Protocol of the Session on December 15, 2000

Wir alle wissen, dass sich unsere Polizeibeamten und die Beamten des Justizvollzuges nun nicht unbedingt in hohen Besoldungsgruppen befinden. Wir alle wissen, dass es hier tatsächlich um ein durchaus verständliches soziales Anliegen geht, das dem der Arbeiter und Angestellten, die Gegenstand der Tarifverhandlungen waren, durchaus vergleichbar ist.

Vor diesem Hintergrund fordern wir, dass gerade mit Blick auf die beiden von mir genannten Personalkörper gleiche Bedingungen gelten sollen, dass wir zu einer Gleichbehandlung kommen und dass die Tarife, die für den Angestelltenbereich ausgehandelt wurden, auch für die Beamten übernommen werden sollen, zumindest dass sich das Land Sachsen-Anhalt in Verantwortung für seine Polizisten und für seine Justizvollzugsbeamten im Bundesrat für eine solche Regelung einsetzt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Jetzt spricht der Herr Finanzminister, den ich fälschlicherweise zum Kultusminister gemacht habe. Das steht mir gar nicht zu. Ich bitte ihn trotzdem, das Wort zu ergreifen. Bitte, Herr Minister.

Schönen Dank, Herr Präsident. Ich weiß nicht, ob ich als Kultusminister eine gute Figur abgeben würde. Ich habe

ja auch eben gelernt, wie froh wir sein können, dass wir die Lehrer nicht verbeamtet haben, Herr Bergner. Ich war ein bisschen verdutzt über dieses Argument. Aber das nur nebenbei.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist aber jetzt Ihre In- terpretation!)

- Es war ein merkwürdiger Schlenker. - Zur Sache. Sie sagen, wir wollen eine Gleichbehandlung zwischen Arbeitern, Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst und deswegen müssen wir das Tarifergebnis im Verhältnis 1 : 1 auf die Beamten übertragen.

Ich glaube, früher haben Sie das immer sozialistische Gleichmacherei genannt. Besser ist eine differenzierte Betrachtung, die den Fallgruppen gerechter wird.

Ich will jetzt nichts zu dem von Ihnen vorweggenommenen Argument sagen, dass wir sparen müssen, damit wir nicht unnötig viel Geld für das Personal ausgeben. Ich erinnere nur an die gestrige Debatte.

Ich will zu einem anderen Punkt kommen. Ich glaube, man darf differenzieren zwischen den Beamten, die eine absolute Arbeitsplatzsicherheit haben, und den Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst. Das ist der erste Punkt.

Zum Zweiten ist in diesem Regelwerk eine durchaus soziale Komponente enthalten, indem nämlich gerade die Beamten in den unteren Besoldungsgruppen stärker als die übrigen von der Besoldungsanhebung profitieren. Das will ich Ihnen an zwei Beispielen deutlich machen.

Die Besoldungsgruppen A 1 bis A 9 der Bundesbesoldungsordnung werden hervorgehoben, indem den Angehörigen dieser Besoldungsgruppen für die vier Monate des Jahres 2000, um die die Anpassung der Besoldung verschoben wird, eine Einmalzahlung in Höhe von 100 DM pro Monat gewährt wird, und zwar im Westen wie im Osten, ohne Abschlag und Differenzierung. Rechnet man das hoch, kommt man zu Aufschlägen von zum Teil 4 %.

Dazu zwei Beispiele: Erstens eine 24-jährige ledige und kinderlose Beamtin der Besoldungsgruppe A 9. Sie erhält als Grundgehalt zuzüglich der allgemeinen Stellenzulage bisher rund 3 082 DM. Wenn sie verheiratet und der Ehegatte nicht im öffentlichen Dienst tätig wäre und wenn sie außerdem ein Kind hätte, bekäme sie 304 DM dazu. Wenn sie vollzugspolizeiliche Aufgaben wahrnehmen würde, erhielte sie nach einer Dienstzeit von einem Jahr eine Zulage in Höhe von 107,76 DM und nach zwei Jahren in Höhe von 215,52 DM. Als Beamtin in einer Justizvollzugseinrichtung bekäme sie 161,62 DM zusätzlich. Diese besonderen Zulagen lasse ich im Wei-teren außer Betracht, damit die Zahlen übersichtlich bleiben.

