Die erste Beratung fand in der 28. Sitzung des Landtages am 8. Oktober 1999 statt. Berichterstatter des Ausschusses ist der Abgeordnete Herr Gebhardt. Bitte schön, Herr Gebhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 8. Oktober 1999 überwies der Landtag drei Anträge zur Weiterentwicklung der Kulturpolitik des Landes zur federführenden Beratung und Berichterstattung in den Ausschuß für Kultur und Medien und zur Mitberatung in den Ausschuß für Inneres. Es handelte sich um den Antrag „Leitlinien zur Kulturpolitik des Landes Sachsen-Anhalt“ der CDU-Fraktion einschließlich eines Änderungsantrages der DVU-Fraktion, weiterhin um den Antrag der SPDFraktion „Kulturrahmenplanung des Landes SachsenAnhalt“ und um den Antrag der PDS-Fraktion „Landeskulturkonzept“.
Der Antrag der CDU-Fraktion zielte darauf ab, einen Kulturbeirat einzuberufen, welcher Leitlinien für eine künftige Kulturpolitik erarbeiten sollte.
Der Antrag der SPD plädierte im wesentlichen für eine Berichterstattung zur derzeitigen kulturellen Situation des Landes und forderte, ausgehend hiervon eine Rahmenplanung zu erarbeiten.
Der PDS-Antrag plädierte für ein Landeskulturkonzept, welches von der Landesregierung gemeinsam mit Trägern kultureller Projekte und Kulturschaffenden erarbeitet werden sollte. Auch hierin war eine stringente IstBeschreibung der derzeitigen Situation gefordert.
Nach Einschätzung der Ausschußmitglieder gab es in bezug auf die jeweiligen Intentionen der Anträge durchaus Schnittmengen. Am 1. Dezember 1999 beriet der
Ein Antrag der PDS-Fraktion im Ausschuß auf Anhörung von Kulturschaffenden fand nach längerer Diskussion die Zustimmung des Ausschusses. Die Anhörung fand unter der Fragestellung „Wieviel Festschreibung braucht die Kultur in Sachsen-Anhalt?“ am 26. April 2000 als öffentliche Anhörung statt.
Jede Fraktion hatte die Möglichkeit, jeweils fünf Vertreterinnen und Vertreter aus dem kulturellen Leben als Anzuhörende zu benennen. An dieser öffentlichen Anhörung nahmen unter anderem Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Bühnenvereins, Landesverband Ost, der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, des Museumsverbandes Sachsen-Anhalt, der Werkleitz-Filmgesellschaft, des Landesmusikrates sowie Herr Professor Dr. Dietrich Mühlberg, Kulturwissenschaftler im Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam, und der Landesbeauftragte der evangelischen Kirchen teil.
Die Mehrheit der Angehörten plädierte für die Erarbeitung einer Konzeption für die Kulturlandschaft des Landes. Der Vertreter der Werkleitz-Filmgesellschaft äußerte Skepsis, da er die Gefahr sehe, daß Kultur von oben dirigiert werden könne und sich sodann nicht mehr von unten frei entfalten könne.
Ebenfalls gab es Stellungnahmen, die in die Richtung tendierten, nur eine finanzielle, jedoch keine inhaltliche Festschreibung in der Kulturpolitik vorzunehmen. Sowohl Mitglieder des Ausschusses als auch Anzuhörende widersprachen dieser These, da es sich bei einer finanziellen Festschreibung auch immer um eine inhaltliche Prioritätensetzung handele.
Herr Professor Mühlberg argumentierte, ein Kulturkonzept müsse Entscheidungen über eine Grundfunktion des Staates herbeiführen. Diese müsse Schutz- und Schonräume für die kulturellen Institutionen sichern. Darüber hinaus sei das Land verpflichtet, Freiräume für kulturelle Experimente und für den Nachwuchs zu sichern. Drittens müßten Staat und Kommunen auch in der Sozial- und Kulturpolitik sozial ausgleichend wirken und jegliche Ausschließung von der kulturellen Kommunikation mildern.
In der 15. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 24. Mai 2000 haben die Fraktion der PDS eine überarbeitete Fassung ihres Antrags zum Thema Landeskulturkonzept und die Fraktion der CDU eine Beschlußempfehlung mit dem Titel „Kulturdialog“ vorgelegt. Eine Mehrheit im Ausschuß fand schließlich der Änderungsantrag der PDS-Fraktion, der unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Anhörung einen Kompromiß darstellen sollte.
So ist in dem Änderungsantrag der Auftrag an die Landesregierung in der Weise formuliert worden, daß sie auf der Grundlage einer bis zum Ende des Jahres 2001 zu erarbeitenden Zustandsbeschreibung der kulturellen Situation im Land im Zusammenwirken mit den Kultureinrichtungen und den kulturellen Trägern sowie mit Künstlern und Künstlerinnen ein Kulturkonzept erarbeiten solle. Zeitgleich mit dem detaillierten Kulturbericht sollen dem Landtag bis Ende des Jahres 2001 kulturpolitische Grundsätze und ein Zeitplan zur Erarbeitung des Landeskulturkonzeptes vorgelegt werden.
