Der darin enthaltene Eingriff in die Hochschulautonomie - denn er ist weiterhin vorhanden - wird dazu beitragen, den Ruf Sachsen-Anhalts in der Wissenschaftslandschaft eher zu schädigen als zu stärken.
Ich habe noch nie, weder in früheren Zeiten in Niedersachsen bei Gesetzesberatungen noch hier im Lande Sachsen-Anhalt, erlebt, daß ein Gesetz in einer Anhörung so einvernehmlich schlecht beurteilt wurde, und ich habe noch nie erlebt, daß mit einer solchen Sturheit, einer solchen Uneinsichtigkeit, mit einem solchen entschlossenen Bekehrungswillen am Gesetz festgehalten wurde, wie das in diesem Fall geschehen ist. Es ist beeindruckend, aber nicht positiv beeindruckend, was hier an widerborstiger Standhaftigkeit gezeigt wurde.
Ich habe in der Öffentlichkeit schon erklärt, mich erfüllt dieses Gesetz auf der einen Seite mit Sorge, die natürlich überwiegt. Wenn ich dann die Zielvereinbarungen, die bisher als solche gefeiert wurden, lese, erfüllt es mich auf der anderen Seite wieder ein bißchen mit Spott. Ich bin aber zu sehr erfahren in der Gesetzesauslegung, als daß ich nicht wüßte, daß das, was heute noch als Zielvereinbarung hingenommen wird - was mich an Selbstverpflichtungserklärungen für x-te Rahmenpläne erinnert; so hat irgend jemand sogar erklärt, er wolle nun sein Erscheinungsbild im Internet verbessern; das steht dann in solchen Zielvereinbarungen, und die besten Vorsätze sind dort vorgetragen -, demnächst nicht mehr akzeptiert wird.
Das Gesetz gibt unabhängig von den jetzt vorliegenden sogenannten Zielvereinbarungen nunmehr dem Ministe
rium das Recht, mit einer bürokratischen Maßnahme in die Handlungsfähigkeit der Hochschulen einzugreifen. Was ist hier in der Änderung passiert? - Bisher stand im § 66 Abs. 4, daß gewisse Dinge - das ist alles in § 5 aufgezählt - genehmigt werden müssen, wenn keine Zielvereinbarungen da sind. Und heute steht darin: Alle Maßnahmen der Hochschulen, die sie beschließen wollen, müssen vier Wochen vorher schön bürokratisch im Kultusministerium angemeldet werden, und das Kultusministerium kann dann prüfen, kann die Hochschule noch einmal anhören und kann dann Änderungen verlangen.
Der Herr Kultusminister hat gesagt, das sei nunmehr die elegantere Lösung. Ich kann nur sagen: Ich weiß nicht, ob die klare Aussage, ich will eure Dinge genehmigen müssen, oder ob die Aussage, ich kann euch über einen verschleierten bürokratischen Verzögerungsprozeß handlungsunfähig machen, es sei denn, ihr schließt zuvor mit mir Zielvereinbarungen ab, ob das zweite, wie Sie gerade gesagt haben, Herr Kultusminister, wirklich die klarere Lösung ist. Ich halte das für eine Ersetzung des Genehmigungsvorbehalts durch eine bürokratische Keule, und damit lähmen Sie die Universitäten und zwingen sie
erneut in die Abhängigkeit. Dieser Zwang in die Abhängigkeit führt dazu, daß die Unabhängigkeit, die Autonomie der Hochschulen in Gefahr gerät.
Es ist schon bezeichnend, daß sich die Rektorenkonferenz mit Schreiben vom 14. Juni mit einer schon fast resignativen Äußerung dargestellt hat, indem sie nur gesagt hat: „Die Landesrektorenkonferenz bleibt bei ihrer Auffassung.“
Sie haben es im Grunde genommen aufgegeben, sich mit diesem nicht argumentations- und überzeugungsfähigen Kultusministerium weiter in der Sache produktiv zu streiten, und das sollte Ihnen ebenfalls zu denken geben, Herr Kultusminister.
Ich sage Ihnen ein Weiteres: Ich bleibe dabei, daß Sie schon mit der Drohung „Wer mit uns keinen Vertrag abschließt, der muß sich diesen bürokratischen Hindernissen unterwerfen“ die Schwelle des zulässigen Eingriffs in die Hochschulautonomie überschritten haben,
und ich bleibe dabei, daß auch bei dieser neuen Fassung die Verfassungsgemäßheit zumindest erheblich angezweifelt werden muß.
