Ich möchte drei Zahlen nennen, obwohl ich in den Beiträgen, die heute gekommen sind, festgestellt habe, daß die Zahlen sehr unterschiedlich sind. Das beschäftigt mich überaus. Das Landesarbeitsamt Sachsen-Anhalt/ Thüringen nennt 300 offene Stellen, 2 200 gemeldete arbeitslose Computerfachleute und weitere 1 000 Arbeitsuchende für diese Branche. Jeder sechste Arbeitslose ist Informatiker, Organisator oder Programmierer und jünger als 30 Jahre. Jeder dritte ist älter als 50 Jahre. Die eigentlichen Ursachen sind die seit geraumer Zeit fehlenden Qualifizierungsstrategien.
Eine Anhörung im Wirtschaftsausschuß zu dem Thema Ingenieurbedarf hat aus meiner Sicht folgendes deutlich gemacht: Keiner kennt den tatsächlichen Bedarf an notwendigen Fachkräften.
Die Anforderungen an das Berufsbild für IT-Fachkräfte sind nicht klar. Die naturwissenschaftlichen Fächer wie Mathematik und Physik werden auf dem Ausbildungsweg vernachlässigt; die Lehrer sind im Informationssektor unzureichend qualifiziert, so daß die Schüler im Umgang mit der Technik teilweise pfiffiger sind. Die technischen Voraussetzungen an den Ausbildungsstätten sind entweder veraltet oder in sehr geringem Umfang vorhanden, so daß eine Ausbildung auf dem neuesten Stand nicht möglich ist.
Dennoch ist es so, daß die Absolventen von Hochschulen und Fachschulen bereits vor ihrem Abschluß bis zu fünf akzeptable Angebote für den Berufseinstieg erhalten, allerdings aus den alten Bundesländern. Acht von zehn Absolventen bleiben nicht in Sachsen-Anhalt, sondern gehen in die alten Bundesländer. Zum einen haben sie dort einen sicheren Einstieg in das Berufs- leben und zum anderen eine höhere Vergütung.
Wir, die PDS-Fraktion, betrachten das Greencard-Angebot an die deutsche Wirtschaft als Offenbarungseid aufgrund der vernachlässigten Ausbildung, Qualifizierung und Umschulung tausender, auch arbeitsloser Ingenieure.
Meine Redezeit ist zu Ende. Ich unterstütze die Anträge der CDU und der SPD als Grundlage für die weitere Diskussion im Wirtschaftsausschuß.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Land Sachsen-Anhalt verfügt über zwei renommierte Gymnasien - „Kantor“ in Halle und „Siemens“ in Magdeburg -, die sehr wohl in der Lage sind, Computerspezialisten zukunftsorientiert auszubilden.
Aber leider haben es die Bundesregierung in den letzten 20 Jahren und auch unsere Landesregierung in den vergangenen zehn Jahren versäumt, die Verantwortlichen der Industrie nachdrücklich aufzufordern, genügend Arbeitsplätze für Computerspezialisten anzubieten bzw. einzurichten.
Daß nun die Gewaltigen der Industrie nach Abhilfe schreien, ist nicht verwunderlich; denn andere Industriestaaten und nicht wenige Länder der Dritten Welt erkannten dieses Problem rechtzeitig. Sie bildeten im letzten Jahrzehnt Computerfachleute über den eigenen Bedarf hinaus aus.
Wie bekannt, macht Not erfinderisch. Die Bundesregierung entschloß sich, nach US-amerikanischem Vorbild, der Industrie die Einführung einer deutschen Greencard für fehlende Computerfachleute vorzuschlagen. Gegen alle Vernunft - denn über 4 Millionen Arbeitslose stehen in unserem Land auf der Straße - sollen nun 20 000 hochqualifizierte Spezialisten aus der Dritten Welt unserer Wirtschaft aus der Misere helfen.
Unsere Gymnasien, Fachschulen, Fachhochschulen und unsere in der gesamten Welt anerkannten Universitäten sind doch nicht nur Makulatur oder Hüter der Geschichte. Deutsche Wissenschaftler und Fachleute haben über Jahrhunderte in aller Welt gewirkt und geforscht, ja wir haben sogar die industrielle Entwicklung bestimmt. Noch immer gehen bestens ausgebildete deutsche Ingenieure und Hochschulabsolventen ins Ausland, weil ihre Verdienstmöglichkeiten dort günstiger sind.
