Protocol of the Session on March 9, 2000

Meine Damen und Herren! Bevor für die Landesregierung Frau Ministerin Dr. Kuppe das Wort ergreift, begrüßen wir eine Gruppe der Seniorenunion Dessau und der Caritas Dessau.

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sachsen-Anhalt ist und bleibt ein Land mit Zukunft.

(Beifall bei der SPD - Herr Weich, FDVP: Wo?)

Dafür gibt es gute Argumente. Wir alle hier im Saal sind in der Pflicht, diese Argumente zu bekräftigen und zu verbreiten. Wer dagegen die Zukunftsfähigkeit unseres Landes in Frage stellt, will Sachsen-Anhalt offensichtlich und absichtlich beschädigen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Wir haben im Landtag schon oft die schwierigen Ausgangsbedingungen in unserem Land, auch im Vergleich mit den anderen ostdeutschen Bundesländern, diskutiert. Gerade auf Sachsen-Anhalt konzentrierte sich ein überproportional hoher Anteil nicht überlebensfähiger Altindustrien. Daß die Transformationsprobleme hier besonders schwerwiegend und langwierig sein würden, war jedem seriösen Analytiker klar.

Wo stehen wir nach dieser Ausgangsbasis heute?

Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle hat in seinem Februarheft 2000 die neuen Bundesländer anhand eines sehr breit gefächerten Indikatorensystems miteinander verglichen. Das IWH hat Licht und Schatten für alle ostdeutschen Bundesländer festgestellt.

Daß wir die höchste Arbeitslosenquote haben, ist bekannt. Aber die Zahl der Erwerbstätigen pro 1 000 Einwohnerinnen und Einwohner ist in Sachsen-Anhalt beispielsweise höher als in Brandenburg. Die Arbeitslosenquote wird von den Pendelmöglichkeiten nach Westdeutschland und nach Berlin beeinflußt. Da haben beispielsweise Brandenburg und Thüringen geographische Vorteile.

Auch beim wirtschaftlichen Ergebnis, gemessen am Bruttoinlandsprodukt -

(Zurufe von der FDVP und von der DVU-FL)

- Sorgen Sie bitte ein wenig für Ruhe, Herr Präsident. Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Ich bitte doch um etwas mehr Ruhe im Plenarsaal.

Vielen Dank.

Auch beim wirtschaftlichen Ergebnis, gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohnerin und Einwohner oder an der Bruttowertschöpfung je Beschäftigten, sind die Unterschiede zwischen den neuen Bundesländern minimal. Die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen bei

spielsweise ist in Sachsen am niedrigsten. In SachsenAnhalt wird der zweithöchste Wert erzielt. Brandenburg ist bei diesem Indikator Spitzenreiter. Soviel zum Heute.

(Herr Dr. Bergner, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Anschließend, Herr Bergner.

Interessanter sind noch die Indikatoren, die die zukünftigen Möglichkeiten des Landes ausleuchten. Sachsen-Anhalt liegt bei den Industrieinvestitionen mit deutlichem Abstand an erster Stelle. Auch die Bruttoanlageninvestitionen insgesamt waren bei uns höher als in den anderen ostdeutschen Ländern. Als Folge dieser Investitionen ist die Gewerbesteuerkraft bei uns am stärksten gestiegen. Auch der Dienstleistungsbesatz, insbesondere die unternehmensbezogenen Dienstleistungen, hat in Sachsen-Anhalt am stärksten zugenommen.

Wir haben also überhaupt keinen Grund, an der Zukunftsfähigkeit Sachsen-Anhalts zu zweifeln. Die Investoren setzen auf die Zukunft unseres Landes, wie zum Beispiel die in der letzten Woche bekanntgegebene Errichtung eines Spannplattenwerkes in der Altmark wieder zeigt.

(Unruhe bei der CDU und bei der FDVP)

Schatten, meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordneten, fällt auf Sachsen-Anhalt allerdings dadurch, daß in unserem Parlament heute noch ein vergleichsweise hoher Anteil an Abgeordneten sitzt, die den populistischen Thesen der Rechtsorientierten anhängen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von der Regierungsbank - Herr Büchner, DVU-FL: Wir sind gewählt!)

