im Jahr 2001 finanziert werden? - Ich erwarte in irgendeiner Weise eine Antwort darauf. Dann können wir eventuell unser Stimmverhalten daran messen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nur sagen, wir werden diesen Antrag ablehnen. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr. - Für die Fraktion der FDVP erteile ich dem Abgeordneten Herrn Wiechmann das Wort. Bitte, Herr Wiechmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der CDU fordert unter anderem die lineare Anhebung der Dienst- und Versorgungsbezüge für Beamte. Dabei ist zu beachten, dass Dienstbezüge nur an aktive Beamte gezahlt werden, während Versorgungsbezüge an Ruhestandsbeamte und je nach Rechtsfall an die Ehegatten oder an sonstige Berechtigte erbracht werden.

Rechtlicher Anknüpfungspunkt für das Begehren der Fraktion der CDU ist Artikel 74 a des Grundgesetzes. Hiernach erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung unter anderem auf die Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

Der Begriff der konkurrierenden Gesetzgebung ist in Artikel 74 a des Grundgesetzes gleichen Inhalts wie in Artikel 72 Abs. 1 des Grundgesetzes gegeben. Diese Inanspruchnahme erfolgte erstmals durch das erste Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechtes in Bund und Ländern. Damit wurde für das Besoldungsrecht über Artikel 74 a Abs. 1 eine weitreichende Sperrwirkung bewirkt; denn das erste Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechtes in Bund und Ländern stellt sich als ein Teil eines vom seinerzeitigen Gesetzgeber verfolgten Gesamtkonzeptes dar. So weit die Befugnisse des Artikels 74 a Abs. 1 reichen, ist bereits seit dem genannten Zeit- raum den Ländern eine eigenständige Gesetzgebung weitgehend untersagt worden.

Meine Damen und Herren von der Fraktion der CDU, damit dürfte die Rechtsgrundlage klar sein: Der Bund kann anordnen und er hat angeordnet, dass die Bezüge von Beamten und die Versorgungsbezüge von Ruhe

standsbeamten und anderen Versorgungsempfängern erst vom 1. Januar 2001 und vom 1. Januar 2002 nach einem Schlüssel von 1,8 bzw. 2,2 % angeglichen werden.

Auch der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf, nach dem eine um fünf bzw. um vier Monate verzögerte Besoldungsanpassung vorgenommen wird, ist kein Novum in der deutschen Geschichte. Die Beamten und Versorgungsempfänger hinkten und hinken den Angestellten im öffentlichen Dienst ständig nach. Bei ihnen wurden erhebliche Abstriche bei der Einkommenssteigerung getätigt. Verzögerte Laufzeiten waren an der Tagesordnung. Die Aussetzung der Besoldungserhöhungen um mehr als ein Jahr war die Regel.

Es wurde nicht etwa bei den Angestellten - wie es herauskam - und Arbeitern im öffentlichen Dienst gespart, sondern bei den Beamten und Versorgungsempfängern. Beamte dürfen nicht streiken. Versorgungsempfänger dürfen streiken, aber sie würden nichts erreichen, was ihren Sozialstandard verbessern könnte.

Nullrunden bei den Beamten und Versorgungsempfängern waren die Regel. Das Weihnachtsgeld wurde gekürzt und die Beihilfe als Bestandteil der Besoldung und der Versorgung zusammengestrichen. Schließlich mussten die maroden Haushalte des Bundes und der Länder saniert werden.

Welcher Ministerpräsident eines Landes, meine Damen und Herren, hat es denn für notwendig erachtet, Justizvollzugsanstalten aufzusuchen, mit den Bediensteten zu sprechen, sich ihrer Probleme anzunehmen und die Alimentationspflicht ernsthaft zu betreiben?

Welcher Ministerpräsident hat sich in der kurzen Geschichte des Landes Sachsen-Anhalt in einen Funkstreifenwagen der Polizei gesetzt und die Empfindungen um 2 Uhr oder 3 Uhr nachts aufgenommen, vor allem dann - wie die Vorrednerin von der PDS sagte -, wenn es bei der Polizei um den Kampf gegen die bösen Rechtsextremisten ging, die zu jeder Tages- und Nachtstunde Polizeibeamte erstochen und erschossen haben, wie es in diesem Jahr leider viel zu oft vorgekommen ist?

