Protocol of the Session on November 9, 2000

Wofür etablierte Unternehmen mit einer entsprechend starken Kapitaldecke in den alten Bundesländern fast 20 Jahre benötigten, brauchten die Unterglasgartenanbauer in Sachsen-Anhalt nur knapp die halbe Zeit. Heute befinden sie sich auf demselben technischen Niveau wie die Betriebe in den alten Bundesländern.

Allerdings mussten die Betriebe dafür erhebliche Investitionen tätigen, welche nur über Kredite zu finanzieren waren bzw. sind. Kredite müssen getilgt, Zinsen gezahlt und neue Investitionen getätigt werden, um am hart umkämpften Markt Bestand zu haben.

Das trifft jede Branche und ist auch insoweit nichts Neues. Darin allein wird auch kein unmittelbares Existenzproblem gesehen. Aber der nicht kalkulierbare Anstieg der Energiepreise und der damit unweigerlich verbundene Anstieg des Steueranteils wird für viele Betriebe zur Existenzfrage.

Schwierig ist die Situation außerdem deshalb, weil es innerhalb des europäischen Binnenmarktes auch im Bereich der Energiekosten - siehe Ökosteuer - keine vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen gibt. Zum Beispiel werden die Unterglasgartenanbauer in den Niederlanden durch massive Fördermaßnahmen unterstützt, sodass sie geringere Energiekosten tragen müssen als ihre Mitbewerber in Deutschland.

Aber auch die geringere Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer in den Niederlanden von derzeit 6 % verschafft unserem Nachbarland einen Marktvorteil, den Deutschland seinen Unterglasgartenanbauern - obwohl sie mit ihren Produktionsanlagen das gleiche technische Niveau erreicht haben wie ihre niederländischen Kollegen - nicht bietet.

Auch eine europaweite Harmonisierung - und das nicht nur bei den Energiepreisen - ist für den deutschen Unterglasgartenbau in Anbetracht der derzeitigen angespannten, existenzbedrohenden Lage zwingend erforderlich.

Um nicht in wenigen Jahren völlig von Importen der von uns benötigten Gartenbauprodukte abhängig zu sein, erfordert die gegenwärtige Situation Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung der hier ansässigen Unternehmen.

Meine Damen und Herren! Auf einem Markt, ob auf Landes- oder auf Europaniveau, sollten gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter gelten. Sie sind notwendig für eine gesunde Konkurrenz, die den Markt belebt.

Die nicht geplanten Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer, entstanden durch die Preisexplosion beim Heizöl, sollten lediglich als Überbrückungshilfe eingesetzt werden. Denn durch die Umverteilung der Steuereinnahmen wird das Grundproblem des nicht harmonisierten europäischen Marktes nicht beseitigt.

Da zwingender Handlungsbedarf zur Unterstützung des Unterglasgartenbaus besteht und von unseren Unter

nehmen Wettbewerbsorientierung verlangt wird, müssen wir ihnen auch vergleichbare Bedingungen im Binnenmarkt bieten, da wir uns den Wegfall dieses wichtigen Wirtschaftszweiges auch in sozialer Hinsicht nicht leisten können. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDVP)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Meinecke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es liegen drei Anträge zur Problematik Gartenbau und insbesondere Unterglasgartenbau vor.

Der Unterglasgartenbau befindet sich in der Tat gegenwärtig in einer besonders schwierigen Situation. Der Gartenbauverband hatte durch seinen Präsidenten Herrn Bruchmüller am 18. Oktober 2000 Vertreter der Praxis, Bundestags- und Landtagsabgeordnete und unseren Minister zu einem Ortstermin in den Gartenbaubetrieb Pauer GbR nach Genthin eingeladen.

Ich selbst habe am 30. Oktober 2000 in einem Alslebener Gartenbaubetrieb über diese Situation diskutiert. Der Gartenbauverband hat dazu die entsprechenden Zahlen vorgelegt. Meine Kollegen Sommerfeld und Krause haben diese Zahlen vorgestellt. Ich muss sie nicht wiederholen.

Der Minister hat in seiner Rede bereits darauf hingewiesen, dass die von der Bundesregierung angedachten Hilfsmaßnahmen bei uns nur begrenzte Wirkung entfalten können.

Es ist zweifellos ein schwieriges Terrain, sich zwischen EU-wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen und Beihilfevorschriften einerseits und dem Willen zu helfen andererseits zu bewegen. Aber wir müssen hierzu Möglichkeiten finden und feststellen, inwieweit landesspezifische Maßnahmen erforderlich und auch möglich sind.

