Protocol of the Session on December 15, 2000

Zur Finanzierung. Statt der geplanten Ergebnisverbesserung in Höhe von 8,4 Milliarden DM bis zum Jahr 2004 wird die Bahn im gleichen Jahr ein neues Defizit von mindestens 10 Milliarden DM einfahren. Das entspricht einer Differenz von rund 19 Milliarden DM. Aufgrund des hohen Ergebnisrisikos muss man aber mit einer zusätzlichen Unterdeckung von weiteren 10 Milliarden DM rechnen. Als Beispiel kann der Güterverkehr angeführt werden. Sie kennen die Zahlen. In diesem Bereich steigt das Ergebnis nicht einmal um eine Mark. Natürlich kann

das statistisch anders gerechnet werden, wie es zurzeit die Bahn macht.

Der gesamte zusätzliche Finanzbedarf der Bahn zur Sanierung des schlecht instand gehaltenen Schienennetzes, der Anlagen und Fahrzeuge wird auf bis zu 60 Milliarden DM geschätzt. Die mittelfristige Planung der DB AG ist damit hinfällig; denn insgesamt - wenn Sie mitgerechnet haben - beträgt das Defizit schon fast 100 Milliarden DM.

Übrigens ist das in etwa der Betrag, mit dem der Bundesverkehrswegeplan in der Fortschreibung unterfinanziert ist. Das wurde jedenfalls vor zwei Jahren von der SPD-Bundesregierung so analysiert, wenn ich mich recht erinnere.

(Herr Scharf, CDU: Behauptet!)

Wie unter diesen Bedingungen ein Verkehrsvertrag des Landes insbesondere mit diesem Bahnunternehmen, aber auch mit anderen aussehen soll, ist auch für die Zukunft unklar. Die Risiken sind eigentlich sehr hoch.

Nun zur Umsetzung des Transportauftrages. Die Deutsche Reichsbahn war nach Öffnung der innerdeutschen Grenze in der Lage, fast jedem Personentransportbedarf zu entsprechen. Ich bleibe bei einem Beispiel. Am Nordharzrand zwischen Halle, Halberstadt und Stapelburg ist im Herbst 1989 kein Reisender stehen geblieben, wenn er auch manchmal nur mit Stehplatz sicher am Ziel angekommen ist. In Stapelburg oder in Eckertal standen die Busse bis nach Bad Harzburg oder Goslar.

Heute - ich erinnere nur an das letzte Wochenende - bleiben mehrere Hundert Reisende auf dem Bahnsteig zurück - zum Beispiel in Goslar, aber auch auf anderen Bahnhöfen - und häufig wird der Stolz von Nasa und Industrie - die Neigetechniktriebzüge der Baureihe 612 - von Bundesgrenzschutz oder Polizei wegen Überfüllung geräumt. Ich weiß nicht, ob es umgesetzt wurde oder ob nur angefangen wurde, die Züge zu räumen. Das kennen wir ja vom IC aus Saalfeld. Das ist nicht das erste Mal.

Dass der von der Nasa mit großem Bahnhof auf den Namen „Harzexpress“ getaufte Neigetechnikzug in der Realität zurzeit nur eine lahme Harzschnecke ist, erlebe ich seit Monaten täglich.

Auf dem Rücken der Bahnkunden werden seit 1998 Vertragsentwürfe zwischen Land und Bahn hin- und hergeschoben. In dem letzten mir bekannten Entwurf steht zwar auf dem Deckblatt „Verkehrsvertrag“, in der Präambel steht aber, dass man vorerst ein Verkehrsangebot entsprechend der Vereinbarung über Verkehrsdienste - das ist Artikel 14 der EWG-Verordnung Nr. 11-91-69 in der Fassung von 1991 - vorschlägt. Ich lasse die Zitate, die ich mir dazu noch aufgeschrieben hatte, in Anbe- tracht der fortgeschrittenen Zeit weg.