Die auf der Grundlage des überarbeiteten Änderungsantrages der PDS-Fraktion entstandene vorläufige Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Me
dien wurde durch den mitberatenden Ausschuß für Inneres in dessen 32. Sitzung am 9. Juni 2000 einstimmig bestätigt.
Die nunmehr vorliegende Beschlußempfehlung des federführenden Ausschusses wurde in einer außerordentlichen Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 13. Juni 2000 mit 7 : 0 : 1 Stimmen verabschiedet.
Namens des Ausschusses für Kultur und Medien bitte ich den Landtag um Zustimmung zu dieser Beschlußempfehlung.
Vielen Dank. - Bevor ich zur Debatte der Fraktionen aufrufe, darf ich Damen und Herren des Pratauer Freizeitund Seniorenclubs aus Wittenberg begrüßen.
Sollte bei den Gästen der Eindruck entstehen, wir wären nur ein Freizeitparlament, dann weise ich diesen Ausdruck mit Nachdruck zurück.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich würde das nicht als Flucht vor der Kultur interpretieren. Ich möchte an dieser Stelle nicht meinen Debattenbeitrag aus der Landtagssitzung vom 8. Oktober 1999 wiederholen. Ich habe damals ausführlich die Position zu dem Vorhaben dargelegt und auch die Aspekte, die ich seinerzeit bereits begrüßt habe.
Die Fraktionen des Landtages haben mit ihren unterschiedlichen Anträgen einen Dialog über die kulturelle Entwicklung in unserem Lande angestoßen, der nicht nur der Unterstützung der Fraktionen dieses Hohen Hauses bedarf, sondern auch der Unterstützung vieler Menschen im Lande. Dieses Konzept wurde in der Anhörung im Landtag bestätigt, bei der eine Reihe von Kulturschaffenden sowie die berufenen Experten aus der Kultur und der Verwaltung die Gelegenheit hatten, ihre Positionen vorzutragen.
Dabei wurde schnell deutlich, daß wir eine gemeinsame Diskussion sowohl über die Schwerpunktsetzung als auch über die Finanzierungsstrukturen der Kulturförderung brauchen. Aufgrund der uns allen bekannten schwierigen Situation der öffentlichen Haushalte wird uns allen klar sein, daß das Setzen von Schwerpunkten auf der einen Seite auch das Element des Verzichts und des Ausschlusses auf der anderen Seite bedeuten kann.
Dem Landtag liegt eine Beschlußempfehlung vor, auf deren Basis die Landesregierung in den nächsten eineinhalb Jahren die Schwerpunkte der kulturellen Arbeit und des Kulturschaffens im Lande darlegen soll. Dabei sollen wir insbesondere über den Rahmen diskutieren, in dem das Land fördert und die kulturellen Entwicklungen im Lande unterstützt. Aber es geht neben den Landesaktivitäten auch um die Vielfalt der kommunalen, ehrenamtlichen und in freier Trägerschaft stattfindenden Aktivitäten im Lande.
Für das Land wird es auch in Zukunft darum gehen, nur die Einrichtungen, Projekte oder Vorhaben zu fördern, die eine landesweite oder überregionale Bedeutung bzw. Ausstrahlung haben oder denen eine modellhafte Bedeutung zukommt.
Erstens. Subsidiarität als Grundprinzip. Dem Vertreter der Werkleitz-Gesellschaft sei gesagt, es geht nicht um Staatskultur, sondern es geht in der Tat um eine Kultur, die im Lande wächst.
Zweitens. Gemeinsamer Auftrag von Land und Kommunen in der Verfassung des Landes zur Förderung und Unterstützung der Kultur.
Viertens. Die Öffnung des Landes für aktuelle kulturelle und künstlerische Entwicklungen, wobei wir - ich sagte es damals schon - aufpassen müssen, daß die Pflege des kulturellen Erbes nicht die aktuellen Entwicklungen behindert bzw. an den Rand drängt.
Ich bin insgesamt guten Mutes, daß es uns gemeinsam gelingen wird, in den nächsten Jahren einen offensiven kulturpolitischen Dialog anzustoßen. Der Prozeß, der bereits im Landtag begonnen hat, ist hierfür ein guter Auftakt, auch wenn die Diskussionen um einzelne Formulierungen außerordentlich schwierig sind. Aber der vorliegende Katalog kann eine Grundlage für eine solche offensive Diskussion sein.
Ich möchte betonen, die Landeskulturpolitik unterscheidet sich von anderen Aufgaben dadurch, daß mit Ausnahme der vom Land selbst betriebenen Einrichtungen die Kulturarbeit durch eine Vielzahl von Einzelpersonen, Gebietskörperschaften, Vereinen, Gruppen, Initiativen sowie von professionellen und gewerblichen Kulturbetrieben mit einem hohen Maß an eigener Zuständigkeit und Kompetenz betrieben wird. Diese Gesamtheit der Ressourcen macht die Fülle, die Lebendigkeit und die Vielfalt des kulturellen Lebens im Lande aus.