Ich will eine letzte Bemerkung machen, meine Damen und Herren. Ich habe schon am Anfang gesagt: Wir alle sind der Meinung, daß in unseren Hochschulen etwas geschehen muß. Von Beginn an haben wir nicht etwa, wie Herr Ernst - ich meine, fälschlicherweise - vorgetragen hat, jede Regelung für überflüssig gehalten und deswegen keine Änderungsanträge gestellt, sondern wir haben gesehen, wie Sie auf die Anhörung reagiert haben, und haben uns gesagt, daß es überhaupt keinen Zweck mehr hat, darüber zu reden.
Eine Änderung dieses Gesetzes bringt uns nicht weiter. Was wir weiter fordern und brauchen, ist eine von der Landesregierung ausgehende vernünftige, zielgerichtete Hochschulplanung,
die unsere Hochschulen den Rahmen erkennen läßt, in dem wir die weitere Entwicklung vorgeben, die dann von den Hochschulen in ihrer Autonomie selbständig geregelt werden muß, den Rahmen, innerhalb dessen sie dann auch arbeiten werden. Das brauchen wir, darauf warten wir und daran wollen wir gern mitarbeiten. Dieses Gesetz jedenfalls lehnen wir ab.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird mit dem Beitrag der SPD-Fraktion abgeschlossen. Bitte, Herr Ernst, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Remmers, zum Anfang folgendes: Das Thema Hochschulplanung - das wissen Sie - ist Bestandteil der Arbeit unseres Ausschusses. Wir begleiten diese Hochschulplanung als Prozeß in der nächsten Zeit durchaus mit. Dieses Gesetz ist auch zur Vervollständigung dieses Themenkomplexes angelegt. Wir lassen die Hochschulplanung wahrlich nicht außen vor.
Wir verabschieden heute ein Gesetz, das bereits im Vorfeld, als es noch gar nicht eingebracht war, bei allen Beteiligten zu außergewöhnlich kontroversen Disputen führte. Diese Diskussion wurde auf sehr unterschiedlichem Niveau geführt; im Ausschuß, meine ich, auf einem sachlichen und konstruktiven Niveau - da schließe ich die Anhörung ein -, in den Medien teilweise - ich sage es mal vorsichtig - auf einem zugespitzten Niveau. Nicht alle Wortmeldungen von Betroffenen und betroffen sein Wollenden, die uns über die Presse erreichten, zeigten entsprechenden Sachverstand. Manche waren sehr taktisch oder auf Selbstdarstellung orientiert.
Zum Gesetzentwurf. Der Zusammenhang zwischen Hochschulgesetz und Überlegungen zur Strukturreform der Hochschulen in Sachsen-Anhalt ist bereits bei der Einbringung der Novelle hinreichend beschrieben worden.
Die Behandlung im Ausschuß, vornehmlich jedoch die Ergebnisse der Anhörung und der Gespräche mit Hochschulangehörigen, machten bald klar, daß wir um einige Änderungen nicht umhin kommen.
Da war der Komplex Zielvereinbarung und der Paragraph über die Bestimmungen für das Zusammenwirken. Das ist § 66 Abs. 4. Ich habe extra die Überschrift dieses Paragraphen mitgenannt. Dort steht nämlich das Wort „Zusammenwirken“. Viele Kritiker scheinen das vergessen zu haben.
Auf unseren Vorschlag hin ist das Verfahren jetzt geändert worden. Bei der Anhörung kam ganz deutlich zum Ausdruck, daß die Hochschulen in dem bisherigen Text auch insofern für sich eine Bedrohung sahen, als nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Kultusministerium und Hochschulen das Kultusministerium sofort handeln kann. Diese Bedenken waren nachvollziehbar, und die vorliegende Fassung verdeutlicht praktisch einen Handlungswechsel. Nicht das Kultusministerium
muß als nächstes handeln, sondern die Hochschule. Sie legt - immer vorausgesetzt, es gibt keine Zielvereinbarung - dem Kultusministerium einen Verteilungsplan bezüglich Stellen, Mitteln, Änderung und Aufhebung von Studiengängen vier Wochen vor der eigenen Beschlußfassung vor. Meldet sich das Kultusministerium nicht, ist alles abgesegnet.
Mit dieser Methode ist auch eine Begrenzung der Diskussion auf einzelne kritische Punkte möglich, ohne den Ablauf der unkritischen Punkte zu gefährden. Ich meine schon, daß das ein Fortschritt gegenüber der Urfassung ist.
Die zweite wichtige Änderung, die wir eingebracht hatten, betraf die Zielvereinbarungen. Hierbei ist eine Konkretisierung des Begriffs „Zielvereinbarung“ gleichzeitig mit der notwendigen Kopplung und Einbindung in die jeweilige Hochschulentwicklungsplanung gelungen.
