Protocol of the Session on September 15, 2000

Diese Tatsache und erst recht die um 200 Millionen DM verringerten Gesamtausgaben für die kommunale Ebene machen den Protest der kommunalen Spitzenverbände verständlich.

Auch über die Einrichtung eines kommunalen Finanzanteils bei den Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz laut Haushaltsbegleitgesetz ist kontrovers zu streiten, weil uns die Begründung fehlerhaft und zwangsläufig uneinsichtig erscheint. Ich will das allerdings nicht im Einzelnen ausführen.

Besonders strittig wird in den Verhandlungen die Absicht der Landesregierung sein, nunmehr im Gegensatz zu den zurückliegenden Jahren eine Lastenverteilung zuungunsten der Kommunen vorzunehmen. Die PDS gibt der kommunalen Ebene nach wie vor landespolitische Präferenz.

Im Übrigen ergibt sich selbst mit der beabsichtigten Umkehr dieses Prinzips - laut der mittelfristigen Finanzplanung der Landesregierung - kein echter Schub für die Entlastung des Landeshaushaltes, also des Abbaus des Schuldenanteils bis zum Jahr 2004. Dort hat man ledig

lich die Konsequenzen für das Land aus der Steuerreform der Bundesregierung im Maßstab 1 : 1 hochgerechnet. Der Sinn der Abkehr vom bisherigen Prinzip der Kommunalpräferenz lässt sich damit also nicht begründen.

Es gäbe auch zur Binnenstruktur anderer Einzelpläne, wie dem für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten sowie für Umwelt, mit ihren deutlichen Veränderungen noch vieles anzumerken. Wir befinden uns aber noch am Anfang eines intensiven Diskussionsprozesses und es handelt sich heute zunächst nur um die erste Lesung des Landeshaushaltes.

Die Dringlichkeit der anstehenden Probleme bestimmt den Handlungsdruck auf den Landtag. Skepsis und Kritik bestimmen derzeit den Ausgangspunkt.

Die Verantwortung für akzeptable Lösungen verteilt sich aber, gewollt oder ungewollt, auf die Schultern aller Akteure. Es geht nicht nur um punktuelle Lösungsansätze, sondern um komplexe, für längere Zeit verlässliche Lösungen. Wenn ich „alle Akteure“ sage, dann meine ich auch die CDU.

Herr Bergner, wenn es stimmt, dass Chancen verspielt worden sind, dann hat das vor allem damit zu tun, dass der CDU in den letzen Jahren eine Totalopposition wichtiger war als das aktive Einbringen von trägfähigen alternativen Vorschlägen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von der Regie- rungsbank - Herr Dr. Bergner, CDU: Das war Ihr trojanischer Sozialismus, nichts anderes!)

Sie sind mit Goethe gekommen, Herr Bergner, Herr Fikentscher ist ein bisschen mit Goethe gekommen, ich komme mit einer Weisheit von den Dakota-Indianern. Diese lautet: Wenn du entdeckt hast, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS - Heiterkeit auf der Regierungsbank)

Kommen Sie also runter von Ihrem toten Ross, Herr Bergner, ansonsten bleiben Sie auch in Zukunft außerhalb des Rennens. - Danke schön.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Dr. Fikentscher, SPD, von Frau Budde, SPD, und von der Regierungsbank)

Danke sehr. Frau Dr. Sitte, sind Sie bereit, eine Frage von Herrn Dr. Bergner zu beantworten?

(Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Ich glaube, ich habe alles gesagt.

Ich höre gerade, die Frage hat sich schon erledigt. - Meine Damen und Herren! Wir können jetzt Gäste aus Litauen sowie Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Schönhausen begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Es spricht nunmehr der Ministerpräsident des Landes Herr Dr. Höppner.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige Bemerkungen zum Verlauf dieser Debatte.

Erstens. Die Situation des Landes Sachsen-Anhalt ist von Herrn Bergner in dramatischen Zügen beschrieben worden. In der Tat fragt man sich manchmal: Warum haben gerade wir, das Land Sachsen-Anhalt, in vielen Punkten eine so problematische Situation?

Ich unterhalte mich auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern und frage sie gelegentlich: Sagen Sie mal, wann sind denn eigentlich die grundlegenden, wichtigsten Entscheidungen für Ihr Land gefallen? Dann höre ich einhellig die Antwort, dass das in den ersten vier Jahren geschehen ist.

(Frau Ludewig, CDU: Ha, ha, ha!)

Dann kann ich nur sagen: In der Tat, es ist unbestreitbar, in den ersten vier Jahren hatte dieses Land Sachsen-Anhalt - vorsichtig ausgedrückt - einen Stolperstart. Für den sind nun wiederum Sie verantwortlich.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Wernicke, CDU: Das waren die besten vier Jahre!)

Das muss einmal deutlich gesagt werden. Das wirkt sich auch in einigen konkreten Punkten aus.

Sie führen immer so wunderbar das Land Sachsen an. Wenn ich mir einmal überlege, für welche Zeit ich respektive diese Landesregierung in besonderer Weise verantwortlich sind, was sich dann auch in statistischen Zahlen niederschlägt, dann sage ich, unsere Arbeit dürfte sich vor allen Dingen in den statistischen Zahlen von 1996 bis 1999 widerspiegeln. Klar ist, dass wir im Jahr 1994 angefangen haben. Im Jahre 1995 konnte sich das noch nicht richtig auswirken. Auch wir haben natürlich einige Monate benötigt, bis sich das auswirkte.

