Für die Schließung der Jugendbegegnungsstätte „Brunnen“ gäbe es aus der Sicht der Polizei absolut keinen
Grund; denn seit mindestens fünf Jahren sei es zu keinem einzigen Ordnungswidrigkeitsverfahren gekommen. Ebenso gab es keinerlei nennenswerte Beschwerden aus der Anwohnerschaft - so hieß es von der Polizei- führung weiter.
Auch habe eine gute Zusammenarbeit mit den Betreuern stattgefunden. Die Polizeipräsenz konnte sogar bis auf die normale Zivilstreifentätigkeit zurückgefahren werden. Für die Polizei steht jedenfalls fest, daß es gut sei, wenn die Jugendlichen von der Straße wegkämen und eben ein betreutes Domizil hätten.
Die Jugendlichen, meine Damen und Herren, trifft keine Schuld. Sie haben sich mit der Polizei und den Bürgern in Magdeburg friedlich und auch gewaltfrei arrangiert.
Bei soviel positiven Erfahrungen, meine Damen und Herren, die ich mir nicht ausgedacht habe, muß man sich fragen: Läßt sich die evangelische Kirche von der Höppnerschen Regierungspolitik beeinflussen? Jugendliche aus den Klubs stellen jedenfalls diese Fragen.
Gab es Absprachen betreffs der Schließung des Jugendklubs „Brunnen“ zwischen der Ehefrau - so haben die Jugendlichen gefragt - des Ministerpräsidenten Dr. Höppner, Herrn Pastor Tschiche und der evangelischen Superintendentin Waltraud Zachhuber, die sich schlichtweg weigerte, auf unsere Fragen zu antworten?
Meine Damen und Herren! Warum konzentriert sich die Regierungspolitik eigentlich nicht auf Fragen des Wirtschaftsaufbaus, des Abbaus der Arbeitslosigkeit, der sozialen Sicherung unserer Familien im Land der Schlußlichter? Warum initiiert sie statt dessen eine Anti-RechtsWelle im ärmsten Land der Nation?
Glaubt eigentlich unsere Regierung wirklich, das Volk, zu dem natürlich die Jugend gehört - die Jugend ist die Zukunft unseres Volkes -, auf lange Zeit verdummen und vielleicht sogar einschüchtern zu können? Soll die Schließung des Jugendklubs ein Beitrag dazu sein? Das alles sind Fragen über Fragen, auf die die Regierung in ihrem Redebeitrag - davon gehe ich einmal aus - sicherlich näher eingehen wird.
Wir werden mit der Unterstützung aller Demokraten in diesem Hohen Hause nicht aufhören, uns für die Gleichbehandlung aller Jugendlichen einzusetzen, und können in diesem Punkt auch auf die Unterstützung der Polizeidirektion in Magdeburg bauen; denn auch diese fordert eine Gleichbehandlung aller Jugendlichen. Ich darf an dieser Stelle kurz zitieren:
„Auch rechtsgerichtete junge Menschen müssen eine Möglichkeit haben, sich in geeigneten Räumlichkeiten zu treffen, ihren gewaltfreien Interessen nachzugehen.“
Darüber hinaus - so die Magdeburger Polizeiführung - sollten in der Stadtplanung - erinnert wurde an das Urbanisierungsprogramm Urban 21 - auch die gleichberechtigten Interessen nationaler Jugendlicher berücksichtigt werden.
Wenn die Kirche sich nicht mehr länger um die Jugendlichen kümmern darf, kann oder will - wie auch immer -, dann sollten schnellstmöglich Alternativen gefunden werden so die Polizei.
Hierbei sind die Stadt Magdeburg, das Jugendamt, aber vor allen Dingen die Landesregierung gefordert. Denn ich muß an dieser Stelle sagen: Sie fördern Pastorchen Tschiches Verein „Miteinander und für Toleranz“ und haben dafür auch noch das schöne Sümmchen von mindestens 1,7 Millionen DM übrig, um gleichzeitig an anderer Stelle - tolerant und miteinander - Jugendliche auszugrenzen.
Meine Damen und Herren! Es ist doch besser, eine Mark in die Jugendbetreuung zu investieren, als später das Hundertfache in die Folgenbekämpfung einer vernachlässigten und möglicherweise auch gewaltbereiten Jugend stecken zu müssen.
