In Anbetracht der Wirkungsweise der bestehenden Landesbauordnung und in Kenntnis bereits überarbeiteter Bauordnungen anderer Länder hat deshalb die PDSFraktion das Vorhaben der Landesregierung, die Landesbauordnung zu ändern, als sinnvoll eingeschätzt und sich im Interesse der Bauwilligen und der Verwaltungen aktiv eingebracht.
Wir hatten keinen Hehl daraus gemacht, dass wir neben dem Abbau bürokratischer Hemmnisse Änderungsbedarf hinsichtlich der Verkürzung des Bauvorlaufs sowie hinsichtlich der Erleichterung und Beschleunigung des bauaufsichtlichen Verfahrens gesehen haben.
Der PDS-Fraktion war daran gelegen, bei der Neugestaltung der Landesbauordnung die uns von Betroffenen bei verschiedensten Veranstaltungen gemachten Vorschläge in das Gesetz einfließen zu lassen. Dass dies nicht immer machbar war, haben wir nicht erst bei den Anhörungen im Ausschuss bzw. bei Beratungen mit Bauexperten festgestellt. Bereits hier war erkennbar, dass es fast unmöglich schien, die Interessen aller Betroffenen und Beteiligten, aller Verbände und Berufsorganisationen zur allgemeinen Zufriedenheit zusammenzubringen.
Schon jetzt bedarf es keiner großen hellseherischen Fähigkeiten, um vorherzusehen, dass das mittelfristig zu erwartende In-Kraft-Treten einer neuen Musterbauordnung den Gesetzgeber
erneut dazu zwingen wird, die Landesbauordnung anzufassen. - Herr Daehre, das war uns allen eigentlich klar, aber wir mussten trotzdem reagieren. Und ich hatte Ihnen schon in der Einbringungsrede gesagt, Sie hatten ja 1994 schon die Chance gehabt.
(Beifall bei der PDS - Herr Dr. Bergner, CDU: Sie gehen jetzt weit zurück! Da könnte man auch noch weiter zurückgehen!)
Mit dieser Entwicklung rechnen wir allerdings nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Deshalb bemühten wir uns bereits jetzt, die nach unserer Meinung notwendigen Änderungen in das Gesetz einzubringen.
Solche Verfahren wie das Freistellungsverfahren und das vereinfachte Genehmigungsverfahren halten wir für sinnvoll. Darin sehen wir eine Möglichkeit für Bürokratieabbau und Vereinfachung von Verwaltungsverfahren. Gleichfalls findet der Wegfall der Teilungsgenehmigung unsere Zustimmung.
Die Änderung der Landesbauordnung gibt den Kreisen und Kommunen mehr Möglichkeiten der Ausgestaltung - unter Beachtung der zu erwartenden Funktional-, Struktur- und Verwaltungsreform sicherlich eine neue Herausforderung.
Für Bauwillige versprechen wir uns damit weniger Verwaltungsgänge, weniger Verwaltungsaufwand. Aber damit wächst auch die aufzubringende Eigenverantwortung bei gleichzeitigem Zeitgewinn.
Besonderes Augenmerk legten wir auf eine zwingendere Fassung des Gesetzes zur Berücksichtigung spezifischer Anforderungen an geplante Bauten im Interesse von Menschen mit Behinderungen, Kranken, Kindern, älteren Menschen und Personen mit Kleinkindern. Bei 6,5 Millionen Menschen mit Behinderungen in der Bundesrepublik ist nicht von ungefähr das Grundgesetz im Jahr 1994 um den Zusatz ergänzt worden: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Der PDS-Fraktion war daran gelegen, zwingende Regelungen zur barrierefreien Gestaltung des öffentlichen Raums und der privaten Wohnungen zu erreichen. Denn nur wer Zugang hat, kann am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Nur wem es ermöglicht wird, Treppen zu überwinden, kommt ins Haus. Barrierefreiheit ist Voraussetzung für Mobilität und soziale Kontakte.