Zusätzlich zu diesen Änderungen sind zwei sehr kontrovers diskutierte Passagen aus der Novelle herausgenommen worden. Es handelt sich um den Satz in § 43, daß Ausschreibungen „im Benehmen mit dem Ministerium“ erfolgen sollen. Dies erwies sich aufgrund der Existenz von Zielvereinbarungen bzw. durch aufgrund des § 66 Abs. 4 als überflüssig.
Es betrifft weiter § 80 Abs. 4, nach dem ursprünglich Senatsbeschlüsse, die strukturelle Änderungen nach sich ziehen, der Genehmigung des Rektorats bedurften. Dies wurde berechtigterweise als Nebeneinander zweier unterschiedlich entwickelter Aufsichtsverfahren im selben Gremium kritisiert und ist gestrichen worden. Ich verweise in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich auf das Beanstandungsrecht des Rektors im gleichen Absatz.
Abschließend möchte ich sagen: Das Gesetz ist ein gutes, ein vernünftiges und ein notwendiges Gesetz. Es hat an den richtigen Stellen Augenmaß, und - davon bin ich überzeugt - es wird die Hochschulen stärken, indem es ihre Leitungen stärkt und eine gute Zusammenarbeit untereinander sowie mit der Landesregierung und dem Landtag einfordert, und es gibt den Hochschulen die notwendige und von ihnen geforderte Finanzierungssicherheit. - Schönen Dank.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren. - Herr Dr. Harms hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gewöhnlich ist das nicht der Fall, aber bei allem Respekt, sehr geehrter Herr Remmers, muß ich doch Ihre Vorwürfe, die Sie gegenüber dem Kultusministerium geäußert haben, nicht nur in der Form, sondern auch hinsichtlich des Inhalts in aller Schärfe zurückweisen.
Das klingt zwar alles ganz gut, „verschleierter bürokratischer Verzögerungsmechanismus“ usw. Nur, wir beide kennen uns ein bißchen, und Sie haben auch die Diskussionen der letzten Wochen verfolgt. Es geht um einen außerordentlich schwierigen Umbauprozeß der Wissenschaftslandschaft in diesem Lande. Das funktio
niert nicht nach dem Motto eines Zweieinhalbjährigen, der sich die Hände vor die Augen hält und sagt „mich kann keiner sehen“, sondern indem man die Probleme anspricht. Dafür stehe ich, und da gehe ich auch in die Auseinandersetzung.
Diese Probleme müssen wir offen besprechen. Da hilft es nicht, mit solch wunderbaren, herrlichen Formulierungen die Sache zu verschleiern. Im Kern eiern Sie auch herum, Sie haben nämlich keinen Vorschlag gemacht.
Ein zweiter Punkt, den ich ganz konkret ansprechen möchte: Die Landesregierung hat neue Zielzahlen vorgegeben. Diese neuen Zielzahlen sind jetzt - da nehme ich die Hochschulautonomie sehr ernst -
- soll ich einen Moment warten? Nein - von den Hochschulen zu konkretisieren. In diesem Prozeß befinden wir uns.
Ich verspreche Ihnen, daß es dann bei der Verhandlung über Zielvereinbarungen und über die Grundlagen der weiteren Arbeit nicht um Verzögerungsmechanismen und auch nicht um Bürokratie gehen wird. Die Formulierung des § 66 Abs. 4 läßt eine Eingrenzung möglicher Probleme zu. Dort, wo es darum geht, ein Problem zu identifizieren, müssen staatliche Belange gewahrt werden.
Ich erinnere mich daran, daß ich mit dem Kollegen Scharf im Finanzausschuß gerade zu dieser Frage sehr intensive Debatten hatte, weil er fragte: Wie kann bei der Budgetierung sichergestellt werden, daß auch die Landesinteressen berücksichtigt werden? - Genau um diesen Punkt geht es in § 66 Abs. 4.
Ein Mitglied des Haushaltsgesetzgebers, das mir sagt, wir sollten davon die Finger lassen, die Hochschulen hätten völlige Autonomie, muß in der Konsequenz sagen: Dann geben wir den Hochschulen das Geld und kümmern uns darum nicht mehr. - Das wollen wir nicht; wir wollen den kritischen Dialog, und den werden wir auch, glaube ich, gemeinsam führen. - Herzlichen Dank.
Herr Minister Harms, der Abgeordnete Herr Dr. Bergner hat eine Frage. Sie sind bereit zu antworten. - Herr Remmers anschließend, erst Herr Bergner.