Die erste Beratung fand in der 36. Sitzung des Landtages am 10. März dieses Jahres statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Ernst. Es folgt dann eine Fünfminutendebatte. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge PDS, FDVP, CDU, - DVU-FL verzichtet - SPD. Bitte, Herr Ernst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion in der Drs. 3/2780 wurde am 10. März 2000 in der 36. Sitzung des Land
tages eingebracht und federführend in den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft sowie mitberatend in den Finanzausschuß überwiesen.
Im federführenden Ausschuß wurde eine Anhörung vereinbart, die am 10. Mai 2000 stattfand. Am 17. Mai 2000 wurde die weitere Verfahrensweise im Bildungsausschuß festgelegt. Sie sah eine Sitzung am 7. Juni 2000 vor, in der Änderungsanträge eingebracht werden sollten und in der über die vorläufige Beschlußempfehlung an den Finanzausschuß beraten werden sollte. Außerdem wurde der 14. Juni 2000 als Termin für die Abstimmung über die abschließende Beschlußempfehlung festgelegt. Dieser Zeitplan wurde eingehalten.
Einige kurze Bemerkungen zu den Einzelheiten. Die Anhörung ergab eine vorwiegend negative Einstellung zur Gesetzesnovelle. Die darauf folgenden Ausschußsitzungen standen durchaus unter dem Eindruck des Gehörten. Die in der Sitzung am 7. Juni 2000 vorgelegten Änderungsanträge der SPD-Fraktion und der PDSFraktion machten dies deutlich.
Die CDU-Fraktion machte in dieser Sitzung deutlich, daß sie eine Novelle für überflüssig bzw. den vorgelegten Entwurf für falsch halte, und brachte aus diesem Grund keine Änderungsanträge ein.
Ich gehe davon aus, daß auf die Inhalte der in den Ausschuß eingebrachten Änderungsanträge später in der Debatte eingegangen wird. Daher möchte ich aus der Sicht des Ausschußvorsitzenden nur auf den Komplex der Gremiendemokratie, der durch die PDS-Fraktion eingebracht wurde, eingehen. Diese Änderungsanträge wurden mehrheitlich abgelehnt mit der Begründung, daß dieses Thema nicht Bestandteil der Anhörung war bzw. daß die endgültigen Ergebnisse des Novellierungsverfahrens zum Hochschulrahmengesetz abgewartet werden sollten.
Der Finanzausschuß, der die Beschlußempfehlung in der Sitzung am 14. Juni 2000 behandelte, stimmte der Vorlage mehrheitlich ohne Änderungen zu. Der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft stimmte der vorliegenden Beschlußempfehlung mit 8 : 2 : 0 Stimmen zu. - Vielen Dank.
Danke sehr. - Für die Landesregierung spricht jetzt der Kultusminister Herr Dr. Harms. Bitte, Herr Dr. Harms.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Hochschulgesetzes hat nach seiner Einbringung in den Landtag eine ausführliche Anhörung und Diskussion im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft erfahren. Die nunmehr vorliegende Gesetzesnovelle ist nach unserer Auffassung eine gute Voraussetzung dafür, den kooperativen Prozeß - das möchte ich betonen - zwischen Hochschulen und Kultusministerium bei der Weiterentwicklung der Wissenschaftsstruktur erfolgreich zu gestalten. In diese positive Bewertung beziehe ich ausdrücklich die nach der Anhörung vorgenommenen Veränderungen in der Gesetzesnovelle ein.
Ein kleiner, aber wichtiger Bestandteil der Novelle ist die gesetzliche Klarstellung, das Bekenntnis des Landes zur weiteren Entwicklung des Standortes Stendal als Teil
der Fachhochschule Magdeburg-Stendal. Wir haben diesbezüglich eine Formulierung gefunden, die den Realitäten Rechnung trägt und zugleich ein deutliches Signal für den Ausbau des Standortes Stendal gibt.