Wir haben uns bei unseren Änderungsvorschlägen auch von der Bevölkerungsentwicklung leiten lassen. Wenn ich bereits eine Zahl für das gesamte Bundesgebiet genannt habe, so können wir für unser Land von ca. 250 000 Personen mit Behinderungen ausgehen. Zähle ich die vielen älteren Menschen hinzu, die aus Alters- oder gesundheitlichen Gründen Probleme mit der Mobilität haben, sowie Personen mit Kleinkindern, so kommt eine stattliche Anzahl Betroffener hinzu.
Weshalb führe ich dies an? In den vorausgegangenen Beratungen sind uns oft finanzielle Betrachtungen entgegengehalten worden, die uns von unseren Forderungen abhalten sollten. Dabei sind dies auch Forderungen zum Beispiel des Runden Tisches für Behinderte sowie der Behindertenverbände insgesamt.
Zum anderen möchte ich auf das Beispiel der Vereinigten Staaten verweisen. Meine Damen und Herren! Dort ist das barrierefreie Bauen Standard. Weshalb sollen wir eigentlich dieser Entwicklung hinterherhinken?
Zudem: Wenn von Finanzen die Rede ist, sollte beachtet werden, dass die finanzielle Belastung geringer ist, wenn ich bereits in der Planungsphase die für das barrierefreie Bauen notwendigen Konstruktionen, Materialien, Zeitfolgen usw. einbeziehe oder ein bereits bestehendes Gebäude umbaue, nachrüste. Geht man von Erfahrungen anderer Länder aus, so bewegt sich die zusätzliche Finanzlast zwischen 1 und 3 %. Dies ist keine von uns aus der Luft gegriffene Wunschvorstellung, sondern spiegelt Erfahrungswerte auch westdeutscher Bundesländer wider.
Zum Abschluss kann ich feststellen, dass wir mit der Landesbauordnung, die wir heute hier beschließen, gegenüber anderen Bundesländern einen großen Schritt nach vorn getan haben. Meine Fraktion wird der Verabschiedung zustimmen. - Danke.
Vielen Dank. - Für die FDVP-Fraktion sind zwei Namen angemeldet worden. Es spricht offensichtlich der Abgeordnete Herr Wiechmann. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Artikel 14 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet das Eigentum und umfasst auch die so genannte Baufreiheit. Dem Grundstückseigentümer steht das Recht zu, sein Grundstück grundsätzlich nach Belieben zu bebauen oder anderweitig zu nutzen. Auf dieser Grundlage hat der Bund das Baugesetzbuch erlassen, das vor allem eine einheitliche Bodennutzung im gesamten Bundesgebiet gewährleisten soll.
Daneben steht dem Bund für Fragen der Raumordnung gemäß Artikel 75 Abs. 1 Nr. 4 des Grundgesetzes eine Rahmenkompetenz zu. Auf dieser Grundlage hat der Bund das Raumordnungsgesetz erlassen. Es richtet sich als Rahmengesetz an den Landesgesetzgeber und enthält grundsätzlich keine unmittelbar gegenüber dem Bürger oder der Verwaltung geltende Regelung. Dies wird vielmehr in den Landesplanungsgesetzen geregelt.
Die bundesrechtlichen Regelungen betreffen die Bodennutzung und sind damit flächenbezogen. Das Bauordnungsrecht ist dagegen objektbezogen und regelt die Anforderungen an die Ausführung des einzelnen Bauwerks. Das Bauordnungsrecht fällt in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder und ist daher in den verschiedenen Landesbauordnungen geregelt. Um das Bauordnungsrecht zu vereinheitlichen, haben sich die zuständigen Minister aller Länder auf eine Musterbauordnung verständigt, an der sich die Länder überwiegend orientieren. Das ist auch im Land SachsenAnhalt geschehen.