Aber, meine Herren und Damen Abgeordneten, auch in diesem Punkt glaube ich an die Zukunftsfähigkeit Sachsen-Anhalts. Sie von der FDVP, von der DVU oder wie auch immer Sie in den nächsten zwei Jahren noch heißen mögen, werden hier keine Zukunft mehr haben.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Wider- spruch bei der FDVP und bei der DVU-FL)

Frau Ministerin, sind Sie bereit, zwei Fragen zu beantworten, und zwar von Herrn Dr. Bergner und von Herrn Weich? - Bitte, Herr Dr. Bergner.

Frau Ministerin, da ich zufällig die „Regionalanalyse Ostdeutschland“ vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle, auf die Sie sich bezogen haben, auf dem Tisch liegen habe, möchte ich Sie doch fragen, wie Sie denn mit den dort ausgewiesenen Daten umgehen.

Ich habe hier die Karte, in der die Landkreise und kreisfreien Städte nach der Wirtschaftskraft Clustern zugeordnet werden. Hat es Sie als verantwortliche Ministerin unseres Landes, wenn Sie die Analyse ausgewertet haben, nicht bedenklich stimmt - Sie haben wahrscheinlich die Karte gesehen -, daß Sachsen-Anhalt das Land mit den bei weitem meisten Clustern ist, bei denen eine erhebliche Schwäche der wirtschaftlichen Situation ausgewiesen wird, und daß wir nur sehr wenige Cluster mit Wachstumspotentialen in mittelständischen Unternehmen haben?

Ich verstehe nicht ganz - vielleicht können Sie es mir erklären -, wie man bei einer solchen vorliegenden Analyse zu solch selbstgerechten Schlußfolgerungen kommen kann, wie Sie sie hier gezogen haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDVP)

Herr Kollege Bergner, ich weise entschieden zurück, daß ich selbstgerecht war, auch nicht im Namen der Landesregierung.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß das IWH Halle eine sehr differenzierte Analyse für alle ostdeutschen Länder vorgenommen hat, mit ganz unterschiedlichen Indikatoren gearbeitet hat und auch sehr differenzierte Ergebnisse ermittelt hat. Ich lehne es einfach ab, immer nur die schlechten Indikatoren herauszusuchen, womit Negatives über Sachsen-Anhalt ausgesagt wird. Es gibt durchaus auch Positives, und wir müssen eine gerechte Bewertung vornehmen. Dafür werbe ich auch bei Ihnen und bei der gesamten CDU-Fraktion.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Frau Ministerin, der Abgeordnete Weich hat eine Frage. Sind Sie bereit, auch diese zu beantworten? - Bitte sehr, Herr Weich.

Frau Ministerin, was haben die Pendler mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun? Oder ist es nicht so, daß Pendler der Ausdruck -

(Unruhe bei der SPD)

- Ruhe hier!

(Lachen bei und Zurufe von der SPD)

Ist ja furchtbar!

(Frau Budde, SPD: Das kann auch an der un- deutlichen Aussprache liegen!)

Noch einmal: Frau Ministerin, was haben die Pendler mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun?

Was die Kinder mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun haben?

Die Pendler,

Die Pendler!

meinetwegen nach Niedersachsen, sind doch der Ausdruck der wirtschaftlichen Schwäche in diesem Land. Das ist meine Meinung. Stimmen Sie mir darin zu?

Meinen Sie jetzt Kinder oder Pendler? Es ist akustisch leider nicht zu verstehen.

(Herr Weich, FDVP: Die Pendler!)

- Die Anzahl der Pendler hat durchaus Einfluß auf die Zahl der Arbeitslosen in einem Land. In den Ländern Thüringen und Brandenburg gibt es wesentlich mehr Menschen, die nach Berlin, nach Niedersachsen oder in andere westdeutsche Bundesländer auspendeln. Damit sinkt dort die Arbeitslosigkeit. Bei uns gibt es weniger Pendler, und unter anderem auch deswegen haben wir eine höhere Arbeitslosenquote.