Die Belohnung ist den Beamten und den Versorgungsempfängern gewiss: Sie erhalten eben weniger Geld. - Ich komme zum Ende, Herr Präsident. - Das motiviert und fördert die Hingabe der Unterbezahlten. Das wurde hier bereits festgestellt. In diesen Besoldungsgruppen zählt jeder Pfennig.

Meine Damen und Herren von der Fraktion der CDU, Sie glauben doch nicht allen Ernstes - ich glaube ebenso wenig daran -, dass unsere rot-rote Regierung im Bundesrat dem Bundesgesetz die Zustimmung verweigern wird. In Magdeburg wird das vollzogen, was in Berlin angeordnet wird.

Sie sollten jedoch bedenken, dass es nicht nur rote Länder und rote Koalitionen gibt, sondern auch eine Reihe von Bundesländern, die CDU-regiert sind. Wir von der Fraktion der FDVP - und ich ganz besonders - sehen mit großer Erwartung darauf, wie die CDU-Länder sich im Bundesrat verhalten werden. Ich habe die Botschaft vernommen - wenn ich Goethe frei zitieren darf -, doch ich kann noch nicht daran glauben. - Danke schön.

(Zustimmung bei der FDVP)

Danke sehr. - Zum Abschluss der Debatte spricht noch einmal Herr Dr. Bergner. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich unterstelle nach der Rede des Finanzministers, dass es egal ist, mit welchem Abstimmungsergebnis wir diesen Tagesordnungspunkt beenden. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt wird sich ein weiteres Mal nicht nach dem Votum des Landtages richten. Das ist ihr verfassungsmäßiges Recht. Aber sie sollte sich darüber klar sein, dass es so etwas wie demokratische Sitten gibt, und sie sollte nicht glauben, dass sie ein besonderer Hüter der Demokratie in diesem Land ist.

Aber mir kommt es auf einen anderen Aspekt an, der mich beschäftigt, Herr Minister Gerhards. Ich möchte Ihnen ankündigen, dass wir das Wortprotokoll dieser Debatte dem Deutschen Beamtenbund, der Gewerkschaft der Polizei und dem Bund der Justizvollzugsbeamten zusenden werden. Ich bin sehr gespannt, wie Sie Ihre Zahlenbeispiele im Einzelnen belegen können. Mir haben Sie jedenfalls die Taschen ganz schön vollgehauen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Ich will Ihnen nur sagen, dass bei allen Zahlen, mit denen Sie jongliert haben, ein erheblicher logischer Bruch deutlich wird. Ihre Argumentation läuft darauf hinaus, dass die Beamten im Grunde den Angestellten im Vollzug des Tarifvertrages ohnehin schon annähernd gleichgestellt seien.

Wenn das so ist, dann verstehe ich nicht, warum der Kollege Rehhahn für den nächsten Haushalt einen Mehrbetrag in zweistelliger Millionenhöhe ausgerechnet hat. Dieser Mehrbetrag kann doch nichts anderes als eine Mehrleistung für Polizeibeamte und Justizvollzugsbeamte sein.

Vor diesem Hintergrund ist es merkwürdig, wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, die Beamten bekämen ohnehin schon so viel Geld; man bräuchte diese Tarifangleichung nicht. Nein, Sie haben offenbar einen Ritus aus den Tarifverhandlungen, wie Frau Rogée sagte, ausprobiert.

Ich konnte den Zahlen nicht folgen. Aber ich bin voller Misstrauen, wenn Sie von der einfachen Argumentation des Schrittmaßes der Erhöhung von Besoldungsstufen abweichen und mit Dienstaltersstufen, dem sozialen Status und anderen Dingen operieren. Der Umstand, dass Sie versuchen, auf diese Weise zu argumentieren, zeigt mir, dass Sie in der Sache ein ziemlich schlechtes Gewissen haben.

