Ich will aber auch nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass dem Landeshaushalt seit Mai 2000, nachdem die ersten Eckzahlen aus der Kabinettsvorlage, diverse Pressemitteilungen der Minister und Beratungsergebnisse des Arbeitskreises Finanzen der SPD-Fraktion bekannt geworden sind, ein wundersames Lifting widerfahren ist. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Versuch gemacht wurde, die hässlichen Seiten schönzurechnen, und dass dem Landtag von Sachsen-Anhalt quasi ein Fassadenhaushalt vorgelegt wurde; denn echte Mehreinnahmen sind dem Land seit Mai dieses Jahres wahrlich nicht entstanden.
Ich will das an einigen Beispielen belegen. Bei Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben wurde damals von einer Absenkung um rund 208 Millionen DM ausgegangen. Diese Summe liegt jetzt bei 160 Millionen DM. Wir fragen uns, ob diese Zahl realistisch ist und welche Risiken in der Mai-Schätzung auch unter dem Aspekt der Unternehmenssteuerreform liegen.
Dass die Reduzierung der Nettoneuverschuldung nunmehr bei 150 Millionen DM anstatt bei 300 Millionen DM liegt, spiegelt den offensichtlichen und nachvollziehbaren Versuch wider, die Belastungen aus der Steuerreform abzufangen. Nicht nachvollziehbar ist für uns aber, warum sich insbesondere mit Blick auf die anhaltenden Zinssteigerungen in der Deckung der Ausgaben für Schuldendienste so geringe Veränderungen ergeben. Wir meinen, dass die Risiken dort höher sind.
Bei den Verwaltungseinnahmen wird von einem Rückgang um 23,7 Millionen DM ausgegangen. Kann es sein, dass das Aufkommen damit bewusst niedrig angesetzt wurde, um eine kleine stille Reserve zur Deckung unvorhergesehener Ausgaben zu schaffen?
Die Einnahmen aus Schuldenaufnahmen und Zuweisungen für Investitionen vom Bund verzeichnen einen Rückgang um 258,6 Millionen DM. Steht dieser Rückgang im Zusammenhang mit der Kofinanzierung des Landes? Wo liegen echte Einsparungen von Landesmitteln in welcher Höhe und was verlieren wir unter Umständen an kofinanzierten Mitteln von außen? Zu fragen ist also nach dem Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Landesmittel und dem Rückgang der Einnahmen in diesem Bereich.
Ähnliches ist bei der Betrachtung investiver Ausgaben zu fragen. Das sollen 365 Millionen DM weniger sein. Damit läge, wie heute schon erwähnt, unsere Investitionsquote bei ca. 23 % - deutlich über den Quoten von Westländern, aber auch unter dem Durchschnitt der Ostländer. Wenn diese Entwicklung in der Tat vor allem aus der Absenkung des Hochschulbaus resultiert, was übrigens nach den Aktivitäten der letzten Jahre durchaus begründbar wäre, dann frage ich mich schon, was der Wirtschaftsminister mit seinen Kassandra-Rufen im Sommer eigentlich beklagen wollte: Ein bisschen Imagepflege für seine Klientel? Oder welche Schwerpunkte sehen Sie konkret, die verloren gehen könnten?
Einen anderen bemerkenswerten Vorgang hat der Wirtschaftsminister nämlich zugelassen. Im Einzelplan des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie ist ein neues Kapitel für EFRE-Förderung geschaffen worden, indem dieses Kapitel aus einem anderen herausgelöst wurde. Nun sollte angenommen werden können, dass sich dort alle Fördermittel dieser Art wiederfinden. Das ist aber nicht so, sodass es geduldiger Vergleiche und des Rechnens bedarf, um festzustellen, woraus sich die Umverteilungen zwischen einzelnen Titelgruppen dieses Kapitels ergeben. Hat man das dann geschafft, stellt man dennoch nachdenklich fest, dass immer noch eine Titelgruppe im alten Kapitel verblieben ist, aber dort wiederum unter neuer Nummer. Am Ende fragt man sich dann, was die ganze Umstellung eigentlich bringen sollte.
