Protocol of the Session on February 10, 2000

Letztlich kann doch die Frage des Planstellenabbaus nur die Frage betreffen, ob eine Planstellenreduzierung auf der Grundlage der Verlagerung von Verwaltungsaufgaben auf Angestellte möglich ist. Der Planstellenkegel bei der Schutz- und bei der Kriminalpolizei ist ausgereizt. Jede weitere Ausdünnung würde zum Ausbluten des Personalbestandes führen.

Die Auswirkungen hätte der Bürger zu tragen. Gewährleistete Sicherheit wäre nur ein Privileg für Reiche, Abgeordnete, Regierungsmitglieder und hohe Regierungsbeamte.

Die Landesregierung mag sich daher die Frage stellen, warum private Sicherheitsdienste wie Pilze aus dem Boden schießen und quasi hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Das Gewaltmonopol des Staates wird durch das Vorhaben der Landesregierung ad absurdum geführt.

Sofern die Frage nach den Folgen im Zusammenhang mit dem Planstellenabbau steht, ist diese Frage relativ einfach zu beantworten. Die Folgen werden sein: eine drastische Reduzierung der Planstellen im Bereich des mittleren Dienstes, eine drastische Reduzierung der polizeilichen Präsenz, die Aufgabenüberlastung des Restpersonalbestands, der körperliche und gesundheitliche Verschleiß der Vollzugsbeamten selbst und die weitere Verschlechterung der inneren Sicherheit.

Ein Hundertschaftsführer ist nicht ersetzbar. Es gibt nur einen. Ein Abteilungsführer ist ebenfalls nicht ersetzbar; denn es gibt auch nur einen. Ersetzbar ist aber eine Vielzahl von Planstellen des höheren Dienstes in der Kreispolizeibehörde. Nur, diese abzubauenden Planstellen machen nicht die Masse aus, so daß der abzubauende Planstellenkegel letztlich beim kleinen Mann, dem Schutzmann oder dem Fahndungsbeamten der Kriminalpolizei, hängenbleiben wird.

Die Frage nach dem Zeitplan für die Umsetzung des Konzepts der Landesregierung erübrigt sich unseres Erachtens. Denn ob die Umsetzung zeitlich gestreckt oder unmittelbar vorgenommen wird, führt letztlich ohnehin nur zu einem Ergebnis,

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende. Sie haben Ihre Redezeit bereits überzogen.

- ich bin gleich fertig - und zwar zur Reduzierung der Sicherheit für die betroffenen Bürger. Der Planstellen

abbau im Sicherheitsbereich sollte und muß verhindert werden.

Da ein Konzept zur Umsetzung des Personalstellenabbaus bei der Landespolizei ein Teil einer umfassenden Landesverwaltungsreform ist, können wir dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig. Ich habe mich belehren lassen müssen, daß die Fraktionsvorsitzenden der PDS und der DVU auf den Gebrauch der Handys angewiesen sind, wenn sie ihre Fraktionsgeschäftsstellen erreichen wollen. Das ist mit den Tischtelefonen zur Zeit nicht möglich.

(Frau Wiechmann, DVU, meldet sich zu Wort)

- Ist in Ordnung. Ich habe gerade erklärt, warum Sie telefoniert haben. Das ist der derzeitigen Situation geschuldet.

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Gärtner fort. Bitte, Herr Gärtner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung zum Abstimmungsverfahren. Ich könnte mir folgende Situation vorstellen - da müßten vielleicht die Fraktionsvorsitzenden durch Kopfnicken oder Kopfschütteln signalisieren, ob das eine gangbare Möglichkeit ist oder nicht -: Da wir inhaltlich alle in ähnlicher Richtung argumentieren, sollten wir versuchen, uns nicht gegenseitig niederzustimmen oder ein buntes Kuddelmuddel herzustellen.

Mein Vorschlag wäre, diese drei Anträge in den Innenausschuß zu überweisen. In diesem Zusammenhang könnte der Innenminister die zugesagte Berichterstattung zu unserem Antrag und zu den Fragen - ich gehe davon aus, daß er dazu bereit ist -, die wir unter Punkt 2 formuliert haben, vornehmen. Wir könnten uns dann auf eine gemeinsame Linie einigen, wie konkret der Gesamtantrag in bezug auf die Gesamtverwaltung formuliert sein soll.