Die zielgerichtete Fachausbildung von Arbeitslosen durch die Arbeitsämter in Berufen, die auf dem freien Markt chancenlos untergehen, machen mich betroffen. Hätte man nicht schon vor Jahren mit der gezielten Fachausbildung von Spezialisten für die Computer- branche beginnen müssen?
Alle unsere auf Bundes- und Landesebene regierenden Politiker haben die Pflicht, sich für den Bürger einzusetzen. Die nach den Spezialisten schreienden Konzerne und die Greencard-Politiker müssen sich darüber im klaren sein, daß wir, wenn man die Bildungspolitik modernisiert, wenn man Bedarf rechtzeitig anmeldet und zielgerichtet investiert, sehr wohl in der Lage sind, eigene Fachleute auszubilden.
Wir müssen selbst aus- und weiterbilden, damit wir nicht Gäste im eigenen Land werden. Wir müssen schnellstens alle möglichen Maßnahmen ergreifen, um die Situation in der Industrie zu verändern. Absolventen unserer Bildungseinrichtungen müssen sofort genauestens über offizielle Stellen informiert und entsprechend finanziell abgesichert werden. Betriebliche und staatliche Bildungsträger müssen koordinierte Lehrpläne erarbeiten. Die Vertreter der Industrie müssen in den Bildungseinrichtungen ständig präsent sein, um zukunftsorientierte Studieneinrichtungen zu begleiten.
Allerdings betone ich hier und heute, daß wir die gegenwärtige kritische Situation der Industrie realistisch einschätzen und daß man, weil das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, eine stark begrenzte Anzahl von Spitzenleuten der Computerbranche zu uns einladen sollte. Die Arbeitserlaubnis sollte sich auf einzelne Personen beziehen, um den Zuzug ganzer Familien und damit komplizierte Rückführungsformalitäten zu vermeiden. Vielleicht sollte man sogar großzügige Familien- urlaube ermöglichen.
Für unsere Fraktion gilt aber, daß zuerst der Fundus der Arbeitslosen im eigenen Land genutzt werden muß, um diesen Engpaß zu überwinden.
Herr Minister Gabriel, Ihr Wort in Gottes Ohr. Ich freue mich, daß Sie den Jugendlichen Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen wollen. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es schon ein bißchen grotesk, wie die Diskussion hier geführt wird. Ich lege meine Rede beiseite, weil Ihre Beiträge so viel Stoff geliefert haben. Ich bin wirklich überrascht angesichts des Vorwurfs der Anbiederung an die Wirtschaft. So naiv kann man doch wohl nicht sein, wenn der Versuch gestartet wird, einen vorhandenen Engpaß auszugleichen.
Wir sagen jedem, der studiert: Hol dir internationales Wissen, damit du hinterher sowohl auf dem deutschen als auch auf dem europäischen und auf dem globalen Arbeitsmarkt vermittlungsfähig bist.
Wir richten unsere Wirtschaftsförderung an überregionalen Kriterien aus. Wir sind darauf erpicht - das ist rich
Glauben Sie denn in der Tat, wir bräuchten dafür keine internationalen Fachkräfte aus allen Bereichen? In einer Wirtschaft, die sich zunehmend globalisiert, brauchen wir einerseits Fachkräfte aus aller Welt, andererseits müssen wir unsere Fachkräfte in alle Welt hinausschicken. Es wird in Zukunft gar nicht mehr anders gehen.
Wir reden darüber, daß die Exportquote eines der Kriterien für unsere Betriebe und unsere Volkswirtschaft ist. Wir unterstützen Joint-ventures, die die Betriebe mit anderen Unternehmen im Ausland machen.
Angesichts dessen wird hier eine solch engstirnige Diskussion geführt. Wir sollten uns bitte einmal darüber klar werden, daß wir heute nicht über Asylpolitik diskutieren, sondern darüber, wie wir einen Engpaß, den wir in Deutschland haben, überbrücken können. Natürlich müssen wir versuchen, den Fachkräftebedarf überwiegend aus Jugendlichen und auch aus älteren Arbeitnehmern zu decken, die hier ausgebildet worden sind. Aber die Diskussion ist angesichts der Züge, die sie jetzt annimmt, regelrecht grotesk.