Deshalb müssen wir in der nächsten Zeit auf jeden Fall über solche praxisspezifischen Dinge reden und beschließen. Wir müssen auch unsere eigenen Maßnahmen den spezifischen Bedingungen in Sachsen-Anhalt anpassen.

Meine Damen und Herren! Die Besonderheit liegt für Betriebe in den neuen Ländern in der äußerst dünnen Kapitaldecke. Auch darauf hat Minister Keller bereits hingewiesen. Damit verbunden führen zusätzliche Aufwendungen, wie die bereits diskutierten extrem gestiegenen Heizölpreise, unter den harten Wettbewerbsbedingungen des Marktes zwangsläufig zu Liquiditäts-, Wirtschaftlichkeits- und letztlich zu Existenzproblemen. Eine generelle Lösung, die den harten Wettbewerbsvorgaben der EU standhält, habe ich - das gebe ich ganz offen zu - auch nicht ad hoc bereit.

Meine Damen und Herren! Wenn es darum geht, unserem Minister bei den Verhandlungen mit dem Bund den Rücken zu stärken, können wir den beiden Anträgen der PDS zur Lage im Gartenbau in Drs. 3/3762 und zum Problem der Verwendung der Umsatzsteuer in Drs. 3/3733 direkt zustimmen. Es geht hierbei um eine entsprechende Unterstützung auch der Verhandlungsposition unserer Landesregierung.

Den Punkten a und c des CDU-Antrages könnten wir selbstverständlich auch direkt zustimmen. Das ist aber

nicht möglich, da eine gesonderte Behandlung dieser Punkte nicht möglich ist. Deshalb werden wir schon am 16. November - so ist es auch vorgesehen - über diesen Antrag im Agrarausschuss reden. Ich denke, wir sollten uns im Agrarausschuss über die Möglichkeit einer schnellen und unbürokratischen Unterstützung unserer Gartenbaubetriebe verständigen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, bei der PDS und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Für die DVU-FL-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Preiß.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selbst vor der Mineralölsteuerexplosion im Zusammenhang mit der Einführung der Ökosteuer hatten es unsere Gartenbaubetriebe schon schwer genug, sich gegen die niederländische Konkurrenz durchzusetzen, wird doch in den Niederladen der Unterglasanbau industriemäßig betrieben, während es sich auf dem Gebiet der neuen Bundesländer zu über 90 % um Familienbetriebe mit einem großen Anteil weiblicher Beschäftigter handelt. Viele dieser Betriebe sind nach der Wende von ihren Inhabern modernisiert worden, sodass sie auch noch mit Schulden belastet sind.

Haben unsere Betriebe den Kampf auf dem Blumenmarkt schon zu einem Großteil verloren, so hatten sie sich doch auf dem Gebiet des Gemüse- und Küchenkräuteranbaus erfreulicherweise etabliert.

Meine Damen und Herren! Aber Preissteigerungen von bis zu 300 % beim Heizöl lassen sich nicht durch höhere Preise kompensieren. Besonders unlogisch erscheint uns die degressive Handhabung bei der Mineralölsteuererstattung. Bei 1 000 DM Selbstbehalt, für die es keine Erstattung gibt - das gilt für alle Betriebe -, greift die vom Gesetzgeber gewährte Erstattung erst bei einem Heizölverbrauch von 32 000 Litern. Kleinere Betriebe haben aber oft einen viel geringeren Verbrauch und gehen somit bei der Mineralölsteuererstattung leer aus.

Durch eine lineare Gestaltung der Rückerstattung und den Wegfall des so genannten Selbstbehalts können schon kurzfristig die schlimmsten Ängste von unseren Gartenbaubetrieben fern gehalten werden. Uns sind schon drei Gartenbaubetriebe im Raum Quedlinburg/ Blankenburg bekannt, welche ihre Produktion für dieses Jahr ganz oder teilweise auslaufen lassen und erst im Frühjahr wieder beginnen zu produzieren. Das kann natürlich wieder Arbeitsplätze kosten.

Es stellt sich die Frage, was durch die Reform der Bundesregierung auf dem Energiesektor überhaupt gewonnen werden kann, wenn die Mehreinnahmen daraus wieder an existenzgefährdete Berufszweige, zum Beispiel an Spediteure oder in unserem Fall an Gärtnereien, ausgegeben werden müssen.