Soeben sind mir die durchschnittlichen Wachstumsraten von Sachsen und von Sachsen-Anhalt im Zeitraum von 1996 bis 1999 hereingereicht worden. Was lese ich da, wahrscheinlich zu Ihrer Überraschung, zu meiner nicht? Ich lese, dass Sachsen eine durchschnittliche Wachstumsrate von 0,8 % und Sachsen-Anhalt eine durchschnittliche Wachstumsrate von 1,4 % hatte.

(Zuruf von Frau Wernicke, CDU)

An dieser Stelle kann ich sagen: Ihre Vorurteile, die Sie offenbar immer wieder kolportieren, sind nicht nur für das Land schädlich, weil Sie die Situation falsch darstellen, sondern sie sind auch noch falsch.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Deswegen denke ich, dass das einmal deutlich gesagt werden muss.

Ich will einen zweiten Punkt nennen, der auch damit zu tun hat und der, denke ich, auch einmal deutlich ausgesprochen werden muss. Es ist in der Tat so: Wir haben im Lande Sachsen-Anhalt namentlich in der Verwaltung, aber, wie Sie von Halle sicherlich gut wissen, auch in einigen Überhangbereichen der Universitäten zu viel Personal. Da wir es zum Teil an den falschen Stellen haben, sind uns die Chancen verbaut, an wichtigen Stellen Personal einzustellen.

Ich weiß aber ganz genau, weil ich damals in dieser Sache sehr engagiert gewesen bin, dass die Sonderkündigungsregelungen, die bis Ende 1993 anwendbar gewesen sind, von der damals verantwortlichen Landesregierung, aus welchen Gründen auch immer, nicht wahrgenommen, sondern vertrödelt worden sind. Ich habe mit den Universitätsprofessoren noch darüber gesprochen. Sie haben sich darüber geärgert, dass das Ministerium die entsprechenden Kündigungen nicht rechtzeitig ausgelöst hat und damit die Fristen an dieser Stelle versäumt wurden.

(Herr Dr. Bergner, CDU, und Herr Prof. Dr. Böh- mer, CDU, melden sich zu Zwischenfragen)

Anschließend galten die normalen Kündigungsregeln. Das heißt mit anderen Worten: Die Situation, die wir im Personalbereich haben, ist zu wesentlichen Teilen auch durch die Dinge mit verursacht, die seinerzeit versäumt worden sind.

Herr Ministerpräsident, es gibt zwei Fragesteller.

Ich werde gern später antworten. Das ist gar kein Pro- blem.

Danke.

Damit wir uns jetzt nicht falsch verstehen: Wir haben noch eine Menge zu tun, und ich will auch nicht behaupten - insofern ist das Stichwort „selbstgerecht“ wirklich falsch -, dass wir das alles perfekt hinbekommen. Aber die Darstellungen, die Sie hier liefern, sind wirklich fern jeder Realität.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Im Hinblick auf das Personalkonzept habe ich verschiedentlich schon Ausführungen gemacht. Ich will aber noch einmal darauf hinweisen, dass es genau unser Ziel gewesen ist, möglichst zu einer Konstanz bei den Personalkosten zu kommen. Ich habe immer dazu gesagt, dass das nur erreichbar ist, wenn wir im Grunde genommen den Aufwuchs, den es durch Tarifverhandlungen und durch natürliche Entwicklungen gibt, durch entsprechenden Personalabbau auffangen.

Herr Fikentscher hat es vorgerechnet. Eine Zuwachsrate von 3 % würde den Abbau von ungefähr 2000 Beschäftigten bedeuten. Man kann dabei natürlich immer nur in Durchschnittswerten rechnen. Dazu kann ich nur sagen: In der Tat ist das die Arbeit gewesen, die wir seit unserem Regierungsantritt geleistet haben. Wir haben im Durchschnitt tatsächlich etwa 2000 Leute pro Jahr abgebaut. Und ich kann Ihnen auch sagen, dass dies so weitergehen wird.

(Frau Fischer, Merseburg, CDU: Wann?)

- Jährlich und kontinuierlich.

(Herr Becker, CDU: Dazu brauchen wir aber sechs Jahre! - Herr Scharf, CDU: Wo ist das Konzept? - Herr Dr. Bergner, CDU: Ja, an wel- cher Stelle? Wo ist das Konzept?)

- Wissen Sie, wenn Sie unser Konzept, das ich mehrfach erläutert habe, nicht verstehen, habe ich langsam den Eindruck, das liegt an Ihnen und nicht an mir.

(Beifall bei der SPD und von der Regierungs- bank)

Ich will zu einem dritten Punkt etwas sagen, weil ich glaube, dass man ihn nicht so stehen lassen kann, vor allen Dingen deshalb nicht, weil er auch auf Ihre eigenen Parteikolleginnen und -kollegen zurückfällt. Ich will also zum Stichwort Steuerreform etwas sagen.

Ich bin im Vermittlungsausschuss selber mit dabei gewesen und kann nur sagen: Wenn das Stichwort Blockadepolitik irgendwo zutrifft, dann hat es bei Ihrem Kollegen Merz im Vermittlungsausschuss zugetroffen. So etwas von Blockade, so etwas von Verweigerung von Kompromissverhandlungen, für die ein Vermittlungsausschuss zuständig ist, habe ich überhaupt noch nicht gesehen.