Dabei erfolgt ein erheblicher Teil des kulturellen Lebens ohne oder nur mit gelegentlicher geringer finanzieller Unterstützung des Landes oder der Kommunen im ehrenamtlichen Bereich durch freie künstlerische Tätigkeit. An dieser Stelle werden wir mit dem Berichtsauftrag sicherlich einige systematische Schwierigkeiten haben. Ich will das so sagen. Wir können niemanden verpflichten, dem Ministerium gegenüber Angaben zu machen. Wir können diese Angaben abfragen.
Ich möchte von dieser Stelle aus insbesondere an die kommunale Seite, aber auch an die freien Träger appellieren, uns diese Angaben zur Verfügung zu stellen. Wir werden nach Wegen suchen, keine überschüssige Bürokratie zu produzieren, sondern in einfachen Verfahren die Informationen zur Verfügung zu stellen. Ich muß jedoch darauf hinweisen, daß dies auf freiwilligen Angaben beruht. Wir werden die Hochschulen des Landes bitten, uns bei dieser Arbeit zu unterstützen, insbesondere die Hochschule Harz, die in diesem Bereich einige Vorleistungen erbracht hat.
Zusammenfassend ist zu sagen, wir stehen vor einer umfänglichen Aufgabe. Es geht nicht um Staatskultur oder Dirigismus von oben. Es geht vielmehr um die Beschreibung der Leistungen auf den unterschiedlichen
Ebenen und die Diskussion über die Elemente, die uns helfen kann, das kulturelle Leben im Lande in möglichst großer Vielfalt voranzubringen. Daran haben wir, denke ich, alle Interesse. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die Debatte der Fraktionen findet statt in der Reihenfolge SPD, DVU-FL, PDS, CDU und FDVP. Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Quien.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den ersten beiden Redebeiträgen ist bereits deutlich geworden, die Kulturpolitik ist - da kann man mit Grass sprechen ein weites Feld. Zum einen gilt das in funktionaler Hinsicht aufgrund der vielfältigen Austausch- und Wechselbeziehungen mit praktisch jedem anderen Lebensbereich und Politikfeld. Zum anderen gilt dies in struktureller Hinsicht aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten und Träger.
Während in vielen Politikbereichen der gestaltende Aspekt sich mittlerweile in den verwaltenden wandelt oder hinter den verwaltenden Aspekt zurücktreten muß, ist das bei der Kulturpolitik ganz und gar nicht der Fall.
Die Kulturarbeit wird vielmehr - der Herr Minister wies bereits darauf hin - durch eine Vielzahl von Einzelpersonen, Gebietskörperschaften, Vereinen, Gruppen, Initiativen und Kulturbetrieben mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit, eigener Zuständigkeit und Kompetenz betrieben und gestaltet.
Die formelle Kulturhoheit liegt zwar bei den Ländern. Faktisch sind es aber die Kommunen - das möchte ich mit Nachdruck betonen -, die den Hauptanteil der Kulturarbeit bestreiten.
Dieser Umstand kommt auch in Zahlen zum Ausdruck. Bund, Länder und Gemeinden geben insgesamt 16 Milliarden DM im Jahr für die Kulturförderung aus und setzen damit Signale, die für die Entwicklung der Kultur insgesamt, aber auch die Kultur in den Ländern von entscheidender Bedeutung ist.
Aufgrund der komplexen Strukturen in der Kulturarbeit muß daher nach wie vor gelten, daß Kulturpolitik immer nur so viel wie eben nötig handelt, andererseits aber dieses Wenige unbedingt als besonders gut durchdacht und umsichtig handelnd erscheinen muß.
Das kulturelle Leben in der Bundesrepublik Deutschland gilt in bezug auf Angebot und Institutionen im Vergleich zu anderen Nationalstaaten als besonders vielfältig. Es muß sich als eine kleine Ironie der Geschichte erweisen, daß sich ausgerechnet einer der Gründe für den kulturellen Reichtum heute als eines unserer Probleme erweist, in finanzieller Hinsicht, aber auch im Hinblick auf unser kulturelles Selbstverständnis.
So liegt wohl ein nicht unwesentlicher Grund für den Reichtum des kulturellen Lebens in der dezentralen Struktur von Kulturpolitik und -förderung, durch die über Jahrhunderte an kleinen und großen Fürstensitzen Theater, Museen und wertvolle Sammlungen entstehen konnten. Die Dezentralisation in der Kultur hat dazu beigetragen, daß sehr viele kulturelle Werte entstanden sind. Die Ironie der Geschichte ist, daß es sich jetzt praktisch gegen uns wendet, weil wir große Schwierig
keiten haben, all diese Dinge zu erhalten und weiterzuführen. Diese Einrichtungen sind es, die bis heute großer Anstrengungen bedürfen. Sie sind aber wichtig, und wir müssen sie mit finanzieren.
Ich möchte noch einige Zahlen nennen. Insgesamt liegt der Anteil der Theater und Museen an den gesamten Kulturausgaben der Länder bei über 58 %. In SachsenAnhalt entfallen 52 % der Landeskulturförderung auf die Theater.