Protocol of the Session on September 14, 2000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Becker, mein Kompliment, Sie leisten wirklich gute Lobbyarbeit. Die Jäger in unserer Fraktion sind begeistert.

(Frau Mittendorf, SPD: Richtig! - Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Wir haben aber nicht nur Jäger in unserer Fraktion, und die Meinungen darüber, ob eine Jagdsteuer heute noch angebracht bzw. gerechtfertigt ist, gehen weit auseinander. Neben fiskalischen Überlegungen gibt es dabei auch inhaltlich unterschiedliche Auffassungen.

Wie bereits mehrfach betont wurde, handelt es sich bei der Jägerschaft um einen nach § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes anerkannten Verband - aus meiner Sicht auch zu Recht, da die Leistungen der Jäger für den Natur- und Artenschutz in der Summe nicht zu unterschätzen sind. Neben den Aktivitäten im Rahmen eines Biotopverbundes möchte ich als Beispiel die in SachsenAnhalt zur Wahrung des ökologischen Gleichgewichts jährlich ca. 40 000 abzuschießenden Füchse erwähnen.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Fälle, in denen die Jagdpächter einmal jährlich eingeflogen kommen, zum Halali blasen und wieder verschwunden sind. Wieso diese von ihrem kleinen Obolus befreit werden sollen, will mir allerdings nicht ganz einleuchten.

Meine Damen und Herren! Die bisherige Erhebung der Jagdsteuer beruht auf einer Kannbestimmung und lässt den Landkreisen somit in gewissem Rahmen den Spielraum, selbst zu entscheiden. Es bedarf auf Landesebene nicht einmal zwingend einer Rechtsgrundlage

für die Jagdsteuer, da keine Spezialvorschrift vorhanden ist und die Gemeinden aufgrund des Steuerfindungsrechts selbst entscheiden können. Daher könnte die Jagdsteuer aus dem Kommunalabgabengesetz bedenkenlos gestrichen werden.

Ich denke jedoch, aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen sollten wir die Diskussion über das Für und Wider der Jagdsteuer in den Ausschüssen vertiefen, und beantrage hiermit die Überweisung zur federführenden Beratung in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Landwirtschaftsausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Herrn Dr. Fikentscher, SPD)

Danke sehr. - Für die DVU-FL spricht jetzt zu Ihnen der Abgeordnete Herr Preiß. Bitte, Herr Preiß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abschaffung der Jagdsteuer ist unserer Meinung nach eine Maßnahme, die man unseren Wählern tunlichst erklären sollte. Allgemein besteht nämlich die Vorstellung, dass Jagd immer ein Hobby privilegierter Bürger sein muss. Zu Zeiten des Genossen Honecker war das Jagen meistens eine politische Angelegenheit. Die einfache Bevölkerung war ausgeschlossen oder gegebenenfalls als Helfershelfer eingesetzt.

Zum Glück haben sich die Zeiten geändert. Fast jeder Jagdbesessene kann, wenn er einige Überprüfungen und Prüfungen überstanden hat, aktiver Jäger werden. Mit Privilegien hat dieses Hobby nun nichts mehr zu tun, höchstens noch etwas mit etwas mehr Eigenkapital.

Uns ist bewusst, dass die aktiven Freizeitjäger eine wichtige Verantwortung für die Hege und Pflege unserer Wälder und Wiesen übernommen haben, eine Verantwortung, die auch enorme finanzielle Eigenleistungen einfordert.

Eine Jagdsteuer zu erheben ist wirklich nicht mehr zeitgemäß. Wir sollten uns schnell entschließen, diese abzuschaffen. Allerdings möchte ich bemerken, dass 320 000 DM Steuereinnahmen, auch wenn unseren Landkreisen durch die zu hohen Verwaltungskosten nur geringe Beiträge zur Verfügung stehen, für uns keine Peanuts sind.

Meine Damen und Herren! Die Abschaffung einer Steuer wird bei den Betroffenen immer auf Zustimmung treffen. Die Jagdsteuer, ein Relikt vergangener Jahrhunderte, muss vom Tisch. Aber in der Bevölkerung wird Erklärungsbedarf bestehen. Denn man wird sich fragen: Wer sorgt sich um Steuersenkungen für uns, für Otto Normalverbraucher. Ich muss heute wohl nicht auf die eigentlichen Probleme unserer Bevölkerung eingehen. Die sind uns allen bekannt.