Statt solche inkonsequenten Schritte zu gehen, sollte sich der Wirtschaftsminister vielleicht besser darum kümmern, dass die Voraussetzungen für eine schnelle Bewilligung des operationellen Programms der Landesregierung in Brüssel erfüllt werden. Diese Bewilligung liegt nach unserer Kenntnis noch nicht vor. Dadurch
Besonders unwahrscheinlich erscheinen uns die nunmehr veranschlagten Personalausgaben. Eine Erhöhung um rund 44 Millionen DM ist doch auch nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre und bei Berücksichtigung des Stellenabbaukonzepts der Landesregierung, welches zunächst einmal Kosten verursacht, bevor es Mittelreduzierungen ermöglicht, viel zu gering. Im Monat Mai lag diese Steigerung noch bei 100 Millionen DM, sie wurde also um mehr als die Hälfte gekürzt.
Man kann allerdings auch nicht vermuten, dass Änderungen aus Tarifabschlüssen und Ähnliches über Personalverstärkungsmittel voll zu finanzieren sind, denn diese wurden ebenfalls gekürzt, und zwar um rund 55 Millionen DM auf 60 Millionen DM. Demzufolge sind auch keine Reserven sichtbar.
Vieles wird im Haushalt rechnerisch erst verständlich bzw. nachvollziehbar, wenn Veränderungen der Einzelpläne nicht nur in den jeweiligen Gesamtsummen betrachtet werden. Vieles bleibt aber auch bei genauerer Untersuchung, beim Nachrechnen von Umverteilungen, Aufwüchsen und Kürzungen aus inhaltlichen Gründen unverständlich und ist keineswegs nachvollziehbar. Das ist mit Haushaltsdialektik nicht zu erklären.
Die Gesamtausgaben werden im Vergleich zum Vorjahr laut Haushaltsübersicht um 415,4 Millionen DM gekürzt. Rechnet man die Aufwüchse in den Einzelplänen des Landtags, des Innenministeriums, des Bereichs Wissenschaft und Forschung sowie in den Einzelplänen der Ministerien für Wirtschaft, für Justiz, für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr, für Raumordnung und Umwelt sowie des Landesrechnungshofes zusammen, erhält man eine Summe von 143,45 Millionen DM. Die Kürzungssummen in den Einzelplänen der Staatskanzlei, des Ministeriums der Finanzen, der Ministerien für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales, für Bildung und Kultur, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der allgemeinen Finanzverwaltung sowie für Hochbau betragen zusammen 558,89 Millionen DM. Das heißt, auf sieben Einzelpläne entfällt eine Kürzungssumme von 558,89 Millionen DM.
Das wiederum kann landespolitisch nur dann richtig gewertet werden, wenn innerhalb der Einzelpläne auch Aufwüchse und Kürzungen in Titelgruppen und/oder in Haushaltstiteln ins Verhältnis zu Abflüssen bzw. tatsächlichen Ausgaben gesetzt werden. Deshalb muss das in den Haushaltsberatungen als erster Schritt geprüft werden.
Haben sich die Abgeordneten danach in den Haushaltsberatungen endlich eben jenen Tiefgang erarbeitet, haben sie quasi hinter die Fassade geguckt, ergibt sich finanzpolitisch eine neue Schwungmasse im Haushaltsvollzug, die alle parlamentarischen Verhandlungsergebnisse und Beschlüsse unter Umständen auf ministerieller Ebene konterkarieren könnte.
Haushaltstechnisch realisiert sich das dann über die über alle Einzelpläne neu eingestellte globale Minderausgabe. Das Risiko besteht aus unserer Sicht darin, dass jeder Titel, ausgenommen Rechtsverpflichtungen, dem Grunde und der Höhe nach betroffen sein könnte.
Die PDS - das ist bekannt - hat in den letzten Jahren auch die Position vertreten, dass eine globale Minderausgabe in Höhe von 1 % des Gesamthaushalts durchaus vertretbar ist. Angesichts mancher Umverteilungen
in und zwischen den Einzelplänen des vorliegenden Haushaltsentwurfs fragen wir uns allerdings, ob damit auch die notwendige politische Verantwortung und Differenziertheit unterstellt werden kann.
Letztlich fragen wir uns, nach welcher Prioritätensetzung die Landesregierung die Haushaltsaufstellung vorgenommen hat. Wurde nach inhaltlicher, also landespolitischer Sinnhaftigkeit und/oder nach abschätzbarem Widerstandspotenzial entschieden?