Dennoch hätte die Problematik des Drittschutzes der Normen klarer angegangen werden können. Zwar dienen die Vorschriften des Bauordnungsrechtes in der Regel nur der öffentlichen Bausicherheit und Ordnung und damit den Interessen der Allgemeinheit, ausnahmsweise können bauordnungsrechtliche Vorschriften jedoch nachbarschaftsschützenden Charakter haben, wenn Individualinteressen wie Leben, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit der Anlieger geschützt werden sollen. Das gilt insbesondere für die Vorschriften über die Abstandsflächen, für Brandschutzvorschriften und für die bauordnungsrechtliche Generalklausel insoweit, als Individualinteressen gefährdet sind. Auch das Gebot zur Rücksichtnahme kann im Namen des Bauordnungsrechtes zum Tragen kommen.
Diese Positionen sind im Entwurf zur Bauordnung nicht klar herausgestellt und hätten einer Feststellung bedurft.
Die durch den Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr empfohlenen redaktionellen Änderungen können von der Fraktion der FDVP mitgetragen werden. Gleiches gilt für eine Reihe inhaltlicher Änderungen, insbesondere für die Ausweisung der Abstandsflächen bei Windenergieanlagen.
Dagegen ist das Feststellungsbegehren des Ausschusses an den Landtag, wonach durch die Festlegungen im § 52 Abs. 8 des Entwurfs der Landesbauordnung ausdrücklich die Verwendung der Stellplatzablöse auch für investive Maßnahmen des Radverkehrs möglich ist und das Begehren sowohl Radabstellanlagen als auch den damit verbundenen Radwegebau betreffen soll, eine Zumutung an den Bauherrn. Hierdurch wird auf kaltem Wege eine sachfremde Steuer eingeführt. Was würde der Ausschuss beispielsweise davon halten, die Radabstellanlagen und Radwege von den Radfahrern bezahlen zu lassen?
Die Fraktion der FDVP kann dem Gesetzentwurf der Landesregierung uneingeschränkt zustimmen, dem Begehren des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr aber nicht, wenn die sachwidrige Verwendung der Stellplatzablöse in Rede steht. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank. - Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, darf ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Gröpertor aus Halberstadt begrüßen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt erhält mit der Ihnen vorliegenden Drucksache eine gute und moderne Landesbauordnung. Ein längerer Diskussions- und Beratungsprozess wird damit zu einem erfolgreichen Ende gebracht, auch wenn das In-Kraft-Treten aufgrund verschiedener Umstände, die der Minister bereits erwähnte, erst am 1. Mai des nächsten Jahres möglich ist.
Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Ausführungen ausdrücklich einige Dankesworte voranstellen. Herzlichen Dank dem Ministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr für eine gute Beratungsgrundlage, den mitberatenden Ausschüssen für eine zügige Behandlung und insbesondere dem GBD für den sprachlichen Feinschliff so mancher Formulierung und die sehr konstruktive Begleitung.
Ein sehr großer Teil des Gesetzeswerkes war im Ausschuss weitgehend unstrittig. In sehr vielen Punkten folgt die Landesbauordnung zudem der Musterbauordnung aus dem Jahr 1997. In bestimmten Bereichen werden aber auch eigene Akzente gesetzt. Interessant wird sein, inwieweit bestimmte Regelungen zum Genehmigungsverfahren und zur Barrierefreiheit in einer nächsten Musterbauordnung Berücksichtigung finden.
Meine Damen und Herren! Die neue Bauordnung ist zukunftsorientiert, sowohl in den materiellen Anforderungen als auch bei den Genehmigungsverfahren. Hier sind wesentliche Erleichterungen eingeführt worden, die mit einem Bürokratieabbau einhergehen und die Bauvorhaben beschleunigen können. Weniger staatliche Kontrolle bedeutet aber auch eine höhere Verantwortung für den Bauherren und insbesondere für die ausführenden Architekten und Ingenieure. Diese neuen Verfahren müssen sich jetzt in der Praxis bewähren.