In diesem Vertragsentwurf ist keine Silbe vom Dienstleister Bahn zu finden. Diese Dienstleistung am Kunden wird aber unter anderem durch die Kundenbetreuer erbracht. Das scheinen Landesregierung und Nasa im Nahverkehr nicht mehr als im Trend der Zeit liegend anzusehen. Man kann natürlich sagen, in Niedersachsen sind diese Kundenbetreuer schon längst abgeschafft. Das heißt für die Bahnkunden: weitere Verschlechterung der Dienstleistung fürs gleiche Geld.

Es geht ja nicht um die schlechten Sitten - Niedersachsen würde ich in diesem Zusammenhang unter „schlechte Sitten“ fassen -, sondern es geht auch um die

Vernichtung von Bahnarbeitsplätzen. Diese Bahnarbeitsplätze in Sachsen-Anhalt fallen künftig weg. Die Frage ist, ob wir in diesem Hohen Haus als Legislative oder ob die Exekutive das so will.

Es geht ja nur um ein paar Hundert Zugbegleiter. Es sind nur Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Es ist nur die Dienstleistung am Kunden in den Zügen, die unpünktlich sind, für die man Anschlüsse braucht, die auch Mobilitätsbehinderte befördern, für die das sicher noch sehr viel problematischer ist.

Wenn die Bahn laut Kinsey-Studie bis 2010 noch 120 000 Arbeitsplätze abbauen soll, muss man früh anfangen. Das tut die Bahn gerade, indem zurzeit massiv mit Zugbegleitern über Veränderungen von Arbeitsverträgen, über den Wegfall der Arbeitsplätze oder über eine Umsetzung nach Nürnberg, München oder sonst wohin gesprochen wird. Nur, dort sind sie auch überflüssig. Das haben sie mir schon gesagt. Es gibt dort eine Warteliste für diese Leute.

Als Ersatz gibt es moderne Abfertigungsverfahren. Aber dazu muss ich Ihnen etwas zitieren, das ist so niedlich.

(Der Redner sucht in seinen Unterlagen - Heiter- keit - Herr Oleikiewitz, SPD: Ihr Zug fährt ab, Herr Kasten! Machen Sie schnell!)

- Ich habe die Unterlage zu dem Verfahren jetzt leider nicht vorliegen.

(Heiterkeit)

Ich beschreibe es mit zwei Sätzen:

(Frau Budde, SPD: Ach nee!)

Es gibt ein technikbasiertes Abfertigungsverfahren, das es überflüssig macht, dass sich ein Zugbegleiter um die Fahrgäste kümmert. Wir können das im Ausschuss näher erläutern. Auf jeden Fall ist laut dem, was an die Fahrgäste verteilt wurde, der Zugbegleiter eigentlich überflüssig. Aber darüber können wir dann nachher in den Ausschüssen sprechen.

Was das für die Bahnkunden bedeutet, wird mein Kollege Herr Hoffman in der Runde der Fraktionen noch detaillierter erläutern.

Ich möchte aber aufgrund der Komplexität des Themas und der Diskussion, die wir, nachdem der Antrag dem Hohen Haus vorlag, schon geführt haben, gern noch eine Ergänzung in die Berichterstattung einbringen und darum bitten, den Ausschuss für Recht und Verfassung mitberatend für die Berichterstattung mit aufzunehmen. Wir schlagen vor, die Berichterstattung federführend im Verkehrsausschuss durchzuführen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit auch zu einer schon recht fortgeschrittenen Stunde. Danke schön.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihenfolge CDU, SPD, FDVP, DVU-FL, PDS vereinbart worden. Als Erstem erteile ich jedoch für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Heyer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Grundzüge der Bahnpolitik der Landesregierung dürften dem

Haus bekannt sein. Wenn Sie keine Einwände haben, würde ich meine Rede deshalb gern zu Protokoll geben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

(Zu Protokoll:)

Qualitätsvorgaben und Standards bei der Kundenbetreuung - wie werden sie im Land Sachsen-Anhalt umgesetzt? Qualität wurde bisher zu sehr als Produktqualität verstanden. Heute geht es um mehr, es geht um die Qualität unserer Produktionsprozesse, um die Unternehmensqualität selbst.