Das Jugendamt Magdeburg hat, wie es zu versichern suchte, einen geringen Anteil an der Schließung, meine Damen und Herren. Nach dem Abzug der Sozialarbeiter durch die evangelische Kirche, die nun einmal Träger dieses Jugendklubs war, gab es für die Stadt als Eigentümerin des Gebäudes „Brunnen“ faktisch keine andere Möglichkeit mehr, als das Gebäude zu schließen. So die Auskunft der Behörde. Das Jugendamt sah nach § 70 SGB VIII hierzu auch keine Alternative, wie es behauptet.
Meine Damen und Herren! Uns allen sind indes auch die Mühen des „Berufspolitikers“ der PDS Gärtner bekannt, das Jugendzentrum „Brunnen“ bereits vor dem Abzug der Kirche schließen lassen zu wollen. Diese sind damals jämmerlich gescheitert. Im Vorfeld hatte er mehrfach beim Jugendamt vorgesprochen und nichts erreichen können.
Meine Damen und Herren! War gerade die evangelische Kirche noch vor der Wende Anlaufpunkt für tausende Gegner und Opfer des SED-Regimes, so befremdet natürlich auch uns heute, daß sie mit der Preisgabe des Jugendklubs „Brunnen“ Jugendliche ausgrenzt bzw. eigentlich schon ausgeschlossen hat.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren, ob nicht ein Jugendparlament unseres Hohen Hauses sich diesen wichtigen Fragen und Problemen widmen sollte. Denn diese Fragen und Probleme bleiben sonst auch in diesem Jugendparlament - Sie wissen das - ausgegrenzt. Mir erscheint es notwendig, nicht nur Auffassungen von Jugendlichen kennenzulernen und zu beachten, die mutig - in Anführungszeichen - auf dem Strom des Zeitgeistes schwimmen. Deshalb erscheint mir eine solche Initiative sehr wichtig. Aber das nur am Rande.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie Jugendliche unterschiedlicher Meinungen, ob links oder rechts, einfach ihren Meinungsstreit friedlich führen.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag zur Fortführung der Jugendarbeit im Jugendklub „Brunnen“. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank. - Im Ältestenrat ist zu diesem Tagesordnungspunkt eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Dabei wird sicherlich auch der Änderungsantrag der CDU-Fraktion in der Drs. 3/2963 mit eingebracht werden. Die Debatte findet in der Reihenfolge SPD-, CDU-, PDS- und FDVP-Fraktion statt. Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Bischoff. Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie, Frau Wiechmann, von Ausgrenzung reden, auch in der Überschrift des Antrages, dann frage ich mich, was in den letzten eineinhalb Jahren mit Ihren Beiträgen zu den ausländischen Mitbewohnern und Mitbürgerinnen in diesem Land geschehen ist und wer von Ausgrenzung redet.
(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Widerspruch bei der FDVP - Herr Wiechmann, FDVP: Das ist doch von vorgestern, Herr Bischoff!)
Von einer Ausgrenzung von Jugendlichen aus der Jugendarbeit kann in Magdeburg-Nord keine Rede sein. Die Schließung der Jugendfreizeiteinrichtung „Brunnen“ kann weder dem Land noch der Stadt und schon gar nicht dem Träger angelastet werden, der offenen sozialdiakonischen Jugendarbeit des evangelischen Kirchenkreises.
Der Anlaß war tatsächlich - Sie wissen das genau, weil Sie sich informiert hatten -, daß der Leiter dieser Einrichtung nach Süddeutschland gezogen ist und sich kein anderer, auch nicht nach einer bundesweiten Ausschreibung, bereitgefunden hat, dafür zur Verfügung zu stehen.
Der Vorschlag, den Sie machen, für diese wohl nicht leichte Arbeit ABM-Kräfte einzustellen, ist wirklich gänzlich ungeeignet. Denn für diese Zielgruppen brauchen wir gut ausgebildete Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen, die verläßliche Beziehungen aufbauen und Orientierung geben können.
Ich möchte ausdrücklich sagen: Dem Träger, dem evangelischen Kirchenkreis, ist an dieser Stelle ausdrücklich dafür zu danken, daß er diese Arbeit in den letzten zehn Jahren geleistet hat.
Es ist eine schwierige, bei manchen umstrittene, aber wichtige Aufgabe, Jugendliche in eine demokratische Gesellschaft zu begleiten. Im übrigen hat dieser Träger in Magdeburg-Nord noch eine andere Einrichtung, mehr für autonome Jugendliche, und zwar am Moritzplatz, den „Knast“. Die Leiterin dieser Einrichtung war auch zeitgleich Leiterin der Einrichtung „Brunnen“, zumindest in der Übergangsphase.