In der vorliegenden Beschlußempfehlung ist es mit der Änderung des § 5 gelungen, den Gegenstand von Zielvereinbarungen klarer zu definieren. Staat und Hochschule werden verpflichtet, Instrumentarien auszubauen, mit deren Hilfe eine möglichst optimale Nutzung der Ressourcen im Sinne einer kreativen und produktiven Entwicklung der Wissenschaft im Lande erreicht und auch belegt werden kann.
Dabei sind das Kultusministerium und die Hochschulen bereits auf einem guten Wege. Sie haben sicherlich der Presse entnommen, daß ich mit den budgetierten Fachhochschulen und der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein in den letzten Tagen Zielvereinbarungen abgeschlossen habe. Vor dem Hintergrund der Diskussion über hochschulpolitische Zielvorstellungen wurden in die Vereinbarungen vor allen Dingen Ziele mit Prozeßcharakter aufgenommen, die jährlich überprüft und fortgeschrieben werden.
Durch die Ausdehnung der Budgetierung auf alle Fachhochschulen und die Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein, die im letzten Jahr im Landtag anläßlich der Haushaltsdebatte eine erhebliche Rolle gespielt hat, haben wir einen erheblichen Schritt hin zur Stärkung der Hochschulautonomie und zum effizienten Einsatz der Mittel im Hochschulbereich gemacht. Die beteiligten Hochschulen haben dafür Planungssicherheit über einen Zeitraum von drei Jahren erhalten. Ich halte diesen Schritt auch für die Universitäten des Landes für erforderlich.
Ich bin froh darüber, daß der Ausschuß allen Vorschlägen, die eine Übertragung von Aufgaben von oben nach unten, also aus dem Ministerium auf die Hochschulen, vorsehen, mehrheitlich gefolgt ist. Ich nenne beispielhaft § 17, der es künftig ermöglicht, die Genehmigung von Prüfungsordnungen auf den Rektor bzw. die Rektorin zu delegieren.
Eine große Rolle hat in der öffentlichen Debatte die Änderung des § 66 Abs. 4 gespielt. Es wurden vor allem Befürchtungen hinsichtlich der Wahrung der Hochschulautonomie laut. Ich brauche das hier, glaube ich, nicht zu wiederholen; es ist allen im Raum bekannt.
Die vorliegende Regelung begrenzt die Hochschulautonomie nicht. Sie dient vielmehr der Sicherung der Handlungsfähigkeit der Hochschulen und zugleich der Klärung des Verhältnisses zwischen Staat und Hochschulen. Hieran, meine Damen und Herren, müssen auch Sie als Haushaltsgesetzgeber ein starkes Interesse haben.
Die vorgeschlagene Änderung im Hochschulgesetz ist ein Modell, das auf eine enge kooperative Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und dem Kultusministerium setzt. Die Hochschulen beantragen nicht mehr Genehmigungen, sondern sie geben dem Ministerium Gelegenheit, staatliche Belange zu artikulieren, und dies in klar festgelegten Fristen.
Ich halte dies gegenüber der ursprünglichen Fassung für eine Verbesserung. Ich glaube, daß dies auch die Intentionen sowohl der einbringenden Fraktion als auch des Kultusministeriums deutlich macht. Es ist ein äußerst klares Verfahren mit wenig Platz für Interpretationen und schon gar nicht, wie mir öffentlich unterstellt wurde, für
Willkürmaßnahmen des Ministeriums. Diese Feststellung ist mir sehr wichtig, weil ich im Verlauf der Debatte - das will ich aus meiner persönlichen Sicht sagen - ein wenig erstaunt darüber war, welche Koalitionen sich plötzlich ergeben haben und was alles in diesen Entwurf hineingeheimnißt wurde. Das hat mit dem Text des § 66 Abs. 4 sicherlich wenig zu tun.
