sondern tatsächlich um die Probleme, Wünsche und Forderungen der Vertriebenen. Nur aus diesem Grunde werden wir dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zu
stimmen, obwohl wir meinen, dass er nicht umfassend genug ist. Aber wie heißt das Sprichwort? - Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Die zentrale Frage ist für uns nach wie vor die Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht, nach dem Recht auf Heimat und Selbstbestimmung in der Heimat, nach dem historischen politischen Anspruch auf die angestammten Siedlungsgebiete aller auf der Welt lebenden Vertriebenen. Für uns ist wichtig: Vertreibung lässt sich niemals rechtfertigen, durch nichts, aber auch gar nichts.
Daran kann es also auch keinen Zweifel geben. Vertreibung ist Unrecht. Deswegen haben wir diesen einen Satz aufgenommen: Vertreibung und Entrechtung sind als Völkerrechtsverbrechen zu ächten.
Ich bitte - sollte der Änderungsantrag der CDU-Fraktion abgelehnt werden - um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.
Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zum Antrag in der Drucksache 3/3959. Dazu bitte ich die Debattierklubs, die sich gebildet haben, um Ruhe.
Ich bitte die drei Kolleginnen in der letzten Reihe der Sitze der CDU-Fraktion darum, wenigstens bei der Abstimmung Ruhe zu wahren.
Erstens ist über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 3/3613 abzustimmen. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das Ergebnis der Abstimmung muss ausgezählt werden. - Es wurden 26 Jastimmen gezählt. Ich stelle eine deutlich höhere Anzahl an Neinstimmen fest. - 37 Neinstimmen wurden gezählt. Damit ist der Änderungsantrag der CDU-Fraktion abgelehnt worden.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ursprungsantrag. Das ist der Antrag der FDVP-Fraktion. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen aus der CDU-Fraktion ist der Antrag abgelehnt worden. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 26 abgeschlossen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir uns in Vorbereitung dieser Landtagssitzung überlegt haben, wie wir dem Anliegen der Vertriebenen
Darf ich die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion bitten, wenigstens mit einem eigenen Kollegen solidarisch umzugehen?
Am 20. März 1999 hat der Bundesvorstand des Bundes der Vertriebenen einstimmig beschlossen, eine Stiftung der deutschen Heimatvertriebenen unter dem Namen „Zentrum gegen Vertreibung“ in der Bundeshauptstadt Berlin zu errichten.
Bereits zwei Monate später haben bei einer Festveranstaltung im Berliner Dom am 29. Mai 1999 Bundesinnenminister Otto Schily, Bundesratspräsident Roland Koch und der Regierende Bürgermeister von Berlin Eberhard Diepgen ihre Unterstützung zugesagt.
Neben den Ministerpräsidenten Thüringens, Bernhard Vogel, Mecklenburg-Vorpommerns, Harald Ringstorff, Sachsens, Kurt Biedenkopf, und Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, hat auch der Ministerpräsident unseres Landes, Reinhard Höppner, seine Unterstützung für das Vor- haben zugesichert.
Darüber hinaus konnten Professor György Konràd, der Präsident der Akademie der Künste, Professor Dr. Peter Glotz, Professor Dr. Arnulf Baring, Freya Klier, Tilmann Züsch, der Vorsitzende der Gesellschaft für bedrohte Völker, Dr. Axel Freiherr von Campenhausen, Professor Dr. Alfred Dezajas, Bernhard Jagoda, Professor Christof Stölzl und andere für dieses Anliegen gewonnen werden.
Im Gedenken an den Geist der Versöhnung der Stuttgarter Charta der Heimatvertriebenen vom 5. August 1950 will der Bundesverband der Vertriebenen ein Zentrum errichten. Dieser Ort soll Mahnung sein, Vertreibung weltweit zu ächten und die Völkergemeinschaft zu sensibilisieren.
Im 20. Jahrhundert sind zwischen 80 und 100 Millio- nen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, deportiert oder zwangsweise umgesiedelt worden. Ein großer Teil der europäischen Völker war Opfer solcher ethnisch begründeten Vertreibungen.
Vertreibungen sind bis zum heutigen Tag überall gegenwärtig. Das Schicksal der mehr als 15 Millionen vertriebenen Deutschen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa ist selbst in Deutschland ein nahezu weißer Fleck im öffentlichen Bewusstsein.
Nirgendwo ist bis jetzt unter einem Dach ein Gesamtüberblick über diese europäische Tragödie möglich und an keinem Ort sind für den interessierten Bürger die vielfältigen kulturellen Wurzeln, die Geschichte und das Schicksal der Heimatvertriebenen sowie ihre Aufnahme und Eingliederung in den Bundesländern insgesamt erfahrbar.