Wir stimmen dem Gesetzentwurf zur Abschaffung der Jagdsteuer in Sachsen-Anhalt zu und mahnen die Landesregierung, den Termin des In-Kraft-Tretens noch vor dem vorgeschlagenen Termin der CDU-Fraktion zu finden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der DVU-FL)

Danke sehr. - Der Abgeordnete Herr Krause hat jetzt für die PDS-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Krause.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir geht es nicht in erster Linie um Recht, Gesetz, um die Rechtmäßigkeit der Steuererhebung oder um verfassungsrechtliche Bedenken, die der Innenminister vorhin dargestellt hat. Es geht mir und uns als Fraktion einfach um die Wertschätzung der Arbeit der Jägerschaft als Naturschutzverband in dieser Bundesrepublik.

(Zustimmung von Herrn Schulze, CDU)

Es bleibt die Tatsache, dass die Jagd die einzige Freizeitbeschäftigung ist, die besteuert wird. Die Argumentation, dass die Jagdausübungsberechtigten deshalb besteuert werden, weil man sie für besonders zahlungskräftig oder privilegiert hält, entbehrt, so pauschal dar- gestellt, jeglicher Grundlage.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Es wurde schon mehrfach darauf verwiesen: In unseren Dörfern in Sachsen-Anhalt leben die meisten Jäger. Nach meinen Schätzungen sind über 50 % von ihnen Rentner.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Reduzieren Sie bitte die Lautstärke Ihrer Gespräche.

Es sind Vorruheständler, sie stammen ehemals aus der Landwirtschaft, sie waren dort im Orte tätig. Und dies festmachen zu wollen an Einzelnen, die hier eingeflogen sind, wie das Vorredner darzustellen versuchten, entbehrt auch, glaube ich, der Sachlichkeit.

Die heutige Jagd ist auch längst nicht mehr das, was sie zur Zeit der Einführung der Jagdsteuer einst war, als es um die Besteuerung der herrschaftlichen Jagd ging, als die Jagd als Grund und Boden in den Händen weniger lag.

Diese Steuererhebung liegt heute zwar ausschließlich im Ermessen der Landkreise, doch könnte ihnen bei einem Verzicht - so immer das Argument im Land zu hören - auf diese Steuer gegebenenfalls bei einer Beantragung von Landesfördermitteln der Vorwurf gemacht werden, nicht alle Einnahmequellen genutzt zu haben.

(Herr Becker, CDU: Genau das ist es!)

Auch wir wollen nicht nur diesen Druck von den Kommunen nehmen, sondern plädieren generell dafür, dass die Steuer - ich sage es bewusst - nicht erhoben wird.

Wie ungerechtfertigt diese Steuer ist, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die Jäger - einige Vorredner haben auch darauf verwiesen - und ganz besonders die Revierinhaber, die letztlich die Betroffenen sind, viel Arbeit und Freizeit in die Erhaltung, Wiederherstellung und Pflege der Reviere, also in unsere Umwelt investieren. Die Jäger bemühen sich, in ihren Revieren Hegemaßnahmen, wie die Biotopverbesserung, durchzuführen und auch Schalenwildbestände durch planmäßigen Abschuss auf einem umweltverträglichen Stand zu halten.

Gerade solche Maßnahmen wie die Herrichtung von Neuanlagen und die Pflege von Schutzgehölzen, in die die Jäger viel Zeit investieren, liegen im öffentlichen Interesse. Damit wird dem katastrophalen Rückgang

insbesondere des Niederwildbesatzes entgegengewirkt. Zahllose nicht jagdbare Arten sind unmittelbar Nutznießer dieser Hegemaßnahmen. Es dürfte neben den Mitgliedern des Landesjagdverbandes und der Umweltverbände wohl kaum eine andere so engagierte große Interessengruppe geben, die derartige Aktivitäten ent- wickelt.

Ganz im Gegensatz dazu - das hat nichts mit Gleichbehandlung oder Verfassungsmäßigkeit zu tun, Herr Innenminister - andere Freizeitbeschäftigungen wie zum Beispiel der Motorsport in Feld und Flur und auf unseren Gewässern, Skilaufen und andere spezielle Branchen im Tourismus, die der Umwelt in erheblichem Maße schaden - die werden nicht besteuert. Besteuert werden diese Arten der Freizeitbeschäftigung bei weitem nicht und gesetzliche Grundlage bestehen dafür auch nicht. Ganz im Gegenteil: Es fließen sogar in Größenordnungen Steuergelder zur Förderung dieser und anderer Freizeitbeschäftigungen, damit auch Uwe Seeler in Magdeburg wieder Golf spielen kann.

