Ich will damit nur sagen: Es gibt eine gewisse Regelungsbreite, die man sich vorstellen kann. Aber, Kollege Dr. Fikentscher, Sie müssen sich schon fragen lassen, ob Ihre Geschichtsauffassung, die Sie vorhin hier darzulegen versucht haben, nicht doch ein bißchen zu glatt war. Deshalb müssen Sie es sich schon gefallen lassen, daß ich einmal das alte Protokoll über die Landtagssitzung vom 10. März 1995 hervorhole.
Dort kritisieren Sie das Vorhaben nämlich. Sie sagen ganz deutlich: Wir können jetzt - also damals, im Jahr 1995 - nicht die Geschäftsordnung ändern, denn dann würden diejenigen, die sich vielleicht schlecht behandelt fühlen - vielleicht sitzen da schon welche, die sich demnächst schlecht behandelt fühlen -,
vor das Verfassungsgericht gehen und hätten - so wörtlich - „einen großen Streit und erreichen genau das, was Sie mit Ihrem Vorschlag“ - also dem CDU-Vorschlag „vermeiden wollen, nämlich eine große Aufmerksamkeit, eventuell sogar ein Verfassungsgerichtsurteil gegen den Landtag.“
Dann, Kollege Fikentscher, erklären Sie - ich habe den Eindruck gehabt, fast etwas genüßlich -: Es ist gar nicht sicher, ob das Verfassungsgericht in Dessau so ähnlich urteilt wie das in Brandenburg.
Natürlich weiß man das nicht bis ins letzte, aber die rechtlichen Grundlagen sind dieselben gewesen. Sie benutzen heute die Argumentationslinie: Es ist nicht anzunehmen, daß das, was in Brandenburg gutgegangen ist, in Sachsen-Anhalt plötzlich anders entschieden wird. Im Jahr 1995 waren Sie genau der entgegengesetzten Auffassung.
Herr Dr. Fikentscher, ich muß schon sagen, Ihre Argumentation im Jahr 1995 war rein tagespolitisch bestimmt.
„ableiten? Was passiert denn in der CDU-Fraktion, daß Sie die Befürchtung haben, es könnten sich hier Fraktionen bilden?“
Sie unterstellten uns, wir wollten uns lediglich ein weiteres Instrumentarium offenhalten, um zu verhindern, daß die CDU-Fraktion durch Abspaltungen - das war damals gar nicht aktuell - geschwächt werden könnte.
Das ist keine verfassungsgemäße Argumentation. Das ist keine Argumentation, die dem Hause hier tatsächlich entspricht. Sie haben tagespolitisch argumentiert. Uns ging es wirklich um eine Sache, die wir damals ganz in Ruhe jenseits jeder Aktualität hätten lösen können. Wir haben damals den guten Zeitpunkt verpaßt.
Wenn Sie meinen, die verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden nicht mehr, dann muß ich Ihnen folgendes sagen - ich zitiere damit den Ministerpräsidenten Dr. Höppner aus einem ADN-Interview vom 29. Januar dieses Jahres -:
Was gilt denn nun? Gilt das, was der Ministerpräsident als rechtlich richtig erachtet, was Sie als rechtlich richtig erachten, was die Fraktionen meinen? Sie haben in der Summe Ihrer öffentlichen Äußerungen in den letzten Tagen ein ziemliches Durcheinander erzeugt. Dieses ist der Behandlung dieser Angelegenheit im Moment wirklich nicht dienlich.
Ich komme zum Ende. - Meine Damen und Herren! Ich will hinzufügen - darin gebe ich Herrn Dr. Fikentscher recht - und der Öffentlichkeit sagen: Man darf keine überzogenen Forderungen stellen. So sehr wir dafür sind, daß willkürliche Fraktionsbildungen, vielleicht gar zur Erzielung eines höheren Gewinns für die eigene Tasche, verhindert werden können und verhindert werden müssen, muß sich der Landtag über folgendes im klaren
sein: Wenn tatsächlich aufgrund einer ernsthaften politischen Willensbildung im Landtag von Sachsen-An-halt frei gewählte Abgeordnete eine neue Fraktion bilden würden, die die Homogenitätsvoraussetzungen erfüllen würde, die tatsächlich eine ernsthafte und vernünftige Arbeit durchführen würde, dann wäre der Land-tag nicht mehr frei, diese Fraktionsbildung nicht zuzulassen.