Das heißt, die Kirche hat sich für beide Jugendgruppen eingesetzt, hat letztlich jetzt gesagt, daß es nicht mehr weitergeht, weil sie einfach kein geeignetes Personal findet.
Ich bin übrigens der Kirche auch ausdrücklich dafür dankbar, daß sie sich in Magdeburg-Nord, in der Hoffnungsgemeinde, für die ganze Stadt verstärkt um ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger kümmert und dafür auch federführend ist.
Die Zuständigkeit aber, Frau Wiechmann, und die Entscheidungskompetenz, Einrichtungen zu schließen oder zu errichten, liegt allein beim örtlichen Träger der Jugendhilfe, also bei der Landeshauptstadt Magdeburg. In den entsprechenden Gremien und Ämtern der Stadt wird über das Problem bereits intensiv diskutiert und nach Lösungen gesucht.
Für Magdeburg kann ich sagen, daß es insgesamt ein ausreichendes und bedarfsgerechtes Angebot an Jugendfreizeiteinrichtungen gibt. Für Magdeburg-Nord ist das Angebot an Jugendeinrichtungen überdurchschnittlich, größer als in anderen Stadtteilen. Deshalb sagen wir: Für Jugendliche ist ein ausreichendes Angebot vorhanden, auch für diese Jugendlichen. Sie können die Angebote der Stadt in allen Einrichtungen, die es gibt, wahrnehmen. Sie sind nirgendwo ausgegrenzt. Diese Einrichtungen stehen allen Kindern und Jugend- lichen offen.
Im übrigen gibt es in allen Einrichtungen Kinder und Jugendliche, die der gesellschaftlichen Entwicklung kritisch gegenüberstehen. Es gehört doch wohl zum Merkmal junger Menschen, Entwicklungen, Normen und Werte kritisch zu hinterfragen. Das gilt doch nicht nur für die Klientel, bei der Sie am Ende draufspringen. Ich hätte mir schon gewünscht, Sie hätten den Prozeß von Anfang an begleitet. Aber ich will nicht philosophieren über den Hintergrund dessen, daß Sie sich urplötzlich hierfür einsetzen.
Ich meine, auch der Jugendklub „Brunnen“ ist nicht nur einer, in dem - wie Sie es darstellen - nur gehäkelt, gestrickt und gebastelt wird. Es gab doch ganz andere Auseinandersetzungen, die dort geführt worden sind. Ich denke nur an die Musikszene und ähnliches. Ich will darauf nicht weiter eingehen, weil ich nicht Öl ins Feuer gießen will.
Wir lehnen den Änderungsantrag der CDU ab. Zu dem ersten Teil habe ich mich schon geäußert. Ich habe die Kirchen gewürdigt, das muß ich nicht noch einmal tun. Für den zweiten Teil ist die Stadt zuständig, dazu bedarf es keines Auftrages von seiten des Landtages. Ich werde als Stadtrat das Anliegen in die entsprechenden Gremien hineintragen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist so, daß es in Magdeburg-Nord mit diesem Jugendklub tatsächlich ein Problem zu lösen gibt.
Aber, meine Damen und Herren, es ist ein kommunales Problem, es ist ein Problem der Kommune. Es ist kein Landtagsproblem. Deshalb bedarf es schon einer ausreichenden Begründung, um die Notwendigkeit nachzuweisen, daß sich der Landtag mit dem Schicksal eines einzelnen Jugendklubs beschäftigen muß.
Wenn der Antrag auf dem Tisch liegt, meine ich, muß er auch vernünftig behandelt werden, so daß jeder weiß, wie die Fraktionen zu dieser Thematik stehen.
Ich möchte an dieser Stelle meinen Beitrag damit beginnen, daß ich ausdrücklich die offene sozialdiakonische Arbeit der evangelischen Kirche, hier verantwortet durch den Kirchenkreis Magdeburg, würdige.
Frau Wiechmann, es ist einfach falsch und entspricht nach meiner Kenntnis auch nicht Ihrem Informations
stand, wenn Sie behaupten, die evangelische Kirche schleiche sich aus dieser Arbeit davon. Das ist einfach zu verkürzt dargestellt; es stimmt einfach nicht.