Qualitätssicherung, so wie wir sie heute verstehen, ist ein ganzheitlicher kontinuierlicher Prozess, sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Sicht. Maßnahmen zur Qualitätssicherung müssen ständig den sich ändernden Marktbedingungen angepasst werden. Es geht darum, die Prozesse überall im Unternehmen gegen Fehler zu immunisieren und die Mitarbeiter in diesem Sinne zu sensibilisieren.

Nach dem Ergebnis von Marktforschungen erzählt ein zufriedener Kunde seine Erlebnisse vier bis acht Personen. Ein unzufriedener Fahrgast gibt seine Erfahrungen an neun bis 16 Personen weiter; das heißt, auch wenn weit mehr als die Hälfte der Kunden zufrieden sind, kursieren mehr schlechte als gute Nachrichten über das Unternehmen.

Einen Kunden neu zu werben ist wesentlich aufwendiger als einen alten durch gute Leistungen zu halten. Deshalb müssen Dienstleistungen immer gleich beim ersten Mal richtig erbracht werden. Ziel ist es, Fehler zu vermeiden, anstatt auf sie zu reagieren. Weg vom Reagieren, hin zum Agieren - das ist der zeitgemäße Anspruch.

Durch das Regionalisierungsgesetz und das Gesetz zur Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs im Land Sachsen-Anhalt sind neue Chancen für eine Trendwende hin zu einem für die Bürger des Landes attraktiven ÖPNV-Angebot entstanden.

Die Leistungen im SPNV werden direkt durch das Land bestellt. Dadurch besitzt das Land, vertreten durch die Nasa, direkten Einfluss auf die Gestaltung von Fahrplänen, die Linienführung, die Fahrzeugausstattung und nicht zuletzt auch auf die Qualität. Neben der quantitativen Bestimmung werden hohe qualitative Anforderungen an die bestellten Leistungen gesetzt.

Ziel des Landes ist es, mit den vorhandenen Finanzmitteln einen möglichst umfangreichen und komfortablen Bahnverkehr für die Bevölkerung einzukaufen. Doch die Qualität entsteht nicht von selbst. Zunächst müssen die Qualitätsansprüche unserer Fahrgäste definiert, dann vertraglich vereinbart und letztlich ihre Sicherstellung kontrolliert werden. Ein umfangreiches Aufgabenfeld, das wir hartnäckig fortentwickeln.

In vielen Gebieten bewegen wir uns auf Neuland, müssen Erfahrungen sammeln und die Verkehrsunternehmen zum Umdenken bewegen. Das Land SachsenAnhalt hat im Jahr 1996 erstmalig einen Teil der im Land Sachsen-Anhalt zu erbringenden Schienenpersonennahverkehrs-Angebote europaweit ausgeschrieben. Damit wurde der Einstieg in den Wettbewerb auch im SPNV vollzogen. Im Ergebnis zäher Vertragsverhandlungen konnten für die Burgenlandbahn GmbH Qualitätsstandards auf hohem Niveau vertraglich vereinbart werden.

Diesen Weg wird das Land fortsetzen und die erarbeiteten Qualitätsparameter auch künftigen Verkehrsverträgen zugrunde legen. Das Land ist bestrebt, die Verkehrsleistungen der verschiedenen im ÖPNV-Bereich agierenden Verkehrsunternehmen zusammenzuführen, eine Abstimmung der Angebote zu erreichen und Parallelverkehre zu vermeiden. Umfangreiche, durch die Nasa organisierte Verkehrszählungen bilden eine wichtige Datengrundlage, die Verkehrsnachfrage, insbesondere auch Umsteigebeziehungen zwischen verschiedenen Verkehrsträgern, zu analysieren.

Ein der Nachfrage angepasstes Angebot, kurze Übergangszeiten zwischen den Verkehrsträgern, die Ausweitung des im SPNV eingeführten Taktfahrplanes sowie die Systemvertaktung der Züge mit Bussen und Bahnen und nicht zuletzt ein angenehmer Beförderungskomfort - das ist das landesweite Ziel, welches dem ÖPNV zu einem neuen Image verhelfen soll.