Alles in allem sind diese Beispiele geeignet zu belegen, dass sich hinter der Fassade des Vorberichtes mit der Haushaltsübersicht, den allgemeinen Bestimmungen zu den Stellenplänen, dem Haushaltsbegleitgesetz und den Aufwüchsen und Kürzungen in und zwischen den Einzelplänen gravierende Veränderungen verstecken können und verstecken lassen. Die unentdeckten und unentdeckbaren Folgen sind das Problem.
Vor Jahren haben Ministerpräsident und Finanzminister unter breiter Zustimmung des Landtages Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zu ihren Handlungsmaximen erhoben. Aus dem vorliegenden Haushalt ergeben sich für uns, wie angeführte Beispiele belegen, in dieser Hinsicht durchaus Zweifel.
Einzelplan des Ministeriums für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales: Die Kürzungen einzelner Kapitel dieses Planes betragen zusammen 167,9 Millionen DM. Die Aufwüchse einzelner Kapitel betragen ihrerseits zusammen 49,5 Millionen DM. Damit weist dieser Plan im Vergleich zum Vorjahr eine Gesamtkürzung von rund 118 Millionen DM auf.
Es sei aber an dieser Stelle an Folgendes erinnert: Bereits im Haushalt 2000 wurden gegenüber dem Haushalt 1999 Kürzungen in Höhe von 239,2 Millionen DM realisiert. Das waren rund 9 %. Im Bereich Arbeitsmarkt waren es 94,8 Millionen DM und im Bereich Kinder, Jugend und Familie belief sich die Kürzung auf knapp 50 Millionen DM. Jetzt zeigt die Binnenstruktur des Einzelplanes im neuen Haushaltsentwurf erneute Kürzungen, die sich im Wesentlichen wie folgt aufteilen: 30,5 Millionen DM globale Minderausgabe, 56,3 Millionen DM im Bereich des Arbeitsmarktes und 21,8 Millionen DM im Bereich Kinder, Jugend und Familie, allerdings dort insbesondere verursacht durch die Änderung im Haushaltsbegleitgesetz zum Unterhaltsvorschuss.
Aber wenn für ABM 20 Millionen DM weniger zur Verfügung stehen sollen, was nach jetzigen Maßstä- ben 2 500 Förderfälle weniger bedeuten würde, und für Strukturanpassungsmaßnahmen 15,5 Millio- nen DM weniger kommen, was nach jetzigen Maßstäben 1 700 Förderfälle weniger bringen würde, dann gehen wir nach wie vor davon aus, dass angesichts der überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit im Land ein Abbau der Arbeitsmarktförderung nicht zu vertreten ist. Zudem ist der Lohnkostenzuschuss ebenfalls von 2 180 DM auf 1 937 DM gesunken.
Wir fragen: Will die Landesregierung die Schaffung eines Niedriglohnsektors zulassen bzw. unterstützen? Wir wollen es nicht.
Natürlich müssen auch - da gebe ich Herrn Fikentscher Recht -, wenn es um die Bestimmung der Förderfälle geht, die qualitativen Wirkungen der Änderungen genau untersucht werden, und es muss untersucht werden, welche realen Abflussfallen bestehen und was dann tat
Immerhin widersprechen hierbei unsere Annahmen den Äußerungen des Ministerpräsidenten. Die Problematik der Förderfälle wird am Ende darüber entscheiden, inwieweit die Summe veränderbar ist.
Im Kern geht es aber - das haben wir auf Landesebene leider nicht zu entscheiden - um Förderzeiträume und Förderhöhen. Das ist Bundesgesetz.
In Rechnung zu stellen haben wir aber auch, dass die geringer werdenden Zuweisungen an die Kommunen deren Kofinanzierung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zusätzlich erschweren.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch folgende Anmerkung, vor allem für Herrn Bergner. Es wird im Allgemeinen stets darauf hingewiesen, dass die Lohnentwicklung im Osten an die Produktivitätssteigerung gekoppelt werden müsse. Gleich ob ich das nun richtig finde oder nicht, trotzdem wird in der Öffentlichkeit - auch von Ihnen, Herr Bergner - auf die besondere Schwäche Sachsen-Anhalts beispielweise im Vergleich zum Bundesland Sachsen hingewiesen. Sie haben es auch heute nicht vergessen.
Dort beträgt das Bruttoinlandsprodukt des Jahres 1998 je Beschäftigten allerdings 67 181 DM. In Sachsen-Anhalt beträgt es 68 607 DM.