Nun zu den Ergebnissen der Neuregelung. Rückwirkend ab 1. August dieses Jahres werden die Dienstbezüge im Zuge der West-Ost-Angleichung auf 87 % des Westgehaltes erhöht. Damit erhält die Beamtin knapp 20 DM mehr. Als Einmalzahlung erhält sie für die vier Monate ohne lineare Anpassung 400 DM. 100 DM sind 3,25 % von 3 082 DM, also von den Bezügen, die sie bekäme, wenn sie ledig wäre und kein Kind hätte, oder 2,95 % von 3 386 DM, also von den Bezügen, die sie bekäme, wenn sie verheiratet wäre und ein Kind hätte. Ab Janu- ar 2001 bekommt sie als Ledige rund 3 211 DM. Das sind 129 DM bzw. 4 % mehr als jetzt. Ich betone ausdrücklich: 4 % mehr.

Nun können Sie fragen, wie das denn sein kann, weil in Ihrem Antrag schließlich davon die Rede ist, dass die Besoldungserhöhung für die Beamten nur 1,8 % beträgt; 0,2 % fließen in die Versorgungsrücklage. Das ist zwar richtig, Ihnen sind aber nicht nur die Einmalzahlungen und die Anpassungen zum 1. August 2000 entgangen, sondern auch die weitere West-Ost-Angleichung zum 1. Januar 2001 auf 88,5 % des Westniveaus.

Am 1. Januar 2002 steigt die Besoldung der Beamtin um weitere 126 DM auf fiktiv 3 337 DM. Warum fiktiv? Weil die Beamtin inzwischen 25 Jahre alt wäre und sich deshalb in der nächsthöheren Dienstaltersstufe befände. Dadurch bekäme sie noch einmal 90 DM zusätzlich, sodass sie ab dem 1. Januar 2002 insgesamt 3 427 DM an Bezügen erhielte.

Ich fasse zusammen: Nach jetziger Gesetzeslage erhält die Beamtin ohne Zulagen für den Polizei- und Vollzugsdienst 3 082 DM. Durch das Anpassungsgesetz und zusätzlich durch die West-Ost-Anpassung bekommt sie ab dem nächsten Monat 3 211 DM sowie als Einmalzahlung für das vergangene Jahr 400 DM nachgezahlt.

Ab Januar 2002 betragen ihre Bezüge 3 427 DM. Das sind über 11 % mehr als jetzt, wobei die Einmalzahlung nicht berücksichtigt ist. Und all dies bei einem sicheren Arbeitsplatz.

Wir können als ein anderes Beispiel einen ledigen Beamten derselben Besoldungsgruppe in der höchsten Dienstaltersstufe nehmen. Der erhält zurzeit ohne spezielle Zulagen 4 348 DM und ab dem Jahr 2002 4 704 DM, also 356 DM bzw. 8,2 % mehr im Monat. Außerdem erhält er im Gegensatz zu den höheren Besoldungsgruppen über A 9 die Einmalzahlung in Höhe von 400 DM.

In den niedrigeren Besoldungsgruppen ist die in der Einmalzahlung enthaltene prozentuale Steigerung für die letzen Monate deshalb noch etwas höher.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin nicht der Auffassung, dass die Beamtinnen und Beamten in SachsenAnhalt zu viel Geld bekommen, schon gar nicht im Hinblick auf die Angleichung des West-Ost-Gefälles. Ich halte es angesichts dieser Zahlen aber nicht für angebracht, mit einem unvollständigen Sachverhalt zu operieren und zu suggerieren, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung unsozial sei.