Der Landtag müßte sich, wenn er aus dem Bauch heraus gegen diese Kollegen entscheiden würde, wahrscheinlich vom Verfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt gefallen lassen, daß diese Entscheidung korrigiert wird.
Wenn wir die Geschäftsordnung ändern, schaffen wir eine neue, vernünftige Grundlage. Aber niemand sollte sich darüber hinwegtäuschen, daß wir zu gegebener Zeit, wenn wir diesen Paragraphen anwenden sollten, unter sehr hohem Druck stehen werden, nicht aus dem Bauch heraus, sondern objektiv zu entscheiden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Die Begrenzung der Fraktionsneubildung ist ein sensibles Thema. Auf keinen Fall ist es ein Gewinnerthema. Es ist im Grunde genommen eine ausgesprochen schwierige Wahl.
Einerseits geht es um die Begrenzung der Rechte der Abgeordneten, Fraktionen neu zu bilden. Wir wissen, welchen Stellenwert die Fraktionen in unserer Parlamentsarbeit haben. Sie sind eine wesentliche Voraussetzung für die politische Wirksamkeit eines Abgeordneten. Begrenze ich die Fraktionsneubildung, ist das ein sehr schwerwiegender Eingriff.
Andererseits sind wir in der Öffentlichkeit permanent mit dem Vorwurf konfrontiert: Teure neue Fraktionen im Landtag können sich bilden, werden möglicherweise gebildet, Steuermittel werden verschwendet, und wir haben nichts dagegen getan. Im Endeffekt ist es durchaus so, daß die Legitimation der gewählten Vertretung, des Landtages, in den Augen der Wähler möglicherweise stückweise verlorengeht. Das eine ist so schlimm wie das andere. Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera.
In der ersten und zweiten Legislaturperiode hat die PDS-Fraktion eine inhaltliche Ablehnung definiert. Dafür gibt es zwei Gründe. Diese Gründe sind auch heute noch aktuell.
Es geht zum einen um das Homogenitätskriterium. Das inhaltliche Konzept einer Fraktion kann in der konkreten politischen Entwicklung innerhalb einer Legislaturperiode durchaus aufbrechen. Es kann sein, daß es nicht funktioniert. Es kann sein, daß sich aufgrund dessen möglicherweise innerhalb der Legislaturperiode neue
Fraktionen bilden, weil die Homogenität nie in dem Maße vorhanden gewesen ist, wie sie vielleicht in der Öffentlichkeit demonstriert worden ist. Schauen Sie sich Ihre eigene Fraktion an. Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Oftmals sind die politischen Unterschiede innerhalb einer Fraktion größer als die Unterschiede zwischen Fraktionen.
(Herr Dr. Bergner, CDU: Was meinen Sie jetzt, Herr Gallert? - Herr Scharf, CDU: Plaudern Sie aus dem Nähkästchen? - Herr Dr. Bergner, CDU: Das, Herr Gallert, regt meine Phantasie an! - Zu- rufe von der SPD)
Das nächste Problem ist die Begrenzung von Kriterien. Welche Kriterien definiere ich für die Fraktionsneubildung? Welche Kriterien nehme ich nicht? Diese Kriterien werden immer interpretierbar sein, weil sie immer ziemlich abstrakt sein müssen. Hierbei besteht das große Problem des politischen Mißbrauches. Wer definiert diese Kriterien? Unter welchen Aspekten definiert er diese Kriterien? Definiert er sie vielleicht nicht aus seinem eigenen Interesse heraus?