Als Schlussfolgerung bleibt also vordergründig, dass hier Investitionen zwar mit höherer Kapitalintensität angelegt sind, aber dass die Produktivität in Sachsen-Anhalt insgesamt höher ist. Das ist allerdings ein Preis der hohen Arbeitslosigkeit.
In Sachsen muss also in der Breite insgesamt ein besserer Stand erreicht worden sein. Diese Entwicklung liefert jedoch keine Argumente für die Aushöhlung des Lohnniveaus, auch nicht des Lohnniveaus auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Wir sehen in dieser Hinsicht Klärungsbedarf.
Der Konjunkturaufschwung hat bislang nur in Westdeutschland gegriffen, und ich bezweifle, dass das so ungebrochen im Maßstab 1 : 1 in ein oder zwei Jahren im Osten wiederzufinden sein wird. Deshalb sollten wir hierbei sehr umsichtig mit eventuellen Kürzungen sein.
Meine Damen und Herren! Die geringer werdenden Mittel für verschiedene Beratungsangebote betrachtet unsere Fraktion ebenfalls sehr kritisch. Öffentlich finanzierte Beratungsangebote sind immerhin ein wichtiges Zeichen für Demokratie.
Andererseits bleibt uns aber unverständlich, nach welchen Kriterien die Mittelansätze im Bereich der Familienförderung erfolgten, gerade auch mit Blick darauf, dass den Familien in der Kinder- und Jugenderziehung eine so exponierte Stellung eingeräumt wird. Dabei sollte das Problem aus unserer Sicht keineswegs nur auf seine soziale Komponente eingeengt werden.
Zu prüfen haben wir auch die qualitativen Kriterien des Mittelansatzes im Bereich der beruflichen Erstausbildung und Qualifikation. Die qualitativen Differenzen zwischen den einzelnen Ausbildungen müssen positiv ausge- glichen werden.
Insgesamt handelt es sich beim Einzelplan des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit, Frauen und Soziales, wie
wir meinen, nicht nur um einen der sensibelsten Einzelpläne, sondern zugleich um einen Einzelplan, dessen Änderungen mit unmittelbaren Wirkungen für die Betroffenen enden. Deshalb ist uns die Klärung der Frage der Kürzungen und der Umverteilung der Mittel im Haushaltsplanentwurf für die nächsten Haushaltsberatungen besonders wichtig.
Ich möchte nunmehr noch einige Anmerkungen zum Einzelplan für die allgemeine Finanzverwaltung machen. Was erwartet nach unserer ersten Übersicht die Kommunen?
Zunächst fällt eine Minderausgabe von 178,8 Millio- nen DM ins Auge. Diese setzt sich zusammen aus 133 Millionen DM weniger Finanzausgleichsmasse durch eine Änderung der Höhe der Sonderbedarfsergänzungszuweisungen von 37 % auf 34 %. Diese drei Prozentpunkte entsprechen immerhin einem Geldbetrag in Höhe von 66 Millionen DM.
Wenn hierbei die Korrektur, wie sie vom Finanzminister eingeräumt wurde und wie sie von der SPD-Fraktion offensichtlich unterstützt wird, vorgenommen wird, dann begrüßen wir das.
Zu dem Betrag in Höhe von 133 Millionen DM gehören des Weiteren 24,3 Millionen DM weniger aus dem Länderfinanzausgleich, 40 Millionen DM weniger aus dem Anteil an Landessteuern und 3 Millionen DM weniger aus den Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen. Hinzu kommt, dass die Gemeinden um 2,77 Millionen DM geringere Zuweisungen erhalten sollen.
Letztlich entfallen aus dem Topf der Zuweisungen für Investitionen nach dem Investitionsfördergesetz 42,3 Millionen DM. Das heißt, den Kommunen bleiben für Investitionen am Ende nur etwa 400 Millionen DM statt 441 Millionen DM zur Verfügung.
Dieser Differenzbetrag wird - das finden wir ziemlich dreist - als Sanierungs- und Teilentschuldungshilfe für Abwasserzweckverbände eingesetzt. Eine solche Lastenverteilung war ganz und gar nicht vereinbart und davon konnten weder Kommunen noch Zweckverbände ausgehen.
Diese Tatsache und erst recht die um 200 Millionen DM verringerten Gesamtausgaben für die kommunale Ebene machen den Protest der kommunalen Spitzenverbände verständlich.