Das ist er gerade nicht. Er orientiert sich am finanziell Machbaren und gewährt denen mehr, die am wenigsten haben, weil deren Bezüge prozentual am stärksten steigen. Das, was die Bundesregierung in dem Gesetzentwurf vorgelegt hat, ist angesichts dieser Sachlage das, was wir bezahlen können. Mehr ist auch nicht erforderlich. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr. - Den Standpunkt der PDS-Fraktion trägt jetzt die Abgeordnete Frau Rogée vor. Bitte, Frau Rogée.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gerhards, an Ihrer Stelle hätte ich wahrscheinlichgenauso agiert. Aus Tarifverhandlungen ist mir bekannt, dass man Argumente außer Kraft setzt, die eigentlich nicht vorgetragen worden sind. Zu Ihrer Vorrechnung ist zu

sagen, dass das immer ein Totschlagsargument für diejenigen ist, die sich damit wenig befassen. Bei mir ist Ihnen das nicht gelungen, das kann ich sagen.

Ich beschäftige mich sonst nicht sehr intensiv mit dem BAT oder mit den Regularien der Beamten; das gebe ich zu. Ihre Erläuterung hat trotzdem gezeigt, wie spannend und wie breit dieses Regelwerk ist.

Die andere Seite ist, dass ich finde, dass Sie sich trotzdem einmal mit der GdP zusammensetzen sollten. Mir ist zwar schon am Tisch gesagt worden, das sei nicht Sache des Finanzministers, aber ich denke, eine Diskussion wäre es auf jeden Fall wert.

Wir haben im Frühjahr dieses Jahres als Fraktion mit den im öffentlichen Dienst tätigen Gewerkschaften eine Diskussion über die Vorbereitung und über die Ansprüche der Gewerkschaften an die Tarifrunde 2000 geführt. Damals - im Zusammenhang mit dem Personalvertretungsgesetz - war das ein Thema.

An diesem Gespräch nahmen die Vorsitzenden der ÖTV, der GEW, der GdP, der DAG und der IG BAU teil. In dieser Beratung wurde von ihnen sehr deutlich formuliert, dass die Tarifrunde 2000 insbesondere das Ziel hatte, die Angleichung der Löhne und Gehälter sowie der Bezüge an das Westniveau zu erreichen. Das war ihr fest erklärtes Ziel und ich denke, das haben sie auch in der folgenden Zeit hinlänglich deutlich gemacht.

Ein erklärtes Ziel vor allen Dingen der GdP war, von einer Salamitaktik - sie hatten dieses auch immer als Bild - abzuweichen und für die Beschäftigten ein klares Ziel für die Angleichung der Einkommen und Arbeitsbedingungen zwischen den Ostbeschäftigten und den Westbeschäftigten zu erreichen. Ich kann mich daran erinnern, dass gerade Professor Trepte über das Ansinnen sehr empört war. Das Ziel der Gewerkschaften war aber, einen Endtermin für die 100-prozentige Angleichung festzulegen, was am Ende nicht gelungen ist.

Wenn es um die Angleichung der Bezüge für die Beamtinnen im Polizei- und Justizvollzugsdienst geht, muss unbedingt Beachtung finden, dass es um Menschen geht, die ihren Dienst unter Einsatz von Leib und Leben erfüllen. Ich denke, es ist vorhin bei der Debatte über Rechtsextremismus sehr deutlich geworden, was das heißt.

Bereits im Herbst 1999 haben die Länder im Bundes- rat die Initiative von Bundesinnenminister Schily, die Bezüge der Beamten für die Jahre 2000 und 2001 an die Inflationsrate anzupassen, abgelehnt. Damals haben die Bundesländer deutlich gemacht, zunächst die Tarifverhandlungen abwarten und die Ergebnisse danach in einem Anpassungsgesetz auf die Beamtenbesoldung übertragen zu wollen.

Nun soll die Welt doch wieder etwas anders sein. Es ist die Idee geboren worden, die Beamtinnen und Beamten von den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzukoppeln, um einen Solidarbeitrag von ihnen einzufordern; denn darum geht es.

Das trifft die Beamtinnen und Beamten der Polizei und des Justizvollzuges besonders hart. Deswegen haben sie in den vergangenen Wochen und Monaten dagegen mobil gemacht, um zu zeigen, dass sie sich mit einer Trennung nicht abfinden werden, besonders deswegen nicht, weil der Polizeiberuf zunehmend gefährlicher wird und sie auch die Verantwortung für ihre Familien tragen.