Ich gehe davon aus, daß der Innenminister, auch wenn dieses Anliegen keine Mehrheit findet, trotzdem eine Berichterstattung im Innenausschuß über das Personalkonzept vornehmen wird. Aber ich bin schon ein bißchen parlamentsgeschädigt und meine: Wenn wir eine Grundlage im Innenausschuß haben, können wir eine bessere Diskussion führen. Deshalb bin ich dafür, daß wir jetzt eine Überweisung vornehmen, dann versuchen, eine Konkretisierung zu erreichen, um am Ende womöglich zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Wir müssen abwarten, ob das funktioniert.

Noch eine zweite Sache. Ich will natürlich auch die Berufsverbände im Ausschuß hören, weil ich auch aus deren Sicht hören möchte, ob das so gelobte Polis neu, das uns sehr viel Geld kostet, wirklich zu einer Einsparung von Personal und zu einer Einsparung von Arbeit führt. Ich höre von Polizeibeamtinnen und -beamten zum Teil andere Aussagen. Ich würde gern von den Berufsverbänden hören, ob Polis neu nun wirklich der Wunderheiler bezüglich der Effizienzsteigerung innerhalb der Polizei ist.

Insofern bitte ich um die Überweisung aller drei Anträge in den Innenausschuß. Dort könnte sich ein Teil der Punkte zum Bereich der Polizei erledigen, und wir könnten eine Konkretisierung zum Bereich der Landesverwaltung vornehmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der PDS)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Es ist die Überweisung der Anträge in den Innenausschuß beantragt worden. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag bei zwei Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen worden.

Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Die Mitglieder des Ausschusses für Finanzen treffen sich zu einer Sitzung im Raum B 1 09.

Wir setzen die Beratung um 14 Uhr fort.

Unterbrechung: 12.54 Uhr.

Wiederbeginn: 14.02 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir setzen die durch die Mittagspause unterbrochene Sitzung fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf.

(Frau Wiechmann, DVU, meldet sich zu Wort)

- Frau Wiechmann zur Geschäftsordnung, bitte.

Herr Präsident, wenn ich mich hier umschaue, dann sehe ich, daß sehr wenige Abgeordnete da sind. Ich möchte gern die Beschlußfähigkeit feststellen lassen.

Frau Wiechmann, bevor wir einen Beschluß fassen, lasse ich die Beschlußfähigkeit des Hauses feststellen. Wir können aber zu Beginn der Beratung eines Punktes, wenn zunächst nicht beschlossen werden muß, noch abwarten, ob sich der Saal noch ein bißchen füllt.

(Zustimmung von Herrn Becker, CDU)

Vor der Abstimmung werde ich Ihrer Bitte nachkommen müssen. - Ich bitte die Fraktionen, dafür zu sorgen, daß genügend Abgeordnete anwesend sind, wenn ich die Beschlußfähigkeit feststellen lasse.

Wir setzen in der Tagesordnung fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung

Notprogramm zur sofortigen Bekämpfung der Wohnungslosigkeit in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der DVU - Drs. 3/2656

Der Antrag wird eingebracht von der Abgeordneten Frau Wiechmann. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie wir nachher einen Beschluß fassen sollen, wenn Abgeordnete bei der Beratung dieses Punktes gar nicht anwesend sind, also im Prinzip nicht

wissen können, worum es geht. Ich beuge mich natürlich der Geschäftsordnung und hoffe, daß die Abgeordneten wenigstens zur Beschlußfassung in der erforderlichen Anzahl im Plenarsaal vertreten sein werden.

(Herr Kühn, SPD: Die wichtigsten sind doch da!)

