Protocol of the Session on October 13, 2000

Pornografie ist aber auch nicht die grafische oder fotografische Darstellung wohlgeformter erotischer Männerkörper. Pornografie ist in der Sexualwissenschaft tatsächlich die bildliche und sprachliche Darstellung aller Formen der Sexualpraxis. Es geht also tatsächlich um den Akt an sich. Damit wird die Spannbreite auch schon sichtbar.

Auf der einen Seite, meine Damen und Herren, finde ich die bildliche, sprachliche und darunter auch künstlerische Darstellung dessen, was sich wöchentlich, monatlich, jährlich, wie auch immer abspielt zwischen Frauen

und Männern, zwischen Männern oder zwischen Frauen, sehr wohl geeignet, die sexuelle Sphäre der Gesellschaft aus Mief und Verklemmtheit herauszuholen.

(Herr Weich, FDVP: Jetzt kommt’s!)

Denn es handelt sich weiß Gott nicht nur um Schmuddelkino. Als ein deutliches Indiz für Mief und Verklemmtheit empfinde ich es sehr wohl, dass es Pornos nur für Männer gibt und die wiederum ihre Art der Sexualität für den Nabel der Welt halten.

Auf der anderen Seite gehören aber auch Entwürdigung, Demütigung bis hin zu physischer Vernichtung zum Erscheinungsbild der Pornografie. Hier ist dann sehr wohl die Politik gefragt.

Die hat dann wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder kann sie am Ende der Kette eingreifen, und zwar Pornografie zum Teil als Produkt von Demütigung und Gewalt verbieten, oder aber, wie Kollege Remmers es bereits angedeutet hat, am Anfang der Kette reagieren und gegen die strukturellen Hintergründe angehen, nämlich gegen Hierarchie- und Abhängigkeitsverhältnisse unter anderem zwischen Frauen und Männern, zwischen Kindern und Erwachsenen, zwischen Heterosexuellen und Homosexuellen. Das ist weitaus komplizierter und langwieriger, dafür aber nachhaltiger.

Der Hang zu einfachen Lösungen ist in dieser Gesellschaft allerdings außerordentlich groß. Wie der Rechtsaußenantrag zeigt, ist auch der Hang der Politik, einfache Lösungen zu bieten, ebenso groß. Der Ruf nach einem Verbot bedient genau diese Mentalität. Das ist im Übrigen vergleichbar mit der Denkweise, die nach dem Verbot der NPD ruft, und spielt auch in die Problematik der Illegalisierung von Drogen hinein.

Sicherlich ist es legitim, deutliche Zeichen zu setzen. Ich halte das auch für notwendig. Ich bitte darum, nicht falsch verstanden zu werden. Es geht nicht darum, sämtliche Normen abzuschaffen.

Die sind aber in der Bundesrepublik seit über 20 Jahren gesetzt. Pornografie mit Tieren ist verboten. Pornografie mit Kindern ist ebenso verboten. Tötung und Körperverletzung sind eindeutig Angelegenheit des Strafgesetzbuches. Ein generalisiertes Verbot von Pornografie beruht nach meiner Auffassung nicht nur auf einer zweifelhaften Moralvorstellung, sondern ist im Zeitalter von Internet auch völlig unrealistisch.

Die beschriebenen Extremformen - ich muss mich mit Ihrem Antragstext auseinandersetzen - sind bereits strafrechtlich relevant. Den zweifelsohne vorhandenen Grauzonen, meine Damen und Herren, ist aber nicht, wenigstens nicht allein mit dem Strafgesetzbuch beizukommen.

Hier müssen in der gesellschaftlichen Debatte kräftig die Fenster zum Durchlüften geöffnet werden. Es gehört die extreme bis leichte Schieflage im Geschlechterverhältnis auf den Prüfstand. Mädchen und Jungen - das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt - muss gleichermaßen ein Selbstbewusstsein vermittelt werden, dass sie auch wirklich in die Lage versetzt, in ihrer sexuellen Selbstbestimmung Stoppschilder, und zwar unmissverständ- liche Stoppschilder zu setzen.

Eine Illegalisierung missliebiger Zustände, meine Damen und Herren, illegalisiert deren strukturelle und individuelle Hintergründe gleich mit, macht sie unsichtbar. Das kann nicht der richtige Weg sein.

Ich denke, das Thema wird durchaus kontrovers diskutiert, nicht nur zwischen rechts und links. Es ist ange

deutet worden, auch Feministinnen diskutieren dieses Thema sehr kontrovers, sehr unterschiedlich. Ich fände eine solche Debatte spannend. Von Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von Rechtsaußen, kann man eben nicht sagen, er sei unter Ihrem Niveau. Er ist Ihr Niveau

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Lin- demann, SPD, und von Herrn Tögel, SPD)

und ist deshalb ungeeignet für eine tiefgründige, gewissenhafte und verantwortungsvolle Debatte.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Dr. Nehler, SPD - Zuruf von Herrn Wiechmann, FDVP)

Die DVU-FL-Fraktion verzichtet auf einen Beitrag, ebenso die SPD-Fraktion. Für die FDVP spricht noch einmal die Abgeordnete Frau Wiechmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Pornografie ist öffentlich.

(Zuruf von der DVU-FL: Wo?)