Wir fordern unsere Landesregierung auf, in Berlin und Brüssel darauf hinzuwirken, dass erst einmal für Chancengleichheit auf dem Markt gesorgt wird. Man sollte doch auf allen politischen Ebenen dazu ein langfristiges Programm erarbeiten. Die Verwendung des erhöhten Umsatzsteueraufkommens dafür ist zwar richtig, kann aber unserer Meinung nach die Probleme in Wahrheit nicht nachhaltig lösen.

Wenn es stimmt, was einige Wirtschaftsfachleute behaupten, nämlich dass die Konjunktur an Fahrt gewinnt, wäre es doch sinnvoll, alle Reformen auf diesem Gebiet zurückzustellen. Wenn man ein festgefahrenes Schiff gerade wieder flott bekommen hat, wirft man auch nicht gleich wieder den Anker. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU-FL)

Herr Krause hat für die PDS-Fraktion noch einmal das Wort. - Er verzichtet. Herr Sommerfeld für die CDU-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte es sehr kurz machen. In meiner Einbringungsrede habe ich die drei Punkte dargelegt, die bei unserem Antrag schwerpunktmäßig im Vordergrund stehen.

Das ist erstens die Soforthilfe für die Unterglasgartenbaubetriebe, die durch die Explosion der Energiepreise - ich muss das noch einmal sagen, auch wenn es schon oft genug gesagt worden ist - ohne eigenes Verschulden in Not geraten sind.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Preiß, DVU-FL)

Zweitens ein fünfjähriges Förderprogramm zum Erhalt und zur Stabilisierung dieser Betriebe in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Preiß, DVU-FL)

Drittens fordern wir, dass sich die Bundesregierung bei der EU energisch für eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen für die Unterglasgartenbaubetriebe einsetzt.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Zu den Anträgen der PDS möchte ich sagen, dass wir Ihren ersten Antrag betreffs des Umsatzsteueraufkommens nicht mittragen können, weil dies nach unserer Meinung der falsche Verfahrensweg ist. Ich bin zwar kein Finanzexperte, doch meines Wissens ist aufgrund der komplizierten Aufteilung des Umsatzsteueraufkommens eine solche Lösung kaum möglich. Sie würde auch viel zu lange dauern. Das sollte man dabei bedenken. Es geht hierbei um den Verfahrensweg.

Dem zweiten Antrag der PDS in der Drs. 3/3762 stimmen wir zu. Ich würde auch hierzu für eine Überweisung in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten plädieren. Dort sollte dieses Thema, weil es so brisant und wichtig ist, gemeinsam mit unserem Antrag noch im November behandelt werden. Ich erwarte, dass die Landesregierung ihre Vorschläge schnellstens fixiert, präzisiert und darlegt, wie den betroffenen Unternehmen schnellstmöglich geholfen werden kann.

Herr Minister Keller hat die Schwierigkeiten aufgezeigt, die sich sicherlich auftun werden, die aber durchaus zu überwinden sind. Er hat auch vernünftige Lösungswege aufgezeigt. Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Preiß, DVU-FL, und von Frau Helmecke, FDVP)

Herr Kollege, ich habe noch eine Rückfrage. Sie haben zu dem Antrag der PDS-Fraktion in Drs. 3/3733 ebenfalls einen Überweisungsantrag gestellt?

Ich habe gesagt, dass der Antrag nach unserem Dafürhalten nicht umsetzbar ist.

Gut. Der andere gelangt sowieso in den Ausschuss, da hierzu eine Berichterstattung vorgesehen ist. Danke, dann hatte ich Sie falsch verstanden.

Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren. Ich lasse zunächst über die Drs. 3/3733 abstimmen. Eine Überweisung ist nicht beantragt worden. Deswegen ist über den Antrag selbst abzustimmen. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen ist dem Antrag mehrheitlich gefolgt worden. Er ist damit beschlossen.

Ich lasse über die Drs. 3/3762 abstimmen. Es handelt sich um eine Berichterstattung im Ausschuss. Es ist also direkt abzustimmen. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Enthaltungen? - Sehe ich ebenfalls nicht. Dann ist das einstimmig beschlossen.

Ich lasse jetzt über die Drs. 3/3758 abstimmen. Es ist durch Herrn Meinecke eine Überweisung in den Landwirtschaftsausschuss beantragt worden. Wer folgt diesem Antrag auf Überweisung in den Landwirtschaftsausschuss? - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Enthaltungen? - Ebenfalls nicht. Dann ist dieser Antrag einstimmig in den Ausschuss überwiesen worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 14 abgeschlossen.