Meine Damen und Herren! In der letzten Plenarsitzung bin ich in meiner Rede zur gesetzlichen Einführung einer landesweiten Wohnungsnotfallstatistik ausführlich auf die prekäre, ja lebensbedrohliche Situation der Obdachlosen und speziell auf die der Randschicht der Wohnungslosen eingegangen. Über Begrifflichkeit, IstZustand, Ursachen und Wirkung der unzureichenden Regierungspolitik auf die Ärmsten unserer Gesellschaft kann man in den entsprechenden Protokollen des Landtages ausführlich nachlesen. Ich will daher und weil seit der Plenartagung erst drei Wochen vergangen sind, nicht noch einmal ausführlich auf die bestehende Situation eingehen.

Soviel doch zur Erinnerung: Man muß heute davon ausgehen, daß in Sachsen-Anhalt gut und gern 15 000 Menschen auf der Straße, in Parks und auf öffentlichen Plätzen in absoluter Armut leben. Ich betone es noch einmal: Es handelt sich hierbei um Frauen, Kinder und Männer, alle deutsche Staatsbürger.

Meine Damen und Herren! In den privaten Fernsehsendern werden von Zeit zu Zeit Menschenschicksale vorgeführt. Es handelt sich dabei durchaus auch um Rechtsanwälte und Zahnärzte - um renommierte Berufsgruppen aufzuzählen -, die einmal gutgehende Kanzleien und Praxen betrieben. Doch sie sind gefallen, erst langsam, dann schneller und tiefer.

Ich will damit sagen, daß das schätzungsweise 690 000fache Schicksal, das Menschen in Deutschland derzeit erleiden, jedem von uns widerfahren kann. Wie viele verdienen heute noch gut und sehr gut, verschulden sich oder übernehmen sich morgen finanziell, und schon stehen sie vor dem Abgrund der Wohnungslosigkeit. Meine Damen und Herren! Glaubt man der Boulevardpresse, dann soll das Straßenleben schon pleite gegangene Millionäre ereilt haben.

Wir haben das Thema Obdachlosigkeit von Anfang an Sie wissen das - zu unserem parlamentarischen Auftrag erklärt und es immer und immer wieder angeschnitten und angeschoben, von wiederholten Kleinen Anfragen bis hin zu eingebrachten Anträgen. Das ist das alte.

Das neue jedoch, meine Damen und Herren, sind die Antworten der Landesregierung, die eine gewisse Entwicklung des Problembewußtseins - das gebe ich zu erkennen lassen. Auf diese möchte ich an dieser Stelle etwas näher eingehen.

Am Standpunkt der CDU hat sich leider - jedenfalls bis zur letzten Debatte - nicht sehr viel geändert. Die Obdach- und Wohnungslosen könnten ja zu den Sozialämtern oder, wie Frau Liebrecht einst sagte, zu hilfsbereiten Verwandten und Bekannten gehen und dort um Unterschlupf und Verpflegung betteln. Es gebe genügend leerstehende und bezahlbare Wohnungen. Überhaupt seien die Kommunen für die Bekämpfung der Obdach- und Wohnungslosigkeit zuständig. Darüber hinaus handele es sich in den meisten Fällen um alleinstehende Personen ohne Bindung an Familien, die sich selbst ausgegrenzt hätten.

Wenn man hierbei von der Mehrzahl der Menschen spricht, die sich freiwillig ausgrenzen, dann meint man wohl nicht, meine Damen und Herren von der CDU,

690 000 Menschen in Deutschland oder 15 000 Menschen in Sachsen-Anhalt. Ich denke, so leicht wie Sie, Herr Dr. Daehre, es sich in der letzten Debatte hier gemacht haben, darf man es sich als christlich motivierter Politiker nicht machen. Gerade von Ihnen und von Ihrer Partei hätte ich mir mehr Unterstützung für eine gesetzliche Dokumentation des geschilderten Problems erhofft.

Leider habe ich aber feststellen müssen, daß auch Sie das aber nicht zu Unrecht - sich eines Problems wie der Volksinitiative für die Zukunft unserer Kinder erst dann annehmen, wenn es auf ehernen gesetzlichen Grundlagen steht, nicht vorher. Darum verstehe ich nicht, daß Sie unserem Antrag auf Schaffung der landesgesetzlichen Voraussetzungen für die Einführung einer Wohnungslosenstatistik nicht zustimmen können.