Sie muss darum öffentlich bekämpft werden. Sie darf nicht nur den Strafverfolgungsbehörden und der Justiz überlassen bleiben.

Herr Remmers, wenn Sie bei meinem Beitrag an dieser Stelle genau zugehört hätten, dann hätte die CDU nicht den Salto mortale aufführen müssen, den ich gestern den linksextremistischen Fraktionen vorgeworfen habe, nämlich um um die Zustimmung zu unserem Antrag herumzukommen.

(Frau Fischer, Leuna, SPD: Unverschämtheit! - Frau Lindemann, SPD: Was wir uns alles bieten lassen müssen! Das kann doch nicht wahr sein!)

Denn es war nichts anderes als ein Salto mortale. Herr Remmers, ich wiederhole es gern noch einmal. Verhelfen Sie mit einer parlamentarischen Geste den geschundenen Kindern, Frauen und Behinderten zu der ihnen gebührenden Würde. Genau das ist das Ziel und der Inhalt unseres Antrags.

Denn Pornografie, meine Damen und Herren, entwürdigt die Frau und macht sie zu einem käuflichen Objekt. Sie prägt die Einstellung der Männer gegenüber Frauen und bringt Frauen und - schlimmer noch! - Kinder um das elementare Recht, Mensch sein zu dürfen. Pornografie, meine Damen und Herren, belastet Kinder mit Problemen, die sie weder bewusst noch unbewusst verarbeiten können. Sie werden auf ein Ideal hin geprägt, das sie später zur Begegnung mit der rauen Wirklichkeit unfähig macht.

Pornografie ist die totale Vermarktung - das wissen Sie alle - der privatesten Sache der Welt, auch wenn die PDS-Fraktion dazu eine andere Auffassung hat. Denen, die an der Pornografie Millionen verdienen, ist jedes Mittel recht, um noch mehr daran zu verdienen. Für sie ist jede gestörte Partnerbeziehung ein zusätzliches Geschäft.

Pornografie - das müssten Sie auch alle wissen - macht nachgewiesenermaßen aggressiv, vor allem auch gegenüber Frauen.

(Frau Bull, PDS: Das ist nicht nachgewiesen!)

Pornografie führt zu Nachahmungsverbrechen; denn Pornografie führt dazu, dass ihre Konsumenten ausprobieren und nachahmen, was ihnen optisch vorgemacht wird. Gerade heute Morgen meldeten die Nachrichten, dass ein Triebtäter kurz hintereinander ein neun- und ein elfjähriges Mädchen missbraucht hat.

Meine Damen und Herren! Pornografie wird automatisch immer brutaler und bringt unglaubliche Gewaltorgien hervor. Die Verwendung von Sex und Gewalt wird in unseren Gesellschaften immer intensiver.

Ein Bereich, in dem die Brutalisierung der Pornografie offensichtlich wird, ist die Kinderpornografie. Pornografie vermittelt auch immer häufiger den furchtbaren Gedanken, dass Gewalt und Sexualität zusammengehören.

Die Ablehnungsrate von Gruppensex, Sadomasochismus und Bestialität sinkt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen um so stärker, je intensiver so genannte normale Pornografie konsumiert wird. Ich kann dabei, Frau Bull, beim besten Willen keine Kunst erkennen.

(Zuruf von Frau Bull, PDS)

Die Pornografie wird vom organisierten Verbrechen kontrolliert, was nicht nur an den großen Verdienstmöglichkeiten liegt, sondern auch daran, dass viele Darsteller nicht ganz freiwillig für die Aufnahmen zur Verfügung stehen. Deswegen ist unserer Meinung nach unser Antrag genau hier richtig und angebracht, nämlich Pornografie zu ächten.

Wenn uns jemand intellektuelle Schlichtheit vorwirft und gleichzeitig, Frau Bull von der linksextremistischen PDS, sagt, man solle doch gegen diese Dinge differenziert vorgehen, müssen Sie mir bitte einmal erklären, inwieweit ich Kinderpornografie differenzieren kann.

(Frau Bull, PDS: Das ist nicht Gegenstand Ihres Antrags, Frau Wiechmann!)

Das ist für mich, Frau Bull, nicht nur schlichtes intellektuelles Niveau, das ist für mich kulturell unterstes Niveau, unterste Teppichkante.

(Beifall bei der FDVP)

Frau Bull, noch etwas dazu: Haben sich deswegen Abgeordnete in diesem Landtag der 0190er-Nummern bedient, womöglich auch aus Ihrer Fraktion? - Diese Frage muss einfach so stehen bleiben.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Die Debatte ist zu Ende. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/3651.

Eine Überweisung ist nicht gefordert worden. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag selbst. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei vier Enthaltungen und wenigen Zustimmungen ist der Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt 18 ist damit abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung

Rücknahme der Haushaltssperre für das Haushaltsjahr 2000

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3686

Der Antrag wird durch den Abgeordneten Herrn Scharf eingebracht. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Finanzminister hat vorletzte Woche eine Haushaltssperre nach § 41 der Landeshaushaltsordnung verhängt. Die CDU-Fraktion hat diesen Antrag gestellt, weil sie der Auffassung ist, dass sich der Finanzminister mit der haushaltswirtschaftlichen Sperre allzu leichtfertig über geltendes Recht hinweggesetzt hat.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)