Auch wir fordern die Landesregierung auf, im Bundesrat gegen die Abkoppelung der Beamten von dem geltenden Tarifabschluss im öffentlichen Dienst zu stimmen. Auch die Beamten haben einen Anspruch auf die lineare Erhöhung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge, der dynamisierten Zulagen einschließlich der Erschwerniszuschläge sowie der Mehrarbeitsvergütung ab 1. August 2000 um 2 % und ab 1. September 2001 um wei- tere 2,4 %.

Der schwer gefundene Kompromiss im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes ist ein demokratisch gefundener Kompromiss, der wohl auch den Haushaltsspielräumen der öffentlichen Hände Rechnung getragen hat und deswegen eben zu keiner Vereinbarung bezüglich der Angleichung auf 100 % geführt hat. Es ist sicher niemandem verborgen geblieben, dass das den Kollegen Mai seinen Stuhl gekostet hat und dass es eine überdimensionale Laufzeit von 31 Monaten gibt, die auch zeigt, dass es für die öffentliche Hand relativ lange planbar sein soll.

Wer den Leistungswillen und die Leistungsfähigkeit der Beamtinnen und Beamten unterstützen will, darf nicht zulassen, dass sie von der Einkommensentwicklung abgekoppelt werden. Ihre Qualifikation und ihr Einsatz für die Bürgerinnen und Bürger würde durch die Übernahme des Tarifergebnisses anerkannt. Deswegen wird die Fraktion der PDS dem Antrag der CDU ihre Zustimmung geben.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr. - Für die Fraktion der DVU-FL erteile ich der Abgeordneten Frau Brandt das Wort. Bitte, Frau Brandt

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Dass die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst eine Einkommenssteigerung seit August des Jahres 2000 um 2 % und ab September 2001 um 2,4 % erfahren, ist zu begrüßen, obwohl wir wissen, dass es sich hierbei noch nicht einmal um einen Inflationsausgleich handelt. Aber in Zeiten knapper Kassen muss überall gespart werden, auch im öffentlichen Dienst.

Otto Normalverbraucher, der einfache Bürger kann die Einkommenssteigerungen im öffentlichen Dienst ohnehin nicht nachvollziehen, ist er es doch, der schon jahrelang oft weit unter Tarif bezahlt wird und auch ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld auskommen muss.

Dass man seitens der Bundesregierung das sofortige Umsetzen des Tarifergebnisses bei der Beamtenbesoldung um vier bzw. fünf Monate hinauszögern will, um damit 3,3 Milliarden DM einzusparen, ist eine Ungeheuerlichkeit und verstößt nach Meinung unserer Fraktion gegen das Gleichheitsgebot.

Die meisten Landesbeamten Sachsen-Anhalts sind im Justizvollzug und bei der Polizei beschäftigt. Wenn unsere Polizeibeamten nach wie vor nur 84 % der Vergütung ihrer Kollegen in den westlichen Ländern bekommen, obwohl sie den gleichen schweren und verantwortungsvollen Dienst leisten müssen, ist dieses eine brisante politische Frage, die für alle Bürger der neuen Bundesländer gelöst werden muss. Ganz ähnlich sieht es bei den Beamten im Strafvollzug aus.

Bedenken wir aber, dass Polizei- und Justizvollzugsbeamte Bürger sind, die tagtäglich ihr Leben und ihre

Gesundheit für den Schutz unserer Mitbürger einsetzen, ist es uns unverständlich, dass man die kleine Einkommenssteigerung von 2 % erst Monate später nach den Tarifverhandlungen gewähren will.

Die Regierung muss sich die Frage gefallen lassen, was mit den künstlich eingesparten Milliarden bis zur Auszahlung geschieht. Sparen müssen wir alle, aber doch nicht mit banktechnischen Taschenspielertricks.

Meine Damen und Herren! Wir fordern die Landesregierung auf, im Bundesrat gegen den Gesetzentwurf zu stimmen. - Ich bedanke mich.

(Zustimmung von Herrn Buder, DVU-FL, und von Herrn Kannegießer, DVU-FL)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Rehhahn.