Über die Entwicklung eines landesweiten Informationssystems - durch die Nasa - sollen die Angebote der verschiedenen Verkehrsunternehmen zusammengeführt werden. Dadurch ist es dem Kunden möglich, landesweite Informationen zum ÖPNV-Angebot in SachsenAnhalt an einer Auskunftsstelle zu erhalten. Die Zugänglichkeit zum ÖPNV wird dem Kunden wesentlich erleichtert. Wie bereits in der Presse berichtet, soll das derzeit über das Internet erreichbare Auskunftssystem eine Abrundung durch eine Telefonauskunft erhalten, die im kommenden Frühjahr starten wird.

Neben der Verbesserung der Angebotsqualität und den Informationsmöglichkeiten werden auch auf tariflicher Ebene neue Wege beschritten. Durch die Einführung von Tarifkooperationen, zum Beispiel den MUM-Tarif, soll der Kunde finanziell motiviert werden, den ÖPNV auch dann zu nutzen, wenn Umsteigebeziehungen zwischen verschiedenen Verkehrsträgern notwendig werden.

Innerhalb der Qualitätskriterien ist der Funktion des Zugbegleiters eine wichtige Rolle zugedacht, deren Inhalt sich aber nicht unbedingt deckt mit der tradierten Funktion des Zugbegleiters. Ursprünglich hatten Zugbegleiter fast ausschließlich betriebliche Aufgaben im Hinblick auf den Zugbetrieb. Servicefunktionen gegenüber dem Fahrgast waren in nur ganz untergeordnetem Umfang möglich. Diese betrieblichen Aufgaben sind durch die fortschreitende technische Entwicklung zwar in großen Teilen weggefallen; aber auch heute noch nimmt der Zugbegleiter wichtige betriebliche Sicherungsfunktionen wahr, zum Beispiel die Überwachung der Türen und der Situation auf dem Bahnsteig.

Soweit personelle Ressourcen aus dem betrieblichen „Pflichtprogramm“ frei werden, möchte das Land diese Kapazitäten für zusätzliche Serviceleistungen gegenüber dem Kunden nutzbar machen. Speziell geschult für die Bedürfnisse der Reisenden sollen diese in dem Zugbegleiter einen für ihre Belange kompetenten Ansprechpartner finden.

Bei Triebwageneinsatz in Einzeltraktion kann in Schwachlastzeiten diese Servicefunktion von dem entsprechend ausgebildeten Triebfahrzeugführer übernommen werden.

Abschließend möchte ich feststellen: Wir wollen zufriedene Kunden. Deshalb ist eine hohe Qualität unserer Dienstleistungen eines der obersten Ziele. Den Maßstab für unsere Qualität setzt der Kunde.

Ich sehe keine Einwände, also ist das gestattet. - Danke, Herr Minister.

Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Weiß.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ausweislich des gestern beschlossenen Haushaltsplanes erhält das Land Sachsen-Anhalt im Jahr 2001 vom Bund Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr in Höhe von 696 Millionen DM. Den weitaus überwiegenden Teil dieser Summe erhält die Deutsche Bahn AG für den Betrieb von Zugverbindungen im Regionalverkehr, davon allein aus § 8 des Regionalisierungsgesetzes 456 Millionen DM.

Wie sieht die Gegenleistung aus? Die Gesamtzahl der im Regionalverkehr von der Deutschen Bahn AG jährlich erbrachten Leistungen beläuft sich auf 26,3 Millionen Zugkilometer. Anders ausgedrückt: Die Deutsche Bahn AG, Teilbereich DB Regio, bewegt täglich 2 300 Züge in Sachsen-Anhalt.

Es versteht sich von selbst, dass eine Leistung nicht nur nach ihrer Größe bzw. nach ihrem Umfang, sondern auch nach ihrer Qualität beurteilt werden muss. Hierzu gehören selbstverständlich neben der Pünktlichkeit etwa die einwandfreie Benutzbarkeit der unmittelbar dem Fahrgast dienenden Geräte und Einrichtungen, wie zum Beispiel Toiletten, Beleuchtung etc. in den Zügen. Dies gilt auch für entsprechende Einrichtungen in den Bahnhöfen.