Natürlich wird es auch einen Mangel in anderen Branchen geben. Das ist im übrigen nicht unbedingt nur ein Mangel. Wenn sich eine Wirtschaft internationalisiert, dann werden wir von überall her Fachkräfte brauchen. Ich bin dafür, daß es in allen Betrieben eine Mischung von Leuten aus aller Welt gibt, damit wir auf den internationalen Märkten agieren können. Das ist für unsere Unternehmen eine zwingende Voraussetzung, damit im Nachgang auch andere Arbeitsplätze geschaffen werden können und damit wir die Wachstumsbranche IT überhaupt nutzen können. Wir können da gar nicht im eigenen Saft schmoren.
Weltweit entstehen ca. 600 000 Arbeitsplätze. In Deutschland sind 1,7 Millionen Beschäftigte in dieser Branche tätig. Die Informationstechnologie hat hohe Steigerungsraten. Das gilt für alles andere, was damit zu tun hat, wie Telekommunikation, Multimedia auch. Im Nachgang entstehen dort viele neue Beschäftigungsverhältnisse.
Wenn wir es nicht schaffen, diese Branche hier zu halten, und zwar auch durch das Anwerben internationaler Fachkräfte, dann vertun wir die Möglichkeit, den Standort Deutschland und damit auch den Standort SachsenAnhalt für andere, auch für internationale Firmen, interessant zu machen. So engstirnig, wie es geschehen ist, darf die Diskussion nicht geführt werden.
Es ist auch nicht so, daß niemand reagiert hat. Es gibt das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Beschäftigung vom Juli 1999. Da ist eine Offensive zum Abbau des ITFachkräftemangels vereinbart worden. Da geht es um Berufsbildung, um Hochschulen und Weiterbildung. Bis 2005 sollen zusätzlich 250 000 Arbeitnehmer für ITAufgaben gewonnen werden. Aber das ist natürlich eine Perspektive, die über Jahre entwickelt werden muß. Das Problem kann nicht von einem Tag auf den anderen gelöst werden.
Einen solchen Mangel gibt es nicht nur in Deutschland, sondern in allen großen Industrienationen. Überall gibt es einen Mangel an qualifizierten Kräften der ITBranche. In Deutschland fehlen nach den mir vorliegenden Zahlen 75 000 bis 100 000 Spezialisten. Es gibt Aussagen, wonach pro Jahr 60 000 dazukommen.
Ich gebe allen, die geredet haben, recht, daß man nicht wieder in eine solch akute Situation kommen darf, daß seitens der Bundesregierung und der Landesregierung im Rahmen der Bildungs- und Hochschulpolitik alles Mögliche dafür getan werden muß, daß weitgehend unsere Spezialisten eingebunden werden. Aber die Diskussion so engstirnig zu führen, wie es geschehen ist, ist das falscheste Signal, das von Deutschland ausgehen kann.
Da mir nur noch 35 Sekunden Redezeit verbleiben, möchte ich gerne noch etwas zitieren. Unter dem Stichwort „Zukunftsfähigkeit der CDU“ steht hier von der CDA:
„Aufgrund der demographischen Entwicklung ist es unabänderlich, daß in der Zukunft mehr ausländische Mitbürger in Deutschland leben und arbeiten werden. Fremdenangst und Fremdenabwehr sind nicht nur politisch schlechte Ratgeber, sie wären auch ökonomisch überhaupt nicht hilfreich. Ohne Zuwanderung ist die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ebenso nicht zu sichern wie die Stabilität der Sozialversicherungssysteme.“
Das hat nicht Herr Schröder gesagt, sondern das hat Ihre CDA gesagt. Vielleicht lesen Sie einmal Ihre eigenen Papiere.
Was den Änderungsantrag angeht, so sind wir bereit, noch einen Satz in den Änderungsantrag aufzunehmen. Ansonsten hätten wir keinen Änderungsantrag einbringen müssen, wenn wir nicht anderer Auffassung wären.
Es wäre also möglich - wir haben vorhin schon kurz darüber geredet -, sinngemäß den Satz anzufügen, daß der Bericht in den Ausschüssen für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten, für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie für Bildung und Wissenschaft gegeben wird und daß sich die Ausschüsse über den Fragen- katalog einigen.
Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten, Arbeit, Gesundheit und Soziales, Bildung und Wissenschaft. Die Ausschüsse sollen sich dann über den Fra