Protocol of the Session on November 9, 2000

Ich lasse jetzt über die Drs. 3/3758 abstimmen. Es ist durch Herrn Meinecke eine Überweisung in den Landwirtschaftsausschuss beantragt worden. Wer folgt diesem Antrag auf Überweisung in den Landwirtschaftsausschuss? - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Enthaltungen? - Ebenfalls nicht. Dann ist dieser Antrag einstimmig in den Ausschuss überwiesen worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 14 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung

Rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen in der Bundesrepublik Deutschland

Antrag der Fraktionen der SPD und der PDS - Drs. 3/3759 neu

(Unruhe)

- Einen Moment bitte, Kollege Steckel. Ich warte so lange, bis die notwendige Ruhe hergestellt ist. Ich möchte wenigstens noch zu Ende kommen können. - Der Antrag wird eingebracht durch den Abgeordneten Herrn Steckel. Bitte schön, Kollege Steckel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 7. Juli dieses Jahres haben die Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf zur eingetragenen Lebenspartnerschaft in den Bundestag eingebracht.

Die Koalitionsfraktionen wollen damit zum einen die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen abbauen und zum anderen lesbischen und schwulen Paaren einen rechtlichen Rahmen für ihre Beziehungen anbieten. Dieser Rahmen sieht sowohl Rechte als auch Pflichten vor. Die Rechte und Pflichten erwachsen aus der Eintragung der Lebenspartnerschaft in ein familienrechtliches Institut.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich darf für beide Fraktionen sprechen: Wir begrüßen diesen längst überfälligen Schritt.

(Zustimmung von Herrn Bischoff, SPD, und bei der PDS)

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle muss auch deutlich gesagt werden, dass der Gesetzentwurf zur eingetragenen Partnerschaft homosexuelle und heterosexuelle Paare nicht gleichstellt. Fakt ist, dass das, was im Lebenspartnerschaftsgesetz geregelt werden soll, noch meilenweit von der grundgesetzlichen Privilegierung von Ehe und Familie entfernt ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang unter anderem auf die güterrechtlichen, versorgungsrechtlichen und einkommensteuerrechtlichen Sonderregelungen sowie auf die Verweigerung des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Aber das Positive an diesem Gesetzentwurf ist, dass er viele Probleme des Alltags löst, vor denen gleichgeschlechtliche Paare bisher kapitulieren mussten. Dies ist ein Fortschritt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Zur völligen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare gibt es aus meiner Sicht perspektivisch zwei Wege. Erstens durch die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Dazu müsste der Begriff Ehe rechtlich neu gefasst werden, und zwar durch die Änderung des Artikels 6 des Grundgesetzes.

Zweitens durch die Entwicklung und Umsetzung eines Konzeptes, welches die bereits gegenwärtig gegebene Vielfalt des Zusammenlebens nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern diese auch rechtlich absichert. Das bedeutet nicht die Auflösung der Familie, sondern nimmt die Tatsache zur Kenntnis, dass Familie heute vielfältiger ist, als dies früher der Fall war.

Meine Damen und Herren! Auf eine ausführliche Darstellung der Kernpunkte des Lebenspartnerschafts-gesetzes möchte ich hier und jetzt verzichten. Sie finden diese unter Nr. 1 unseres Antrages.

Ich finde es wesentlich spannender, das Plenum mit drei Argumentationen zu konfrontieren, welche die Notwendigkeit eines Lebenspartnerschaftsgesetzes unterstreichen.

Erstens. Selbst wenn es einige nicht wahrhaben wollen und damit nicht zur Kenntnis nehmen, auch in homosexuellen Lebensgemeinschaften werden Werte gelebt, die wichtig und grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Der Gesetzentwurf zur eingetragenen Lebenspartnerschaft erkennt diese Realitäten und damit die Vielfalt der Lebensformen an.

Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist kein Angriff auf die Institution Ehe, auch wenn das von anderen immer wieder behauptet wird.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Doch!)

Die Institution Ehe wird durch das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht berührt, weil es sich hier um zwei unterschiedliche Lebensbereiche behandelt. Tatsache ist, Heterosexuelle dürfen auch in Zukunft heiraten.

(Zurufe von Frau Ludewig, CDU, und von der DVU-FL - Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist groß- zügig, sehr großzügig!)

Der besondere Schutz der Institution Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau verwehrt aber nicht, Lebensbeziehungen durch Gesetz zu regeln, in denen Menschen, denen die Ehe nicht möglich ist, füreinander Verantwortung übernehmen wollen.

Meine Damen und Herren! Ich sage es noch einmal mit aller Deutlichkeit: Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist kein Angriff auf die Ehe; im Gegenteil, sie sichert Menschen rechtlich ab, die Verantwortung füreinander übernehmen wollen, und sie leistet aus meiner Sicht damit ihren Beitrag zur Stärkung des Familiengedankens.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Kollege Steckel, würden Sie eine Frage von Herrn Dr. Bergner beantworten?

Nein. - Zweitens. Tatsache ist, dass der homosexuelle Lebenspartner vor dem Gesetz als Fremder gilt, selbst wenn dieser seit mehreren Jahrzehnten in einer festen Beziehung lebt. Das ist ein Zustand, der massive Beeinträchtigungen der persönlichen Lebensgestaltung zur Folge hat. Ich nenne exemplarisch das Mietrecht, den Erwerb von gemeinsamem Eigentum und das Auskunftsrecht im Krankheits- oder Todesfall.