In der Frage der Jagdsteuer oder nicht Jagdsteuer geht es vor diesem Hintergrund letztlich auch - wie ich eingangs sagte - um die gebotene Wertschätzung der gemeinnützigen Leistung der Jägerschaft, um deren moralische Anerkennung.

Wer denkt eigentlich schon daran, dass die Jägerschaft völlig ehrenamtlich Aufgaben erledigt, die eigentlich hoheitliche Aufgaben des Landkreises sind? Ich meine hier zum Beispiel die Beseitigung von Unfallwild. Und nicht zuletzt sollte auch das Engagement der Jäger zur erfolgreichen Bekämpfung der Schweinepest und der Umsetzung von staatlich-kommunal verordneten Maßnahmen, um dieser Seuche Herr zu werden, genannt werden. All dies müsste auch in einigen Kreisverwaltungen endlich Fuß fassen.

Die bisherige Haltung zur Jagdsteuer sollte aus dieser Sicht überdacht werden.

(Zustimmung von Herrn Becker, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU)

Bereits am 25. April 1996 ist in diesem Haus der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes beschlossen worden. Im Zuge dieser Änderung ist von der PDS-Fraktion damals mit dem Änderungsantrag in Drs. 2/2204 die Abschaffung der Jagdsteuer beantragt worden. Damals wurde die Veränderung des Kommunalabgabengesetzes durchgepeitscht, unser Antrag in dieser Angelegenheit abgelehnt.

Ich meine, wir sollten sachlicher mit diesem Anliegen, mit der Anerkennung auch der Arbeit der Jäger umgehen, diesen Antrag in beiden Ausschüssen sachlich beraten und dann zu einem Ergebnis kommen.

(Zustimmung bei der PDS)

Danke sehr. Sie sind um 30 Sekunden über das Ziel hinausgeschossen. - Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Wernicke das Wort. Bitte.

(Herr Gürth, CDU: Ab 18.30 Uhr wird zurückge- schossen!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht bestätigte am

10. August 1989 die Rechtmäßigkeit der Erhebung dieser Abgabe. Diese Entscheidung wurde jedoch vor der Anerkennung der Landesjagdverbände nach § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes getroffen und heute - das wurde schon vielfach geschildert - ist die Situation eine völlig andere.

Um noch einmal die durch den Kollegen Becker bereits vorgetragenen Argumente zum Aufwand der Jäger zu bestätigen, möchte ich Ihnen diesen Aufwand der Landesjägerschaft in Sachsen-Anhalt am Beispiel des Jagdjahres 1996/97 einmal kurz darstellen: Für die Neuanlage von Biotopen, für Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen und für Flurreinigungsaktionen wurden als finanzieller Aufwand 658 000 DM aufgebracht. Dabei sind die Arbeitsstunden monetär noch nicht bewertet worden. Wenn ich einmal einen Arbeitsstundensatz von 45 DM ansetze, könnte sich eine Summe von 3,5 Millionen DM ergeben - für Maßnahmen, die den Staat nichts kosten; das betone ich.

(Beifall bei der CDU)

Und dafür, dass sie 3,5 Millionen DM an Leistungen erbringen, müssen die Jäger nun auch noch 320 000 DM als Steuern bezahlen. Das ist einfach schizophren.

Und wenn es denn so wäre, Herr Innenminister, dass die 320 000 DM Gesamteinnahmen der Natur und der Umwelt zugute kämen, würden es die Jäger vielleicht noch einsehen. Aber sie fließen in den allgemeinen Haushalt der Kreise ein, und man kann nicht nachvollziehen, ob sie denn wirklich für die Aufgaben, denen sich die Jäger stellen, ausgegeben werden.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiteres Argument, das schon anklang, ist das freiwillige Entsorgen von Unfallwild auf den Straßen, kostenlos und freiwillig, was längst keine Pflichtaufgabe für die Jäger darstellt und den Landkreis im Moment nichts kostet. In Brandenburg haben sich die Jäger darauf verständigt, das Wild liegen zu lassen, und es muss für teures Geld durch die Straßenbaulastträger oder durch die Landkreise entsorgt werden. Und solch ein Vorbild würde für unser Land verheerende Folgen haben.