Diese Gesetzesänderungen werden nicht vorgeschlagen, um Probleme für die Hochschulen zu lösen, sondern um die Probleme, die vorliegen, mit ihnen zu lösen. Ich bin guter Hoffnung, daß ich mit den Hochschulen des Landes auf dieser Grundlage und auch auf der Grundlage einer vertrauensvollen Informationspolitik in einen sachlichen Diskussionsprozeß eintreten kann. Die Weiterentwicklung der Wissenschaftsstrukturen des Landes, - darin sind wir uns alle einig - die dringend notwendig ist, bedarf dieser Grundlage.
Diesen Optimismus entnehme ich vor allem dem im Anschluß an den Kabinettsbeschluß zur Weiterentwicklung der Wissenschaftslandschaft eingeleiteten Diskussionsprozeß zur Realisierung von Maßnahmen, die diesen neuen Anforderungen gerecht werden. Wir haben mit den Hochschulen gemeinsam Projektgruppen eingerichtet, die ihre Arbeit aufgenommen haben und die zum Spätherbst ihre Vorschläge zur Veränderung vorlegen sollen. Wir haben eine externe Arbeitsgruppe Wissenschaftsstruktur berufen, die das Kultusministerium beraten soll.
Zusammenfassend ist zu sagen, meine Damen und Herren: Ich begrüße die Gesetzesnovelle in der vom federführenden Ausschuß vorgelegten Fassung. Lassen Sie uns den Prozeß - ich betone: den dringend notwendigen Prozeß - der Veränderung an unseren Hochschulen aufnehmen und fortführen. Ich stehe für den Dialog mit den Hochschulen. Dialog heißt auch kritische Auseinandersetzung und Fähigkeit zur Veränderung. Dafür legt der in der geänderten Fassung vorliegende Gesetzentwurf eine sehr gute Grundlage. - Herzlichen Dank.
Danke sehr. - Mir wurde mitgeteilt, daß die PDS-Fraktion auf einen Beitrag verzichtet. Damit erteile ich dem Abgeordneten Herrn Wolf für die FDVP-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Wolf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand soll sich anmaßen, prophetische Gaben zu besitzen, aber richtige Prophezeiungen gelingen in diesem Land mitunter auch ohne Anstrengung. So konnte ich ohne Bedenken bei der Einbringung des Gesetzentwurfes durch die SPD-Fraktion am 10. März dieses Jahres aussprechen, was sich wohl in der heutigen Beratung verwirklichen wird. „Der Einbringer kann sich“ - so sagte ich im März - „schon jetzt sicher sein: Das Gesetz wird durchgeboxt, fertig, mit und ohne Anhörung.“
An dieser Stelle sind wir jetzt angekommen. Dabei sprach ja die einreichende Fraktion zu Recht davon, daß nur mit dem Instrument verminderter Finanzzuweisungen keine vernünftige Strukturpolitik, keine vernünftige Wissenschafts- und Hochschulpolitik betrieben werden könne. Zugleich wurde dieser richtigen Erkenntnis ein Sahnehäubchen aufgesetzt, nämlich Konsensfähigkeit und Konsenswille.
Doch, meine Damen und Herren, die Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf am 10. Mai verdeutlichte nun für jedermann sichtbar, daß diese Konsensfähigkeit und der Konsenswille seitens der einreichenden SPDFraktion und seitens der Landesregierung nicht gegeben war. So waren dann auch die Äußerungen, die man im Ausschuß vernahm. Frau Sitte äußerte: „Die Hochschulen mauern.“ Der Staatssekretär: „Ich habe Ehrgeiz im Zusammenhang mit der Stellenreduzierung.“ - Andere Äußerungen: „Der Brief von Herrn Kreckel ist im Zusammenhang mit Wahlen zu sehen. Wer wird der nächste Rektor?“
Meine Damen und Herren! Was nützt eine respektvolle Begegnung per Anhörung, wenn die respektlosen Äußerungen über die Angehörten dann im Hinterzimmer fallen? So etwas muß der Öffentlichkeit überbracht werden.