Wir haben allerdings - das sage ich ganz deutlich - eine neue Situation. Diese Situation ist gekennzeichnet durch eine neue Sensibilität gegenüber der Politik. Die Politik predigt Verzicht im Sinne von Haushaltskonsolidierung und Steuersenkung. In dieser Zeit wird von den Betroffenen, die nämlich verzichten sollen, die Frage nach dem Benehmen von Politikern immer strenger, immer ernster gestellt. Sie gewinnt eine höhere Prior ität.
Auf einmal sind Dinge, die vorher nie interessant gewesen sind, die nie eine Schlagzeile wert gewesen sind, riesige Meldungen, und sie erregen die Gemüter: gesponserte Politikerhochzeiten, gesponserte Urlaubsflüge, schwarze Konten oder auch legale Fraktionszuschüsse. Diese Meldungen werden anders wahrgenommen als noch vor fünf, sechs Jahren. Sie werden anders wahrgenommen, weil die Politik selbst Verzicht und Reduzierung von Leistungen propagiert. Es entsteht nicht selten der Eindruck, auch bei der neuen Fraktionsbildung: Was unten eingespart wird, wird oben verschleudert. Das ist ein kreuzgefährlicher Eindruck, den alle vermeiden sollten.
Vor diesem Hintergrund haben wir im Vergleich zu 1995 tatsächlich eine neue Situation. Auch damals ist darüber schon diskutiert worden, aber bei weitem nicht mit dieser Stringenz.
Die Fraktion der PDS wird in dieser Frage trotzdem keine einheitliche Position formulieren. Das wird auch nach allen Diskussionen dazu so bleiben. Es gibt bei uns diejenigen, die vor allen Dingen die Rechte der Abgeordneten in Gefahr sehen. Es gibt allerdings auch diejenigen, die die Priorität auf die andere Seite legen und sagen, daß man auch für die Öffentlichkeit nachvollziehbar etwas dagegen tun müsse.
Unabhängig von diesen Dingen haben wir noch die Schwierigkeiten, die sich aus der verfassungsrechtlichen Situation ergeben. Diese sind bei uns in der Fraktion fast noch stringenter definiert worden als die inhaltlichen.
Wir haben das Problem, daß für die Fraktionsbildung in der Verfassung nur ein Kriterium vorgesehen ist, die Zahl von fünf Mitgliedern. Es wird schwierig, außerhalb
der Verfassung weitere Kriterien zu definieren. Das große Problem, das wir dabei sehen, ist: Wie kann ich ausschließen, daß die politische Mehrheit im Landtag, die aus den politischen Konkurrenten derjenigen besteht, die eine neue Fraktion bilden, vielleicht aus ganz anderen Beweggründen handelt als nach einer abstrakten Definition von Homogenität. Dieses Problem bleibt bestehen.
Ein letzter Satz dazu. Gerade weil dieses Problem bestehen bleibt und man es nicht wegdiskutieren wird, ist die Auffassung einiger Abgeordneter in der Fraktion, ob man nicht, wenn die Neubildung einer Fraktion überhaupt begrenzt werden soll, ein ganz stringentes und formales Verfahren wählt. Dies würde darauf hinauslaufen, nur Fraktionen zuzulassen, die mit einem gemeinsamen Wahlvorschlag, mit einer gemeinsamen Liste diese Legitimation direkt vom Wähler erhalten haben. Das ist auch schwierig, das ist auch ziemlich umstritten. Damit würden wir aber zumindest die Frage der Definition der Kriterien umgehen. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden über das, was Sie jetzt vernehmen werden, verwundert sein.
(Frau Fischer, Leuna, SPD: Immer! Immer! - Herr Metke, SPD: Bei Ihnen wundert uns gar nichts mehr! - Weitere Zurufe von der SPD)
Der Ansatz des Antrages wird durchaus als berechtigt angesehen, was sich aus folgenden zwei Punkten ergibt: Der Zersplitterung des Parlamentes muß entgegengetreten werden. Der Steuerzahler soll nicht zusätzlich belastet werden. Das als Grundlage.