Es ist durchaus ein Unterschied, ob sich ein Bundesland, das die Breite der Personalkörper - ich schließe insbesondere die Lehrer ein - im Blick hat, bei den Entscheidungen, die sich an dem jeweiligen Landesinteresse orientieren müssen, gegen die Besoldungsanpassung ausspricht oder ob es sich um die Entscheidungen eines Landes handelt, in dem sie gewissermaßen selektiv zu einer Benachteiligung von Polizei- und Justizdienst führen. Letzteres ist in Sachsen-Anhalt der Fall. Deshalb sind wir der Meinung, dass sich die Landesregierung in der Bundesratssitzung anders verhalten muss, als sie es eigentlich tun will.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich bin sehr gespannt darauf, wie die Berufsvertretungen und Gewerkschaften über die Zahlenbeispiele des Herrn Finanzministers denken werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kannegießer, DVU-FL, und von Herrn Kolde, DVU-FL)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Es ist keine Überweisung beantragt worden. Wir stimmen deshalb direkt über den Antrag in der Drs. 3/3980 ab. Wer dem Antrag seine Stimme gibt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die zwei Enthaltungen reichen nicht aus, um den Antrag zu verhindern. Der Antrag ist angenommen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Wir setzen die Beratung fort mit dem Tagesordnungspunkt 38:

Beratung

Organisierte Kriminalität als Bedrohung für Staat und Gesellschaft in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/3989

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Wiechmann. Nach ihr wird Innenminister Dr. Püchel reden, danach findet eine Fünfminutendebatte statt in der Reihenfolge CDU, PDS, DVU-FL, SPD und FDVP. Bitte, Frau Wiechmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Püchel, eine kurze Bezugnahme auf die vergangene Plenardebatte sei zu Anfang erlaubt. Das Land Hamburg setzt nunmehr erfolgreich Drogeneinsatzgruppen ein. Im Bereich des Polizeipräsidiums Bielefeld werden Drogeneinsatztrupps verwendet.

Nach Ihrem Bekunden handelt es sich bei diesen Einheiten um amerikanische Besatzungseinheiten für Südamerika. Ich habe auf jeden Fall dazulernen müssen, dass Hamburg in Kolumbien liegt und Bielefeld ein Ortsteil von Bogota ist. Oder - die Frage sei doch ge-stattet - haben Sie in Geografie nicht aufgepasst? Das muss ich Sie einmal fragen.

Aber nun zum eigentlichen Thema. Der organisierten Kriminalität wurde in Westeuropa bis Mitte der 70erJahre von den verantwortlichen Kriminalpolitikern und teilweise auch von Polizeiführern nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie eigentlich verdient gehabt hätte.

Schon Mitte der 70er-Jahre gab es in den Großstädten und Ballungszentren Banden und Gruppierungen, die neben der typischen Milieukriminalität - wie Nötigung, Körperverletzung, Erpressung, Vergewaltigung, Diebstahl und Raub - Gastwirten Schutzgelder aufzwangen, durch Sachbeschädigungen Einfluss auf das Nachtleben nahmen, mit Gewalt in die Glücksspielszene eindrangen und nicht zuletzt mit den illegalen Gewinnen aus den Straftaten in das lukrative Rauschgiftgeschäft einstiegen. Mit diversen Mitteln des Terrors und Einschüchterungen mannigfacher Art verstärkten sie ihre Positionen, über

nahmen immer mehr Lokale und besetzten Schlüsselpositionen des Nachtlebens.

Dabei, meine Damen und Herren, konnte beobachtet werden, wie sich die zunächst lockeren Verbindungen der Milieutäter immer mehr verfestigten. Es wurden nicht nur Absprachen und Kontakte auf örtlicher Ebene festgestellt, sondern auch zur Szene in den Ballungszentren. Festgestellt wurden gut funktionierende Nachrichtenwege zur arbeitsteiligen Begehung von Straftaten, zur Ausschaltung von lästigen Konkurrenten, zur Beeinflussung von Milieuangehörigen und zur Abschottung gegenüber Strafverfolgungsbehörden.