Ich denke, dass sich der zuständige Ausschuss nach einem ausreichenden Zeitraum der Arbeit mit der neuen Landesbauordnung darüber informieren lassen sollte, inwieweit die Erleichterungen bei der Baugenehmigung angenommen wurden.
Interessant wird auch sein, zu erfahren, inwieweit durch die Bauherren von der Option Gebrauch gemacht wurde, ein Baugenehmigungsverfahren nach § 66/1 der Landesbauordnung zu verlangen.
Die große Verantwortung der Bauvorlageberechtigten habe ich bereits angesprochen. Diese wurde auch von
einzelnen Verbänden zum Anlass genommen, eine Pflichtkammermitgliedschaft zu fordern. Wir sind der Meinung, dass dies nicht gerechtfertigt ist, da die Kammermitgliedschaft allein kein hinreichendes Qualitäts- oder Leistungskriterium darstellt. Jeder Bauvorlageberechtigte hat sich fachlich auf dem Laufenden zu halten und sich dem Wettbewerb zu stellen.
Zu überlegen wäre, ob über eine entsprechende Verordnung eine in regelmäßigen Abständen durchzuführende Überprüfung der Bauvorlageberechtigung geregelt werden kann.
Meine Damen und Herren! Die neue Landesbauordnung stärkt die Eigenverantwortung der Gemeinden. Die Gemeinden können selbst nicht nur über die Aufstellung örtlicher Bauvorschriften entscheiden, sondern auch über die Zulässigkeit gestalterischer Maßnahmen an baulichen Anlagen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einflechten, dass sich auch das kurzfristig noch aus dem Petitionsausschuss an uns herangetragene Anliegen darüber regeln lässt. Die Gemeinde kann so selbst Regelungen treffen, wie beispielsweise die, dass eine Einfriedung niedriger als 2 Meter sein muss.
Weitgehende Befugnisse erhalten die Gemeinden auch hinsichtlich der Bestimmungen zu Stellplätzen. Der Verzicht auf die Herstellung, die Entscheidung über die Forderung von Ablösebeträgen und die Festlegung der Höhe der Ablösebeträge kann eigenverantwortlich er- folgen.
Ein wichtiger Diskussionspunkt in den Ausschussberatungen war die Frage, in welchem Ausmaß das barrierefreie Bauen in der Bauordnung verankert werden soll. Ich denke, dass die jetzt in § 56 gefundene Formulierung dazu beitragen wird, den Belangen von älteren und behinderten Menschen stärker Rechnung zu tragen. Ich sage auch: Das ist politisch ausdrücklich so gewollt. Gehen wir davon aus, dass jeder von einer Behinderung betroffen werden und auf Barrierefreiheit angewiesen sein kann, so muss sich eine Reaktion darauf auch in Gesetzen widerspiegeln.
Zudem wollen wir auch die Planer dazu anhalten, sich schon frühzeitig intensiver mit der Barrierefreiheit auseinander zu setzen. Unserer Auffassung nach stellt der § 56 einen guten Kompromiss zwischen den berechtigten Forderungen Behinderter, aber auch anderer Bevölkerungsgruppen einerseits und eventuellen finanziellen Mehrbelastungen andererseits dar.
Verbesserte Bedingungen in diesem Bereich werden sicherlich nicht zu null Kosten zu haben sein. Eine von der CDU dazu geforderte Kostenschätzung konnte letztlich aber auch keine konkreten Angaben bringen, da eine ganze Reihe von Umständen die Baumaßnahmen beeinflussen. Aufgrund des Verweises auf eine zweckentsprechende Nutzung der baulichen Anlagen gehen wir allerdings davon aus, dass sich die Mehrkosten in engen Grenzen halten werden. Beachtet werden muss zudem, dass barrierefreier Neubau wesentlich günstiger ist als eine nachträgliche Umrüstung im Bedarfsfall.
Meine Damen und Herren! Bei dem heute zu verabschiedenden Gesetz handelt es sich um ein Artikelgesetz, das Wirkung auch auf andere Gesetze entfaltet.