Von der konservativen Seite wird immer wieder gesagt, dies könne man alles über zivilrechtliche Verträge regeln. Fakt ist aber, es gibt Regelungsbereiche, bei denen können wir nicht so tun, als gäbe es keine Probleme, weil alles durch Verträge geregelt werden könnte. Ein Beispiel ist das Zeugnisverweigerungsrecht. Einen solchen Bereich kann man niemals durch einen zivilrechtlichen Vertrag regeln. Dies muss der Gesetz- geber tun.

Zusammengefasst ist feststellbar, gegen die soeben beschriebenen Formen der Diskriminierung helfen keine Verträge. Hier hilft nur die rechtliche Absicherung durch den Bundesgesetzgeber.

Drittens. Aus meiner Sicht steht die eingetragene Lebenspartnerschaft für Weltoffenheit, Toleranz sowie für die Anerkennung der Vielfalt der Lebensformen unserer Gesellschaft, mit anderen Worten, die eingetragene Partnerschaft steht für Vielfalt statt für Einfalt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Danke für die Einbringung. - Wir kommen nun zu der vereinbarten Fünfminutendebatte in der Reihenfolge DVU-FL, CDU, PDS, FDVP, SPD. Als Erster erteile ich für die Landesregierung Ministerin Frau Dr. Kuppe das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Der Antrag der Fraktionen von SPD und PDS begleitet den Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, den die Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebracht haben und der nach der jetzigen Planung am 10. November 2000, also morgen, in

zweiter und dritter Lesung im Bundestag beraten werden soll.

In dem Gesetzentwurf wird vorgeschlagen, ein eigenes familienrechtliches Institut - die eingetragene Partnerschaft - für gleichgeschlechtliche Paare zu schaffen, die einen gesicherten Rechtsrahmen für ihr auf Dauer angelegtes Zusammenleben wünschen. Der Gesetzentwurf berücksichtigt, dass die Ehe als Vereinigung von Mann und Frau unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht, und unterscheidet daher zwischen der eingetragenen Partnerschaft und der Ehe.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD)

Die eingetragene Lebenspartnerschaft geht davon aus, dass beide Partner oder beide Partnerinnen füreinander einstehen und dass ihnen aus der gegenseitigen Verantwortung verbindliche Rechte, aber auch verbindliche Pflichten erwachsen. Das neue familienrechtliche Institut verpflichtet die Lebenspartner oder Lebenspartnerinnen zur Fürsorge, zur Unterstützung und zu grundsätzlich angemessenem Unterhalt. Es wird außerdem ein gesetzliches Erbrecht eingeräumt. Zudem wird die enge, auch emotionale Verbundenheit anerkannt und zum Beispiel durch das Zeugnisverweigerungsrecht in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren umgesetzt.

Beide Partner oder beide Partnerinnen sind künftig gesetzlich verpflichtet, vor der Begründung der Lebenspartnerschaft eine Erklärung über den Vermögensstand abzugeben. Bringt ein Lebenspartner oder eine Lebenspartnerin ein eigenes Kind in die eingetragene Lebenspartnerschaft mit, so soll der jeweils andere Partner ein so genanntes kleines Sorgerecht erhalten. Ein gemeinsames Adoptionsrecht besteht nicht.

Des Weiteren sollen künftig bei der Prüfung der Bedürftigkeit in der Sozialhilfe, bei der Ausbildungsförderung und beim Wohngeld Einkommen und Vermögen eines Lebenspartners einbezogen werden. Dafür werden Lebenspartner im Leistungsrecht auch entsprechend berücksichtigt. Im Ausländerrecht soll geregelt werden, dass die Lebenspartnerschaft beim Familiennachzug berücksichtigt werden muss.

Diese Regelungen sollen im zustimmungsfreien Teil des Lebenspartnerschaftsgesetzes geregelt werden. Außerdem soll es einen zustimmungspflichtigen Teil geben, das so genannte Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz, in dem dann vor allem die steuerrechtlichen Konsequenzen geregelt werden.

Ich begrüße dieses Gesetzesvorhaben, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir haben im Sozialministerium seit Jahren tatkräftig an verschiedenen Entwürfen gearbeitet, die teilweise auch als Bundesratsinitiativen vorbereitet wurden.

Dieser Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, bzw. die nunmehr geteilten Gesetzentwürfe berücksichtigen, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften durch gegenseitige Fürsorge, Unterstützung und Verantwortung geprägt sind und dass ihnen deshalb die Möglichkeit der rechtlichen Anerkennung und der rechtlichen Absicherung offen stehen muss. Im Entwurf wird aber auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt, die wegen des grundsätzlichen Schutzauftrages gegenüber Ehe und Familie eine völlige Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Partnerschaft nicht erlaubt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe vor einiger Zeit eine Unterschriftenaktion unterstützt, die

unter der Überschrift „Liebe verdient Respekt“ um Unterstützung für diese Gesetzesinitiative auf Bundesebene gebeten hat. Ich finde dieses Motto überzeugend.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Wenn Menschen in Liebe füreinander Verantwortung übernehmen, dann sollten wir das respektieren und unterstützen. Ich meine, dass der Begriff Ehe längst nicht deckungsgleich ist mit dem Begriff Familie. Wir haben heute Morgen in der Fragestunde schon darüber debattiert, Herr Bergner.

Ich sehe keinen Grund dafür, warum Partnerschaften, die den Trauschein haben, grundsätzlich eine bessere staatliche Förderung erfahren sollen als andere auf Dauer angelegte Partnerschaften.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Wie- demann, SPD)

Wir sollten deutlich unterscheiden zwischen der Anerkennung von Partnerschaften und der Verantwortung, die Paare oder auch einzelne Personen für Kinder übernehmen. Ich meine, dass das Gleichsetzen von Ehe und Familie schon lange nicht mehr zeitgemäß ist;

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)