Bei der Aufgabenstellung für das Zentrum gegen Vertreibung handelt es sich nicht nur um ein Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen, sondern um einen Teil gesamtdeutschen Schicksals und gesamtdeutscher, ja europäischer Geschichte. Keine Region Deutschlands ist davon unberührt geblieben. Allgemein zugänglich soll ein Gesamtüberblick über die Vertreibung von mehr als 15 Millionen Deutschen gegeben werden, um der Aufarbeitung dieses einschneidenden Teils der Geschichte zu dienen.
Optische, akustische und schriftliche Zeitzeugen, Berichte aus allen Vertreibungs- und Aussiedlungsgebie-ten sollen zusammengeführt werden. Die Veränderung Deutschlands in seinen Bundesländern durch die Integration Millionen vertriebener Landsleute und die Auswirkungen auf alle Lebensbereiche sollen dokumentiert und dargestellt werden. Die Leistungen der Bundesländer sollen dabei ebenso sichtbar werden wie der Integrationswille der Heimatvertriebenen und Aussiedler.
Die Vertreibung anderer Völker insbesondere im Europa des 20. Jahrhunderts soll im Zentrum erfahrbar werden. Im konstruktiven Dialog mit den Nachbarvölkern soll die gemeinsame Vergangenheit aufgearbeitet werden, um daraus ein Friedenspotenzial für die Zukunft zu schaffen. Über das Trennende hinaus soll das Verbindende herausgearbeitet werden. In Wechselausstellungen soll daneben aktuelles Vertreibungsgeschehen aufgearbeitet werden, es sollen aber auch vertiefte Einblicke in Kultur und Geschichte der deutschen Volksgruppen und anderer Vertreibungsopfer geboten werden.
Die Stiftung als solche soll das Zentrum gegen Vertreibung organisieren und so ihren Zweck durch die Einrichtung und Unterhaltung einer zentralen Informations-, Dokumentations-, Archiv- und Begegnungsstätte in Berlin als nationalem und internationalem Zentrum gegen Vertreibung, für menschliche Begegnung, friedliche Nachbarschaft zwischen den Völkern, Verständigung und Versöhnung verwirklichen. Von Anbeginn sollen Veranstaltungen zur Völkerverständigung mit dem Ziel, Vertreibung aufzuarbeiten und zukünftig zu verhindern, durchgeführt werden. Zu diesem Zweck kann die Stiftung außerdem Preise für besondere Verdienste um die Völkerverständigung verleihen.
Diesem Anliegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, können und sollten wir uns nicht verschließen. Deshalb bitte ich im Namen meiner Fraktion um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihenfolge SPD, FDVP, PDS, DVU-FL, CDU vereinbart worden. Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Dr. Kuppe.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Das Thema Vertreibung ist auch mehr als 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unverändert aktuell. Afghanistan, Somalia oder Tschetschenien kommen zwar in den täglichen Nachrichtensendungen weitgehend nicht mehr vor; daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die dortigen Konflikte beendet wären. Tod und Vertreibung sind in diesen Ländern vielmehr zum Alltag geworden
In seiner neuesten Statistik beziffert der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen die Zahl der Menschen, die derzeit vor Krieg, Verfolgung und massiven Menschenrechtsverletzungen geflohen sind, auf weltweit mehr als 21 Millionen. Auch in Europa sind immer noch Menschen auf der Flucht oder akut von Vertreibungen bedroht. Bosnien, Herzegowina und Kroatien gehören zu den zehn größten Herkunftsländern von Flüchtlingen.
Vertreibung heißt in jedem einzelnen Fall Not und Elend bis hin zum Tod, Verlust von Hab und Gut, brutales Abschneiden der historischen und auch der kulturellen Wurzeln. Vertreibung lässt sich niemals rechtfertigen. Vertreibung - daran kann es keinen Zweifel geben - ist immer Unrecht.
Die millionenfache Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa, darunter die Vertreibung von vielen unschuldigen Kindern, bleibt ein Verbrechen. Das Leid und das Unrecht, das deutschen Heimatvertriebenen angetan wurde, darf daher nicht in Vergessenheit geraten.
Gleichzeitig ist dabei aber auch der Blick nach vorn zu richten und eine Botschaft auszusenden, an der uns vor allem gelegen ist: die Botschaft der Versöhnung, die Botschaft der Toleranz, die Botschaft der Zivilcourage und der Menschenrechte.
Mit seiner Charta der deutschen Heimatvertriebenen hat der Bund der Vertriebenen bereits 1950 in bemerkenswerter Weise die Richtung vorgegeben, in dem dort unter Punkt 1 formuliert wurde - ich zitiere -:
„Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem alle Völker ohne Furcht und Zwang leben können.“