Die Brücke zu den Betroffenen zu schlagen ist besser, als sich nur im Ausschuß überstimmen zu lassen. Deswegen werde ich meine Taktik ohnehin ändern.
Der letzte Gutgläubige - wir setzen das bei den Anzuhörenden voraus - mußte seine Gutgläubigkeit fahren lassen, wenn er glaubte, daß die Anhörung dazu führen würde, die vorgebrachten Einwände, Befürchtungen und Bedenken zu überdenken. Dabei hatte der erste Angehörte, der Präsident der Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalt, Herr Professor Dr. Kreckel, unmißverständlich geäußert, daß es die Landesrektorenkonferenz generell für kontraproduktiv hält, durch Hochschulgesetzänderungen in kurzen Zeitabständen immer wieder neue Unruhe in die Landschaft hineinzutragen. Milde, fast bittend formuliert die Landesrektorenkonferenz abschließend dann auch:
„Es wäre eine große Stunde das Parlamentes, wenn es in diesem Zusammenhang nicht nur erkennen, sondern auch entsprechend handeln würde, wenn es also den einmal eingeschlagenen Weg nicht einfach weiterverfolgen, sondern dieses Gesetzgebungsverfahren auf sich beruhen ließe. Die Wirkung wäre heilsam.“
Meine Damen und Herren! Die Landesrektorenkonferenz und alle anderen Angehörten müssen weiter auf eine große Stunde des Parlaments warten. Ich kann, ohne Prophet zu sein, sagen: Unter dieser Landesregierung wird es diese Stunde nicht geben. Den Angehörten wird es bitter aufstoßen, daß sie zwar auftreten dürfen, aber ihre Argumente in den Wind gesprochen sind, weil durch die jetzt vorliegende Beschlußempfehlung der Gesetzentwurf zwar einer kosmetischen Behandlung unterzogen wurde, aber im Kern völlig unberührt blieb.
Das trifft besonders auf den heftig umstrittenen § 66 Abs. 4 zu, der bei unwesentlich veränderten Formulierungen nach wie vor davon ausgeht, daß das Ministerium nach Anhörung der Hochschule eine Änderung verlangen kann, wenn es zur Wahrung staatlicher Belange erforderlich ist.
Meine Damen und Herren! Wir haben genug Erfahrungen sammeln können, die mit der Wahrung staatlicher Belange verbunden waren. Der angehörte Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft verglich gar das Ansinnen dieses § 66 Abs. 4 mit den berüchtigten Gepflogenheiten des früheren Volksbildungsministeriums der DDR. Die blauhaarige Margot im fernen Chile wird es wohl dankbar registrieren.
Dennoch, die Anhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf war sehr nützlich. Sie zeigte lebhaft, daß bei der Landesregierung jegliches vorgetragene vernünftige Argument wirkungslos bleibt.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns jetzt Schülerinnen und Schüler der Justizvollzugsschule Klötze begrüßen.
Die Debatte wird mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fortgesetzt. Bitte, Herr Remmers, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand bestreitet ernsthaft, daß wir in unserer Hochschullandschaft handeln müssen. Wir müssen dies gemeinsam mit den Hochschulen tun. Die inzwischen schon notorische Unterfinanzierung, das Studierverhalten und der auffallend negative Wanderungssaldo bei den Studenten machen dies mehr als deutlich.
Dieses Problem, das von niemandem bestritten wird, wird aber durch das vorliegende Gesetz nicht gelöst; das Problem wir eher verschärft.
Der darin enthaltene Eingriff in die Hochschulautonomie - denn er ist weiterhin vorhanden - wird dazu beitragen, den Ruf Sachsen-Anhalts in der Wissenschaftslandschaft eher zu schädigen als zu stärken.